Hygiene in der Geschichte

Guten Abend Gemeinde,

ich weiß nicht genau ob ich richtig bin mit meiner frage, entschuldigt bitte wenn ich fehl am Platze bin.

Seit wann waschen sich die Leute, insbesondere auch in Europa ?
Und mit was haben sie sich gewaschen?
Ich glaube Duschgel hatte man damals noch nicht.
Mich interessiert das irgendwie ganz unheimlich, so merkwürdig es auch klingen mag.

Gruß Eduard

Guten Abend auch,

Seit wann waschen sich die Leute, insbesondere auch in Europa

Genaue Zahlen kann ich nicht liefern, aber es ist noch nicht sehr lange her, dass man sich (regelmäßig) wäscht. Vor kurzem habe ich das Bauernhofmuseum in Illerbeuren besucht (durchaus sehenswert!). Da war es noch vor 100 - 150 Jahren üblich, sich sehr selten zu waschen. Auf meine Frage nach dem Geruch, ob die damals andere Nasen hatten, hieß es, „da gewöhnt man sich sehr schnell dran.“ In den Städten war das wohl früher als auf dem Land. Tante Googel wird dir sicher Genaueres liefern.
Dort wurden noch andere interessante Dinge erzählt: „Schlafen tut man im Sitzen (in einem Bett). Liegen tun nur die Toten.“
Schwierig für uns heutige, sich das vorzustellen, und … dass das überhaupt noch nicht lange her ist.

Ich glaube Duschgel hatte man damals noch nicht.

Natürlich nicht, Das ist eine „Errungenschaft“ der max. letzten zwei, drei Jahrzehnte. Ob positiv … jedenfalls bequem. Die dabei massenhaft verbrauchten Plastikbehälter kosten ja nix …

Gruss
Laika

Hallo!

Seit wann waschen sich die Leute, insbesondere auch in Europa
?

Fürs erste: http://de.wikipedia.org/wiki/Seife#Geschichte_der_Seife

Ich durfte im letzten Sommer die überaus gut erhaltenen Badeanlagen im englischen Bath besichtigen. Sie wurden vor rund 1800 Jahren von den Römern erbaut. Schon damals wurde die Körperpflege groß geschrieben. Daher glaube ich das die Bäder-Tradition in Europa noch viel älter ist. Die Seife (s. o.) ist hingegen jünger.

Ich habe mal gelesen, dass die Indianer im Wasser badeten und sich mit Farnwedeln abrieben, was einen ähnlichen Effekt wie Duschgel gehabt haben soll. Ob’s stimmt, weiß ich jedoch nicht. Hat ja auch nicht allzusehr mit Europa zu tun…

Mich interessiert das irgendwie ganz unheimlich, so merkwürdig
es auch klingen mag.

Das klingt überhaupt nicht merkwürdig. Ich war zwar noch nie dort, aber in Dresden gibt es das Deutsche Hygiene-Museum. Vielleicht ist das ja was für Dich?

Michael

Hallo!

Dass das vor 100 oder 200 Jahren so war, bedeutet nicht, dass es schon immer so war! Die Römer besaßen Bäder und Thermen fast überall, wo sie hinkamen. Im Mittelalter spielte das Badehaus eine ganz zentrale Rolle im sozialen Leben. Schon in der Bibel wäscht Jesus dem Zöllner die Füße. Ich meine mich zu erinnern, dass das Waschen erst im Barock aus der Mode kam, wo es schicker war, seine Körpergerüche mit Parfum zu übertönen, als Wasser an die Haut zu lassen…

Michael

Barock
Hallo,

m.W. war das Nicht-Waschen nicht „schick“, sondern ein medizinischer Trugschluss: Man hielt es für gesundheitsschädlich. Die Frage müsste generell differenziert werden für Ober-/Unterschicht, Stadt-Land etc.

Gruß
Andreas

Hallo!

Seit wann waschen sich die Leute, insbesondere auch in Europa?

Über die diesbezüglichen Gepflogenheiten in ganz Europa kann ich nichts sagen. Aber durchaus über die Gewohnheiten zumindest in Schleswig-Holstein und Mecklenburg. Quellen sind a) eigenes Erleben, b) die Architektur sowie c) Schriftstücke zur Dorfgeschichte.

