Whitehead - Zeitquanten

Hallo Experten,

ich lese gerade das Buch „Ich denke, aber bin ich?“ von Michael Hauskeller. Nachdem im 12. Kapitel das Paradoxon von Achilles und der Schildkröte erörtert wird, wird im 13. Kapitel eine „Theorie der epochalen Zeit“ von Whitehead vorgestellt, in der es darum geht, daß man sich die Zeit nicht als unendlich teilbar sondern als aus Zeitquanten zusammengesetzt vorstellen soll. Diese Zeitquanten lassen sich zeitlich nicht weiter zergliedern und ermöglichen eine Überbrückung des Raums in einem einzigen Akt. Mit Hilfe solcher Zeitquanten ließe sich erklären, wie Achilles die Schildkröte überholen kann, behauptet der Autor, erläutert dies aber nicht weiter.
Kann mir dazu jemand eine Erklärung geben oder eine (bevorzugt deutschsprachige) Seite zum Thema empfehlen?

Gruß, Nick

Hallo Nick

Das Paradoxon von Achilles und der Schildkroete laesst sich
aufloesen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Achilles_und_die_Schild…

Was der Autor deines Buches moeglicherweise meint ist:
Die Zeit, die A und S bei konstanter Relativgeschwindigkeit trennt,
verringert sich immer weiter bis es - bei Annahme von Zeitquanten -
nicht mehr geht und A einen „Sprung“ machen muss (d.h. einen
Zeitquant und damit wegen s=v*t einen Raumsprung hinzufuegen muss),
mit dem er S ueberholt.

Gruss, Tychi

Hallo Tychi,

ich weiß, daß sich das Paradoxon auflösen läßt, wenn man nicht nur den Raum sondern auch die Zeit als unendlich teilbar annimmt. Darum irritiert mich ja auch die Behauptung des Autors, das Paradoxon sei durch die Annahme von Zeitquanten lösbar. Wenn der Raum kontinuierlich ist, aber die Zeit aus Zeitquanten zusammengesetzt, ergibt sich für mich erst einmal folgendes Problem: bei einer bestimmten konstanten Geschwindigkeit kann mit Hilfe eines Zeitquants eine bestimmte Strecke s „in einem einzigen Akt“ überbrückt werden. Da aber der Raum ja als kontinuierlich angenommen wird, kann ich die Strecke s beliebig teilen und fragen: wie wird dann z.B. die Strecke s/2 zurückgelegt? Mit Hilfe eines „halben“ Zeitquants? Das ist natürlich unsinnig, wozu dann die ganze Konstruktion mit den Zeitquanten?!

Ich dachte, daß es hier im Forum vielleicht jemanden gibt, der Whiteheads „Theorie der epochalen Zeit“ kennt und mir auf der Basis dieser Theorie eine einleuchtende Antwort geben oder mir eine entsprechende Internetseite empfehlen kann.

Gruß, Nick

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Ich dachte, daß es hier im Forum vielleicht jemanden gibt, der
Whiteheads „Theorie der epochalen Zeit“ kennt und mir auf der
Basis dieser Theorie eine einleuchtende Antwort geben oder mir
eine entsprechende Internetseite empfehlen kann.

Hallo Nick

Du fragst nach der physikalischen Bedeutung, hier ist aber das Forum für philosophische Fragen.

gruß
rolf

Hallo Nick

also erstmal glaube ich ist das Problem, dass wir hier keine mathematischen Philosophen haben, die Dir wirklich weiterhelfen können. Ich kenne Whitehead auch nur in der Universaliendebatte, die Dir hier offensichtlich nicht weiterhilft.

Ich hab auch auf die Schnelle in der Routledge Encycl. nicht wirklich was dazu gefunden.
Mein Tipp: in die Bibliothek und in den unzähligen Lexika weiterlesen.

Hier noch eine Seite auf Englisch, die das Problem etwas auseinander nimmt. http://www.religion-online.org/showarticle.asp?title…

Ich hoffe es hilft etwas.

Y.-

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Hi Yseult

also erstmal glaube ich ist das Problem, dass wir hier keine
mathematischen Philosophen haben

Wohl wahr, wohl wahr, liebe Yseult, aber irgendwo hat das ja auch was Gutes, oder? :wink:
Gruß,
Branden

Hallo Yseult,

vielen Dank für den Link. Ich habe mir den Text gerade heruntergeladen, mal sehen, ob ich etwas damit anfangen kann.

