Ein Messer ohne Klinge, dem der Griff fehlt

Ein beliebtes Argument. Allerdings hilft es bei dessen Bewertung, wenn man sich mit dem beschäftigt, was formal als Vermögenssteuer bezeichnet wird. In den USA bspw. handelt es sich dabei i.W. um die Grundsteuer, die eine Haupteinnahmequelle der Gemeinden ist und aus der auch Dinge bestritten werden, die in Deutschland über die Müll-, Straßenreinigungs- und Abgaben bezahlt werden.

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Naja, aber diese Entwicklung der Jahre 2010 bis 2017 (und darüber hinaus) wird wohl hauptsächlich aus einem schnöden Anstieg der Immobilienpreise resultieren (hervorgerufen u.a. durch die Zinspolitik der EZB), darunter noch schnöder aus der Wertsteigerung des eigenen, selbstgenutzten Häuschens.
Einer, der das schuldenfrei hat, ist ja problemlos im Handumdrehen einer der Top 10% oder zumindest 20%.

Mir persönlich sind übrigens nicht die rechten Säulen zu hoch, sondern die mittigen und linken zu niedrigen. Eine große Schuld daran hat das deutsche Rentenmodell, das ein Vermögensbildungsverhindungersmodell ist. Dazu das Übel, dass wir eine so miserable Wohneigentumsquote haben.
Das wären mal zwei Stellschrauben, an denen ich gerne drehen würde :wink:

Gruß
F.

Schade, daß da die Werte für 2006 oder 2007 nicht eingetragen sind. Dann könnte man nämlich schön erkennen, wie sich die Werte von 2006/2007 bis 2010 zu Ungunsten der Reichen verschoben haben. Es wird bei derartigen Betrachtungen nämlich immer gerne übersehen, daß wir in den letzten knapp zehn Jahren in einer erstaunlich lang anhaltenden Boomphase gelebt haben, in der natürlich die Unternehmervermögen stärker gestiegen sind als die Vermögen der Arbeitnehmer.

In wirtschaftlichen Schwächephasen sieht das hingegen ganz anders aus; da stürzen die Unternehmervermögen ab und die AN-Vermögen und -Einkommen bleiben in der Regel nahezu konstant (wenngleich sie auch in Summe über die Bevölkerung aufgrund steigender AL sinken). Wenn man nun in Boomphasen Unternehmervermögen abschöpft, führt das zu einer Substanzvernichtung bei den einzigen Leuten, die in einer wirtschaftlichen Schwächephase bei entsprechenden Verlusten noch Geld in die Unternehmen stecken und wenn die das nicht tun, steigt die AL noch stärker an als das ohnehin der Fall ist. Mag ja sein, daß das gewollt ist, aber man sollte zumindest im Vorfeld darüber nachdenken.

Zumal bei deren Steuererklärungen genauer hingesehen wird als bei den „kleineren“ Steuerzahlern.

Ich verstehe den Einwand nicht ganz. Vermögen ist Vermögen und es geht ja nicht nur um Immobilien:

Wie man sieht hat doch gerade das oberste Quantil exorbitant mehr Mittel übrig um Sachvermögen abseits von Immobilien anzuhäufen.

Und um nochmals auf den SPD Vorschlag zurückzukommen:
Laut einer Bundesbankstudie gehörte man 2017 ab einem Nettovermögen von ca. 555.000€ zu den oberen 10%. Da sind wir noch meilenweit von dem SPD Beispiel der Familie mit einem Vermögen von 4,2 Millionen, auf die eine Mehrbelastung von 166€ im Monat zukäme…

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Für den Zeitraum finde ich gar keine Werte. Hast du da was?

Das scheint die SPD bei ihrem Vorschlag aber auch zu berücksichtigen:

Für die Firmen würde es aber viele Ausnahmen geben, die SPD spricht von „Verschonungsregeln“ für Vermögen, das einem Unternehmen unmittelbar für die Aufrechterhaltung des Betriebs dient. Niemand solle gezwungen sein, Teile des Betriebs zu veräußern, nur um die Vermögenssteuer bezahlen zu können. Ein Unternehmen, das einen Gewinn macht, zahlt auch keine Vermögenssteuer.

Bis auf das oberste Dezil gehts doch sehr überwiegend um Immobilien.

Mein Beitrag war eh weniger als „Einwand“ denn als Spezifizierung gemeint.
Ich hätte mir das einleitende „aber“ schenken sollen :wink:

Dezil.
Die haben das oberste Quantil noch einmal in zwei Dezile unterteilt.

