Hallo Matthias,
Gibt es irgendwo eine Quelle, die die Position eines
beliebigen weiteren einflussreichen Sozialisten zum Neuen
Menschen darstellt?
Oh, da wirst Du wohl allein suchen müssen, da fällt mir so ohne weiteres nichts ein, außer einem Zitat von Friedrich Engels. Aber da sprich er auch nur ganz allgemein von der Entfaltung der Fähigkeiten des Menschen:
„Indem sich die Gesellschaft zur Herrin der sämtlichen Produktionsmittel macht, um sie gesellschaftlich planmäßig zu verwenden, vernichtet sie die bisherige Knechtung der Menschen unter ihre eignen Produktionsmittel. Die Gesellschaft kann sich selbstredend nicht befreien, ohne daß jeder einzelne befreit wird. Die alte Produktionsweise muß also von Grund aus umgewälzt werden, und namentlich muß die alte Teilung der Arbeit verschwinden. An ihre Stelle muß eine Organisation der Produktion treten, in der einerseits kein einzelner seinen Anteil an der produktiven Arbeit, dieser Naturbedingung der menschlichen Existenz, auf andre abwälzen kann; in der andrerseits die produktive Arbeit, statt Mittel der Knechtung, Mittel der Befreiung der Menschen wird, indem sie jedem einzelnen die Gelegenheit bietet, seine sämtlichen Fähigkeiten, körperliche wie geistige, nach allen Richtungen hin auszubilden und zu betätigen, und in der sie so aus einer Last eine Lust wird.“ [S. 273-274]
»Herrn Eugen Dührung’s Umwälzung der Wissenschaft«, In: Marx/Engels - Werke. Berlin 1962, Bd. 20, S. 239-303
Ich befürchte aber, daß sich da auch nicht so viel finden lässt. Dies ist bedingt durch die marxistische Definition des Menschen, in der Mensch zwar auch durch seine biologische Natur definiert wird, das wesentliche und bestimmende Merkmal ist aber die gesellschaftliche Natur des Menschen.
„Aber das menschliche Wesen ist kein dem einzelnen Individuum innewohnendes Abstraktum. In seiner Wirklichkeit ist es das Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse.“ (Karl Marx, 6. Feuerbach-These, In: Marx-Engels Werke. Berlin 1969, Bd. 3, Seite 533ff.)
http://de.wikisource.org/wiki/Thesen_%C3%BCber_Feuer…
oder anders, aber ebenfalls in marxistischer Terminologie definiert:
„Man kann den Menschen auch nicht trennen in ein biologisches und in ein gesellschaftliches Wesen. Beide Seiten bilden eine dialektische Einheit, in der die gesellschaftliche Seite die wesentliche, bestimmende ist.“
Artikel „Mensch“, im Philosophischen Wörterbuch. Leipzig 1974, Bd. 2, S. 777
Daraus folgt dann aber auch, daß man zuerst und in erster Linie die gesellschaftlichen Verhältnisse ändern muß, um das menschliche Wesen zu verändern, zu verbessern.
Dieses Primat des gesellschaftlichen wurde auch in der Berichterstattung über internationale Sportereignisse sichtbar. Dort wurden nicht so sehr die stärkeren Muskeln und die Schnelligkeit des einzelnen sozialistischen Sportlers gelobt, sondern der Medaillenregen der sozialistischen Länder war „ein Beweis für die Überlegenheit des sozialistischen Systems“.
Die größten Chancen etwas über den „neuen Menschen“ zu lesen, besteht wahrscheinlich in der Belletristik. Bestes Beispiel dafür ist Nikolai Ostrowskis Roman „Wie der Stahl gehärtet wurde“.
http://de.wikipedia.org/wiki/Wie_der_Stahl_geh%C3%A4…
http://www.reller-rezensionen.de/kinderbuch/ostrowsk…
Wenn Du möchtest, kannst Du diesen Roman auch im Internet lesen (aber ob es sich lohnt?):
http://nemesis.marxists.org/ostrowski-wie-der-stahl-…
Oder von Boris Polewoi „Der wahre Mensch“, die Geschichte eines jungen Mannes, dem beide Beine bis zum Knie amputiert werden müssen, der aber trotzdem Jagdflieger bleiben (oder werden? ich weiss nicht mehr genau) will, und es dank seiner stählernen kommunistischen Willenskraft dann tatsächlich schafft.
Zwar beruhen beide Romane auf tatsächlichen Biographien, triefen aber trotzdem vor kommunistischem Heroismus und Übermenschentum, getreu dem in der Rezension zu Ostrowski erwähnten Ausspruch von Boris Groys:
„Sie überwinden die Tuberkulose, züchten ohne Treibhäuser tropische Gewächse in der Tundra, paralysieren mit der bloßen Kraft des Blicks den Feind. Zur Losung der Stalin-Zeit wurde: Einem Bolschewiken ist nichts unmöglich.´ Jeglicher Hinweis auf objektive Grenzen wurde als
Kleinmut´ und `mangelnde Zuversicht´ behandelt.“
Dies bezieht sich zwar in der Hauptsache auf die literarischen Helden, ist aber auch eine treffende, wenn auch ironische, Charakteristik des erwünschten „Neuen Menschen“.
Nun gut, nicht so das, was Du gesucht hast, aber vielleicht gibt es wenigstens ein paar Anregungen zum Weitersuchen.
Apropos „suchen“, in dem Buch „Im Dschungel der Macht“ beziehen sich speziell die Artikel von Kirill Rossijanow „Gefährliche Beziehungen. Experimentelle Biologie und ihre Protektoren“ (S. -359) und Hans-Walther Schmuhl: „Rassenhygiene in Deutschland - Eugenik in der Sowjetunion. Ein Vergleich“ (S. 360-377) auf dein Thema. Nicht daß Du so lange suchen musst, obwohl die anderen Artikel meiner Meinung nach auch interessant sind…
Viele Grüße
Marvin