Coronavirus: Wenn Zahlen nicht mehr rational sein dürfen

Es gibt sicher ein paar Faktoren, die diese hohe Sterberate begünstigen:

  • Italien hat eine sehr alte Bevölkerung
  • Es fehlt an Betten und Ausrüstung, da das Gesundheitssystem einfach komplett überfordert ist
  • Wirklich jeder mit Corona infizierte Tote wird in Italien auch Corona zugerechnet

Daher lassen sich diese Zahlen eben nicht so einfach auf Deutschland umlegen. Zwar haben wir auch hier eine sehr alte Bevölkerung, aber in anderen Bereichen steht man viel besser da als Italien. Nicht zuletzt deswegen, weil Italien ja eine gute Woche voraus ist.

Vor ein zwei Wochen hatte Spanien in keiner Weise diese Infiziertenzahlen wie die, die wir jetzt in Deutschland haben, sondern viel viel weniger. Von daher scheint mir deine Argumentation nicht stimmig.

Übrigens finde ich diesen hier ja inzwischen normalen Ton wie „Kannst ja mal recherchieren“ und die permanenten rhetorischen Fragen (ohne die gehts hier gar nicht mehr) nicht so toll (nicht nur bei dir).

Sag doch einfach, was du denkst und warum du meine Vermutungen für unrealistisch hältst, wenn du dies denkst. Dann kann man sich darüber austauschen.

Karl

1 Like

Moment mal … dass Covid-19 ernst zu nehmen ist, daran besteht kein gar Zweifel.
Es geht einzig darum, wie man darauf reagiert, und das ist eine Frage von Kosten-Nutzen-Abwägungen (beides nicht ausschließlich ökonomisch verstanden).

Stefan Willich ist seit 1995 Direktor des Instituts für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie der Charité.

Sie meinen also, die derzeitige Pandemie ist nicht gefährlich?

Gemessen an der Letalität, also der Anzahl der Fälle, die zum Tode führen, liegt sie etwas über der Influenza-Grippe: In Deutschland sterben nach aktuellen Trends zirka 0,3 bis 0,4 Prozent aller infizierten Patienten.

Aber in der Risikogruppe gibt es ja trotzdem Millionen Menschen, die es zu schützen gilt.

Deswegen ist es sinnvoll und notwendig, bestmöglichen Schutz für diese gefährdeten Personengruppen zu entwickeln. Es ist vermutlich nicht zu verhindern, dass die Pandemie durch die Welt geht und große Teile der Menschheit infiziert. Die Frage ist, ob das Monate oder Jahre dauert.

Als Sozialmediziner muss ich zudem die gesellschaftliche Perspektiven berücksichtigen …
Mit einem kompletten Lockdown gefährdet man direkt oder indirekt die wirtschaftliche Existenz vieler Menschen, schon jetzt sind nachteilige Auswirkungen zu sehen. Die Arbeitslosenzahlen könnten nach oben gehen und prekäre Lebensverhältnisse sowie in Folge auch psychische Erkrankungen zunehmen.

Und es ist nachdrücklich belegt, dass Armut der wichtigste gesellschaftliche Risikofaktor für Krankheitshäufigkeit und höhere Sterblichkeit ist. Wenn jetzt einzelne Todesfälle verhindert werden, sich dafür aber in den nächsten Jahren die Gesamtsterblichkeit in der Bevölkerung erhöht, wäre die Verhältnismäßigkeit der Mittel nicht mehr gewahrt.

Kann man das einfach so gegeneinander aufrechnen?

Aber zudem sind gesundheitspolitische Maßnahmen auch in ihren längerfristigen Konsequenzen abzuwägen. Die aktuelle Bedrohung darf nicht zu Reaktionen verleiten, mit denen gravierende zukünftige gesundheitliche Krisen eingeleitet werden … Wenn das bisher exponentielle Wachstum der Neuerkrankungen gebrochen ist, sollte der schrittweise Wiedereinstieg ins normale gesellschaftliche Leben erfolgen. Natürlich wird es nicht sofort zu einer Normalisierung in allen Lebensbereichen kommen

Der besondere Schutz für Risikogruppen wird so lange nötig sein, bis es Impfmaßnahmen und spezielle Medikamente gibt, die Gesamtbevölkerung ausreichend immunisiert ist, oder das Virusrisiko abgeschwächt ist, zum Beispiel in den Sommermonaten. Für die Phase des sukzessiven Wiedereinstiegs müssen jetzt Konzepte entworfen werden.
Auch hier ist Kosten-Nutzen-Abwägung wichtig. Eine längere Quarantäne von älteren und chronisch kranken Menschen kann wiederum zu gesundheitlichen Schäden und ernster Gefährdung führen. Ich plädiere dringend dafür, bei Lösungsstrategien in der jetzigen Situation auch die längerfristigen Konsequenzen zu bedenken.


