Was ist hässlich, was ist schön ?

Guten Abend,

die Abgrenzung zu o.g. Frage fällt mir schwer, schon allein deshalb, da unsere Vorstellungen von Hässlichkeit und Schönheit kulturell unterschiedlich geprägt sind.
Etwas ist schön, wenn es nicht hässlich ist.
Für ein Kunstprojekt interessiert mich folgende Frage:
Wie stellt sich der Begriff Hässlichkeit dar, wenn er für sich betrachtet wird ? Und:
Ist Hässlichkeit überhaupt ohne den Begriff ( Gegenpart ) Schönheit zu denken ?

Beste Grüsse,

texo

Moin,

Wie stellt sich der Begriff Hässlichkeit dar, wenn er für sich
betrachtet wird ?

gar nicht!
Es ist ein höchst individueller Begriff.
Für mich ist ein Bild von Pollock, Picasso, Francis Bacon, Munch oder Horst Janssen meist schön, ein poppig kitschiges Bild oft hässlich, aber es gibt Menschen zuhauf (und das ist ohne Wertung!), bei denen es genau umgekehrt ist.

Und:
Ist Hässlichkeit überhaupt ohne den Begriff ( Gegenpart )
Schönheit zu denken ?

Ich denke nein, aber auch das ist eine individuelle Sache.

Gandalf

Hallo,

Etwas ist schön, wenn es nicht hässlich ist.

Nicht unbedingt. Neutrale Zone gibt es auch, sozusagen der Gleichgewichtszustand.

Wie stellt sich der Begriff Hässlichkeit dar, wenn er für sich betrachtet wird ?

Als emotionales Empfinden in Form von „Ekel“. Das Gegenteil wäre in diesem Sinne „Begehren“. Dies kann man sowohl auf Objekte als auch Subjekte beziehen.

Ist Hässlichkeit überhaupt ohne den Begriff ( Gegenpart ) Schönheit zu denken ?

Ja. Wie gesagt, gehe es über die Empfindung an. Manche befinden alle Spinnen als hässlich, es gibt für sie keine „schönen“ Spinnen.

Sehr ähnlich, nicht nur vom Wort her, als Beispiel „Hass“. Gegensatz wäre „Liebe“. Hierbei handelt es sich jedoch eher um „Handlungen“ gegenüber anderen Beteiligten, während dein Beispiel als Merkmal „Attraktivität“ nicht von Handlungen begleitet wird, sondern nur als eigene Wahrnehmung und Empfindung für uns selbst besteht (Ekel vs. Begehren).

Franz

Hallo,

Etwas ist schön, wenn es nicht hässlich ist.

Könnte es dann nicht auch banal oder „normal“ sein?
Sind denn die Dinge (und Leute :o) ) die Du selbst als „nicht häßlich“ empfindest automatisch „schön“ für Dich?

Für ein Kunstprojekt interessiert mich folgende Frage:
Wie stellt sich der Begriff Hässlichkeit dar, wenn er für sich
betrachtet wird ?

Vielfältig:

  • als Kampfbegriff zur Abwertung
  • als Provokation
  • als Mitteilung eigener Empfindung
  • als Zustimmung zum herrschenden Urteil

Und:
Ist Hässlichkeit überhaupt ohne den Begriff ( Gegenpart )
Schönheit zu denken ?

In der Regel beziehen sich solche Begriffspaare immer auf die Relation zum Menschen. Sie benennen Grenzen. Und gerade deshalb sind die tatsächlichen Realisierungen dieser Begriffe stark subjektiv. Was für den einen Heiss ist für den anderen Kalt.

Grüße
K.

Grüße
K.

Mensch, Kunst und Ästhetik
Hi.

Ist Hässlichkeit überhaupt ohne den Begriff ( Gegenpart )Schönheit zu denken ?

Natürlich nicht, was ja für alle konträre Begriffe gilt (heiß-kalt, groß-klein usw.).

