...abgestiegen in das Reich des Todes

descendit ad inferos und FAQ 3316

"…gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes…"

Der Ausdruck lat. „descendit ad inferos“ taucht in drei lateinischen Bekenntnistexten der Spätantike auf. Alle drei sind unbekannter Herkunft.

  1. Das Apostolicum aus dem 5. Jhdt.
  2. Der „Descensus ad Inferos“ („Abstieg in die Unterwelt“) aus dem 6. Jhdt - eine phantasievolle Ausmalung des kurzen Zitates aus 1. Petrus 3,19 - das dem älteren sog. „Nikodemus-Evangelium“ angehängt wurde.
  3. Das sog. Athanasische Glaubensbekenntnis (das mit Athanasius nichts zu tun hat) aus dem 7. Jhdt.

Alle vormaligen Bekenntnistexte erwähnen lediglich
„gekreuzigt und begraben“, (griech. staurothenta kai taphenta), im Symbolum Romanum aus dem 4. Jhdt
„gelitten“ (griech. pathonta) im Nicaenum 325
„gelitten und begraben“ (griech. pathonta kai taphenta) im Nicaeno-Konstatinopolitanum 381

Denn die zahlreichen, wenn auch alle ähnlichen, jüdischen, hellenistischen, sassanidischen, ägyptischen, Totenreichsvorstellungen waren bis zu dieser Zeit nicht Gegenstand christlicher theologischer Dispute. Es gab demenstrpechend auch keine konziliaren Vereinbarungen.

Diesen Vorstellungen entsprechend ist aber der Ausdruck „abgestiegen in das Totenreich“ bedingunglos synonym zu „gestorben“. Denn jeder Gestorbene steigt (nach diesen Vorstellungen) in das Totenreich hinab, das sich in allen erwähnten Kulturräumen „unter der Erde“ befindet: Der römische „infernus“ gibt dabei das griech.„katótaton“ wieder, das man etwa mit "tiefste Tiefe"oder „unterstes Unten“ übersetzen kann.

Die erwähnten lat. Texte greifen offenbar auf die antike Architektur des Totenreiches zurück, die sich an wenigen Stellen sogar im NT angedeutet findet. Neben der erwähnten Stelle im 1. Petrusbrief, wo von den „Geistern im Gefängnis“ die Rede ist (ein Bild, das bereits 200 Jahre früher im apokryphen „äthiopischen Henoch“ erwähnt wird), sowie die gerne von Laien mißverstandene Passage in Lukas 23.44 („Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein“): „Gefängnis“ (griech. phylake) und „Paradies“ (griech. paradeisos) sind nämlich die zwei Bereiche in der zeitgenössischen Architektur des antiken (jüdischen) Totenreiches. „Paradies“ (urspünglich der griechische Ausdruck für den Garten Eden) war nämlich zu dieser Zeit noch nicht synonym zu „Reich Gottes“ oder zu dem noch viel späteren „Himmel“ als Aufenthalt der Toten.

Über diese Architektur hab ich im FAQ:3316 ausführlich geschrieben.

Jedenfalls bleibt zusammenzufassen: Das spätantike „abgestiegen in das Totenreich“ bedeutet nichts anderes als „ist gestorben“ - also das, was jeder tut, wenn er stirbt - eingebettet in die Totenreichvorstellung dieser Zeit.

Gruß
Metapher