Zur Wahl gehen? Warum?

Lieber Nescio

Ich habe im board Inlandspolitik von dir gelesen:
„Ich gehe immer zur Wahl, weil ich so ein wenig mit
entscheiden kann.“
Hältst du das für eine rationale Begründung?

Mit Verlaub, ja.

Offenbar nicht, denn sonst hättest du sie hier einfach
wiederholt.

Ich dachte wiegesagt, du wolltest da irgendwie dialektischer auf etwas hinaus… :wink:

Aber warum gehst du hin?

Wiegesagt, also, wenn du so willst: aus rationalem Grund. Indem ich die Partei wähle, die (auch a la lngue) am meisten meinen Interessen entspricht und de am ehesten meine Ziele mit verwirklicht. Das sind - wie du dir denken kannst - die Grünen. Zwei essentials stehen bei mir im Vordergrund:

  1. Keine Studiengebühren
  2. Abschaffung der Atomkraftwerke
    Gruß,
    Branden

Hi chat :wink:

1.) …weil 50% der grünen politiker glaubten, man könne mit
der waffe, also durch krieg, frieden nach afghanistan bringen

  • das ist verrat am wähler von der einzig wahren
    friedenspartei.

Wie kömmst du darauf (selbst wenn du es ironisch meinst), dass die Grünen die „einzig wahre Friedenspartei“ seien? Die LINKE nimmt das mindestens so für sich in Anspruch, nur die sind aus anderen Gründen für mich keine Alternative.

2.) …weil in der zeit der rot-grünen regierung rote politik
gemacht wurde. den grünen war es wichtiger, an der regierung
zu sein als werte durchzusetzen.

Das kannst du eher der FDP unterstellen als den Grünen. Die Grünen haben imho mehr als alle anderen Parteien auf ihrer Grundlinie bestanden.

frau merkels politik ist mittlerweile grüner(bis auf AKWs) als
die politik der grünen parlamentspartei.

Frau Merkel ist mir nicht unsympathisch und es gibt ja auch Andeutungen, dass sie ganz gerne eine Koalition mit den Grünen hätte.
Aber die CDU insgesamt ist für mich nicht wählbar. Aus verschiedensten Gründen.
Gruß,
Branden

huhu,

1.) …weil 50% der grünen politiker glaubten, man könne mit
der waffe, also durch krieg, frieden nach afghanistan bringen

  • das ist verrat am wähler von der einzig wahren
    friedenspartei.

Wie kömmst du darauf (selbst wenn du es ironisch meinst), dass
die Grünen die „einzig wahre Friedenspartei“ seien? Die LINKE
nimmt das mindestens so für sich in Anspruch, nur die sind aus
anderen Gründen für mich keine Alternative.

naja…ich wollte nur eine eigenheit anbringen.

die wurzeln der linken werden oft als alles andere als friedlich gesehen - die wurzeln der grünen schon.
linkewähler wählen jetzt aus gründen von friedenswunsch oder eben verdrossenheit.
ein grüner wähler kann das nicht mehr behaupten, denn seine partei hat für das kriegführen gestimmt, als es um die frage von kosovo und afghanistan ging. fischer war einer der vorreiter, der mann, als früher von konservativen kreisen als nazi oder terrorist bezeichnete stellte sich nun hin und rechtfertigte millitärische gewalt gegen terrorismus.
das ist so als wenn die CDU plötzlich gewalt gegen aufständige christen in arabien billigt.

die grünen haben sich verändert - sie sind machtlüstern geworden.

sacrificium intellectus
Lieber Branden

Aber warum gehst du hin?

Wiegesagt, also, wenn du so willst: aus rationalem Grund.
Indem ich die Partei wähle, die (auch a la lngue) am meisten
meinen Interessen entspricht und de am ehesten meine Ziele mit
verwirklicht. Das sind - wie du dir denken kannst - die
Grünen. Zwei essentials stehen bei mir im Vordergrund:

  1. Keine Studiengebühren
  2. Abschaffung der Atomkraftwerke

Davon können wir doch, wie ich andernorts sagte, abstrahieren.

Ich will’s einmal anders versuchen:
Wenn du an der Wahl teilnimmst, wiegt deine Stimme ein Zigmillionstel;
sie beeinflusst das Wahlergebnis infinitesimal, praktisch also gar nicht.
Das ist unmittelbar evident, und trotzdem gehst du hin. Warum?
Was empfindest du bei diesem acte gratuit?
Kannst du ihn als „Partizipation an der System-Vernunft“ verbuchen,
wie [Edit: Name entfernt] hier sagt?