Die bisherigen Antworten entsprechen der modischen Tendenz unserer („postmodernen“) Zeit, das Thema möglichst relativ zu sehen, also kultur- oder subjektivitätsbedingt. Dieser relative Standpunkt macht es sich zu einfach, z.B. wenn er eher geringfügige Varianten des Geschmacks bereits als grundsätzliche Unterschiede wertet (genanntes Beispiel: gelb-orange Kleidung; außerdem kann man mit diesen Farbtönen durchaus Schönes produzieren). Das genannte Kitsch-Beispiel (hinduistische Kunst) hat mit Hässlichkeit gar nichts zu tun, Kitsch bedeutet eher: zu schön, um wahr zu sein. Ich denke, dass dieses Kitsch-Beispiel mehr auf Unverständnis des künstlerisch Intendierten als auf „Geschmack“ beruht, jedenfalls ist es kein gutes Beispiel.

Zur eigentlichen Frage:

Hässlichkeit kommt von Hassen, ganz klar. Das hat bisher gerade mal Franz angedeutet. Es ist das, was abstößt. Aber warum?

Im Falle der Ästhetik menschlicher Schönheit scheint mir die Sache klar zu sein: hier gilt als hässlich, was an Tiere erinnert. Wenn z.B. ein Gesicht in einer oder mehreren Hinsicht an die Gesichter/Köpfe von Tieren erinnert, ist es - in der Regel - (mehr oder weniger) hässlich. Bekanntlich belegt der Mensch andere Menschen, um sie zu erniedrigen, gerne mit Tiernamen (Du Ratte, du Schwein, Du Esel usw.). Das beweist, dass der Mensch das Tierische im Menschen hasst und verachtet. Wenn nun ein Gesicht an einen Esel, Affen, ein Kamel oder eine Gans erinnert, dann gilt es als unschön und ab einem gewissen Maße als hässlich.

Was die Schönheit eines Gesichts betrifft, so ist diese also im Prinzip die Abwesenheit von tierischen Aspekten. Niemand wird ein schönes Gesicht mit einem Tier vergleichen. Niemand wird sagen: „Oh, ihr Gesicht ist so schön wie das einer Antilope.“ Eher greift man zu Metaphern wie Engel oder Göttin, also Gestalten aus der (religiösen) Kunst, die ein Schönheitsideal bereits vorgeben (und zwar im Sinne der Abwesenheit des Tierischen).

Solche Wertungen gelten in der Regel unabhängig von ethnischer Zugehörigkeit. Ein Chinese ist sofort in der Lage, einen schönen (oder hässlichen) Europäer als solchen zu erkennen (und zwar in Übereinstimmung mit Europäern), ebenso wie umgekehrt ein Europäer in Übereinstimmung mit Chinesen ein schönen (oder hässlichen) Chinesen erkennt. Aus meinem intensiven Umgang mit Asiaten weiß ich das.

Eine gute Defintion der Schönheit des Menschengesichts gibt es in der Columbo-Episode „Selbstbildnis eines Mörders“: ein Gesicht ist dann schön, wenn es absolut durchschnittlich ist, wenn also alle Proportionen genau den Durchschnittswerten entsprechen, die sich ergäben, würde man alle Gesichter ausmessen.

Natürlich gibt es Ausnahmen, d.h. manches Individuum wird Menschen als schön (auch in erotischer Hinsicht) bewerten, welche die meisten anderen als hässlich empfinden. Das ist aber in der Regel krankhaft (Extremfall Nekrophilie). Daran ändert kein Relativismus etwas. Natürlich kann auch das Gesicht einer alten Frau/ eines alten Mannes als schön bezeichnet werden, aber doch nur in sehr relativer Hinsicht. Beweis: kein junger Mensch wäre bereit, sein Gesicht mit dem eines solchen alten Menschen einzutauschen.

Im Bereich der Kunst liegen die Dinge etwas komplizierter. Pollock und Picasso wurden genannt als Beispiele für Schönheits-Ästhetik, an der sich die Geister scheiden. Ich denke, das kann man so nicht sehen.

Keiner, der Pollock (aus Unverständnis) für einen Kunst-Barbaren hält, wird deshalb seine Malerei als „hässlich“ empfinden, sondern als chaotisch. Das ist etwas anderes.

