Falsch ist, dass es allein die Konzerne wären, die vom
Atomstrom profitieren. Kernkraft wirkt sich dämpfend auf die
Strompreisentwicklung aus. Und davon haben letztlich alle
etwas.
Findest Du? Letztendlich fördert das doch nur die „Strom ist
billig und kommt aus der Steckdose“-Haltung. Ein realistischer
Strompreis würde vielleicht das Bewusstsein wecken, wie
kostbar dieses Gut ist. […]
Ja, finde ich. Strom ist ein elementares Gut, das in unserer Gesellschaft zum Leben unerläßlich ist. Da ist es eine absolut richtige Entscheidung, die Gestaltung der Stromversorgung auch daran auszurichten, dass sie einigemaßen bezahlbar ist. Für zahlreiche Branchen ist Strom ein erheblicher Kostenfaktor und vielen energieintensiven Unternehmen werden schon heute Erleichterungen zugebilligt - etwa eine deutliche Verminderung der EEG-Last - damit sie im (internationalen) Wettbewerb um Käufer (und Deutschland im Wettbewerb um Industrieansiedlungen) nicht schon aus diesem Grund „in die Röhre gucken“. Das gilt aber auch für den ganz normalen Privathaushalt - oder wie sollte sich sonst erklären, dass schon jetzt gerne mal nach „Sozialtarifen“ oder sonstigen Erleichterungen für sozial schwächere gerufen wird?
Richtig ist, dass die Gesellschaft einen guten Teil des
Kernkraftrisikos trägt,
Nicht einen guten Teil - sondern über 99 Prozent. Diese Zahl
stammt nicht von mir, sondern von einem
Versicherungsmathematiker, der früher für die Münchner Rück
gearbeitet hat. Das empfinde ich als Abzocke.
oder etwaige Schäden, soweit sie im
Katastrophenfall nicht mehr von den Anlagenbetreibern
übernommen werden (falsch ist dementsprechend, dass die Lasten
ausschließlich von der Gesellschaft getragen würden).
Wenn Du meinen Text gelesen hast: Da stehen die Zahlen drin.
Die Versicherungssumme beträgt vier Millarden Euro.
Ja, habe ich gelesen. Die Zahl ist Unsinn. Bereits die Höhe der atomrechtlich vorgeschriebenen Deckungsvorsorge (d.h. des Mindestversicherungsschutzes) liegt bei mehreren Milliarden EUR, und zwar je Kraftwerk.
Im übrigen ist aber auch völlig gleichgültig, ob die Versicherungssumme 4, 40 oder 400 Milliarden beträgt. Wikipedia kolportiert, dass vor rund 20 Jahren die finanziellen Folgen einer „erheblichen Freisetzung von Radioaktivität“ (was immer das genau sein mag) auf 5-10 Billionen DM geschätzt worden seien, was - Richtigkeit und Sinnhaftigkeit unterstellt - bis heute sicher nicht weniger geworden sein dürfte. Das ist genug, um mit tödlicher Sicherheit nicht nur jeden Energiekonzern, gleich ob versichert oder nicht, sondern womöglich auch gleich die ganze Volkswirtschaft zur Strecke zu bringen. Wenn aber von vornherein klar ist, dass die Dimension eines GAU das Leistungsvermögen jedes Energieversorgers (trotz Versicherung) übersteigt, also gar nicht die Möglichkeit besteht, den Schaden unter Freihaltung der Allgemeinheit komplett dem Betreiber zu überbürden, dann ist die Tatsache, dass ein (womöglich ganz erheblicher) Teil dieser Dimension zwangsläufig bei der Allgemeinheit „hängen bleibt“, weder Abzocke noch „Subvention“, sondern schlicht „naturgesetzliche“ Gegebenheit.
Die einzige Frage, die man sich insoweit stellen kann ist, ob man um der Vorteile für die Energieversorgung willen als Gesellschaft bereit ist, dieses Risiko einzugehen. Diejenigen, die seinerseit über unseren Einstieg in die Kernenergie zu befinden hatten, haben offenbar die Wahrscheinlichkeit, dass ein Schaden dieser Größenordnung eintritt, für so gering gehalten bzw. die deutschen Kraftwerksbetreiber für so fähig gehalten, dass sie dieses Risiko für tragbar hielten. Mit dieser Einschätzung haben sie zumindest für einige Jahrzehnte und bis heute wie man sieht auch richtig gelegen.
Und diejenigen, die jüngst darüber zu befinden hatten, ob das noch max. 14 weitere Jahre lang funktioniert, haben das offensichtlich ähnlich gesehen. Eine Annahme, die mit Blick darauf, was in Deutschland sich bislang an atomaren Katastrophen ereignet hat, zumindest nicht völlig grundlos ist.
Ob man diese Einschätzung teilt, muß jeder mit sich selbst ausmachen. Ich persönlich halte die Entscheidung für vertretbar und kann damit leben, ohne dass damit jedoch gesagt wäre, dass sie zwingend so hätte getroffen werden müssen, und auch ohne mir sicher zu sein, ob ich sie - wäre ich Abgeordneter - genauso getroffen hätte (ich bin um ehrlich zu sein in der Tat recht froh, dass ich nicht in der Situation war, mich als Abgeordneter für oder gegen diese Sache entscheiden zu müssen).