Die Bahn setzt ihre Werbekampagne fort

Holla.

Zivilcourage ist gut und schön, wichtig und richtig. Ich bin
mir aber nicht sicher, ob, rein rechtlich gesehen, ein
tatkräftiges Verhindern der Untat der Zugbegleiterin nicht ein
Verstoß gegen das von Ihr als Beauftragte des Zugeigentümers
ausgeübte Hausrecht gewesen wäre?

Natürlich wäre es das. Aber auch im Rahmen des Hausrechts darf die Zugbegleiterin nicht fröhlich vor sich hin willküren. Und da sie weder Friedens- noch Kompromissangeboten zugänglich war, hätte nur der „gewaltsame“ Weg offen gestanden. Um ein Kind vor Übergriffen zu schützen, darf man schon das eine oder andere tun …

Gruß Eillicht zu Vensre

Und wie sich herausstellt, kommt das wohl öfter vor:
http://www.spiegel.de/panorama/zeitgeschichte/0,1518…

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Hallo zusammen!

So richtig will einem dazu nichts mehr einfallen.

Hmmm … wenn eine Geschichte sich so wunderbar glatt in einer verkaufsträchtigen Schlagzeile unterbringen lässt, dann stellen sich mir als Journalist immer die Alarmfühler auf. Ich kenne einfach das Geschäft zu gut, um alles zu glauben, was Kollegen verbreiten. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Natürlich kann das alles genau so gewesen sein wie geschildert. Ich persönlich hätte mir aber ein bißchen mehr Recherche gewünscht. Aus dem Text geht zum Beispiel nicht hervor, woher eigentlich die Information stammt, daß es Fahrgäste gegeben habe, die für das Mädchen hätten bezahlen wollen - es heißt nur „wie die Ostsezeitung berichtete“. Aber wer hat das der Ostseezeitung gesagt? Das Mädchen? Die Eltern des Mädchens? Oder die Fahrgäste selbst?

Ein anderer Punkt, der mich interessieren würde: Was sagt eigentlich die betroffene Mitarbeiterin zu dem Vorfall? Wurde diese Frage dem Bahnsprecher gar nicht gestellt, wurde die Antwort von den Journalisten unter den Tisch fallen gelassen oder wurde die Frage von der Bahn vielleicht gar nicht beantwortet? Und wenn letzteres: Warum nicht? Ich rechne nicht unbedingt mit der Loyalität eines Großkonzerns gegenüber seinen Mitarbeitern - da werden auch mal Bauernopfer gebracht, um eine noch schlechtere Presse zu verhindern: „Erst wirft die Bahn ein unschuldiges Mädchen aus dem Zug - jetzt behaupten sie auch noch, die 12jährige habe die Mitarbeiterin angespuckt.“ Und solche Schlagzeilen sind realistisch, wenn man ein Großkonzern mit prinzipell schlechtem/bösem Ruf ist und der Gegenpart ein süßes Mädchen von 12 Jahren …

Wie gesagt: Alles kann so gewesen sein wie von der ddp gemeldet und dann von diversen Medien weiterverbreitet. Aber guter Journalismus sollte der Wahrheit auf den Grund gehen und nicht einfach abschreiben, was eine Nachrichtenagentur gesendet hat, die wiederum bei einer anderen Zeitung abgeschrieben hat …

Das alles als Anregung zum kritischen Umgang mit Medien. :smile:

Liebe Grüße,
Max

Nachtrag
Hier habe ich den Originaltext der Ostseezeitung gefunden:

http://drehscheibe-online.ist-im-web.de/forum/read.p…

Auch hier keine Quellenangabe für die Aussage, Mitreisende hätten helfen wollen. Die Aussage wird in den Raum gestellt, aber an keiner Stelle belegt.

Interessant finde ich folgendes: Der Vorfall war am Montag. Am Mittwoch wurde die Mitarbeiterin suspendiert und erhielt die Anweisung, bis Freitag eine Stellungnahme abzugeben (laut OZ vom Donnerstag). Ebenfalls am Mittwoch entschuldigte sich die Bahn bei den Eltern. Da drängt sich der Eindruck auf: Hier ging es nur noch um Schadensbegrenzung und die Stellungnahme der Mitarbeiterin war schnurzegal, sintemalen da die Geschichre am Freitag ja schon Schnee von gestern war …

Gruß,
Max

Nachtrag II
Und hier endlich mal nach weiterem Googeln eine Originalquelle:

http://www.europolitan.de/Panorama/Justiz/Zugbegleit…

Allerdings war dieser Mireisende anders als von anderen Medien berichtet nicht bereit, das erhöhte Beförderungsentgeld zu zahlen …

Fazit: Bei der Berichterstattung muss man sich durch viel journalistischen Müll wühlen, bis man an die Fakten kommt. Und einiges wurde von den Medien ungeprüft kolportiert. Eine echte Meinung kann man sich da wohl nur bilden, wenn man (so wie ich jetzt) selber eine Stunde recherchiert …

Gruß,
Max

Und noch was :smile:
Wann fand der Vorfall eigentlich statt?

In den verschiedenen Berichten finden sich verschiedene Schilderungen:
„einbrechende Dunkelheit“
„in der Dunkelheit“
„im Duneln“
„spätabends“
„am Abend“

Das ganze zwar am 10.11 zwischen 17.30 Uhr und 17.50 Uhr. Sofern ich mich nicht verrechnet habe, war der Sonnenuntergang an diesem Tag um 18.25 Uhr, das Ende der so genannten „bürgerlichen Dämmerung“ gegen 18.45 Uhr. Ich will jetzt nicht darüber streiten, ob der Vorfall dadurch weniger schlimm wird (ich denke: nein), aber es zeigt, daß viele Medien doch lieber die tränendrüsentaugliche Halbwahrheit verbreiten, selbst wenn sich die Wahrheit leicht recherchieren lässt …

Gruß,
Max

Korrektur

Das ganze zwar am 10.11

Es war der 20.10. - sorry, da habe ich mich vor Müdigkeit vertitfztf - äh - vertippt.

M.

* (o.w.T.)