Verlangt ARGE Kündigungsschutzklage vor ALG I-Bew?

Liebe Wissende!

Angenommen ein „kleiner“ Arbeitgeber (2 Beschäftigte = KSchG gilt nicht, Firmensitz in Niedersachsen) kündigt seinem Mitarbeiter zwar nicht fristlos, aber auch nicht gem. § 622 BGB fristgerecht (2 bzw. 3 Monate zum Monatsende) mit einem kurzen unbegründeten Schreiben z. B. zum 31.05.2008…

… Weiterhin angenommen: Der (Ex-)Mitarbeiter klagt nicht vor dem Arbeitsgericht gegen diese Kündigung, sondern akzeptiert sie so.

Meine Frage: Kann die ARGE im Rahmen der Prüfung des ALG I - Antrages verlangen, dass der ehemalige Mitarbeiter die nicht fristgerechte Kündigung gerichtlich angreift und die Leistung von ALG I verweigern? Wenn ja, mit welcher Begründung?

Ändert sich etwas, wenn der gekündigte Mitarbeiter relativ kurz (ein bis zwei Jahre) vor dem Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze steht?

Ich habe im Archiv/FAQs schon nachgeschaut, da war eine ähnliche Anfrage. Die ist aber schon aus dem Jahr 2006 gewesen, vielleicht hat sich da ja mittlerweile was geändert.

Lieben Gruß

Trillian

s. Durchführungsanweisungen (DAs) zu § 144 SGB III
Hi!

Angenommen ein „kleiner“ Arbeitgeber (2 Beschäftigte = KSchG
gilt nicht, Firmensitz in Niedersachsen) kündigt seinem
Mitarbeiter zwar nicht fristlos, aber auch nicht gem. § 622
BGB fristgerecht (2 bzw. 3 Monate zum Monatsende) mit einem
kurzen unbegründeten Schreiben z. B. zum 31.05.2008…

… Weiterhin angenommen: Der (Ex-)Mitarbeiter klagt nicht vor
dem Arbeitsgericht gegen diese Kündigung, sondern akzeptiert
sie so.

Meine Frage: Kann die ARGE im Rahmen der Prüfung des ALG I -
Antrages verlangen, dass der ehemalige Mitarbeiter die nicht
fristgerechte Kündigung gerichtlich angreift und die Leistung
von ALG I verweigern?

Sieher hierzu die DAs (http://www.arbeitsagentur.de/zentraler-Content/Veroe…) und such’ Dir das Passende raus (insb. wahrscheinlich 114.16)!

DA 144.2 – Sachverhaltsermittlung:
"Wenn sich Anhaltspunkte für ein schuldhaftes Herbeiführen der Arbeitslosigkeit ergeben, ist der Sachverhalt aufzuklären. Das ist z. B. der Fall, wenn zu einer Kündigung durch den Arbeitgeber Gesichtspunkte hinzutreten, die auf eine einvernehmliche Lösung des Beschäftigungsverhältnisses hindeuten.
Beispiele:
a) Zusammentreffen einer rechtswidrigen Arbeitgeberkündigung mit einer finanziellen Vergünstigung,
b) widersprüchliche Angaben zur vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses.
"

DA 144.12 – Beteiligungssachverhalte i. V. m. DA 144.14 – Abwicklungsvertrag:
"(1) Das Beschäftigungsverhältnis ist durch den Arbeitnehmer auch dann gelöst, wenn es ohne Beteiligung des Arbeitnehmers nicht beendet worden wäre. […]
b) Bei einer Arbeitgeberkündigung kann der Arbeitslose nachträglich innerhalb der Frist, in der eine Kündigungsschutzklage erhoben werden kann, (z. B. durch einen „Abwicklungsvertrag“) das Beschäftigungsverhältnis gelöst haben. Solche Verträge können insbesondere die Zahlung einer Abfindung zum Inhalt haben, wenn dafür auf die Geltendmachung der Rechtswidrigkeit der Kündigung verzichtet wird.
"

**\ *DA 144.16 – Hinnahme einer Arbeitgeberkündigung:
Ein Beteiligungssachverhalt setzt aktives Mitwirken des Arbeitnehmers voraus. Die bloße Hinnahme einer Kündigung reicht nicht aus. Ergeben sich Hinweise auf einen Beteiligungssachverhalt, ist dies aufzuklären.“***

DA 144.17 – offensichtlich rechtswidrige Kündigung:
"_Die Hinnahme einer offensichtlich rechtswidrigen Kündigung kann
aber auf einen Beteiligungssachverhalt hindeuten. Eine Kündigung
ist offensichtlich rechtswidrig, wenn der Arbeitnehmer ohne weiteres
erkennen musste, dass sie gegen arbeitsvertragliche,
tarifvertragliche oder gesetzliche Bestimmungen verstößt.
Eine Kündigung ist offensichtlich rechtswidrig, wenn

  1. die maßgebende Kündigungsfrist nicht eingehalten ist,
  2. der Arbeitslose nach tarif- oder einzelvertraglichen Bestimmungen nur noch aus wichtigem Grund (§ 626 BGB) kündbar war, oder
  3. der Arbeitslose besonderen Kündigungsschutz genießt und die
    Kündigung deshalb nichtig ist, z. B. nach
    a) § 9 MSchG (Kündigung einer Frau während der Schwangerschaft oder bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung),
    b) § 18 BEEG (Kündigung während der Elternzeit ohne Zustimmung der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde),
    c) § 85 SGB IX (Kündigung eines schwerbehinderten Menschen ohne Zustimmung des Integrationsamtes),
    d) § 15 KSchG (Kündigung des Mitglieds eines Betriebsrates, einer Jugendvertretung u. a.).
    Ob die Kündigung sozial gerechtfertigt oder ungerechtfertigt ist, ist
    für den Arbeitnehmer idR. nicht offensichtlich._ "

Ändert sich etwas, wenn der gekündigte Mitarbeiter relativ
kurz (ein bis zwei Jahre) vor dem Erreichen der gesetzlichen
Altersgrenze steht?

Ein solcher Mitarbeiter (MA) hat oft eine längere Kündigungsfrist oder ist (je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit) auch teilweise gar nicht kündbar. Siehe hierzu die DA 144.17, Nr. 1 + 2! (In diesem Fall würde wohl eine Sperrzeit eintreten wegen „offensichtlicher Rechtswidrigkeit“ der Kündigung.)
Wenn der ältere MA aber erst kurz im Betrieb ist, dann fällt er (dies ist nur eine Ahnung meinerseits, kein Wissen!) aber vielleicht auch nur unter die „normale“ Sozialauswahl. Hier verweise ich auf den letzten Satz der DA 144.17: „Ob die Kündigung sozial gerechtfertigt oder ungerechtfertigt ist, ist für den Arbeitnehmer idR. nicht offensichtlich.“ (Soll heißen: Wohl keine Sperrzeit.)

Gruß
Liza

Vielen Dank Liza!

Ich hatte mir schon gedacht, dass das Hinnehmen einer offensichtlich rechtswidrigen Künigung nicht unproblematisch ist.

Lieben Gruß

Trillian

Guten Morgen Liza,

ich komme erst jetzt dazu mich richtig mit Deiner Antwort auseinander zu setzen… Vielen Dank für Deine ganze umfassende Mühe!! Dafür ein Sternchen.

Lieben Gruß

Trillian