Ich empfände ihn als ein massives sacrificium intellectus.
Abzuhelfen wäre dem durch eine allgemeine Wahlpflicht
(wenn man sonst dieses System für optimal hält).

Gruss
Nescio

Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose
Hi Nescio

Davon können wir doch, wie ich andernorts sagte, abstrahieren.

Wozu sollten wir das?

Ich will’s einmal anders versuchen:
Wenn du an der Wahl teilnimmst, wiegt deine Stimme ein
Zigmillionstel;

Das tut sie doch bei jedem. Wenn also jeder denkt: Ich brauch nicht zur Wahl gehen, gibt es ein ganz anderes Ergebnis. Daran siehst du unschwer, wie wesentlich es ist, dass ich zur Wahl gehe. :wink:

sie beeinflusst das Wahlergebnis infinitesimal, praktisch also
gar nicht.

Wie ben gezeigt, eben doch sehr.

Das ist unmittelbar evident, und trotzdem gehst du hin.

Was ich gerade schrieb, ist für mehr weitaus mehr evident. Dein Argument ist für mich nicht stimmig.

Was empfindest du bei diesem acte gratuit?

Ist es ja nicht. Wenn ich einen Menschen medizinisch behandle, ist es ja auch nicht nur ein acte gratuit.

Kannst du ihn als „Partizipation an der System-Vernunft“
verbuchen,
wie [Edit: Name entfernt] hier sagt?

Nö, ich nehme meine Aktion wie sie ist: ganz real.
Gruß,
Branden

1 Like

Hi

die grünen haben sich verändert - sie sind machtlüstern
geworden.

Eine gewisse Machtlüsternheit können wir, denke ich, allen Politikern und Parteien unterstellen. Es geht also letzten Endes darum, wie stark diese Machtlüsternheit im ganzen Vorgehen der jeweiligen Gruppe/Partei wiegt.
Und da scheinen mir die Grünen noch deutlich den besten bzw. idealistischsten Zug zu haben.
Gruß,
Branden

Aaaaaarrrrggh
Oh Branden,
ich geb’s auf, aber trotzdem danke: es war durchaus interessant.
Nescio

Hi Nescio

ich geb’s auf

Ich fürchte, das musst du auch… :wink:
Gruß,
Branden

2 Like

ich war eben da, als ich fragte ob die Wahl demokratisch sei gewährte die (demokratische?) Wahlhelferin mir einen tiefen Einblick in ihren üppig gefüllten Auschnitt. Ist das demokratisch? Naja, ich hab leider weder 29 noch 28 gefunden und musste das 4te oder 5te von oben nehmen, das war so hübsch symmetrisch.
C

Hegel „reloaded“? - Ja, ein bisschen
Hi Nescio.

Demokratie ist ein historisches Produkt der Rationalität (Vernunft).

Das steht für mich nicht ohne weiteres fest,
weshalb ich natürlich auch deine Folgerung nicht
nachvollziehe:

Das mit dem Produkt der Vernunft ist natürlich der Knackpunkt in dieser Debatte, scheint mir. Warum sollte es nicht so sein? Das demokratische System ist unter allen Möglichkeiten dasjenige mit dem geringsten Risiko von Machtmissbrauch seitens der Regierenden.

Das ist vernünftig genug, um vernünftig genannt zu werden.

Also könnte bzw. müsste deine Frage auch lauten:
„Ist das demokratische Prinzip (System) rational?“

Genau.
Das dürfte aber schwerlich zu begründen sein,
denn: welches sind die Kriterien, denen es genügen müsste?

Siehe oben. Wenn du konkrete Einwände hast, habe ich nichts gegen eine fortführende Debatte.

Gruß

Horst

Des Kaisers neue Kleider
Hallo, Horst,

Demokratie ist ein historisches Produkt der Rationalität (Vernunft).

Das steht für mich nicht ohne weiteres fest,
weshalb ich natürlich auch deine Folgerung nicht nachvollziehe:

Das mit dem Produkt der Vernunft ist natürlich der Knackpunkt
in dieser Debatte, scheint mir. Warum sollte es nicht so sein?
Das demokratische System ist unter allen Möglichkeiten
dasjenige mit dem geringsten Risiko von Machtmissbrauch
seitens der Regierenden.

