Neurose oder Liebe?

„Wenn Du mich nicht liebst, liebe ich Dich“
Des öfteren ist mir ein solches Beziehungsmuster begegnet und ich war amüsiert darüber, bis zu jenem Tag…
Kurze, schöne, Hoffnung spendende Momente gefolgt von verletzenden Spielchen.

Das Muster:
Der eine verletzt den anderen, sobald er seinen Fehler einsieht, wird er auf eine ähnliche Art und Weise „zurückverletzt“
Ein ewiges hin und her, welches viel Zeit und Energie raubt.
Trennungsversuche arten in den beschriebenen Spielchen aus.
Man kann nicht mit und meint auch nicht ohne den anderen zu können.

Lassen sich solche Partnerschaften noch unter „Liebe“ subsumieren?

Sind es pure Neurosen?

Was hält sie beisammen?(Kampfeifer?)

Existiert ein "Heilmittel"dagegen?

Beziehungsspiele

Hi,

die Andeutungen, die du machst, sind zu vielfältig und zu diffus, um sehen zu können, was genau du meinst. Aber dein erstes Thema

„Wenn Du mich nicht liebst, liebe ich Dich“

ist ein so elementares Salzkorn in so vielen Beziehungen, daß es den Partnern meistens gar nicht auffällt. Und doch kann es sich zugleich leicht als Sprengstoff auswirken.

Dean C. Delis behandelt das übrigens als Hauptthema in seinem beinahe gleichnamigen Buch „Ich lieb dich nicht, wenn du mich liebst. Nähe und Distanz in Liebesbeziehungen“ mit sehr vielen Einzelbeispielen.
ISBN 3548366554 Buch anschauen
Der Originaltitel „The Passion Paradox“ sagt es noch kompakter.

Dabei geht es vor allem um die Dramatik, wenn die Intensitäten der Gefühle für den anderen bei den Partnern nicht im Gleichgewicht sind. Der eine Partner gibt mehr Zuneigungs-Signale als der andere - und der andere fühlt sich davon überflutet. Oder:
Der eine Partner hat einen größeren Bedarf an Zuneigungs-Signalen - und der andere fühlt sich dadurch unter Druck gesetzt.

Beides ist Explosivstoff. Aber das ist noch die harmlosere Variante dieses Typs von Beziehungskonflikten. Heftiger - und dann tatsächlich mit neurotischen Komponenten versehen - ist es, wenn einer von beiden genau dann einen Rückzieher macht (oder in eine emotionale Katatonie verfällt), wenn ihm vom anderen im subjektiv als übertrieben empfundenen Maß Leidenschaft entgegengebracht wird.

Der „Mechanismus“ ist klar dann: Wenn der Partner den anderen überschüttet, ist für die eigenen aktiven Gefühlsäußerungen kein Spielraum mehr. Er wird zur Passivität gezwungen und die Leidenschaft bleibt auf der Strecke. „Ich liebe ihn/sie, aber er/sie läßt mir keine Luft mehr“ ist der typische sprachliche Ausdruck dafür.

Des öfteren ist mir ein solches Beziehungsmuster begegnet und
ich war amüsiert darüber, bis zu jenem Tag…

Daß es dich amüsiert hat, bringt einen dann allerdings zum Nachdenken. Wenn „an sich“ beiderseits Leidenschaft vorhanden ist, die des einen aber in ihrem Ausdruck erstickt wird, ist das meist der Exitus der Gefühle. Oft genug zeigt gerade dann der erstickende Partner, wenn der andere sich notgedrungen zurückzieht, grenzüberschreitendes Verhalten - in Form von Aggression, Racheakten, emotionale Erpressung, Stalking usw. Das ist gar nicht zum Lachen.

Kurze, schöne, Hoffnung spendende Momente gefolgt von
verletzenden Spielchen.

Ja und hier scheinst du wiederum von ganz anderen „Spielchen“ zu reden, die mit deinem ersten Thema nichts zu tun haben. Nur, daß es offenbar auch hier um eine Unfähigkeit der Nähe-Distanz-Regulierung geht.

Das Muster:
Der eine verletzt den anderen, sobald er seinen Fehler
einsieht, wird er auf eine ähnliche Art und Weise
„zurückverletzt“

Es gibt natürlich Beziehungen, in denen mindestens einer extreme narzißtische Eigenschaften zeigt (siehe FAQ:920). Dann könnte hinter deiner rudimentären Andeutung eine Art Rache vermutet werden. „Ich verzeih dir nicht, daß du mich auf einen Fehler hingewiesen hast“

Aber es kann ja auch etwas ganz anders hier eine Rolle spielen: A ist für B schlichtweg unerträglich, unausstehlich (und sei es nur in der einen oder anderen Hinsicht). B hat aber soviel Format und Frustrationstoleranz, daß er sich mit Kritik zurückhält, allein schon, um die Beziehung lebbar zu erhalten

Wenn A dann aber dieselbe Eigenschaft resp. Fähigkeit nicht mitbringt und an B endlose Nörgeleien abläßt, wird für B in Folge ebenfalls die Zurückhaltung obsolet - und aus der Beziehung wird ein privater Krieg.