Eine wieder andere Sache sind prinzipielle Erwägungen zur Verletzung von Grundrechten usw.

Der springende Punkt meiner Argumentation war an dieser Stelle, inwieweit Covid-19 die allgemeine Sterbezahl überhaupt erhöht, wenn man dafür einen nicht ganz schmalen Beobachtungszeitraum festlegt.
Beispiel also: Wenn es ohne Covid-19 in Italien in den drei Jahren 2020-2022 insgesamt 2 Mio. Sterbefälle gegeben hätte, mit Covid-19 hypothetischerweise ohne jegliche Maßnahmen dann 2,025 Mio., dann stellt sich halt die Frage, wie man das einordnen will, wenn insgesamt eine eher geringe Zusatz-Sterblichkeit, aber halt eine deutliche zeitliche Verdichtung vorliegt mitsamt den daraus resultierenden Verwerfungen.

(die Zahl 2,025 soll nur der Veranschaulichung dienen, es ist keine Behauptung;
und noch was, um Missverständnissen vorzubeugen: meine persönliche Sichtweise entspricht sehr dem, was Willich oben vorbringt; ich würde also keineswegs für „keinerlei Eindämmungsmaßnahmen“ plädieren, aber halt strikt für das Durchdenken von „Kosten“ und Nebenfolgen der Maßnahmen. Wofür ich aber absolut nicht bin, ist die Position „unbedingt möglichst viele Menschenleben retten, whatever the cost“)

Gruß
F.

Das war ein Zitat, nicht meine eigene Aussage.
Insofern kann ich da schlecht was dazu sagen.

Gruß
F.

Spanien hatte am 10.3. 1700 Fälle, Deutschland 1300.

Kann ich verstehen. Allerdings stört mich auch, daß hier steile Thesen und Aussagen unbegründet (bzw. schlecht oder falsch) in den Raum gestellt werden und die Widerlegung anderen überlassen wird. Es ist ja nun auch nicht so, daß es über das Thema nicht an der ein oder anderen Stelle Informationen zu finden gäbe. Ich bin mir zudem im Nachhinein nicht mehr ganz sicher, daß ich auf Deinen Beitrag antworten wollte.

Halten wir einfach mal ohne Kritik und wertfrei fest: vor zwei Wochen entsprach die Situation in Deutschland - bei leicht abweichenden Fallzahlen (s.o.) - der Situation in Spanien: regulärer Krankenhausbetrieb bei etwas über 1000 Fällen. Mit anderen Worten: die Situation kann sich schnell ändern, auch in zivilisierten Ländern wie Spanien und Italien. In den USA und GB werden wir im Zweifel in Kürze auch erleben, daß die Ärzte entscheiden müssen, wem sie die lebensrettende Behandlung zukommen lassen und wem sie diese verweigern müssen, weil ein anderer (jüngerer) bessere Überlebenschancen hat. Das ist wie Krieg oder - wie Lesch das mal so schön sagte - das Ende der Zivilisation.

Die Entwicklung verläuft exponentiell und nicht linear und erst recht nicht konstant. 3000 neue Kranke am Tag heißt, daß es in zwei Wochen 600 schwere neue Erkrankungen geben wird. Und es heißt, daß es morgen u.U. 4000 neue Fälle sind mit 800 schweren Fällen zwei Wochen später usw.

Wenn das bei uns weniger werden, dann liegt das an drei Dingen: daran, daß erstens schnell reagiert wurde (u.a. Maßnahmen zur Freiraumbeschränkung, Steigerung der Kapazitäten der Krankenhäusern, Erforschung der Infektionsketten), daß zweitens mehr getestet wurden (und damit die Fallzahlen höher scheinen) und daß drittens das so oft und intensivgescholtene deutsche Gesundheitssystem besser aufgestellt ist als praktisch jedes andere der Welt: bessere Organisation, bessere Krisenpläne und vor allem mehr Intensivbetten mit Beatmungsmaschinen. Und ja: das kostet, rettet aber Menschenleben. Unserer Eltern und Großeltern, zum Beispiel.

1 Like

Richtig. Und Deine Aussage dazu lautet:
„Ich denke, dass das schon einen Gedanken wert ist.“

Nein, ist es nicht. Die Aussage, man hätte das Virus nicht in der Statistik bemerkt, wenn man es nicht gefunden hätte, ist abenteuerlich und wer sie in einer Diskussion ins Spiel bringt, muß sich das anhören.