Zu a) Fast 10 Jahre meiner Kindheit und Jugend verbrachte ich in einem Haus, das Mitte der 50er als Teil einer Siedlung vorzugsweise für Vertriebene gebaut worden war, in dem für den Vermieter ein Badezimmer vorgesehen war, aber für die Mieter - immerhin eine 5köpfige Familie -gab es nichts dergleichen. In der Küche gabs ein Waschbecken aus emailliertem Blech. Ein Mal pro Woche wurde auf dem Küchenherd im Topf, der eigentlich zum Einwecken gedacht war, Wasser warm gemacht und in eine auf den Fußboden gestellte Zinkwanne gegossen. Darin wurden nacheinander die Kinder abgeschrubbt.

Zu b) Noch vor 50 Jahren waren Badezimmer für die gewöhnlichen Leute keine Selbstverständlichkeit. Sogar fließend Wasser gab es längst nicht überall, statt dessen im günstigen Fall eine Schwengelpumpe auf dem Grundstück. In meiner Geburtsstadt in Schleswig-Holstein gab es in Teilen der Innenstadt bis in die 50er Jahre nur eine Pumpe auf dem Rathausplatz. Von dort schleppten die Leute ihr Wasser in Eimern nach Hause. Kanalisation gabs erst in den späten 60ern. Vorher flossen die Fäkalien ungeklärt in einen Teich, in dem Karpfen gezüchtet wurden und an dessen Ufer es die städtische Badeanstalt gab. Natürlich konnte man dort nur im Sommer baden und schwimmen, im Winter war der Teich zugefroren.

In neu gebauten Häusern für finanziell gut gestellte Schichten gehörte ein Badezimmer schon vor 100 Jahren zur Ausstattung, manchmal sogar ziemlich luxuriös. Für die überwiegend aus Arbeitern bestehende Bevölkerung sah es bis vor wenigen Jahrzehnten anders aus. Was sich zögerlich durchsetzte, waren zunächst WCs statt der Plumpsklos und Nasszellen - von Badezimmer nach heutigem Standard mag man dabei kaum sprechen. Auch in vielen großstädtischen Wohnquartieren waren noch in den 70er Jahren Badezimmer keine Selbstverständlichkeit. Eimer, Wasser und Waschlappen mussten reichen.

c) Bei Recherchen zur Dorfgeschichte stieß ich auf einen Bericht aus der Anfangszeit der DDR, also vor etwa 60 Jahren. In einem Kuhstall hatte die örtliche LPG einen Raum als Waschgelegenheit für die Dorfbewohner zur Verfügung gestellt. Dort wurde gemeinschaftlich geduscht (über einen eigenen Wasserturm gab es fließend Wasser). Von einem Badeofen ist nichts überliefert, vermutlich wurde kalt geduscht.

Das war nur ein kurzer Abriss. Bei Bedarf gerne mehr.

Gruß
Wolfgang

Hallo Eduard,

deine Fragen interessieren mich auch, daher habe ich mir schon mal dieses Buch hier in meine amazon-Wunschliste gepackt:
http://www.amazon.de/Clean-Unsanitised-History-Kathe…
Ich bin leider noch nicht dazu gekommen, es zu lesen, kann dir also nicht sagen, ob es hält was es verspricht.

Ich glaube Duschgel hatte man damals noch nicht.

Nein, natürlich nicht. Man hat ganz einfach Seife verwendet. Ich verwende die bis heute, ganz einfach weil ich nicht weiß, was das alles für komische Chemikalien sind, die da im Duschbad sind. An den Namen bricht man sich ja die Zunge.

Übrigens, Laura Ingalls Wilder beschreibt in ihren Büchern, wie ihre Mutter selber Seife aus Fett und Asche kocht. Das gab dann doch sowas ähnliches wie Duschgel, nämlich glibberige Flüssigseife „für jeden Tag“. Wenn Besuch kam, hat man die Seife aus dem Laden verwendet.

Ok, war in Amerika und nicht in Europa, ist mir aber zum Thema „Duschgel“ gerade eingefallen.

Schöne Grüße

Petra

In der Nachkriegszeit haben Frauen Kernseife auch gekocht. Das war zu der Zeit eben normal.

Hi,
unser Haus (das Wohnhaus eines Kleinindustriellen in einer Bergischen Mittelstadt) wurde 1920 erbaut.
Eine Toilette (mit Schwerkraftspülung) wurde Anfang der 30er Jahre im Haus eingebaut. Wasserspülung kam Ende der 30er. Eine Sitzbadewanne baute man nach dem Krieg (Anfang der 50er) ein.
Erst als wir 1982 das Haus übernahmen wurden Badewanne und Dusche eingebaut.
A.