Was Picasso betrifft, sollte man nicht päpstlicher sein als der Papst. Picasso war der Letzte, der auf „Schönheit“ pochte. Es ging ihm viel mehr um das Wahre. Wenn nun jemand seine kubistischen Porträts als hässlich wahrnimmt, warum nicht? Sie sind hässlich. Aber darum geht es hier nicht, denn sie sind Einblicke in eine andere (auch ästhetische) Dimension. Niemand - auch kein Fan - wird dabei ernsthaft von Schönheit sprechen können. Damit hätte man Picasso missverstanden.

Chan

Hallo!

Schön ist, was angenehm und attraktiv wirkt. Hässlich ist alles was Aversionen (Angst, Ablehnung, Ekel, …) weckt.

Nun kann man natürlich weiter fragen: Warum ist etwas „angenehm“ oder „attraktiv“? Da gibt es mehrere Komponenten. Angeboren ist sicherlich ein gewisses „Harmonie“-Bedürfnis. In den bildenden Künsten ist der goldene Schnitt ein Maß für harmonische Komposition. Auch Symmetrie fällt mir da ein. In der Musik ist es noch selbstverständlicher, was damit gemeint ist. Je nach kulturell erworbenem Schönheitsideal können diese Harmonien jedoch mehr oder weniger gebrochen sein: Der Blues verwendet ganz bewusst Disharmonien. Er ist (wenn man nicht entsprechend sozialisiert ist) nicht auf Anhieb verstehbar. Für solche gebrochenen Harmonien fallen mir schneller Beispiel ein, als ich schreiben kann: Ein Roquefort-Käse schmeckt alles andere als „angenehm“, Picasso wurde schon erwähnt, ein Jimi-Hendrix-Gitarrensolo taugt nicht als Gutenachtlied für Kleinkinder, in englischen Parkanlagen taucht auch immer ein bisschen „Wildnis“ auf, … usw. Anscheinend muss etwas nicht nur harmonisch sein, sondern auch gewisse Reize setzen, damit wir aufmerksam werden und es als „schön“ empfinden können. Sonst ist es für uns nur langweilig (was meiner Meinung nach das wirkliche Gegenteil von „schön“ ist).

Das Maß, wie sehr eine Harmonie gebrochen sein darf, damit es als „schön“ empfunden wird, ist größtenteils kulturell bedingt. Ein Musiker sagte mir mal, dass für einen Menschen zu Bachs Zeiten eine Quart ähnlich disharmonisch geklungen haben muss, wie heute für uns vielleicht eine Septime. Vielleicht werden viele Künstler gerade deswegen erst nach ihrem Tod berühmt: Weil erst dann die Gesellschaft fähig ist, das als „schön“ zu empfinden, was sie erdacht haben.

Hässlichkeit ist für mich deshalb auch nicht das exakte Gegenteil von Schönheit.

Michael

Hallo!

Im Falle der Ästhetik menschlicher Schönheit scheint mir die
Sache klar zu sein: hier gilt als hässlich, was an Tiere
erinnert.

Ich würde den Spieß umdrehen: Bei der Beurteilung, wie „liebenswert“ ein Tier ist, geht es vor allem darum, wie nahe es uns Menschen steht. Ohne über diese biologische Frage je nachgedacht zu haben, finden wir Säugetiere sympatischer als Reptilien und Vögel, weil sie Haare haben wie wir. Wir finden Reptilien, Amphibien und Vögel sympathischer als Fische, weil sie zwei Beine und zwei Arme haben wie wir. (Schlangen sind uns vielleicht gerade deswegen so sehr unsympathisch). Würmer, Quallen und Schnecken sind uns besonders unsympathisch, weil sie anscheinend so gar nichts mit uns Menschen gemein haben.

Wenn z.B. ein Gesicht in einer oder mehreren
Hinsicht an die Gesichter/Köpfe von Tieren erinnert, ist es -
in der Regel - (mehr oder weniger) hässlich.