Gruß, Nick

Hallo Rolf

Du fragst nach der physikalischen Bedeutung, hier ist aber das
Forum für philosophische Fragen.

Nein, ich frage nach einer philosophischen Theorie. Sonst hätte ich im Physik-Forum gepostet.

Gruß, Nick

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Whiteheads non-uniform objects
Hi Nick,

der Autor hat hier offenbar Whitehead gründlich mißverstanden.
Whitehead handelt nicht von einer quantisierten Zeit (obwohl es diesbezügliche Überlegungen in der Geschichte der Quantenmechanik zahlreiche gab und gibt - aber Vorsicht, diese können leicht mißverstanden werden). Er hat dagegen einen Begriff eines „Quantums der Zeit“ (dazu gleich etwas).

Auch geht es Whitehead keineswegs um eine Auflösung des Achilles-Paradoxons. Daß dieses schlicht in einem mathematischen Irrtum besteht, war Whitehead ebenso selbstverständlich, wie jedem anderen, der sich je damit befaßt hatte: Bestimmte unendliche geometrische Reihen haben endliche Grenzwerte. Dabei ist allerdings von Raum und Zeit Kontinuität im Sinne des Aristoteles vorausgesetzt (Teilbarkeit ad infinitum), auch wenn Zenon diesen Begriff noch nicht hatte. Zenon ging es dabei um etwas anderes, denn er wußte ganz sicher, daß Achilles tatsächlich die Schildkröte überholen wird *g*. Und dazu hat Whitehead Ideen formuliert.

Der zentrale Begriff Whiteheads das Ereignis („event“), dem eine gewisse raumzeitliche Extension zugeordnet werden kann. Dies handelt er allerdings ab im Rahmen eines Versuchs, subjektives Zeiterleben mit physikalischen Zeitbegriffen zu integrieren (das würde allerdings jetzt zu weit ausholen). Der Begriff des Ereignisses hat, wie viele Whitehead-Interpreten konstatieren, eine gewisse Verwandtschaft mit der Leibnizschen Monade …

Diese dem Ereignis zustehende intrinsische Zeit nennt er hier und da „quantum of time“. Was damit gemeint ist, macht er u.a. in „The Concept of Nature“ deutlich am Beispiel einer gehörten Melodie („tune“): Man hört die Melodie als Melodie nicht in einzelnen Zeitpunkten der Zeitspanne, in der sie sich abspielt. Daher ist die Dauer der Melodie zeitlich atomar: Ein Quantum.

Ein solches Quantum der Zeit kommt allerdings nicht allen Objekten zu, sondern nur solchen, die er als „non-uniform objects“ bezeichnet, also solchen, die eine intrinsische Zeitstruktur haben, also „Ereignisse“ sind: Dazu ein Zitat aus „The Concept of Nature“ [Chap. VII „Objects“]:

It is not every object which can be located in a moment. An object which can be located in every moment of some duration will be called a ‚uniform‘ object throughout that duration. Ordinary physical objects appear to us to be uniform objects, and we habitually assume that scientific objects such as electrons are uniform. But some sense-objects [!] certainly are not uniform.

Und so ein Beispiel ist eben u.a. eine Melodie:
We perceived it as a whole in a certain duration; but the tune as a tune is not at any moment of that duration though one of the individual notes may be located there. [Hervorhebung von mir]

Nebenbei bemerkt war dieser Gedankengang bereits seit mehr als 1500 Jahren bekannt, nämlich durch Augustinus in seiner Analyse des Zeitbegriffs (Confessiones, Buch XI).

Was Whitehead (auch in diesem Zenon-Zusammenhang) mit der „epochalen Theorie der Zeit“ meint, wird dir sicher deutlich, wenn du dir einmal in „Prozess und Realität“ die folgenden Abschnitte vornimmst:

Erster Teil, Kap. III,2 („Einige abgeleitete Begriffe“)
und dann:
Zweiter Teil, Kap II,2 („Das extensive Kontinuum“). Das ist das Kapitel, wo er auch William James diskutiert.

