Wie wieder auf die Beine kommen?

Hallo,

nachdem ich leider in meinem Traumberuf auf ziemlich schlimme Weise gescheitert bin und das Ganze auch große Auswirkungen auf meine psychische und physische Gesundheit hat, frage ich mich, wie ich wieder an einen Punkt kommen kann, an dem ich mich nicht als Versager fühle.

Im Moment ist mein Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen gleich Null - ich traue mir selbst die einfachsten Tätigkeiten kaum noch zu und habe Angst davor, neuen Herausforderungen ins Auge zu sehen.

Was kann ich tun?

Liebe Grüße,
Gwen

Bitte um Details…

Was genau ist denn passiert und wo genau stehst Du jetzt? Inwiefern bist Du körperlich beeinträchtigt? Was konntest Du noch „rüberretten“?
Aufgrund der recht allgemeinen Frage wirst Du womöglich auch nur recht allgemeine (und platte) Antworten erhalten…

Und ob DIE wirklich weiterhelfen?!?

Gruß
Sopho

Hallo Sopho,

ich bin im Lehrerberuf gescheitert, weil ich einfach mit den pubertierenden Schülern nicht klargekommen bin und sie mir massiv auf der Nase herumgetanzt sind.

Die ständigen Demütigungen verbunden mit dem großen Druck, der seitens Eltern und Schule auf mir lastete, haben zu schweren Schlafstörungen und weiteren psychosomatischen Beschwerden (Übelkeit, Schwindel, Bluthochdruck) geführt und meine ohnehin schon bestehenden körperlichen Erkrankungen (u.a. beginnender Diabetes, diverse gynäk. Probleme) negativ beeinflusst.

Ich stehe nun vor der Arbeitslosigkeit und traue mir nichts Neues mehr zu. Ich fühle mich müde und ausgebrannt.

Liebe Grüße,
Gwen

Hi Gwen,

hast Du die Sache schon Mal aus anderer Perspektive angeschaut? Für Dich geht ein Leidensweg zu Ende, auf dem Du ggf. von Anfang an „falsch“ warst. Es war und ist nicht Dein Job (gewesen), Du hast gelitten, bist krank geworden - und dieses Martyrium ist nun zu Ende. Du stehst (wieder) an einem Anfang/Neubeginn. Welches wertvolle Wissen, welche Erfahrung und Erkenntnisse nimmst Du aus Deinem (wie Du es scheinbar siehst) „Scheitern“ mit? Nicht alles, was Du bisher gemacht hast, war und ist schlecht bzw. vergebens. Du hast gelernt, anderen Menschen was beizubringen - wenn pubertierende Kinder das nicht zu würdigen wussten, so mag es durchaus Erwachsene geben, die gern von Dir lernen und denen Du ggf. in Abend- oder Sprachschulen oder bei einer VHS was beibringen kannst. Du hast gelernt, vor Menschen zu sprechen, Dich zu artikulieren, korrekt zu schreiben - alles Fähigkeiten, um die Dich sicherlich viele beneiden und die Dir im Run um einen neuen Job Vorsprung verschaffen.

Das wichtigste sollte für Dich sein: Das Leiden bzw. seine Ursachen sind vorbei und Du hast es (ggf. mit Blessuren) überstanden. Darauf kannst Du auch stolz sein. Viele Erkennen ihr ganzes Leben nicht, dass sie im falschen Job sind oder trauen sich angesichts der Arbeitslosigkeit nicht, dem ein Ende zu setzen.

Versuche jetzt ein wenig zur Ruhe zu kommen, sammle Dich und Deine Kräfte, überlege in Ruhe, was Du tun möchtest und/oder könntest und gehe dann mit der gebotenen Gelassenheit daran, neue Ziele zu verfolgen. Nicht Dein Leben ist zu Ende, sondern nur eine ziemlich üble Phase darin - ab jetzt kann es nur noch aufwärts gehen! Viel Glück und Erfolg!

2 Like

Hallo, Gwendolyn,

„Et hät noch immer jot jejange.“ schreibst Du in Deiner Vika. Und ich pflege sogar diesen Spruch ein wenig zu erweitern: „Am Ende wird alles gut. Ist es nicht gut, ist es auch noch nicht am Ende!“

Was ich damit sagen will, hat auch Eike schon so ähnlich geschrieben. Du hast eine Erkenntnis gewonnen (bitte beachte das Wort „gewonnen“!). Nun gilt es, Bestandsaufnahme zu machen, festzustellen, was noch da ist, und wie man es neu und vielleicht etwas stabiler zusammensetzen könnte und welche zusätzlichen Dinge man vielleicht noch dazu braucht.