Das ist vernünftig genug, um vernünftig genannt zu werden.

Also könnte bzw. müsste deine Frage auch lauten:
„Ist das demokratische Prinzip (System) rational?“

Genau.
Das dürfte aber schwerlich zu begründen sein,
denn: welches sind die Kriterien, denen es genügen müsste?

Siehe oben. Wenn du konkrete Einwände hast, habe ich nichts
gegen eine fortführende Debatte.

Auch wenn ich dir zustimm(t)e, dass Demokratie derzeit die
Staatsform mit dem geringsten Risiko von Machtmissbrauch -
richtiger vielleicht: mit dem geringsten Machtmissbrauch -
ist, und wenn ich dies (unter Vorbehalt) mit dem Prädikat
„vernünftig“ auszeichnete, bleibt doch das Faktum, das ich
oben in mehreren Varianten beschrieben habe:

Es bedarf weder einer hohen Intelligenz noch einer
qualifizierten Ausbildung, um zweifelsfrei konstatieren zu
können, dass die Stimme, die ich beim Wahlakt abgebe, das
„Gewicht“ Null hat.

Welchen in einem ganz alltäglichen Sinn
vernünftigen/rationalen Grund gibt es also für mich, d.h. für
jeden, an der Stimmabgabe teilzunehmen?

Ich nannte das oben ein sacrificium intellectus. Das
ist es aber nur für den, der den
einfachen, ja trivialen Gedanken, fasst und fest hält. Das tun
vermutlich sehr wenige, denn dieses Problem wird kaum je
erörtert – wie ein Tabu. Die grosse Zahl der Nichtwähler hat
andere Gründe.

Für mich ist dies ein Paradefall für den in Andersens Märchen
von des Kaisers neuen Kleidern dargestellten individual- und
sozialpsychologischen Vorgang: Jeder kennt die Wahrheit, aber
keiner wagt es, sie sich bewusst zu machen oder gar
auszusprechen – bis auf ein Kind,
das noch nicht „enkulturiert“ (und entsprechend verblendet)
ist.

Gruss
Nescio

Jetzt nochmal ernsthaft gefragt, Nescio
Hallo nochmal, Nescio

Es bedarf weder einer hohen Intelligenz noch einer
qualifizierten Ausbildung, um zweifelsfrei konstatieren zu
können, dass die Stimme, die ich beim Wahlakt abgebe, das
„Gewicht“ Null hat.

Dass du das nicht ernst meinen k a n n s t, ist ja evident und dürfte inzwischen jedem hier aufgefallen sein (es ist ja schon allein mathematisch völliger Unsinn, denn du würdest darauf hinasgehen, dass 1 = 0 ist und das dürfte insbesondere die digitalen Mitleser hier sehr verstimmen *g*), aber ich frage mich nun, wohin deine Frage und dein Beharren philosophisch zielt. Eine Trollerei ist es sicherlich nicht, dazu bist du zu ernsthaft und zu lange hier; es könne allenfalls eine Euenspiegelei sein.
Was also willst du wirklich?
Gruß,
Branden

1 Like

Hallo zusammen,

Es bedarf weder einer hohen Intelligenz noch einer
qualifizierten Ausbildung, um zweifelsfrei konstatieren zu
können, dass die Stimme, die ich beim Wahlakt abgebe, das
„Gewicht“ Null hat.

wirklich schlimm wird die Sache, wenn man mit
seiner Stimmabgabe alle 4 Jahre nun meint
seiner demokratischen Pflicht genüge getan
und alle Verantwortung an eine Partei
delegiert zu haben, das erst macht das
Sacrificium intellectus perfekt!
Mit gegen Null wirkender Aktivität sein
Schicksal in fremde Hände zu geben.
Und solche Leute können in Summe das
Geschick eines ganzen Volkes bestimmen!

Irgendwann werden Wahlen überflüssig werden.
Man wird erkennen, dass die Besten einen
Job machen müssen und nicht die Gewählten.
Man wird Alternativen finden, diese
aktivieren zu können.
Wahlen sind nur ein Zwischenschritt,
deshalb halte ich Nescios Anfrage
weder für eine Eulenspiegelei noch
sonst etwas sondern durchaus für legitim.