Noch zu deiner Frage nach Zeitquantelung ohne Raumquantelung: Sehr wohl ist das konsitent denkbar, allerdings nur zugleich mit einem verändeterten Begriff der Bewegung: Instantane Ortsveränderung ereignet sich dann ohne intermediäre Bewegung durch den Zwischenraum.

Gruß

Metapher

Hallo Metapher,

erst mal vielen Dank für Deine ausführliche, anregende Antwort. Schade, daß man nicht mehr als einen Bewertungspunkt vergeben kann…

der Autor hat hier offenbar Whitehead gründlich mißverstanden.

Oder ich habe den Autor gründlich mißverstanden, oder der Autor hat Whitehead ein bißchen mißverstanden und ich habe den Autor ein bißchen mißverstanden und die Mißverständnisse summieren sich dann zu einem gründlichen Mißverständnis… *g*

Whitehead handelt nicht von einer quantisierten Zeit (obwohl
es diesbezügliche Überlegungen in der Geschichte der
Quantenmechanik zahlreiche gab und gibt - aber Vorsicht, diese
können leicht mißverstanden werden). Er hat dagegen einen
Begriff eines „Quantums der Zeit“ (dazu gleich etwas).

Auch geht es Whitehead keineswegs um eine Auflösung des
Achilles-Paradoxons. Daß dieses schlicht in einem
mathematischen Irrtum besteht, war Whitehead ebenso
selbstverständlich, wie jedem anderen, der sich je damit
befaßt hatte: Bestimmte unendliche geometrische Reihen haben
endliche Grenzwerte. Dabei ist allerdings von Raum und Zeit
Kontinuität im Sinne des Aristoteles vorausgesetzt
(Teilbarkeit ad infinitum),

Genau so habe ich das Achilles-Paradoxon bisher auch verstanden. Der Autor schreibt aber tatsächlich:

„Aber was wäre, wenn die Zeit nicht uendlich teilbar wäre, wenn es so etwas wie Zeitquanten gäbe, die sich zeitlich nicht weiter zergliedern lassen, innerhalb derer sich aber dennoch eine Bewegung vollziehen kann, die eine Überbrückung des Raums in einem einzigen Akt ermöglicht, so daß auch dessen unendliche Teilbarkeit keine Rolle mehr spielt? Gäbe es solche Zeitquanten, dann ließe sich nicht nur erklären, wie Achilles die Schildkröte überholen kann, sondern auch, wie sich der Pfeil bewegen kann, da dieser ja dann in jedem Augenblick seines Fluges in Bewegung wäre.“

Das Paradoxon des „bewegungsunfähigen Pfeils“, wie der Autor das nennt, wird auch im vorigen Kapitel beschrieben, der Gedankengang ist etwa folgender: Wenn wir uns fragen, wie die Zeit zusammengesetzt ist, kommen wir zu dem Schluß, daß sie offenbar aus Zeitpunkten besteht, die selbst keine zeitliche Ausdehnung haben (wie Punkte auf einer Strecke, die selbst keine Dimension haben, aber zusammen eine ausgedehnte Strecke ergeben). Bewegung stellen wir uns aber so vor, daß das sich bewegende Objekt (z.B. ein abgeschossener Pfeil) in einem Augenblick hier, in einem folgenden Augenblick woanders ist. Daraus folgt, daß der fliegende Pfeil sich in jedem Augenblick seines Fluges in Ruhe befindet, weil sich der Augenblick eben zeitlich nicht weiter zergliedern läßt. Wie kann sich aber Bewegung aus einer Folge von Ruhezuständen zusammensetzen (bzw. wie kann sich eine Strecke aus einer Anhäufung von dimensionslosen Punkten zusammensetzen)?

So wie ich das sehe (ich bin philosophischer Laie, wie Du sicher schon bemerkt hast), ist die Idee von den „Zeitquanten“ (was auch immer das jetzt genau sein soll) vielleicht als Lösungsansatz für das Problem mit dem bewegungsunfähigen Pfeil gedacht, aber nicht für das Achilles-Paradoxon.

auch wenn Zenon diesen Begriff
noch nicht hatte. Zenon ging es dabei um etwas anderes,

Um was genau? Hat das mit dem bewegungsunfähigen Pfeil zu tun? Diese Problemstellung finde ich nämlich viel schwieriger als die mit Achilles und der Schildkröte.

denn
er wußte ganz sicher, daß Achilles tatsächlich die Schildkröte
überholen wird *g*.