Nur um einen Gedankenanstoß zu geben: Die Pubertät ist irgendwann vorbei und aus den jugendlichen Rüpeln werden Erwachsene, die feststellen, dass es ihnen an Bildung fehlt. Was sie dann (als Erwachsene) brauchen, ist (welche Überraschung) ein Lehrer. Und da öffnet sich Dein Fenster. Denke mal verstärkt über Erwachsenenbildung nach. Oder, wenn Du auf Lehren gar keine Lust mehr hast, wäre vielleicht eine Ausrichtung auf Museumsdidaktik eine Möglichkeit?

Also, Du siehst, ein Wegekreuz ist nicht das Ende der Wanderung. Schau mal auf den Wegweiser, schau auch mal hinter die nächste Wegbiegung. Wenns dort zu grauslich aussieht - zurück zum Wegweiser und eine andere Richtung einschlagen.

Du, ich habe oft genug im Leben neu anfangen dürfen. Und bin auch oft genug gescheitert mit meinen Planen und Wünschen. Aber Hinfallen ist keine Schande - nur liegenbleiben!

Also - nimm Dir eine kurze Zeit zur Besinnung, aber dann: Auf gehts!

Liebe Grüße und meine gedrückten Daumen für Dich
Eckard

9 Like

danke :o)
ok.
Du warst also in einer Situation, in der Du gemerkt hast, dass Dir viele Fähigkeiten, die Du womöglich sonst durchaus hast (Harmonie erzeugen, Freude verspüren und vermitteln, motivieren, Durchsetzungsvermögen, Humor, mit Kritik würdigend umgehen etc., z.B. im Freundeskreis)in diesem Kontext NICHT oder nur unzureichend zur Verfügung standen.

Und ich nehme an, dass Du deinen Rückzug aus der Lehrtätigkeit als Flucht empfindest - und damit bewertest Du die ganze Situation als „Versagen“. Das schleppst Du nun mit, und die Wahrscheinlichkeit ist tatsächlich hoch, dass Du das in jedes neue Vorhaben mit einbringst.

Jede Situation lässt sich jedoch immer auch anders bewerten.

Versuch mal, wie Dir der folgende Gedankengang schmeckt und ob er Dir eher Kraft nimmt oder gibt (ich bin davon ausgegangen, dass Du selbst die Arbeit aufgegeben hast und nicht gekündigt wurdest):

"Ich habe bemerkt, dass ich noch Schritte für mich tun muss, um in einen guten Zustand vor einer Klasse zu kommen und dort zu bleiben, egal, was passiert. Daran kann ich arbeiten.
In der Zwischenzeit habe ich Verantwortung für mich übernommen und habe für mich gesorgt. Der Abruch meiner bisherigen Tätigkeit ist gut für mich und zeigt mir, wie wichtig ich mir bin und dass ich auf mich und meine Gesundheit achten kann.
Ich habe wertvolle Erfahrungen gesammelt und gesehen, wo ich noch dazu lernen kann. Dank dieser Erfahrungen werden meine Schritte folgende sein…:

Tja… bevor ich jetzt weiter mache, wäre es interessant, wie dieser Gedanke auf Dich wirkt.

Dann gilt es meiner Meinung nach zu überlegen: welche Lehrer haben auf Dich Eindruck gemacht? Was waren deren besondere Fähigkeiten zu fesseln, zu begeistern? Hast Du solche Fähigkeiten auch? Vielleicht in anderen Kontexten? Freundeskreis? Familie?
Wenn ja, dann sollte es kein Thema sein, für was immer Du später willst, diese Fähigkeiten auch im beruflichen Kontext zur Verfügung zu haben. Auch, wenn dieser Prozess vielleicht erstmal mit fremder Hilfe angestupst werden muss…
In dieser Gewissheit kannst Du Dir nochmal erlauben zu prüfen, wie *jetzt* die Zukunft aussehen kann… und ob es immer noch Flucht bedeutet.