Dann liegt die Misere aber an A und nicht an B.

Ein ewiges hin und her, welches viel Zeit und Energie raubt.

Ja. Aber es ist, wie gesagt, dann nicht eindeutig, wem da die destruktiven Eigenschaften zuzuordnen sind.

Lassen sich solche Partnerschaften noch unter „Liebe“ subsumieren?

Geht es dir nur um die Frage der Begriffsbestimmung?

Ob Liebe in einer solchen Kampfbeziehungen eine Rolle spielt, kannst du nur von den Partnern selbst erfahren. Und dann kommt es noch darauf an, was beide jeweils damit meinen. „Ich liebe dich“ ist manchmal eine Leerformel, in der eine unendliche Menge von äußerst differenten Beziehungs-Phantasien verborgen sein kann. Meist den Partnern noch nicht einmal bewußt.

Ob aber eine Partnerschaft dennoch bestehen bleibt bzw. aufrecht erhalten wird, hängt davon nicht im Geringsten ab.

Sind es pure Neurosen?

Was eine „pure“ Neurose ist, weiß ich nicht. Neurotizismen können hier bei beiden Partnern vorliegen, wie oben angedeutet. Ich weiß nicht, wieweit du mit dem Begriff „Neurose“ vertraut bist, von daher kann man nicht so recht einschätzen, wie deine Frage gemeint ist. Nicht jede Beziehungsunfähigkeit und nicht jedes miserlable Verhalten in Partnerschaften hat etwas mit „Neurose“ zu tun.

Und bei wem von beiden das Problem vorliegt, läßt sich aus deinen Andeutungen nicht entnehmen. Es läßt sich nur entnehmen, daß dir aktuell irgendetwas auf den Nerv geht.

Leider kann man aber nicht a priori sagen, daß der, dem etwas in einer Beziehung auf den Nerv geht, auch der beziehungsfähigere von beiden ist.

Was hält sie beisammen?(Kampfeifer?)

Um das zu beantworten, wäre ein langes Studium von Beziehungsstrukturen nötig. „Kampfeifer“ erklärt gar nichts, das wäre Stammtischjargon.

Wenn dir die Frage sehr wichtig ist, wäre zur Einführung zu empfehlen:
Jürg Willi: Was hält Paare zusammen
ISBN 3499605082 Buch anschauen

Existiert ein "Heilmittel"dagegen?

Ja. Beziehungsberatung, Paartherapie - falls nicht einer diese Eigenschaften von einer Beziehung in die nächste mitschleppt.

Gruß

Metapher

Einer wird gewinnen.
Hallo Shoshana,

Ein ewiges hin und her, welches viel Zeit und Energie raubt.

zu diesen Spielchen, diesem ewigen hin und her, gehören aber immer zwei mehr oder weniger intelligente Spieler.
Wenn es nur noch um Gewinnen oder Verlieren geht, wenn die Suche nach der richtigen Strategie jede Kooperation unmöglich macht und das Hauptaugenmerk beiderseits auf Vergeltung liegt, ist das das Ende der Freundschaft, das Ende des gegenseitigen Respekts.

Lassen sich solche Partnerschaften noch unter „Liebe“ subsumieren?

Prüfst du hier den Tatbestand oder die Rechtsfolge?

Existiert ein "Heilmittel"dagegen?

Ja: reden, zuhören, lernen, verstehen; das Akzeptieren unterschiedlicher Wünsche und Ziele, eine gesunde Mischung von Durchsetzung des eigenen Willens und Zugeständnis; eine Sprache, die der andere versteht und eine, die ihm nicht das Gefühl vermittelt, unterlegen zu sein.

Schwierig?

Gruß
Birgit

Prüfst du hier den Tatbestand oder die Rechtsfolge?

Den subjektiven Tatbestand :wink:

reden, zuhören, lernen, verstehen; das Akzeptieren
unterschiedlicher Wünsche und Ziele, eine gesunde Mischung von
Durchsetzung des eigenen Willens und Zugeständnis; eine
Sprache, die der andere versteht und eine, die ihm nicht das
Gefühl vermittelt, unterlegen zu sein.

Schwierig?

Ja sehr! Vor allem in der Praxis, in der man des öfteren im Affekt handelt und erst hinterher zu denken beginnt.
Auch die gesunde Mischung ist, wenn es um Emotionen geht schwer zu „portionieren“…
Trotzdem(oder gerade deswegen) gut, auf diese Aspekte hingewiesen zu werden!

Viele Grüße