Verteidigung
Ich fühle mich genötigt, mich zu rechtfertigen, zumal sonst auch bei anderen Usern ein ganz falscher Eindruck über mich entstehen könnte.
1. Die Übernahme von Textstellen
Zunächst einmal ist das Posting, um das es hier geht (11.6.2011, 19:32 Uhr), offensichtlich von mir selbst verfasst. Richtig ist nur, dass ich Definitionen aus Kommentierungen übernommen habe. Das ist absolut üblich, sowohl in der juristischen Ausbildung als auch in der juristischen Praxis. Man übernimmt Textstellen und passt sie dem konkreten Sachverhalt an, indem man einzelne Formulierungen ändert, streicht und/oder ergänzt. Niemand käme auf die Idee, stets alle Tatbestandsmerkmale und sonstigen Begriffe ganz neu zu definieren. Das wäre nicht nur unnötig, sondern sogar falsch, denn die allgemein anerkannten Definitionen sind ja mehr oder weniger verbindlich, zumindest aber zu berücksichtigen (wer das Gesetz von den herrschenden Ansichten abweichend auslegen möchte, muss sich mit den herrschenden Ansichten auseinandersetzen).
Deine Kritik klingt, als hätte ich komplette Passagen einfach nur übernommen, um mich mit fremden Federn zu schmücken. Der Vergleich meines Textes mit der von mir nicht zitierten Quelle BeckOK BGB § 228 Rn. 4 (Stand: 01.03.2011) ergibt aber ein anderes Bild.
In der Quelle heißt es:
„Es muss eine drohende Gefahr vorliegen, also ein Zustand, der aus objektiver Sicht ex ante den Eintritt eines Schadens nicht nur als möglich, sondern als nahe liegend erscheinen lässt (BGHSt 18, 271, 272; 19, 371, 373; 22, 341, 345 zu §§ 315, 315a StGB aF; diff Schönke/Schröder § 34 StGB Rn 12 ff; zur nicht einheitlichen Begriffsbildung der Rechtsordnung vgl Zieschang JA 2006, 1); genügend ist damit ein gegenüber der gegenwärtigen Gefahr iS § 904; § 34 StGB verminderter Wahrscheinlichkeitsgrad (Soergel/Fahse Rn 12; Staudinger/Repgen Rn 13; Erb JuS 2010, 17, 19: Art 14 Abs 2 GG).“
Mein Text lautet insoweit:
„Die drohende Gefahr ist ein Zustand, der aus objektiver Sicht ex ante den Eintritt eines Schadens nicht nur als möglich, sondern als nahe liegend erscheinen lässt (BGHSt 18, 271; 19, 371; 22, 341, 345 zu §§ 315, 315a StGB a.F.).“
Übereinstimmung:
„ein Zustand, der aus objektiver Sicht ex ante den Eintritt eines Schadens nicht nur als möglich, sondern als nahe liegend erscheinen lässt (BGHSt 18, 271; 19, 371; 22, 341, 345 zu §§ 315, 315a StGB a.F.)“
Die Quellenangaben habe ich dabei gekürzt. Das ist alles! Nur das habe ich direkt und unverändert übernommen!
Es fiele mir leicht, das so umzuformulieren, dass man nicht einmal dann merkt, welche Quelle ich verwendet habe, wenn man diese vor sich liegen hat. Gerade weil ich aber keineswegs suggerieren will, mir jede Definitin selbst ausgedacht zu haben, sehe ich darin keinen Sinn. Ich halte die Übernahme der Formulierung hier für absolut sauber. Sie fügt sich durch meine Änderungen harmonisch und verständlich in das Posting ein.
2. Quellenangabe
Auch ist der Vorwurf der fehlenden Quellenangabe nicht gerechtfertigt. Ich habe sehr wohl Quellen angegeben, nämlich die BGH-Entscheidungen. Ich halte es sehr oft so, dass ich, wenn eine zweite Quelle sich auf eine erste beruft, lieber die erste zitiere. Denn die zweite Quelle ist ja eben nicht Ursprung der Formulierung, sondern gibt nur andere Autoren wieder, dupliziert also nur. Für mich liegt es nahe, die „eigentliche“ Quelle zu zitieren, und das sind vorliegend nun einmal die genannten BGH-Entscheidungen. Die übernommene Formulierung
„ein Zustand, der aus objektiver Sicht ex ante den Eintritt eines Schadens nicht nur als möglich, sondern als nahe liegend erscheinen lässt“
ist nun auch kein sprachliches Meisterwerk. Ich wollte also nachweislich keine besondere rechtswissenschaftliche oder sprachliche Leistung als eigene verkaufen. Ich ärgere mich auch weniger darüber, dass ich statt BeckOK nur den BGH angeführt habe, als vielmehr darüber, dass ich die Definition nicht etwas umformuliert habe, so dass der in aufgeregten Plagiatszeiten, der Ära Guttenberg, schnell entstehende Gedanke, ich könne geistiges Eigentum stehlen, gar nicht aufkommen kann.
Nur in der Promotion werde ich noch einmal lieber zehn Quellen zu viele angeben als eine zu wenig, weil ich hier jedes Missverständnis im Keim ersticken will. Ansonsten finde ich ehrlich gesagt, dass ich nicht nur den Text angemessen verwertet, sondern auch ordentliche Quellenangaben beigefügt habe.
