Hallo zusammen!
So richtig will einem dazu nichts mehr einfallen.
Hmmm … wenn eine Geschichte sich so wunderbar glatt in einer verkaufsträchtigen Schlagzeile unterbringen lässt, dann stellen sich mir als Journalist immer die Alarmfühler auf. Ich kenne einfach das Geschäft zu gut, um alles zu glauben, was Kollegen verbreiten. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Natürlich kann das alles genau so gewesen sein wie geschildert. Ich persönlich hätte mir aber ein bißchen mehr Recherche gewünscht. Aus dem Text geht zum Beispiel nicht hervor, woher eigentlich die Information stammt, daß es Fahrgäste gegeben habe, die für das Mädchen hätten bezahlen wollen - es heißt nur „wie die Ostsezeitung berichtete“. Aber wer hat das der Ostseezeitung gesagt? Das Mädchen? Die Eltern des Mädchens? Oder die Fahrgäste selbst?
Ein anderer Punkt, der mich interessieren würde: Was sagt eigentlich die betroffene Mitarbeiterin zu dem Vorfall? Wurde diese Frage dem Bahnsprecher gar nicht gestellt, wurde die Antwort von den Journalisten unter den Tisch fallen gelassen oder wurde die Frage von der Bahn vielleicht gar nicht beantwortet? Und wenn letzteres: Warum nicht? Ich rechne nicht unbedingt mit der Loyalität eines Großkonzerns gegenüber seinen Mitarbeitern - da werden auch mal Bauernopfer gebracht, um eine noch schlechtere Presse zu verhindern: „Erst wirft die Bahn ein unschuldiges Mädchen aus dem Zug - jetzt behaupten sie auch noch, die 12jährige habe die Mitarbeiterin angespuckt.“ Und solche Schlagzeilen sind realistisch, wenn man ein Großkonzern mit prinzipell schlechtem/bösem Ruf ist und der Gegenpart ein süßes Mädchen von 12 Jahren …
Wie gesagt: Alles kann so gewesen sein wie von der ddp gemeldet und dann von diversen Medien weiterverbreitet. Aber guter Journalismus sollte der Wahrheit auf den Grund gehen und nicht einfach abschreiben, was eine Nachrichtenagentur gesendet hat, die wiederum bei einer anderen Zeitung abgeschrieben hat …
Das alles als Anregung zum kritischen Umgang mit Medien. 
Liebe Grüße,
Max