Es stellt sichdem Einzelnen resultierend daraus
die Frage, wie kann ich meinen Aktivitäten mehr
Gewicht geben! Aber das ist sehr subjektiv
angelegt und schwer zu diskutieren.

Gruß
Powenz

Der Kaiser ist tot - es lebe die Demokratie
Hi Nescio.

Auch wenn ich dir zustimm(t)e, dass Demokratie derzeit die Staatsform mit dem geringsten Risiko von Machtmissbrauch - richtiger vielleicht: mit dem geringsten Machtmissbrauch - ist, und wenn ich dies (unter Vorbehalt) mit dem Prädikat „vernünftig“ auszeichnete, bleibt doch das Faktum, das ich oben in mehreren Varianten beschrieben habe:

Es bedarf weder einer hohen Intelligenz noch einer qualifizierten Ausbildung, um zweifelsfrei konstatieren zu können, dass die Stimme, die ich beim Wahlakt abgebe, das „Gewicht“ Null hat.

Keiner ist einfach so allein auf der Welt – wir Menschen bilden ein komplexes soziales System, ohne das wir als Individuen gar nicht beständen. Was du machst, ist, dich auf den Standpunkt des absoluten Individualismus zu stellen. Aus der Perspektive dieses Standpunktes aber sieht man nicht die Systembedingtheit der (eigenen) menschlichen Existenz, also den Umstand, dass wir als Individuen in erster Linie ein Produkt des sozialen Systems sind. Das absolute Individuum kann es nicht geben – erstens nicht, weil der Mensch von Grund auf systembedingt ist (Sprache, Normen, Moral), und zweitens, weil niemand wirklich individuell ist. Auch der überzeugteste Individualist zehrt von dem breiten kulturellen Angebot, das ihm das System macht. Alle Begriffe und Denkwege, deren er sich bedient, um das System zu kritisieren, hat er dem System entlehnt.

Was letztlich heißt, dass es keinen vernünftig begründbaren Rückzug (im Sinne einer inneren Emigration) aus dem System geben kann.

Welchen in einem ganz alltäglichen Sinn vernünftigen/rationalen Grund gibt es also für mich, d.h. Für jeden, an der Stimmabgabe teilzunehmen?

Ganz einfach den, dass es o h n e das nun einmal nicht geht. Ginge keiner wählen, dann funktionierte das demokratische System nicht, und andere Verfahren der Auswahl der Regierenden würden sich etablieren. Diese Verfahren liefen zwangsläufig auf die Unterdrückung der nichtregierenden Mehrheit hinaus.

Das zu vermeiden, ist wahrlich ein vernünftiger Grund, um wählen zu gehen.

Was aber für jeden gilt. Jeder ist aufgerufen, an der im System eingebauten Vernunft teilzunehmen, denn ohne diese Teilnahme würde diese Vernunft ja ins Leere laufen.

Da du aber zugibst, 1) dass Demokratie die unriskanteste Staatsform ist, müsstest du, meiner oben abgespulten Logik zufolge, 2) zu dem Schluss kommen, dass Wählen vernünftig ist. Denn ohne dieses Wählen wäre die Demokratie, die du prinzipiell favorisierst, erledigt. Was im Widerspruch zu 1) stände.

Gruß

Horst

Hi Horst,

widersprichst du dir nicht selbst?

Da du aber zugibst, 1) dass Demokratie die unriskanteste
Staatsform ist, müsstest du, meiner oben abgespulten Logik
zufolge, 2) zu dem Schluss kommen, dass Wählen vernünftig ist.
Denn ohne dieses Wählen wäre die Demokratie, die du
prinzipiell favorisierst, erledigt. Was im Widerspruch zu 1)
stände.

Der Kaiser ist tot - es lebe die Demokratie?
War die Monarchie nicht auch einmal eine
unriskante Staatsform? Und die gefährliche
Demokratie ein Risiko?
Wieso sollte man nicht wenigstens theoretisch
für eine Überlegung, weitere Schritte gehen?

Die Demokratie ist tot, es lebe die …

Gruß
Powenz

Du demonstrierst: Der Kaiser lebt!
Hallo Horst,

Es bedarf weder einer hohen Intelligenz noch einer qualifizierten Ausbildung, um zweifelsfrei konstatieren zu können, dass die Stimme, die ich beim Wahlakt abgebe, das „Gewicht“ Null hat.