Das dachte ich mir fast *g*.

Und dazu hat Whitehead Ideen formuliert.

Zu dem anderen, um das es Zenon ging?

Der zentrale Begriff Whiteheads das Ereignis („event“),
dem eine gewisse raumzeitliche Extension zugeordnet werden
kann. Dies handelt er allerdings ab im Rahmen eines Versuchs,
subjektives Zeiterleben mit physikalischen Zeitbegriffen zu
integrieren (das würde allerdings jetzt zu weit ausholen). Der
Begriff des Ereignisses hat, wie viele
Whitehead-Interpreten konstatieren, eine gewisse
Verwandtschaft mit der Leibnizschen Monade …

Diese dem Ereignis zustehende intrinsische Zeit nennt er hier
und da „quantum of time“. Was damit gemeint ist, macht er u.a.
in „The Concept of Nature“ deutlich am Beispiel einer gehörten
Melodie („tune“): Man hört die Melodie als Melodie nicht in
einzelnen Zeitpunkten der Zeitspanne, in der sie sich
abspielt. Daher ist die Dauer der Melodie zeitlich atomar: Ein
Quantum.

Ein solches Quantum der Zeit kommt allerdings nicht allen
Objekten zu, sondern nur solchen, die er als „non-uniform
objects“ bezeichnet, also solchen, die eine intrinsische
Zeitstruktur haben, also „Ereignisse“ sind: Dazu ein Zitat aus
„The Concept of Nature“ [Chap. VII „Objects“]:

It is not every object which can be located in a moment. An
object which can be located in every moment of some duration
will be called a ‚uniform‘ object throughout that duration.
Ordinary physical objects appear to us to be uniform objects,
and we habitually assume that scientific objects such as
electrons are uniform. But some sense-objects [!] certainly
are not uniform.

Also, ein einzelner, gleichförmiger Ton, der über eine bestimmte Zeitspanne gehalten wird, z.B. ein von einem Synthi erzeugter Sinuston, wäre dann ein „uniformes Objekt“, aber z.B. ein Ton, der auf dem Klavier angeschlagen wird, eigentlich schon nicht mehr, weil ein Klavierton eine bestimmte An- und Abschwellphase (in der Lautstärke) durchläuft, und deshalb nicht in jedem Moment seiner Dauer gleich klingt, d.h., wenn man einen Zeitabschnitt, der klein genug ist, aus der Dauer des Klaviertons herausgreift und nur diesen kleinen Abschnitt hört, wäre der Klavierton nicht mehr als Klavierton zu identifizieren. So etwa?
Daß ausgerechnet ein Elektron als „uniformes Objekt“ bezeichnet wird, irritiert mich etwas, weil nach meinem laienhaften physikalischen Wissen doch der Aufenthaltsort eines Elektrons immer nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit angegeben werden kann und ein Elektron, um es mal salopp zu formulieren, überhaupt ein irre kompliziertes Ding ist.

Und so ein Beispiel ist eben u.a. eine Melodie:
We perceived it as a whole in a certain duration; but
the tune as a tune is not at any moment of that
duration though one of the individual notes may be located
there.
[Hervorhebung von mir]

Nebenbei bemerkt war dieser Gedankengang bereits seit mehr als
1500 Jahren bekannt, nämlich durch Augustinus in seiner
Analyse des Zeitbegriffs (Confessiones, Buch XI).

Was Whitehead (auch in diesem Zenon-Zusammenhang) mit der
„epochalen Theorie der Zeit“ meint, wird dir sicher deutlich,
wenn du dir einmal in „Prozess und Realität“ die folgenden
Abschnitte vornimmst:

Erster Teil, Kap. III,2 („Einige abgeleitete Begriffe“)
und dann:
Zweiter Teil, Kap II,2 („Das extensive Kontinuum“). Das ist
das Kapitel, wo er auch William James diskutiert.

Ich finde das Thema sehr interessant, bin aber, wie gesagt, philosophischer Laie. Soll ich in die Bibliothek gehen, und mir das Buch ausleihen, oder habe ich ohne philosophische Vorbildung keine Chance auf Verständnis?