Schlimm finde ich im übrigen schon, daß diese Behauptungen bei den aktuellen Fall- und Todeszahlen in den Raum gestellt werden und sich dieses Genie, das Du zitierst, nicht einmal vorstellen kann, daß die Zahlen noch drastisch steigen werden - zumindest in einigen Ländern.

1 Like

Für mich ist der springende Punkt eher, dass Italien solche Zahlen hat, obwohl es zum Teil rigide Maßnahmen gesetzt hat. Wie würde die Lombardei denn ausschauen, hätte man einfach weiter gemacht, als wäre COVID-19 nix besonderes?

1 Like

Vor dir hör ich mir doch alles gern an :wink:

Ja, man hätte die temporäre Häufung in der Kurve sicherlich bemerkt, aber m.E. (und das war der Grund für mein Zitat) wohl nicht groß an der Statistik der Gesamtsterblichkeit.

Hat Hontschik das denn getan?
Abgesehen davon bin ich nicht Hontschik, nur weil ich ihn selektiv zitiert und (z.T. auch kritisch-distanzierend) kommentiert habe.

Ich habe überhaupt kein Problem damit, mich klar und deutlich zu positionieren, aber halt nur für meine eigenen Aussagen, nicht für Zitate, die als solche übrigens auch klar gekennzeichnet waren („das ist die Hauptthese von Wolfgang Wodarg [und eben nicht die von mir]“)

Gruß
F.

Naja, du hast hier in der Kurve ab dem 21.3. einen leichten Knick, das dürfte ganz gut den Zeitpunkt treffen (mit der entsprechenden Verzögerung), ab dem erst Maßnahmen für größere Gebiete getroffen wurden (um den 8.3. herum)

(der Knick schaut auf den ersten Blick kleiner aus als er ist; du musst nur die Kurve mit der gleichen Steigung weiterzeichnen, dann macht das wohl 20.000 Infektionsfälle auf die paar Tage aus.)

Gruß
F.

In Italien (2/3 der Einwohner Deutschlands) starben vorgestern 500, gestern 600 und heute 700 Menschen am Virus.

So sieht das in Italien im Vergleich zu normalen Tagen aus:
Unbenannt

Die linken drei Säulen real, die rechten drei Säulen mit jeweils 100 Toten mehr pro Tag. In Zahlen: heute gabs da knapp 40% mehr Tote als an einem normalen Tag. Landesweit, wohlgemerkt, also durchschnittlich (s.u.).

Hat Hontschik das denn getan?
[/Quote]

Alle, die mit aktuellen Zahlen argumentieren, machen diesen Fehler. Und es kommt noch ein Fehler hinzu: wer so argumentiert, unterstellt, daß die Toten lokal gleichverteilt sind. Es gibt aber lokale Häufungen und spätestens, seit die Militärlaster mit Leichen über italienische Straßen fuhren, sollte klar sein, daß Covid ganz sicher nicht in der Statistik untergegangen wäre, wenn man es nicht gefunden hätte. In Deutschland ist das derzeit noch anders, weil die Todeszahlen so niedrig sind. Wenn die Maßnahmen erfolgreich sind, kann das so bleiben. Muß aber nicht.

1 Like

Hinzu kommt, dass es sich bei den Tageszahlen, die man überall findet, meist, so auch beim RKI und der JHU, um die an dem betreffenden Tag gemeldeten Fälle handelt. Darunter sind natürlich Fälle von Personen, die im Laufe der vergangenen 7 Tage, manchmal sogar mehr, getestet wurden. Das RKI-Dashboard enthält inzwischen ein Balkendiagramm (rechts unten), in dem man das schön sehen kann. Eine signifikante Veränderung der Entwicklung, egal in welche Richtung, ist in den auf den täglichen Meldungen basierenden Grafiken daher nur mit mehrtägiger Verzögerung erkennbar. Den Ansteckungszeitpunkt kennt man ohnehin nicht, aber schon eine Zählung nach dem Tag, an dem der Infizierte erste Symptome zeigte, wäre eine bessere Grundlage.

Wir sprechen beide über Exzessmortalität.
Du aber über den Zeitraum von einigen Wochen oder Monaten, ich dagegen über den Zeitraum von zwei, drei Jahren (wie oben in meiner Antwort an P. breiter ausgeführt: „in den drei Jahren 2020-2022“).
Demzufolge widersprechen wir uns hier gar nicht zwingend.
Zumal ich dir mit der „temporären Häufung“ ja eh schon explizit recht gegeben hatte.

.

Weder Hontschik noch Wodarg tun das aus meiner Sicht.
Ich tu es jedenfalls klar erkennbar nicht.
Beispiel aus diesem Thread: Was wirklich ganz falsch ist, ist, es an „0,0035%“ und „118 Tote“ aufzuhängen. Wir wissen alle, dass es um ganz anderen Quantitäten … geht.