Keiner ist einfach so allein auf der Welt … Individuen in erster Linie ein
Produkt des sozialen Systems sind… [etc.pp.]

gebongt. Das alles hat aber keine Relevanz für die von mir gestellte Frage.

Was letztlich heißt, dass es keinen vernünftig begründbaren
Rückzug (im Sinne einer inneren Emigration) aus dem System geben kann.

(Kann oder soll? Überleg mal.)
Aber auch das ist für meine Frage irrelevant.

Welchen in einem ganz alltäglichen Sinn vernünftigen/rationalen Grund gibt es also für mich, d.h. Für jeden, an der Stimmabgabe teilzunehmen?

Ganz einfach den, dass es o h n e das nun einmal nicht geht.
Ginge keiner wählen, dann funktionierte das demokratische System nicht

Da will ich dir nicht widersprechen :wink:
Aber ob ich - und nur für mich kann ich entscheiden, wie jeder Andere auch nur für sich -
zur Wahl gehe oder nicht, ändert nichts am Wahlergebnis.

Das [den Zusammenbruch des demokratischen Systems] zu vermeiden, ist wahrlich ein vernünftiger Grund, um wählen zu gehen.

Unvernünftig, weil elementar unlogisch.
Wenn ich zur Wahl gehe, kann ich damit nicht vermeiden, dass ausser mir
kein Anderer hingeht.

Wir können dahingestellt sein lassen, was du - „bisschen hegelisch“ ;-} -
von unserer Demokratie behauptet hast: historisches Produkt der Rationalität (Vernunft).
Nehmen wir sie hin als „historisches Produkt“.
Was dann die Wahlen (zweck)rational machen würde, wäre eine Wahlpflicht.
Denn nun forderte die Teilnahme kein sacrificium intellectus mehr.
(Dass sie das beim jetzigen Verfahren für zig Millionen Menschen, auch sehr klugen, nicht zu
fordern scheint, wirft eine weitere, m.E. hochinteressante Frage auf).

Das eigentlich Faszinierende an der Frage - die intellektuell gewiss keine
hohen Anforderungen stellt - ist jedoch, dass sie zuverlässig tabuisiert zu sein scheint
und (folglich?) in praxi die Wahlbeteiligung - obwohl, wie mir auch diese Diskussion
zeigt, kein vernünftiger Grund für sie aufzeigbar ist - erschreckend (IMO) hoch ist.

Gruss
Nescio

Kant vs. Nescio
Hi Nescio.

Keiner ist einfach so allein auf der Welt … Individuen in erster Linie ein
Produkt des sozialen Systems sind… [etc.pp.]

gebongt. Das alles hat aber keine Relevanz für die von mir
gestellte Frage.

Ich denke doch. Denn deine Argumentation basiert grundsätzlich, auch nachfolgend, auf der Absolutheit des Individualismus. Die Kategorien „Ich“ und die „anderen“ sind immer mit Vorsicht zu genießen, du aber gründest auf sie deine komplette Argumentation.

Siehe z.B.:

Aber ob ich - und nur für mich kann ich entscheiden, wie jeder
Andere auch nur für sich -
zur Wahl gehe oder nicht, ändert nichts am Wahlergebnis.

Wenn ich zur Wahl gehe, kann ich damit nicht vermeiden, dass
ausser mir
kein Anderer hingeht.

Die Trennung „Ich vs. Andere“ ist so einfach nicht zu machen. Bekanntlich läuft Kants Kategorischer Imperativ darauf hinaus, dass jeder Einzelne sich so zu entscheiden hat, wie er denkt, dass a l l e sich entscheiden sollten.

Das transzendiert deine strikte Trennung von Ich und Anderen. Wenn du dich für oder gegen das Wählen entscheidest, dann triffst du eine exemplarische Entscheidung für a l l e Menschen.

Diese Entscheidung kann nicht einfach so vom Rest der Menschheit isoliert betrachtet werden, als betreffe sie nur die Entscheidung zwischen Vanille und Schoko. Beim demokratischen Wahlprozess geht unter um sehr viel fundamentalere Dinge.

Bei denen der Gesichtspunkt „ich“ zu eng ist. Hier geht es vielmehr um das Ganze, von dem du ein Teil bist. Das reine „Ich“-Denken greift dabei, so meine ich, zu kurz.

Wir können dahingestellt sein lassen, was du - „bisschen
hegelisch“ ;-} -
von unserer Demokratie behauptet hast: historisches Produkt
der Rationalität (Vernunft).
Nehmen wir sie hin als „historisches Produkt“.

Hegel sah Vernunft als etwas Intersubjektives an - das ist der Punkt. Sie entspringt nicht dem Individuum, sondern funktioniert auf der intersubjektiven Ebene.

Und genau diese hochwichtige Ebene degradierst du zu etwas Nebensächlichem, als könne man sie nach Belieben goutieren oder ablehnen wie Vanille oder Schoko.

Was dann die Wahlen (zweck)rational machen würde, wäre eine
Wahlpflicht.

Zweckrationalität ist was anderes. Die demokratische Vernunft ist eine höhere Vernunft, sie fundiert das System, innerhalb dessen die Zweckrationalität auf das Lebenspraktische abzielt.

Das eigentlich Faszinierende an der Frage - die intellektuell
gewiss keine
hohen Anforderungen stellt - ist jedoch, dass sie zuverlässig
tabuisiert zu sein scheint

Findest du?

Gruß

Horst

voter’s illusion
Hallo Horst,

Aber ob ich - und nur für mich kann ich entscheiden, wie jeder
Andere auch nur für sich -
zur Wahl gehe oder nicht, ändert nichts am Wahlergebnis.

Wenn ich zur Wahl gehe, kann ich damit nicht vermeiden, dass
ausser mir kein Anderer hingeht.

Die Trennung „Ich vs. Andere“ ist so einfach nicht zu machen.

Nicht in puncto soziales Apriori etc., wie schon kürzlich gesagt;
aber sehr wohl in dieser einfachen, klaren und (eigentlich) leicht
zu entscheidenden Frage.

Bekanntlich läuft Kants Kategorischer Imperativ darauf hinaus,
dass jeder Einzelne sich so zu entscheiden hat, wie er denkt,
dass a l l e sich entscheiden sollten.

Auch das passt, wie manches in deiner Vormail, nicht hierher.
Die Teilnahme an einer Wahl ist keine Frage des Gewissens
oder gar der Sündhaftigkeit.

Das eigentlich Faszinierende an der Frage - die intellektuell
gewiss keine hohen Anforderungen stellt - ist jedoch, dass sie zuverlässig
tabuisiert zu sein scheint

Findest du?

Ja. Deine Denkbewegungen haben mich erneut darin bestärkt.

Wenn du in eine Suchmaschine „voter’s illusion“ eingibst, wirst du
eine Reihe von Artikeln zu diesem Thema finden (in englisch).
Der Begriff geht, soweit ich sehe, auf folgende Arbeit zurück:

Quattrone, G. & Tversky, A. (1984) Causal versus diagnostic contingencies:
On self-deception and on the voter’s illusion.
Journal of Personality and Social Psychology 46:237-48

Die Existenz von etlichen Schriften, die den Begriff verwenden, scheint
nun meinem Eindruck eines Tabus zu widersprechen. Ist aber nicht der Fall,
wenn man sie genauer untersucht (Dünnbrettbohrer).

Ein interessantes Faktum dazu noch zuletzt:
Die englische Wikipedia, die mehr als 3 Millionen Artikel/Lemmata zählt,
gibt keine Auskunft über „voter’s illusion“. Und demgemäss ist im Artikel
über Amos Tversky (s.o.) in der Liste von dessen „notable contributions“
darüber nichts zu lesen.

Gruss
Nescio

Keine moralfreie Zone
Hi Nescio.

Bekanntlich läuft Kants Kategorischer Imperativ darauf hinaus,
dass jeder Einzelne sich so zu entscheiden hat, wie er denkt,
dass a l l e sich entscheiden sollten.

Auch das passt, wie manches in deiner Vormail, nicht hierher.
Die Teilnahme an einer Wahl ist keine Frage des Gewissens
oder gar der Sündhaftigkeit.

Keine Frage des Gewissens? Da wäre ich mir nicht so sicher. So wie man seine Wahlentscheidung (für irgendeine Partei) mit seinem Gewissen vereinbaren muss, so auch die Entscheidung, n i c h t zur Wahl zu gehen. Denn deiner Frage, welchen Grund es f ü r das Wählen geben könnte, liegt bei dir - da bin ich mir sicher - ein Grund (bzw. eine Begründung) dafür zugrunde, dass du n i c h t wählen gehst.