Das 80-90-Dezil unterscheidet sich von der Vermögensstruktur her nicht von den 40-60- und 60-80-Qutantilen.
Interessant wäre eine abermalige Unterteilung des obersten, d.h. des 90-100-Dezils, denn ich gehe davon aus, dass mindestens die Hälfte oder gar zwei Drittel dieses oberen Dezils sich darin ebenfalls nicht von 40-90 unterscheidet.
Und dann sind wir halt genau da angelangt, wo wir uns wohl so ziemlich alle einig sind: beim „Spitzen kappen“.

Und worauf ich eben hinweisen wollte: Mit einer simplen eigengenutzten Immobilie gehört man in diesem Land zu den 10% der Reichsten. Das ist ein schlechter deutscher Witz.

Gruß
F.

P.S.: Deine Quelle ist ein wunderbares Beispiel für „Wie täusche ich den Betrachter mit der visuellen Darstellung meiner statistischen Zahlen?“. Unterschiedliche Klassengrößen zu verwenden ist der Klassiker schlechthin. So erzeugt diese Graphik den Eindruck, die obersten 20% hätten eine ganz andere Vermögensstruktur. In Wahrheit wirds um die obersten 5% oder gar nur 3% gehen, aber das verschleiert diese graphische Darstellung aktiv, obwohl aus den ihr zu Grunde liegenden Zahlen klar hervorgehen wird.

Leider nicht jährlich, aber immerhin fünfjährig:
https://www.armuts-und-reichtumsbericht.de/DE/Indikatoren/Gesellschaft/Vermoegensverteilung/G02-Indikator-Vermoegensverwaltung.html

Da am besten direkt den „Download als Tabelle“ wählen; die hat dann zwei Reiter.

Zu berücksichtigen sind bei der Interpretation auch noch die Erhebungsmethoden. Da es in Deutschland kein Vermögensregister, keine Zentralstelle für Immobilienbewertung und auch keine Erhebung der Depotwerte nach Person gibt, beruhen diese Angaben auf Befragungen. Während bei den Depotwerten hier einigermaßen realistische Angaben herauskommen dürften, werden hier die Werte für Immobilien und Unternehmensbeteiligungen immer mit erheblichen Fehlern versehen sein - insbesondere bei rückläufigen Preisen.

Das ist ja genau das, was ich meinte. Wenn der Unternehmer (als Ausschüttung natürlich bereits zweimal (d.h. auf Unternehmens- und Personenebene) versteuertes liquides Vermögen hat, soll das besteuert werden, auch wenn es im Krisenfall dem Unternehmen wieder zugeführt würde. Natürlich reden wir hier nur von 2% pro Jahr, nur sind das in zehn Jahren auch schon fast 20%.

Weiterhin wird dabei übersehen, daß der Unternehmenssitz bei immer weniger Unternehmen einen Produktionsstandort darstellt, d.h. nur schwer bzw. aufwändig umzuziehen ist. Noch viel weniger ist ein Wohnsitz des Unternehmers in Deutschland erforderlich, auch wenn Unternehmen noch in Deutschland produziert.

Auch wenn die SPD, die Linken und die Grünen es leugnen: es gibt einen Steuerwettbewerb und der funktioniert inzwischen fast weltweit. Außerdem sind die Steuereinnahmen so hoch wie noch nie. Wie man vor dem Hintergrund auf den Gedanken kommen kann, wieder einmal an der Steuerschraube zu drehen, um noch mehr soziale Wohltaten an die nicht arbeitende Bevölkerung zu verteilen, anstatt endlich mal diejenigen zu entlasten, die die ganze Party bezahlen, ist mir ein Rätsel.

Es geht aber nur um das oberste Dezil, da die anderen weit unter dem Freibetrag bleiben.

Man wäre aber noch lange nicht von der Vermögenssteuer betroffen. Der Punkt war ja auch der, dass eben nicht nur Immobilien das Vermögen der oberen 10% ausmacht. Man sieht hier ja sehr schön, dass das Verhältnis von Immobilienvermögen zu Finanzvermögen sich ab 40% nur sehr wenig ändert. Allerdings haben die top 10% dann eben erheblich mehr Geld übrig um sich alle möglichen Dinge zu kaufen. Der Anteil am Immobilienvermögen ist hier also geringer als bei den unteren Quantilen/Dezilen.