Servus,

Seit wann waschen sich die Leute, insbesondere auch in Europa
?

wahrscheinlich seit mindestens 2.500 Jahren. Die Stabianer Thermen in Pompeji werden auf ca. 400 - 500 v.Chr. datiert.

Und mit was haben sie sich gewaschen?

Die Römer der Kaiserzeit benutzten Schaber aus Horn und Bimssteine der Art, die heute noch als „Neuenbürger Mäuschen“ bekannt ist.

Seife war im antiken Rom sicherlich bekannt - es gibt wohl eine Anweisung aus Mesopotamien, wie man Seife aus Öl und Pottasche herstellen kann, die älter als 4.000 Jahre ist.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

Hallo,

ich habe ein Buch über „Volksgesundheit“ von 1927, darin empfiehlt der Autor, sich mindestens einmal in der Woche zu waschen. Bei körperlich anstrengender Arbeit sollte man sogar 2-3 mal pro Woche Körperhygiene betreiben.

Ich finde, dass das durchaus Rückshclüsse auf die damalige Körperhygiene und Waschgewohnheiten zulässt… Wenn ein Arzt den Leuten empfiehlt, sich mindestens wöchentlich zu waschen.

Natürliuch darf man nicht vergessen, dass die meisten Leute im Schlafzimmer ein „Lawwaboh“ hatten, eine große Schüssel mit Kanne, darin Wasser war. Damit hat man sich morgens das Gesicht, den Hals und evtl. den Intimbereich gereinigt. immerhin besser als nichts.

Gruß
Betasator

Servus,

vom Aspekt der Hygiene her ist der empfohlene Rhythmus damals wie heute vollkommen ausreichend. In dieser Hinsicht ist seither nichts besser geworden - tendenziell eher schlechter, weil das sture und strikte Händewaschen nach dem Klo und vor dem Essen in zurückliegenden Zeiten, als es normal war, dass man an Infektionskrankheiten starb, sicherlich von mehr Leuten als heute praktiziert wurde. Es wurde noch unseren Jahrgängen regelrecht reingebimst, so kam z.B. in der Grundschule keiner vom Klo, ohne gefragt zu werden, ob er die Hände gewaschen hatte.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

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Moin,

aber es ist noch nicht
sehr lange her, dass man sich (regelmäßig) wäscht.

bis zum Ende des Mittelalters war Waschen durchaus üblich und es gab viele Badehäuser.
Als um das Jahr 1500 von den Amerikafahreren die Syphilis nach Europa eingeschleppt wurde, wurde als Üertragungsweg das Wasser ausgemacht, weil in Badehäusern oft genug auch gleichzeitig mit dem Waschen sexuelle Aktivitäten stattfanden, auch mit Prostituierten. Sie Syphilis wurde zwar über den Geschlechtsakt verbreitet, aber das wurde so nicht erkannt. Wassr bzw. Waschen wurde stigmatisiert und das dauerte bis in die Neuzeit.

Gandalf

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Hallo Eduard,

Hier ein Zitat von http://sarah-a-friedli.suite101.de/koerperpflege-und… welches auch meinem Wissen entspricht:

_Die tägliche Körperpflege des Hochmittelalters
Insbesondere während des Hochmittelalters wurde der Reinlichkeit des eigenen Körpers grosser Wert beigemessen, dies vor allem dank der aus dem Orient überschwappenden Bäderkultur. Unter Adligen war es üblich, täglich zu baden. Traf ein Gast auf einer Burg oder im Herrenhaus ein, so wurde ihm ein Bad bereitet. Die Tochter des Hauses war dafür zuständig, ihm beim Waschen, Kämmen und Salben behilflich zu sein. Gebadet wurde für gewöhnlich im Schlafzimmer. Wer es sich leisten konnte, mischte aromatische Kräutern ins Badewasser und parfümierte sich damit auch nach dem Bad. Aus Gründen der Geselligkeit und Gastfreundschaft wurde die Wanne oftmals gemeinsam bestiegen. Das einfache Volk hingegen wusch sich wesentlich seltener. Verwendet wurde hierfür ein fettlösendes Gemisch aus Wasser und Asche. Bei Tisch wurde jeweils eine Schüssel zur Säuberung der Hände gereicht. Zum Abtrocknen musste allerdings das Tischtuch herhalten. Einzig im Kloster war das Baden verpönt und nur zweimal jährlich gestattet.