Und genau diese Negativ-Entscheidung, die du innerlich und wohl auch äußerlich getroffen hast (Protesthaltung?), hat etwas mit deinem persönlichen Gewissen zu tun und mit irgendeinem unmoralischen Aspekt in der Politik, der dich vom Wählen abhält.

Also hängt das Thema mit Moral und Gewissen zusammen.

Das eigentlich Faszinierende an der Frage - die intellektuell
gewiss keine hohen Anforderungen stellt - ist jedoch, dass sie zuverlässig
tabuisiert zu sein scheint

Findest du?

Ja. Deine Denkbewegungen haben mich erneut darin bestärkt.

Sorry, war keine Absicht :smile:

Wenn du in eine Suchmaschine „voter’s illusion“ eingibst,
wirst du
eine Reihe von Artikeln zu diesem Thema finden (in englisch).

Nun, etwas wirklich Aussagekräftiges konnte ich nicht finden. Wenn du vielleicht mal eine Passage zitieren könntest?

Gruß

Horst

Gesslerhut
Hallo Horst,

Keine Frage des Gewissens? Da wäre ich mir nicht so sicher.

Wenn du zweifelst, ist das doch schon etwas :wink:

Denn deiner Frage, welchen Grund es
f ü r das Wählen geben könnte, liegt bei dir - da bin ich mir
sicher - ein Grund (bzw. eine Begründung) dafür zugrunde, dass
du n i c h t wählen gehst.

Richtig. Weil ich keinen vernünftigen Grund finde - und deshalb mal
hier fragte.

Und genau diese Negativ-Entscheidung,

Ich fragte ja nach Gründen für eine „Positiv-Entscheidung“.
Nicht das coole Why-Not, sondern Why.
Ist ähnlich wie bei der Frage nach „Gott“.
Weil „alle“ oder meinetwegen „viele“, eben auch Hochintelligente,
an „Gott“ glauben -resp. zur Wahl gehen -
verzichte ich nicht auf eine rationale Begründung für mein
Glauben/Handeln.

die du innerlich und
wohl auch äußerlich getroffen hast (Protesthaltung?)

nein, auch diesen Schuh ziehe ich nicht an;
der Protest wäre allzu leise,
genauso effektvoll (=Null) wie eine Stimmabgabe.

hat etwas mit deinem persönlichen Gewissen zu tun und mit
irgendeinem unmoralischen Aspekt in der Politik, der dich vom
Wählen abhält.

Nein, ich hatte ja von Anfang an betont, dass wir für diese Frage
von allen Aspekten der Politik absehen können/sollen.
Es könnte also auch - extrem, zur Verdeutlichung - meine Hinrichtung zur Abstimmung unter
zig Millionen Menschen zur Wahl stehen.

Also hängt das Thema mit Moral und Gewissen zusammen.

Nein, kann ich nicht erkennen.
Im Gegenteil:
Wenn „das System“ von mir erwartet, dass ich aus freien Stücken einen Akt vollziehen
soll, für den ich keinen vernünftigen Grund finde - und für den
auch nie einer genannt wird - dann empfinde ich das wie die
Aufforderung, ehrerbietig einen Gesslerhut zu grüssen.
Da sträubt sich – mein Gewissen.
Und schon gar nicht kann ich mit Kants KI wünschen, dass „alle“
so handeln. Im Gegenteil.

Eine einfache Lösung wäre, wie ich schon sagte, eine rechtliche
statt einer moralischen Wahlpflicht.

Das eigentlich Faszinierende an der Frage - die intellektuell
gewiss keine hohen Anforderungen stellt - ist jedoch, dass sie zuverlässig
tabuisiert zu sein scheint

Findest du?

Ja. Deine Denkbewegungen haben mich erneut darin bestärkt.

Sorry, war keine Absicht :smile:

:wink:

Wenn du in eine Suchmaschine „voter’s illusion“ eingibst, wirst du
eine Reihe von Artikeln zu diesem Thema finden (in englisch).

Nun, etwas wirklich Aussagekräftiges konnte ich nicht finden.

Am besten das Original von Tversky/Quattrone lesen.
Obwohl: ich komme auch ohne aus.
Ich hatte den Hinweis nur gegeben, um zu zeigen, wie
„die Wissenschaft“ die Frage angeht - und als Hinführung
zur Wertung der beachtlichen Leerstelle unter den 3 Mio (!) Artikeln der
englischen Wikipedia.

Gruss
Nescio