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Ja gut, das hatte ich auch schon gefunden. Was ich hier sehe (1. Reiter) ist eine massive Verschiebung zu Gunsten der Top 10% von 2002 bis 2007 (+6,1%), dann einen Einbruch bis 2012 (-3%), der dann bis 2017 wieder etwas (+0,4%) gut gemacht wurde. Ich kann daraus wirklich nicht herleiten, dass man die Top 10 hier besonders schonen müsste. Im Gegenteil ist es doch so, dass von 2002 bis 2017 bis auf die Reichsten alle anderen Gruppen verloren haben. Wenn überhaupt sind deine Zahlen doch eher ein Grund mehr für die Vermögenssteuer.

Es gibt genug Beispiele, wo Unternehmer selbst in sehr guten Zeiten Personal abbauen, einfach um noch ein bisserl besser dazustehen (siehe Red Bull). Genau so gibt es Beispiele, wo Unternehmen in Zeiten der Krise zu allererst an sich denken und eher noch Geld vom Unternehmen abziehen, bevor es zu spät ist (siehe Schlecker).

Wie gut die Mär vom guten Unternehmer funktioniert, der seinen Reichtum brav an die unteren Schichten weitergibt, wenn er nur möglichst wenig an den Staat abführen muss, sieht man ja in den USA…

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Von besonders schonen war nicht die Rede, sondern davon, sie nicht zusätzlich zu belasten, weil das unerwartete Folgen haben kann.

Verloren hat da niemand etwas; hier geht’s um Anteile und nicht um absolute Beträge. Und den Zeitraum von 2002 bis 2017 zu betrachten ist genauso klug, wie den Zeitraum von 2010 bis 2017 zu betrachten: Boomphase mit stark steigenden Preisen bei Wertpapieren und Immobilien. Mir ging es darum, daß in Krisenzeiten Unternehmer oft auf ihr Privatvermögen zugreifen, um das Unternehmen zu stützen.

Red Bull gehört mehrheitlich einer chinesischen Familie, auch wenn der Gründer noch als GF an Bord ist. Und natürlich reduzieren auch familiengeführte Unternehmen Personal, wenn die Auslastung dauerhaft nicht gegeben ist. Von dem, was sich im Hintergrund auf Gesellschafterebene zusätzlich abspielt, bekommen in der Regel weder Mitarbeiter noch Presse etwas mit.

Jaja, Beispiele gibt es für alles. Das ist aber nicht der Normalfall; der Normalfall bei inhabergeführten Unternehmen ist ein völlig anderer.

Es gibt erhebliche strukturelle Unterschiede zwischen Unternehmen in den USA und in Deutschland. Ein wesentlicher Unterschied liegt in der Finanzierung und genau der spielt hier eine Rolle.

Soll mir aber auch egal sein. Ich wollte nur auf einen Umstand hinweisen, der aber eh niemanden interessiert - weder in der Öffentlichkeit noch in der Politik. Ich bin mal gespannt, ob sich zu meinen Lebzeiten in Deutschland noch etwas an der grundsätzlichen Abneigung (die sich nicht zuletzt auch im Steuerrecht wiederfindet) gegenüber Unternehmern (=Arbeitgebern) etwas ändert.

Also haben sie Anteile verloren

Das kannst du auch irgendwie belegen?

Die Familie kommt aus Thailand und das Beispiel soll zeigen, dass selbst dann Menschen ihre Jobs verlieren, wenn es der Firma ausgezeichnet geht, falls sich damit der Gewinn noch ein wenig steigern lässt. Unternehmer habe in der Regel ihre eigenen Interessen an erster Stelle. Wenn sich nicht der Staat um die Schwächeren kümmert, macht das niemand.

Das behauptest du zwar ständig, ich sehe dafür aber keine Belege.

Mag sein, aber deine Argumentation deckt sich mit der der aktuellen US Regierung und war auch mit ein Grund für die letzte massive Steuererleichterung für die Reichsten. Damals hieß es, dass die Unternehmer das zusätzliche Geld in ihre Firmen investieren würden und damit mehr Arbeitsplätze schaffen würden. Dass die Realität anders aussieht, wissen wir ja beide.

Wir sind uns ja auch einig, dass die Wirtschaft gerade brummt und es so gut wie keine Finanzierungsprobleme gibt. Wann wenn nicht jetzt sollte der Staat denn über eine Steuererhöhung nachdenken? Klar, Deutschland hat gerade einen netten Überschuss, aber wir wollen doch nicht vergessen, dass der Staat noch immer auf einem Schuldenberg von ca. 1,9 Billionen € (knapp 62% des BIP) sitzt.