Vollständigen Artikel auf Suite101.de lesen: Körperpflege und Hygiene im Mittelalter | Suite101.de http://sarah-a-friedli.suite101.de/koerperpflege-und…_

Zu letzterem möchte ich ergänzen: Es stimmt zwar, dass den Mönchen zu Ostern und zu Weihnachten ein Kuttenwechsel vorgeschrieben, ein Vollbad aber nur empfohlen war. Allerdings gab es häufige rituelle Hand- und Fußwaschungen, so dass das hygienische Niveau im Kloster nicht ganz so drastisch war, wie es auf den ersten Blick erscheint.

Hallo,

in den einzelnen Kulturen ist diese Frage ganz unterschiedlich gehandhabt worden.

Gewaschen haben sich die Menschen nun schon immer - in der Steinzeit wohl nur um Parasiten loszuwerden und den Insektenstichen Kühlung zu verschaffen…

Man erkannte bald, dass das „Abschrubben“ der Haut, den Schmutz besser entfernte, die Haut erfrischte (nämlich durchblutete) und einen sehr sauberes Gefühl hinterließ (Peeling).

In der Jungsteinzeit entdeckte man in Nord- und Mitteleuropa die reinigende Wirkung des Seifenkrauts. Die Seifenkrautwurzel produziert nämlich Saponione und funktioniert ähnlich wie „moderne“ Seifen.

In anderen Gegenden (Sumer) entdeckte man das mit Fett vermischte Asche eine Waschwirkung erzielt - der Vorläufer unserer heutigen Seifen.

In Asien (China, Indien) wusste man zur gleichen Zeit schon von der Reinigungswirkung der Waschnüsse.

Wo keine Seifen zum Einsatz kamen wurde umso kräftiger geschrubbt - mit Bimsstein, Sand und Öl, Schwämmen oder Sisal (Mittelamerika).

Interessanterweise entdeckten sehr viele Völker unabhängig voneinander die „Seife“ - in unterschiedlichen Formen, immer aber mit der gewünschten Reinigungswirkung.
Körperpflege scheint ein Grundbedürfnis des Menschen zu sein.

Manche Kultur zog das eine Reinigungsmittel dem anderen vor. So verteufelten die Römer anfänglich die Seife und bevorzugten die Sand/Öl Methode.
Die Wikinger(Skandinavier) und Nordrussen genossen umso lieber eine gemeinsame Reinigung in der Sauna.

Überhaupt waren Schwitzbäder mit anschließendem Schrubben und Baden sehr beliebt. Auch sie entwickelten sich unabhängig voneinander.

So reinigte man sich z.B. auch in Rom, in Japan und ebenfalls bei den nordamerikanischen Indianern.

Haare wurde eher selten gewaschen. Häufig wurden sie geflochten, geschoren oder mit Fett eingerieben.
Reinigung erfuhren sie beim Ganzkörperbad oder im Regen.
Kopfmassagen, Kämmen und entlausen war verbreitet. Es linderte sicherlich den Juckreiz…

Erst spät begann man sie gezielt mit Wasser und Seife zu waschen.

Manche Völker waschen sich bis heute gar nicht. So reiben sich die Himba in Namibia ihr Leben lang mit Fett und Tonerde ein. Das Haar wird geflochten und ebenfalls gefettet.
Die Himba leiden nicht unter Hautkrankheiten oder anderen „Folgeerkrankungen“ des Nicht-waschens.
Ihr Reinigungsbedürfnis wird durch das ständig neue massieren und reiben der Haut und des Kopfes gestillt - sie sind sehr sauber.

Erkrankungen gibt es nur durch übermäßiges Waschen - so wie momentan in den Industrieländern praktiziert.
Hier wächst die Anzahl der Hautkrankheiten und Allergien ständig.
Die Biologie des Menschen stammt aus der Steinzeit - sie ist nicht konzipiert für die Flut an Wasser, Seifen, Deos und Waschmitteln die hier seit etwa 50 Jahren auf sie einprasselt…


Ich hoffe damit konnte ich die vielen schönen Beiträge der anderen User noch etwas ergänzen…

Es grüßt herzlich
Yvisa

Sowas gibt es natürlich auch in Asien. Heute bekommt man sowas auch hier und kann somit umweltfreundlich waschen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Waschnussbaum

Hallo,

ein interessantes Buch zum Thema Hygiene gibt es von
Alain Corbin: „Pesthauch und Blütenduft“
Grüsse