Dieses Bild wird später mal ein zentrales Symbolbild für die Corona-Krise sein.
Etwa so wie das Bild des ertrunkenen Alan Kurdi für die Flüchtlingskrise.

Gruß
F.

Wodarg hat sich doch schon damit aus der Riege der ernst zu nehmenden Mediziner geschossen, dass er alle Coronaviren in einen Topf wirft und die Virulenz des jetzt diskutierten Virus nicht beachtet und das allen Ernstes mit den üblichen Coronaschnupfenviren vergleicht.
Auch das eigentliche Problem, das weniger die Bösartigkeit des Erregers, sondern die Überlastung der Krankenhäuser ist findet bei ihm nicht wirklich eine Antwort. Meines Wissens.

Auch, dass er sich von Eva Hermann inteviewen liess trägt nicht zum Vertrauen bei. Da steht gleich der Kopp- Verlag mit im Bild…

Dass man den überhaupt diskutiert verstört mich.

2 Like

Ja, er hat sich deutlich ins Aus geschossen.
Deshalb sehe ich aber keinen Grund, nicht über einzelne Aussagen von ihm nachzudenken.
Ich habs nicht so mit Ignore-Listen :wink:

Gruß
F.

Erwiesene fehlende Kompetenz ist kein Grund?

Ich beschränke mich im allgemeinen auf das Überdenken von Aussagen, die einen Bezug zur Realität haben. Das füllt meine Zeit ausreichend aus.

1 Like

Als ob das so simpel wäre.

Ich schrieb bezüglich Wodarg einzig und allein: Die These Wodargs ist m.W., dass man an der nicht steigenden Gesamtzahl der Sterbefälle pro Jahr sehen würde, dass „Corona“ v.a. ein statistisches Artefakt sei.
Ich denke, dass das schon einen Gedanken wert ist.
.

Meinetwegen ist er auch total inkompetent, ändert ja nichts daran, dass mir diese besagte These „einen Gedanken wert ist“, zumal ich Wodargs These in strenger Lesart eh nicht verstehen kann. Natürlich hätte man den „Buckel“ in der Sterbestatistik-Kurve bemerkt. Eine Gedanken wert ist sie mir aber in weicher Lesart, ob, wenn man zwei, drei Jahre zusammenfasst, durch Covid-19 überhaupt ein signifikanter Mortalitätsexzess zu sehen sein wird.
Zumal das in einem Thread, in dem es um den rationalen Umgang mit Zahlen geht, perfekt on topic ist.

Gruß
F.

Ich finde diesen Gedankengang ehrlich gesagt ziemlich bedenklich. Er setzt ja die Grundannahme voraus, dass diejenigen, die jetzt an Covid-19 sterben, sowieso innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes (meinetwegen drei Jahre) gestorben wären. Das ist eine sehr zynische Annahme, die angesichts der Leistungsfähigkeit der westlichen Medizin auch nicht so ohne weiteres zutreffen muss.

Ich hab mir sein Video vom 13. angeschaut und der behauptet da ja eine ganze Reihe von Dingen.

  • Das COVID-19 wäre gar nicht neu
  • Im Grund so gefährlich wie die alljährliche Grippe
  • Virologen machen das ja eigentlich nur aus Geltungssucht und um Gelder zu bekommen

Spätestens sein in Italien die Krankenhäuser überlaufen, Beatmungsgeräte nur noch an Patienten mit den besten Heilungschancen gehen und die Leichen durch das Militär abtransportiert werden müssen, ist für mich die fehlende Kompetenz Wordags erwiesen.

Auf seiner Homepage findet man unter dem Punkt ‚CORONA-PANIC beenden‘ folgenden Satz:

Es gibt keine validen Daten und keine Evidenz für außergewöhnliche gesundheitliche Bedrohung.

Damit hat sich der Gute für mich automatisch aus dem Spiel genommen…

1 Like

Es ist so simpel.

Man kann durchaus seine Zeit verplempern, indem man versucht, irgendwelche Behauptungen von irgendwelchen Deppen zu überprüfen. Man kann sie aber auch sinnvoll verbringen, indem man Behauptungen von Leuten überprüft, die wissen könnten, wovon sie reden.

Ein Idiot kann in ein paar Minuten mehr falsche Behauptungen in die Welt hinausblasen, als sämtliche Experten weltweit zusammen in ihrem ganzen Leben widerlegen könnten.

1 Like

Ein schöner Satz, der in WWW in letzter Zeit seinen Beweis gefunden hat.

2 Like

Schau dir die täglichen Pressekonferenzen von Trump und seinen Experten wie Dr. Fauci an. Da kannst du das in Echtzeit beobachten :wink: