Ich staune, Fritz …
Hallo,
sonst kenne ich dich eigentlich als sehr gewissenhaften und nachdenklichen Menschen. Nur bei Hegel scheinst du - wie viele - diese Sorgfalt vermissen zu lassen.
Hegels System als Hirnakrobatik ganz unterhaltsam sein mag und
man als gewiefter hegelianischer Glasperlenspieler daran viel
Vergnügen hat.
Stell dir einmal vor, man würde Goethes Faust oder ein Werk von Thomas Mann oder ein anderes Werk, das du liebst, weil du seinen Wert erkennst (!), mit einem Comic vergleichen. Ich denke, du würdest an die Decke gehen. Wenn nicht, dann könnte man vielleicht darüber reden, dass man Hegel natürlich als Comic und also zur Belustigung lesen kann, aber das würde selbstverständlich ebensowenig den Unwert Hegels beweisen, wie dies Vorgehen den Unwert von Goethe oder Thomas Mann beweisen würde. Stimmst du zu?
So ganz willkürlich habe ich den Text nicht gewählt. Es war
der Lachkrampf, den ich damals hatte, als ich das las.
Es geht mir bei vielen Texten nicht nur Hegels ebenso. Und da ich nicht - wie Metapher - ausgewiesener Hegelexperte bin, muss ich mich manchmal damit zufriedengeben, dass mir gewisse Inhalte eben möglicherweise verschlossen bleiben, was aber auf der anderen Seite nicht besagt, dass sie nicht bestehen.
Ich muss auch hüsteln bei dieser Rauchentwicklung hier und
möchte über die Mengen des gebrauchten und verbrauchten
Weihrauch nicht reden.
Ich verstehe nicht ganz, was du damit meinst, aber Hegel soll selbstverständlich nicht erfürchtig gelesen werden, ebenso wie jeder andere Philosoph das nicht verdient hat. Man soll Philosophen kritisch lesen, und das bedeutet natürlich auch, dass man sie nicht zum Gespött macht, weil sie das ja eh schon oft - zu Unrecht - sind.
Bei Hegel kann davon nicht die Rede sein. Das ist
Wortgeklingel, Spinnerei, um schlimmere Attribute wie
Scharlatanerie mal wegzulassen.
Das liegt zumindest zum Teil an der Abstraktionsebene, denke ich. Bestimmte Inhalte kann man eben nicht konkret ausdrücken, wo ist das Problem? Aber deswegen, weil man es nicht versteht, ist es noch lange kein leeres Gerede. (Ein anderer Fall liegt vor, wenn man nachweislich etwas falsch versteht, es dann aber mit Vehemenz verteidigt, aber darauf will ich hier nicht weiter eingehen, weil es dich nicht betrifft und die, die es betrifft, es nicht einsehen (wollen).)
Eben! Poesie, schöngeistiges Geschwiemel!
An gewissen Stellen habe ich auch so ein Gefühl, eben weil mir der Inhalt verborgen ist (vielleicht auch bleibt), aber das berechtigt mich nicht zu der Annahme oder gar der Behauptung, es handele sich nur um Poesie. Ich habe durchaus den Eindruck, dass der von dir genannte Beginn mit dem „Sein“ und dem „Nichts“ verstehbar ist, ich meine auch selbst, das zu verstehen, aber es ist schwer, das, was ich zu verstehen meine, in andere als die Hegelschen Worte zu kleiden. Mein Doktorvater war Physiker und konnte mit Hegel überhaupt nichts anfangen. Aber er hat im Gespräch mit mir immerhin den einen oder anderen Zweifel an seiner eigenen Abneigung laut werden lassen, auch wenn er sich nicht gänzlich dazu durchringen konnte, Hegel ernst zu nehmen. Aber es ist eben zweierlei, ob man etwas versteht oder ob man es als (möglicherweise) verstehbar respektiert.
Dennoch hat die Schrödingergleichung was mit unserer Welt zu
tun, Hegels System nicht. Das zeigt sich da am besten, wo er
sein System den irdischen Dingen überstülpt!
Hier zeigt sich meines Erachtens genauer, wo dein Problem mit Hegel sich manifestiert. Du vermisst den Wirklichkeitsbezug. Aber da Hegel die formalen (und eben nicht die inhaltlichen) Gegebenheiten der Welt aufweisen will, also eigentlich diese „Welt“ erst konstituieren möchte, kann man ihm auch nicht vorwerfen, dass sie zu der „Welt“, die wir uns als neuzeitlich gelernte Empiriker zurechtgelegt haben, so eben einfach mal „passen“.
Wie Hegel am Anfang der „Wissenschaft der Logik“ von „Sein“
zum „Nichts“ hüpft und zurück und beim Hüpfen das „Werden“
mitlaufen lääst und aus der dreifach gefalteten Wundertüte das
„Dasein“ hervorzaubert! Das kann man nachbeten, als Choral
singen, Bücher drüber schreiben, aber damit hat sichs!
Es gibt noch einen dritten Weg, nämlich den, dass man sich nicht von den Kantischen Begriffen leiten lässt, die sich eben vor allem im Kontext von Empirie bewegen, sondern versucht, diese Einheit auf oberster Ebene zu begreifen. Denn - so meine ich Hegel zu verstehen - wenn Sein aller seiner Bestimmungen beraubt der allgemeinste Begriff ist, dann ist er vielleicht auch erst einmal „Nichts“ und wird erst - nämlich eben im Werden - zu einem „Etwas“. Ich sehe da eine gewisse - wenn auch eben wie gesagt für mich schwer ausdrückbare - Richtigkeit im Ansatz.
Wenn das Ding an sich nicht erkant werden kann, muss
es erhegelt werden.
Und wer es nicht erhegelt, der muss dann heideggern, jaja, so ist das eben …
Herzliche Grüße (und nichts für ungut, mir steht es fern, dir irgendetwas am Zeug flicken zu wollen)
Thomas