Noch zu deiner Frage nach Zeitquantelung ohne Raumquantelung:
Sehr wohl ist das konsitent denkbar, allerdings nur zugleich
mit einem verändeterten Begriff der Bewegung: Instantane
Ortsveränderung ereignet sich dann ohne intermediäre Bewegung
durch den Zwischenraum.

Verstehe ich nicht so ganz. Also, erst ist das sich bewegende Objekt an einer bestimmten Stelle, dann (durch den „Einsatz“ eines Zeitquants), ohne den dazwischenliegenden Raum zu durchlaufen, an einer anderen Stelle? So nach dem Motto: „Beam me up, Scotty“? Ist das eine philosophische oder eine physikalische Theorie? Von wem?

Nochmal danke für Deine ausführliche Antwort, sie hat mir auf jeden Fall Stoff zum Nachdenken geliefert.

Gruß, Nick

das Unendliche und die Quanten
Hi Nick,

der Wortlaut der Zitate von deinem Autor zeigt, daß er nicht nur Whitehead mißverstanden hat, sondern die ganzen Feinheiten der Zeitquantelungsüberlegungen:

"Aber was wäre, wenn die Zeit nicht unendlich teilbar wäre,
wenn es so etwas wie Zeitquanten gäbe, die sich zeitlich nicht
weiter zergliedern lassen, innerhalb derer sich aber dennoch
eine Bewegung vollziehen kann

Der entscheidende Punkt dabei ist ja gerade das Gegenteil: Innerhalb eines solchen ausgedehnten (= „extensiven“) Zeitquants passiert eben NICHTS. Passieren tut nur etwas in und durch den Sprung von einem Quant zum nächsten. Ein solches Universum hast du übrigens gerade vor dir: Der Prozessor in deinem PC ist zeitgetaktet und in Folge alle von diesem Taktgeber abhängien Prozesse …

… die eine Überbrückung des Raums in einem einzigen Akt ermöglicht, so daß auch dessen unendliche Teilbarkeit keine Rolle mehr spielt?

Er meint nicht in „einem einzigen Akt“ (das ist nämlich ein Prozeß!), sondern in einem einzigen plötzlichen (= „instantanen“, d.h. „ohne daß Zeit vergeht“ - der Instantkaffee, um den zu machen man keine Zeit braucht, ist ein Beispiel für diesen Wortgebrauch) Wechsel des Ortes durch einen Gegenstand. Und das heißt (um deine Frage unten vorwegzunehmen), daß der Gegenstand „zu keiner Zeit“ die Orte zwischen diesen Orten (der vorher und der nachher) eingenommen hat: Es hat also zwischen diesen Orten keine (kontinuierliche) Bewegung stattgefunden. Bewegung ist vielmehr nur in der (zeitlich unscharf und grob betrachteten) Gesamtheit dieser Ortswechsel zu konstatieren: Du siehst eben nicht, daß die Veränderung des Bildes auf deinem Monitor aus zB 75 statischen Einzelbildern besteht.

Gäbe es solche
Zeitquanten, dann ließe sich nicht nur erklären, wie Achilles
die Schildkröte überholen kann, sondern auch, wie sich der
Pfeil bewegen kann, da dieser ja dann in jedem Augenblick
seines Fluges in Bewegung wäre."

Hier zeigt sich eine gewisse Naivität des Autors. Es ist seit ca 2400 Jahren kein „zu erklärendes“ Problem mehr, wie Achilles die Schildkröte überholt und wie sich der Pfeil bewegt. Zu erklären war vielmehr, wie der Gedankengang des Zenon zu knacken ist.

Das Paradoxon des „bewegungsunfähigen Pfeils“, wie der Autor
das nennt, wird auch im vorigen Kapitel beschrieben, der
Gedankengang ist etwa folgender: … Wie kann sich aber
Bewegung aus einer Folge von Ruhezuständen zusammensetzen
(bzw. wie kann sich eine Strecke aus einer Anhäufung von
dimensionslosen Punkten zusammensetzen)?