Man möge auch bedenken, um welche Textstelle es geht: 22 Wörter einer Definition! Der Rest ist entweder ganz von mir oder ebenfalls mit Quellenangabe, insbesondere MüKo, was auch wieder verdeutlicht, dass ich nicht suggerieren wollte, mir das alles selbst ausgedacht zu haben. Auch die MüKo-Formulierung habe ich aber angepasst.
Das Original lautet:
„Gefahrdrohend muss die beschädigte oder zerstörte Sache gewesen sein (s. RdNr. 1); auf welche Weise die Gefahr entstanden ist, ob durch Bewegung oder den bloßen (geänderten oder gleich bleibenden) Zustand der Sache, spielt dabei keine Rolle. Gegenwärtig braucht die Gefahr im Gegensatz zur Notwehr (§ 227 Abs. 2) und zum Angriffsnotstand (§ 904 S. 1) nicht zu sein. Durch den Begriff „drohend“ wird andererseits die unbestimmte Möglichkeit eines künftigen Schadenseintritts ausgeschlossen. Es bedarf einer auf tatsächliche Umstände gegründeten Wahrscheinlichkeit eines schädigenden Ereignisses.“
Ich habe gepostet:
„Auf welche Weise die Gefahr entstanden ist, spielt für die Erlaubnis keine Rolle (wohl aber für die Frage des Schadensersatzes, vgl. § 228 S. 2 BGB). Durch den Begriff „drohend“ wird die nur unbestimmte Möglichkeit eines künftigen Schadenseintritts ausgeschlossen. Es bedarf einer auf tatsächliche Umstände gegründeten Wahrscheinlichkeit eines schädigenden Ereignisses. (MüKo BGB, 5. Aufl. 2006, § 228 Rn. 7)“
Übereinstimmung:
„Auf welche Weise die Gefahr entstanden ist, spielt … keine Rolle. … Durch den Begriff ‚drohend‘ wird die … nur unbestimmte Möglichkeit eines künftigen Schadenseintritts ausgeschlossen. Es bedarf einer auf tatsächliche Umstände gegründeten Wahrscheinlichkeit eines schädigenden Ereignisses.“
Ich habe hier einerseits Teile entfernt (z.B. „ob durch Bewegung oder den bloßen (geänderten oder gleich bleibenden) Zustand der Sache“), und andere ergänzt (z.B. „(wohl aber für die Frage des Schadensersatzes, vgl. § 228 S. 2 BGB)“. Es handelt sich also nicht um die blinde Übernahme von Texten. Ich habe vielmehr genau überlegt, was wie zu ändern ist, damit es in den Kontext passt.
Und vor allem: Ich habe MüKo als Quelle angeben, mit Paragraf und Randnummer. Dabei ist es kein Zufall, dass die Quellenangabe in diesem Fall nicht vor dem Punkt steht, sondern dahinter. Damit soll verdeutlicht werden, dass sich diese Quellenangabe nicht nur auf den letzten Satz bezieht. Ob das nun wissenschaftlich korrektes Zitieren ist, stehe dahin, aber ich versichere dir, dass dies der Grund für meine Entscheidung war, die Quelle hinter den Punkt zu setzen. Also auch hier: kein Täuschungsversuch.
3. Die BGH-Entscheidungen als Quelle
Es liegt mir nichts daran, die BGH-Entscheidungen als hier zulässige Quellen zu begreifen. Man kann deine Ansicht durchaus teilen, dass aus der einen Definition nicht auf die andere geschlossen werden kann.
Aber du suggerierst damit m.E. auch etwas, das so nicht stimmt. Es hat ja niemand gesagt und wohl auch niemand gemeint, die Definition in § 228 BGB sei deswegen soundso, weil sie auch in §§ 315 ff. StGB so sei. Man sagt lediglich, dass diese Definition (gleichsam zufällig) auch hier passt, und dann ist es doch gut und richtig, trotzdem die Quelle anzugeben, mag sich diese auch auf die §§ 315 ff. StGB beziehen.
Du hast mir indirekt zu verstehen gegeben, ich würde diese Quellen nicht genannt haben, wenn ich sie doch nur einmal gelesen hätte. Woher willst du wissen, ob ich sie gelesen habe, und woher willst du wissen, was ich über sie denken müsste und würde, wenn ich sie läse? Der BeckOK-Kommentar RiOLG Dennhardt ist der Ansicht, dass die BGH-Urteile herangezogen werden können. Der Palandt-Kommentator Prof. Dr. Heinrichs ist offenbar derselben Ansicht, denn auch er zitiert die erste der genannten BGH-Entscheidungen (Palandt, BGB, Kommentar, 62. Aufl. 2003, § 228 Rn. 4).
Ich will mich nicht auf „Autoritäten“ berufen, um dir aufzuzeigen, dass du falsch liegst. Angesichts dieser Quellenlage, insbesondere auch was Heinrichs angeht, halte ich es jedoch für wenigstens vertretbar, sich auf BGHSt 18, 271 zu berufen. Du darfst das i.E. gern anders sehen, und ich bin in dieser Frage auch völlig leidenschaftslos. Aber eine unumstößliche Wahrheit ist die Annahme nicht, dass die BGH-Entscheidungen nicht passen.