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Ja, logisch. Das heißt aber nicht, daß sie netto an Vermögen verloren haben. Ich wollte das nur klarstellen, weil es manchem nicht gelingt, das zu unterscheiden.

Ich will Dir nichts unterstellen, aber ich vermute, daß Du einer geregelten Beschäftigung nachgehst. Gibt’s da nicht auch mal Situationen, in denen Du Zugriff auf Informationen hast, die nicht öffentlich sind? Informationen, auf die man nicht verlinken kann? Bei mir ist das eigentlich ständig der Fall; manche Informationen wie Geschäftsberichte sind zwar öffentlich verfügbar, aber selbst die darin enthaltenen Informationen sind oftmals nicht ausreichend, um die Gesamtsituation ohne weiteres zu verstehen bzw. nachvollziehen zu können. Es gibt natürlich auch Informationen, die gar nicht veröffentlicht werden oder erst später. Dann nennt man sie auch Insiderinformationen.

Also mit anderen Worten: Du kannst, wenn Du möchtest, die Jahresabschlüsse der deutschen, publikationspflichtigen Unternehmen beim Bundesanzeiger durchgehen und schauen, ob Du Hinweise darauf entdeckst, daß Gesellschafter im Krisenfall Kredite oder Eigenkapital ins Unternehmen gegeben haben bzw. Fremd- in Eigenkapital umgewandelt haben bzw. es eigenkapitalnäher ausgestaltet haben, aber irgendwelche Links wirst Du von mir nicht bekommen.

Außer einem:


30 Millionen waren das damals, wenn ich mich recht entsinne.

Tja, so ist das im Leben. Manche Dinge stehen im Internetz, manche kann man in Büchern offline nachlesen und manche andere finden tatsächlich undokumentiert statt.

Und die Holding sitzt in Hong Kong; ist aber auch egal. Ich wollte andeuten, daß es einen Unterschied macht, ob der Gesellschafter eine Investmentbude aus Asien ist oder ein Unternehmer, der in dritter Generation in der Region verwurzelt ist und weiß, daß er die Leute nie wieder bekommt, wenn er wegen einer kurzfristigen Delle Leute rauswirft. Ach ja, fürs Protokoll: es ging um 1xx Leute, die in Österreich abgebaut wurden - von ungefähr 12.000 weltweit im Konzern.

Nein, da sind wir uns nicht einig. Es ist erkennbar, daß immer mehr Unternehmen in Schwierigkeiten kommen - gerade, weil es in den letzten Jahren keine Finanzierungsschwierigkeiten gab.

Dann wäre es ja eine gute Idee, nicht zu beschließen, auf dem Höhepunkt der Steuereinnahmen Milliarden für soziale Zwecke und damit für Wählerbindung auszugeben. Die Beträge aus einer Vermögensteuer werden jedenfalls sicherlich nicht reichen, um das ein oder andere Rentenprojekt zu finanzieren - geschweige denn die Schuldentilgung von knapp 2 Bio. Euro.

Das ist natürlich außerordentlich praktisch.

Ach da ist er ja, der alte ‚aber damit wird das Problem nicht zu 100% gelöst‘ Schmäh…

Es ging um die Frage, wann ein Staat die Steuerlast erhöhen soll. Ob das jetzt konkret eine Vermögenssteuer ist, spielt dabei keine Rolle. An der Stelle wiederhole ich gerne meine Frage an dich: Wann wenn nicht jetzt sollte der Staat denn über eine Steuererhöhung nachdenken?

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Das ist wiederum tendenziell eine Milchmädchenrechnung, da vor Ausschüttung schon in der Kapitalgesellschaft besteuert wird. Wenn BMW an die Familie Quandt 400 Mio ausschüttet, dann waren das mal ca 570 Mio Gewinn. Der Gewinn wird schon auf Ebene der Kapitalgesellschaft mit 15 % Körperschaftsteuer besteuert und (vereinfacht) auch etwa 15 % Gewerbesteuer, Soli lassen wir mal aus Vereinfachungsgründen weg.

Also rechnen wir 570 Mio abzügl. 30 % Körperschaft- und Gewerbesteuer gleich 400 Mio Dividende. Davon zahlt Familie Quandt dann noch einmal Kapitalertragsteuer, 25 % = 100 Mio. Somit werden aus 570 Mio Gewinn 300 Mio nach Steuern.

Effektiv greift der Fiskus also 270/570 = ca. 48 % ab.

Bei ausländischen Einkunftsquellen sieht das natürlich ggf. anders aus.

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