Gruß
Sopho

P.s. hab ich erst kürzlich in nem Film gehört:

Warum fallen wir hin?
Damit wir das aufstehen lernen!

2 Like

Wieder auf die Beine kommen
Hallo Gwendolyn,

als ehemalige Lehrerin kann ich mich anderen Meinungen hier nur anschließen.
Sicherlich hast du wertvolle pädagogische/psychologische/methodische Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen, die man für deinen Traumberuf braucht. Nur dein „Publikum“ scheint nicht zu dir zu passen, aber das könntest du noch ändern. Kann ich nur empfehlen: ich habe ganze 2 Monate in einer Grundschule ausgehalten (als Vertretung) und wusste gleich, dass das nix für mich ist, und danach war ich sooo dankbar, Erwachsene unterrichten zu dürfen, dass ich es Jahre lang ganz gut hinbekam.

Liebe Grüße,

M.

Hi Gwen,

ach, Lehrerin.

Dazu kann ich Dir was sagen: Meine Mutter ist Lehrerin, nun seit einigen Jahren im Ruhestand (gottseidank).

Sie kennt mittlerweile keine(n) ihrer jüngeren Freunde/innen mehr, die NICHT psychisch mit den Nerven am Ende wären! Sie lassen sich reihenweise krankschreiben und kapitulieren. Auch ältere, erfahrene Lehrer werfen das Handtuch.

Gwen, vielleicht tröstet es Dich ein kleines bißchen, zu wissen, daß es vielen tausenden von Lehrern ganz genau so geht. Das ist nicht Deine Schuld oder Dein Versagen, sondern eine Mischung unserer derzeitigen Gesellschafts- und Familienstruktur und der dazugehörigen Familien- und Bildungspolitik. Im Grunde kann ein Lehrer dabei kaum gesund bleiben.

Laß es Dir gesagt sein, daß es nicht Deine Schuld ist, und versuche, wieder neu anzufangen!

Alles Liebe,
Nike

Aber Hinfallen ist keine Schande - nur liegenbleiben!

DER ist schön!

:o)

ich habe oft genug im Leben neu anfangen dürfen. Und bin
auch oft genug gescheitert mit meinen Planen und Wünschen.
Aber Hinfallen ist keine Schande - nur liegenbleiben!

dazu fällt mir ein - vielleicht ist es gar kein scheitern.
mag es nach gesellschaftlichen werten zunächst einmal so
aussehen - bei genauerer betrachtung und unter dem blickwinkel
der hier schon gemachten schönen ausführungen beim selbstfinden
und den damit verbundenen erkenntnissen die meiner meinung nach
mit „stürzen“ verbunden sein müssen - könnte man es als gewinn
betrachten - wobei ich natürlich weiss - diese sichtweise muss
man erstmal lernen.

lernt man es aber mühsam, erkennt man der einstige fall war
ein aufstieg :smile:

musste ich nun doch anmerken :smile:

LG
nina

Hallo gwen

Du bist gescheitert und hast versagt. Richtig.
Aber du bist kein Versager. Solch eine Verallgermeinerung
(bei einer Sache versagt, also Versager) ist logisch völlig aus der Luft gegriffen und hat psychisch fatale Auswirkungen, die du ja gerade
zu spüren bekommst, so dass ich nicht aufzählen muss, welche Konsequenzen aus der Überzeugung „Ich bin ein Versager“ folgen.

Mach’ dir folgendes klar: Es gibt keinen Menschen auf der Welt, der immer in allem erfolgreich wäre und es gibt keinen, der nichts kann.
Für jeden gibt es passende Tätigkeiten, in denen er gut ist.

Du hast dir nun leider Ziele vorgenommen, die nicht zu dir passen.
Dass dein Job ein Traumjob für dich war, war wohl eine Illusion. Du hast auf’s falsche Pferd gesetzt. Das ist alles. Das kann vorkommen und ist äußerst ärgerlich und kann in deinem Fall bei einer so wichtigen Sache wie einem Job zu existenziellen Ängsten führen. Aber die Schlussfolgerung „Ich bin ein Versager“ ist und bleibt völlig unangemessen.