Hier auch wieder ein Hinweis, daß der Autor das zu diesen Fragen notwendige Vokabular nicht beherrscht: Der Pfeil bei Zenon ist nicht bewegunsunfähig, sondern er bewegt sich nicht, obwohl er sich doch, wie man eindeutig sehen kann, bewegt …

Das Weitere in dieser Zusammenfassung („Folge von Ruhezuständen“) ist eben das Problem einer gequantelten Zeit. „Innerhalb“ der Quanten passiert per Definition je gerade NICHTS, und daher kann sich DARIN auch kein „Motiv“ realisieren, den Zustand im Übergang zum folgenden Zeitquant zu verändern (oder vielmehr: verändert zu haben). Es gibt daher keine Ursache für Bewegung (und für Veränderung überhaupt). Und das müssen die Zeitquanten-Freaks erklären.

Das mit den Punkten und der Strecke ist einfach eine Folge des Begriffs „Punktraum“: Er ist „dicht“, d.h. zwischen zwei beliebigen benachbarten Punkten ist NICHT ein punktFREIER Raum, es sind immer unendlich viele Punkte dazwischen. Das ist eine Folge des Kontinuumsbegriffs (in der Mathematik heißt diese Eigenschaft „hausdorffsch“ nach dem Mathematiker Hausdorff).

auch wenn Zenon diesen Begriff
noch nicht hatte. Zenon ging es dabei um etwas anderes,

Um was genau?

Zenon war Schüler, Freund und Pflegesohn seines Lehrers Parmenides: Wie diesem ging es ihm um die Einheit des absolten „Seins“ und die Nichtigkeit jeder Rede über „Nichtsein“: Die Welt der sinnlichen Wahrnehmung zählte für die → eleatische Schule zum Nichtseienden. Daher bemühte man sich mit solchen Verstandes-Irritationen um den Beweis ihrer Paradoxie.

Zudem ging es bei solchen Überlegungen um die ersten Erforschungen des Begriffs des Unendlichen und der Kontinuität. Zu bedeutenden Resultaten auf diesem Gebiet hat es aber erst Aristoteles gebracht.

Also, ein einzelner, gleichförmiger Ton, der über eine
bestimmte Zeitspanne gehalten wird, z.B. ein von einem Synthi
erzeugter Sinuston, wäre dann ein „uniformes Objekt“, aber
z.B. ein Ton, der auf dem Klavier angeschlagen wird,
eigentlich schon nicht mehr, weil ein Klavierton eine
bestimmte An- und Abschwellphase (in der Lautstärke)
durchläuft, und deshalb nicht in jedem Moment seiner Dauer
gleich klingt … So etwa?

Das kann ein synthi-erzeugter Ton auch. Nimm lieber das einfachere Beispiel von Augustinus bzw. Whitehead: Nimm die Melodie „I can get no satisfaction“, die ca. 5 sec dauert. Innerhalb dieser Zeitspanne hörst du z.B. den den Ton „E“ - aber nicht die gesamte Melodie als Melodie. Sie existiert während dieser gesamten Dauer, aber nicht in jeweils einer kleineren Teildauer oder gar in einem Zeitpunkt. Da hörst du nur irgendwelche Töne, die zwar zur Melodie gehören, aber nicht die Melodie sind. Das meint Whitehead damit, daß die Dauer der Melodie ein unteilbares „quantum of time“ ist.

Daß ausgerechnet ein Elektron als „uniformes Objekt“
bezeichnet wird, irritiert mich etwas, weil nach meinem
laienhaften physikalischen Wissen doch […] ein Elektron […] ein irre kompliziertes Ding ist.

Ja, aber 1920, als W. „The concept of nature“ schrieb, war ein Elektron noch ein sehr einfaches Ding (→ Bohrsches Atommodell). Kompliziert wurde es erst durch die Materiewellen-Theorie von De Broglie (1923) und durch die Schrödinger-Gleichung (1928) …

Erster Teil, Kap. III,2 („Einige abgeleitete Begriffe“)
und dann:
Zweiter Teil, Kap II,2 („Das extensive Kontinuum“). Das ist
das Kapitel, wo er auch William James diskutiert.

Ich finde das Thema sehr interessant, bin aber, wie gesagt,
philosophischer Laie. Soll ich in die Bibliothek gehen, und
mir das Buch ausleihen, oder habe ich ohne philosophische
Vorbildung keine Chance auf Verständnis?

