Hausrecht in öffentlichen Gebäuden

Hallo WWWler,

am Samstag bin ich einer öffentlichen Bibliothek Zeuge folgenden Zwischenfalls geworden: Als die studentischen Hilfskräfte die Bibliothek ordnungsgemäß um 14 Uhr schließen wollten, benahm sich eine Benutzerin völlig daneben, kreischte herum, sie brauche noch Zeit und sehe nicht ein, sich von zwei Studenten gängeln zu lassen. Als sie dann mehrfach (höflich) aufgefordert wurde, die Bibliothek zu verlassen, fing sie an Leihzettel und Stifte herumzuwerfen, ein Bücherregal umzuwerfen und die beiden Studenten auf das Wüsteste zu beschimpfen. Die beiden riefen dann die Polizei an, worauf die unbekannte Bibliotheksbenutzerin unter weiteren Beleidigungen die Bibliothek vor dem Eintreffen der Polizei verlies.

Ich fragte die beiden Studenten dann, warum sie nicht das Hausrecht wahrgenommen und die Störerin mit Gewalt aus der Bibliothek geprügelt oder zumindest bis zum Eintreffen der Polizei in Gewahrsam genommen hätten. Ich bekam zur Antwort, dass ihnen ein tätliches Vorgehen gegen Benutzer seitens der Bibliotheksleitung ausdrücklich untersagt sei und sie grundsätzlich die Polizei rufen müssten. Ihnen sei gesagt worden, im Gegensatz zu privaten Gebäuden sehe das Hausrecht in öffentlichen Einrichtungen kein Eingreifen durch Bedienstete vor.

Stimmt das? Und wenn nicht: Hätte das Auftreten der Benutzerin ein gewaltsames Eingreifen gerechtfertigt?

Wenn ich in der Situation der Studenten gewesen wäre, hätte ich die Frau vermutlich in den Polizeigriff genommen und ihr angeboten, entweder das von ihr angerichtete Chaos wieder aufzuräumen oder im Polizeigriff auf die Polizei zu warten. Wäre das nicht legal gewesen? Was wäre passiert, wenn ich ihr dabei die Schulter ausgekugelt hätte?

Danke für Eure Hinweise und viele Grüße,

Matt

Hallo,

das mit dem Hausrecht bei öffentlichen Gebäuden ist in der Tat etwas verzwickt. Grundsätzlich ist hier das „normale“ private Hausrecht durch die öffentliche Funktion überlagert. Das bedeutet, dass nicht der Eigentümer das Hausrecht ausübt, sondern die durch die Funktion des Gebäudes bestimmte Person. Das ist idR. der Leiter der Anstalt. Es gibt aber auch bestimmte Zuständigkeiten, wie etwa das Hausrecht des Richters für den Sitzungssaal nach dem GVG. Maßgeblich kommt es hierbei darauf an, ob der Störer das Gebäude in Verbindung mit dessen Funktion betreten hat (dann unterliegt dem dem öffentlich-rechtlichen Hausrecht) oder aus anderen Gründen (dann unterliegt der dem normalen zivilrechtlichen Hausrecht). Klingt seltsam, ist aber so (Fausformel: „Wie er hineinkommt, so fliegt er hinaus“).

Für den vorliegenden Fall bedeutet das, dass der Leiter der Bibliothek das Hausrecht ausübt, da die Studentin diese funktionsgemäß benutzt hat. Allerdings kann dieses Recht delegiert werden, so dass die Angestellten es meist auch ausüben können. Das hat hier vermutlich auch auf die Aufsichtsstudenten zugetroffen.

Bei uns in der Uni ist das so. Wie üben als Lehrstuhlmitarbeiter ggf. auch das Hausrecht für unsere Fachbereichsbibliothek aus, das eigentlich dem Präsidenten zusteht aber weiter delegiert wurde.
Gruß,
Dea

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Hausrecht notwendig?
In dem Fall hat die Benutzerin doch
offensichtlich eine Straftat begangen, und
da kann „Jedermann“ eine vorläufige Festnahme
bis zum Eintreffen der Polizei vornehmen, oder?

Gruss, Marco

Hallo,

ja schon möglich (wobei ich die genauen Voraussetzungen des privaten Festnahmerechts jetzt nicht kenne), aber das tangiert das Hausrecht ja nicht und ist einfach eine andere, zusätzliche rechtliche Handlungsmöglichkeit.
Gruß,
Dea

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§§229ff. BGB
Hi,

Man hätte sich hier anstatt auf ein hausrecht auf eine „selbsthilfe“ berufen können durch das tätlich werden der kundin.
Ich denke aber hier müsste das BGB von einem juristen ausgelegt werden; der „normaluser“ könnte sonst schnell selbst in die sch… langen.

LG Alex:smile:

In dem Fall hat die Benutzerin doch
offensichtlich eine Straftat begangen, und
da kann „Jedermann“ eine vorläufige Festnahme
bis zum Eintreffen der Polizei vornehmen, oder?

Ja, aber das rechtfertigt keinerlei körperlichen Zugriff auf die Person insofern sie sich nicht der Strafverfolgung entziehen möchte, was sie ja hier nun wirklich nicht getan hat (ganz im Gegenteil).
Mal ganz lapidar gesagt, das Hausrecht haben bedeutet nicht gleichzeitig das Faustrecht haben. Die Polizei zu rufen, damit diese denjenigen/diejenige aus den Räumlichkeiten bringt ist da schon angemessener. Eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch wegen der Mißachtung eines Verweises von jemandem, der das Hausrecht ausübt, ist dann eine ganz andere Geschichte und sicherlich vor Gericht unproblematisch was diesen Fall betrifft.

mfg
Simon

Hallo!

Ja, aber das rechtfertigt keinerlei körperlichen Zugriff auf
die Person insofern sie sich nicht der Strafverfolgung
entziehen möchte, was sie ja hier nun wirklich nicht getan hat
(ganz im Gegenteil).

Die Person hatte sich doch vom Ort des Geschehens entfernt. Das nenne ich nicht unbedingt kooperatives Verhalten im SInne einer späteren Strafverfolgung.

Um die Verhältnismäßigkeit zu wahren, wäre wohl folgendes Vorgehen angezeigt:

  • Person ansprechen und um Ausweisung bitten (Personalausweis).

Hat die Person keinen Personalausweis, so muss sie sowieso bis zum Eintreffen der Polizei warten.

Will die Person sich nicht ausweisen, darf man sie im Rahmen der Verhätnismäßigkeit bis zum Eintreffen der Polizei festhalten:

  • Person will weggehen: Man hält die Person am Arm fest
  • Person wird tätig: Man bringt z.B. die Person zu Fall und hält sie am Boden fest.

Dabei ist es m.E. nach irrelavant, dass das ganze in einem öffentlichem Gebäude stattfindet: man übt ja kein Hausrecht aus, sondern kümmert sich um die STrafverfolgung. Mit dem Umwerfen eines Bücherregals hat die Person ja u.U. öffentliches Eigentum beschädigt, was jeden zum Eingreifen berrechtigt.

Lieben Gruß
Patrick

Richtig, mir ging es nur darum dem Eindruck entgegen zu steuern, es seien bei Ausübung des Hausrechts oder der Jedermann-Festnahme allerlei Gewalttätigkeiten erlaubt. Das ist so ohne weiteres ja nun nicht korrekt und das ist auch durchaus gut so.

mfg
Simon