Wenn ich mir in den Kopf setzte Weltmeister im Gewichtheben zu werden
und anfinge dafür zu trainieren, dann wäre das für Außenstehende ein
trauriges Schauspiel. Ich bringe die genetischen Voraussetzungen dafür
einfach nicht mit. Es wäre ein falsches Ziel für mich. Ich würde scheitern.
Bei Aufgaben, die zu mir passern, scheitere ich aber nicht. Und deshalb bin ich auch kein Versager.
Wie kommt es, dass du dir ein falsches Ziel gesetzt und geglaubt hast, dies wäre dein Traumjob? Ich will mich nicht wiederholen, deshalb schau mal hier:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
Was du nun konkret machen kannst, haben andere schon geschrieben.

Alles Gute, Tychi

Danke! (und weitere Infos)
Hallo,

vielen herzlichen Dank für eure Antworten!

Ich sehe meine Situation im Prinzip ähnlich wie ihr, nämlich als große Chance. Da ich gerne unterrichte (aber mit dem Erziehen nicht klarkomme), plane ich, mich im Bereich Nachhilfe selbstständig zu machen und zusätzlich auch möglichst in der Erwachsenenbildung tätig zu werden.

Ich bin heilfroh, wenn ich aus meiner momentanen Situation an der Schule raus bin (noch fünf Wochen!) und erstmal wieder zu mir selbst finden und gesund werden kann. Gleichzeitig will ich mein Leben jetzt künftig so gestalten, dass ich damit glücklich bin (ich denke, dass das im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit eher möglich ist als in einem Job als Angestellte).

Schlimm ist für mich halt, wie das alles passiert ist: Im Referendariat war noch soweit alles okay, ich hatte da zwar auch zeitweise etwas Disziplinprobleme, aber es wurde nie an meiner Eignung gezweifelt. Im Gegenteil, mein Schulleiter hielt mich für eine gute Pädagogin.

Nach dem Referendariat kam dann der Schulwechsel und ab da ging es halt abwärts, weil ich einfach nicht mit den Schülern klarkam bzw. klarkomme. Ich wurde belogen, betrogen, hintergangen und man tanzte mir auf der Nase herum, weil ich zu nett und gutmütig war.

Das Ganze eskalierte dann soweit, dass Eltern anfingen, bei der Schulleitung gegen mich Sturm zu laufen, weil teilweise kein geregelter Unterricht mehr möglich war.

Im Prinzip blieb mir keine andere Wahl als selbst zu gehen, ansonsten wäre ich gegangen worden. Da ich (man kann ironischerweise sagen: glücklicherweise!) mittlerweile ein körperliches und psychisches Wrack bin, befinde ich mich in der noch relativ glücklichen Lage, aus gesundheitlichen Gründen kündigen zu können und so wenigstens nicht noch Ärger mit dem Arbeitsamt zu bekommen.

Da das ganze Drama sich über einen langen Zeitraum immer weiter entfaltet hat und ich ständig neue Tiefschläge einstecken musste, fühle ich mich halt so mies - auch wenn ich die Situation für mich persönlich als Chance begreife.

Der Lehrerberuf war definitiv keine falsche Wahl. Lediglich die Klientel war nicht die richtige. Um das zu erkennen, habe ich den Umweg über diese Schule wohl gebraucht. Ansonsten hätte ich nämlich auch nie den Mut gefunden, den sicheren Staatsdienst zu verlassen und selbstständig (und glücklich) zu werden und zwar in meinem Traumberuf).

Liebe Grüße,
Gwen

Hallo, Gwen.
Ein paar schöne Antworten hast Du ja schon erhalten.

Vielleicht noch ein…zwei Gedanken? (So habe ich es gehalten.)

  1. Schau ab bei einem ‚erfolgreichen‘ Kollegen;
    und sei es auch (nur) für die Zukunft.
    Du wirst sicher nicht zurückgehen - und das solltest Du m.E. auch nicht. Der Staatsdienst legt Dir nämlich übermäßige Pflichten auf bei gleichzeitigen Beschneiden deiner individuellen Methode(n).
    Auch davon wird man krank.
  2. Der Lehrer lernt immer am meisten. Das kommt Dir zugute.

Das selbständige Lehren ist sicher auch eine große Herausforderung,
aber Du kannst Dir dann Deine Schüler wenigstens aussuchen.

Viel Erfolg - dig (aEg)
Bin auch schon mehr als einmal auf die Schnauze gefallen;
und zwar auch kräftig. Aber wie gesagt: nur liegen bleiben ist schlimm.