Jeder fängt Philosophie irgendwann ohne Vorbildung an. Am schnellsten machst du Fortschritte durch Vertiefen in Primärliteratur. Ja - hol dir das Buch in der Bibliothek …

Verstehe ich nicht so ganz. Also, erst ist das sich bewegende
Objekt an einer bestimmten Stelle, dann (durch den „Einsatz“
eines Zeitquants), ohne den dazwischenliegenden Raum zu
durchlaufen, an einer anderen Stelle? So nach dem Motto: „Beam
me up, Scotty“?

Yepp, das wäre eine von vielen möglichen Zeitquantenkonzeptionen.

Ist das eine philosophische oder eine physikalische Theorie? Von wem?

Es gibt in der Physik der letzten 100 Jahre unzählige Überlegungen zur Raum- und Zeitquantelung. Durchschlagend war keine davon. Es ist sehr diffizil, dabei Widersprüche NICHT zu übersehen - ähnlich wie bei „Zeitreise“-Fragen.

Mein Kompliment, daß du die Energie hast, dich in diese Sachen reinzubeißen …

Gruß

Metapher

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das Schachspiel

… ist übrigens ein weiteres Beispiel für ein zeitgequanteltes Universum (ebenso wie natürlich alle Zug-um-Zug-Spiele mit Würfeln oder Karten).

Metapher

Hallo Nick,
empfehlen kann ich da nur Gerold Prauss,
siehe vielleicht zuerst nochmal das Zeitmodell unter
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarticl…

dann Seite 340 -341 Band I/II (Die Welt und wir) Metzler
"Eine von der Zukunft unabhängige Beschreibung dieser Einseitiggerichtetheit der Zeit ergibt sich Ihnen aber wie von selbst, sobald Sie die besondere Bewegung dieser Zeit, soweit sie bislang hergeleitet ist, zugrunde legen, nämlich jenes ebenso Entstehen wie Vergehen einer absoluten inneren Bewegung ohne jegliches Bewegte. Klarerweise nämlich ist diese Bewegungsart von einer Einseitiggerichtetheit hin zum Entstehen, und nicht etwa umgekehrt hin zum Vergehen, was vielmehr unmöglich wäre, wie das Zeit-Modell auch dies noch offenkundig macht. Denn aussichtslos von vornherein ist jegliche Erwartung, die Bewegung der Erzeu¬gung dieses Zeit-Modells auch in der umgekehrten Richtung vor¬nehmen zu können, nämlich statt dem Kreidestück unmittelbar den Schwamm vielmehr dem Schwamm unmittelbar das Kreidestück folgen zu lassen. Dadurch könnte es vielmehr erst recht zu diesem Zeit-Modell von vornherein nicht kommen. Ein Modell für Zeit ist es entsprechend auch noch durch die Art und Weise, wie es klarstellt: Widerspruchsfrei-möglich sowie sinngemäß-notwendig ist für Zeit nur der Begriff eines Entstehens zum Vergehen ohne jegliches Bestehen, und mithin gerade nicht auch umgekehrt noch der eines Vergehens zum Entstehen ohne jegliches Bestehen. Denn