… was jedoch nicht an den Nähe zu den Tieren liegt, sondern daran, dass es von der menschlichen Norm abweicht.

Michael

1 Like

Hallo,

vielen Dank für Euere interessanten Artikel.
Durch die neuen Betrachtungsweisen zu meinem Thema erkenne ich, dass sich hinter manchen Ähnlichkeiten doch Unterschiede verbergen.

Beste Grüsse,

texo

Für ein Kunstprojekt

ein gutes kompendium, die bände von umberto eco: ISBN 3423343699 Buch anschauen + ISBN 3446209395 Buch anschauen

gruß,
alex’

Nachgefragt
Hallo,

um welche Art Kunstprojekt handelt es sich eigentlich? Ausstellung? Liveperformance? Oder was denn?

Ich habe gestern/vorgestern(?) eine Sendung gesehen. Dicke, naja…, fette Frauen, die sich zu einer Tanzgruppe zusammengefunden haben. Unter Anleitung teils zu klassischer oder folkloristischer Musik tanzen. Die Frauen an sich fallen in meine Kategorie „nicht begehrenswert“, die Art wie sie tanzten und sich bewegten hatte dagegen tatsächlich etwas „ästhetisches“.

Daher die Nachfrage.

Franz

Hallo Franz,

vielen Dank für Dein Interesse. Inspiriert durch Stephan Hessel’s „Recht auf Empörung“, versuche ich, die gesellschaftlichen Fehlentwicklungen in Europa fotografisch zu gestalten.
Obwohl wir in einer Art Truman-Show leben, kann man immer noch den unerhörten Augenblick suchen:
einen Moment, in dem die persönliche Vorstellung und das tatsächlich Sichtbare kulminieren und zu etwas Neuem werden. Die menschliche Existenz als Grenzsituation zwischen Leben und Tod.

Gruss,

texo

Schöner Protagoras, hässlicher Sokrates?
Guten Morgen!

(Bei mir ist es eine Stunde früher als in Old Germany!) Bezüglich der Frage, was ist hässlich und schön, ist das nicht nur ausschließlich rein sprachlich zu kategorisieren. Ich glaube nicht nur ausschließlich, wie die klassische Schulphilosophie, an die einzige und absolute „Wahrheit“ des „linguistic turns“, sondern an einen Realismus, auf den die Sprache aus subjektiven und intersubjektiven Interessen(!) hinweist als Mittel zum Zweck, für eine „Meinung“ einer willendlichen Aussage, wie das seinerzeit schon Protagoras erkannte, denn wenn ich zu meiner Isebill beim gemeinsamen Frühstück sage: „Bitte reiche mir die Butter rüber!“ ist das eine auf meine Bedürfnisse abzielende EIGENE Sprache als Absicht (vgl. den Begriff Intentionalität).

Das ist ein wichtiger Unterschied zur klassischen Schulphilosophie. Deshalb stimme ich auch dem Harvard-Psychologen Prof. Steven Pinker zu, wenn er von einem „Sprachinstinkt“ ausgeht in seiner Linguistik. Die Sprache hat entweder einen individuellen oder kollektiven Zweck, die Sprache ist aber immer aus meiner Sicht subjektiv POLITISCH(!) motiviert. Und das geht auch gar nicht anders, wenn man den Menschen als ein politisch handelndes Tier ansieht, das für seine Interessen eintritt.

Die willendliche Aussage, was hässlich und was schön ist, bezieht sich aus meiner Sicht also auf ein real existierendes Bedürfnis, das man nur aus der Grundanschauung der menschlichen Natur auf das reale Leben bezogen verstehen kann, wonach Hunger und Durst auch ohne Sprache existieren und die Sprache einen bestimmten realen Zweck erfüllt zur Bedürfnisbefriedigung. So ist es meines Erachtens auch mit dem ästhetischen Empfinden als einem zutieft menschlichem Bedürfnis. Protagoras würde ich zum Beispiel deshalb spontan in seinen mittleren Jahren als schön (interessant!) bezeichnen, Sokrates als hässlich (siehe unter Google-Bilder den Unterschied dieser beiden Philosophen).

CJW