340
Voraussetzung für das Vergehen dieser Zeit ist demgemäß, wenn auch nicht das Bestehen dieser Zeit, so doch zumindest das Ent¬stehen dieser Zeit, wogegen das Entstehen dieser Zeit durchaus nicht umgekehrt auch das Vergehen dieser Zeit voraussetzt: jeden¬falls gewiß nicht dann, wenn diese Zeit als ein Entstehen zum Vergehen ohne jegliches Bestehen etwas ist, das aus Natur heraus erst immer seinen Anfang nimmt. Als dieses nämlich könnte sol¬che Zeit auch anfanglos sein, so daß sie vom Zeit-Modell sich dadurch gleichfalls unterschiede.
Aber nicht nur eine zukunftsunabhängige Beschreibung, son¬dern auch noch eine zukunftsunabhängige Erklärung dieser Aniso¬tropie als Einseitiggerichtetheit der Zeit ist möglich. Denn als diese geht die Zeit auch nur auf jenes asymmetrische Verhältnis zwi¬schen Punkt und Ausdehnung zurück, das bis in die Gestalt dieser besonderen Bewegung beider voll sich durchhält. Liegt dieses Verhältnis doch gerade darin, daß es sich dabei nur handeln kann um Punkt mit Ausdehnung und nicht um Ausdehnung mit Punkt. Als solches aber kehrt es in Gestalt jener besonderen Bewegung beider wieder, weil sie Selbstbewegung einer Selbstausdehnung oder Sichbewegen eines Sichausdehnens jenes Punktes ist, nicht umgekehrt. Das heißt genauer, daß dabei nur dieser Punkt zu dieser Ausdehnung sich ausdehnt und nicht etwa umgekehrt — sit venia verbo — diese Ausdehnung zu diesem Punkt sich eindehnt, nämlich zu ihm gleichsam schrumpft. Und zwar ganz einfach deshalb nicht, weil eine Ausdehnung, von der dies auszusagen smnvoll wäre, dabei gar nicht vorliegt, wohl aber ein Punkt, von dem dies auszusagen sinnvoll ist. Tritt dabei in Erscheinung doch auch immer wieder nur ein Punkt, und aus dehnt dabei denn auch immer wieder nur er selbst gerade sich. Denn wieder wäre nichts Spezifisches getroffen, wenn Sie umgekehrt von Ausdehnung aus¬gehen wollten, so daß es sich dabei dann auch nur um so etwas wie »Eindehnung« als Schrumpfüng dieser Ausdehnung zu Punkt noch handeln könnte, weil dies wieder nur von einer Ausdehnung des Raumes gelten könnte und von einer Ausdehnung der Zeit sonach nur als verfälschter.
Erneut erweist sich Ihnen damit also, daß der Punkt dabei den Vorrang und die Ausdehnung dabei den Nachrang haben muß. Auch das Besondere dieser Bewegung nämlich, zu der beide mit hinzugehören können Sie nur auf Begriffe bringen, wenn Sie dabei

341
ausschließlich von Punkt ausgehen und zu ihm erst Ausdehnung in ein Verhältnis setzen, nicht jedoch im umgekehrten Fall. Und das ist nunmehr eben das Verhältnis seiner Selbstausdehnung oder seines Sichausdehnens, ein Verhältnis der Bewegung, die tatsäch¬lich das von Punkt mit Ausdehnung nur innerhalb von sich ist und es somit auch gewissermaßen durch die Tat als widerspruchsfrei¬möglich ausweist. Ist doch jene Asymmetrie, als die AnisotrOPie solcher Bewegung des Entstehens zum Vergehen ohne jegliches Bestehen jener Zeit, auch nur die Konkretion gerade dieses asymmetrischen Verhältnisses von Punkt mit Ausdehnung, statt umgekehrt. Und als spezielle Konkretion von Punkt mit Ausdehnung nur innerhalb von sich ist solche Zeit denn auch die einzig mögliche, weil einzig widerspruchsfreie.
Wie ausgeprägt das Asymmetrische dieses Verhältnisses tatsäch¬lich ist, geht Ihnen vollends aber erst auf, wenn Sie folgendes noch mitbeachten. Den genannten Vorrang vor der Ausdehnung hat jener Punkt nicht etwa so, als träte hier zunächst einmal ein Punkt für sich allein auf und zu ihm erst eine Ausdehnung dann zusätzlich und somit nachträglich hinzu. Denn wieder wäre damit nichts Spezifisches gewonnen, weil auch dies dann nur noch in der Weise, wie zu einem Punkt zum Beispiel eine Linie hinzutritt, sich verstehen ließe, so daß wieder räumliche, mithin verfälschende Verhältnisse sich eingeschlichen hätten. Vielmehr tritt ein Punkt dabei von vornherein nur auf, wenn ebenso von vornherein auch Ausdehnung noch auftritt, und gleichwohl hat er dabei von vornherein den vorgenannten Vorrang vor ihr. Überhaupt nur dadurch nämlich, daß dabei von vornherein auch Ausdehnung noch auftritt, kann es sich im ganzen dabei handeln um das Auftreten von Punkt mit Ausdehnung nur innerhalb von sich, die auch nur dadurch sein Sichausdehnen bzw. seine Selbstausdehnung sein kann und auch sein muß, weil sie nur als solcherart Bewegung widerspruchsfrei-möglich ist. Und was dabei sonach von vomherein notwendig ist, das ist dabei auch weiterhin notwendig, sprich, für solcherart Bewegung als Gesamtverlauf."

Friedhelm

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Hi Friedhelm,

es war aber doch schon deutlich, daß hier speziell nach einem Whitehead-Verständnis gefragt war?

Gruß

Metapher