Fluchtgeschwindigkeit und schwarzes Schild

Hallo Jens,

mit dem Mythos,

meinte ich nicht einmal, daß diese Vorstellung überholt ist. Die COBE-Messungen - und dann bestätigt und präzisiert durch WMAP - zeigten ja, daß das Universum eine euklidische Geometrie besitzt, also „flach“ ist, und damit die Expansion von Anfang an die eines (zumindest in 3 Dimensionen) unendlichen Raumes war. Damit war ja leider die so anschauliche Luftballon-Analogie endgültig geplatzt, die „vor Augen führte“, wie sich ein gesamter in sich geschlossener Raum aus einem punktuellen Anfang ausdehnt, und daß darin die Distanz zwischen allen Objekten immer größer wird, ohne daß diese sich durch Eigenbewegung „im Raum“ von einander entfernen.

Die „Urknall“-Modell ist damit ja nicht gestorben (im Gegenteil, es ist ja bestätigt dadurch), aber für jemand, der mit Topologien und Differentialgeometrien nicht vertraut ist, fehlt jetzt erst recht die Anschauung: Wie kann ein euklidischer, unendlicher Raum sich ausdehnen. bzw. kann er er, rückwärts betrachtet, kollabieren, obowohl er unendlich ist …

Ich meinte vielmehr mit „Mythos“ - auch schon auf die klassischen „Luftballon“-Modelle bezogen - daß die Vorstellung einer aus einem „Punkt“ expandierenden Raumzeit in die Irre führte. Denn ein Punkt, als Objekt einer Geometrie (egal ob einer euklidischen oder, wie vormals angenommen, einer riemannschen, elliptischen) ist ein Objekt im Raum. Und wenn dieser sich zu einer Sphäre aufbläht, dann liegen natürlich auch Fragen an, die - wie du dich sicher einnern wirst - wissen wollten, was war „vor dem Urknall“ oder, noch häufige, was ist „außerhalb“ des Universums. Ein in sich geschlossener Raum mit sphärischer, Riemannscher Geometrie ist eben etwas anderes als eine Sphäre, die man in einem höherdimensionalen Raum eingebettet sieht.

Es handelte sich also bei den Anfangsszenarien nicht in diesem Sinne um einen Punkt (bzw. ein kleines Kügelchen, als das man die Planck-Ära vorstellte) im Raum bzw. in der Raumzeit. Vielmehr bedeuteten die Größen der Planck-Ära (L = 10-33 cm, T = 10-43 sec) die in einem geschlossenen Raumzeitgebiet maximal möglichen Raum- und Zeitmaße. Es sind nicht die „Ausmaße“ eines Gebietes innerhalb eines größeren Umgebungsgebietes. Es ist eine komplette Raumzeit damit gemeint. Und die Größen sind intrinsische Größen dieser Raumzeit, nicht extrinsische (externe).

Deshalb ist/war es regelrecht begrifflich falsch, wenn es heißt, das Universum war L cm „groß“, als es T sec „alt“ war. Weil damit externe Größen vorgestellt wurden. Es gab zu der Planck-Ära aber keine externe, sie einbettende Raumzeit. T = 10-43 sec war nicht das „Alter“ des Universums, von dem an es begann zu expandieren. Anders ausgedrückt: „T“ ist keine externe Geschichtszeit. Die gibt es übrigens, auf das gesamte Universum bezogen, bis jetzt nicht. Das Universum ist, in der physikalsichen Konzeption, nicht „eingebettet“.

Außerdem wurde dazu immer gerne gesagt/geschrieben, über den Zustand des Universum „vor“ der Planck-Zeit, wisse man nichts. Aber in Wirklichkeit war es (und ist es nach wie vor) so, daß jenseits dieser Raumzeitgrößen die bisherigen physikalischen Raum- und Zeitbegriffe nicht mehr gelten. An diesen Grenzen ist die bisherige Physik wirklich „am Ende“, insofern die Raumbegriffe und Zeitbegriffe nicht mehr das beschreiben können, was zu beschreiben wäre. Whealer, Penrose, Thorne usw. haben das schon in den 1970ern immer wieder herausgestellt. Daß ein „Vorher“ bzgl. eines Beginns von Zeit überhaupt, eine logisch/philosophisch sinnlose Frage ist, hat Augustinus bereits im 4. Jhdt. klargemacht. Aber im 20 Jhdt. und im 21. ist die Frage, was war vor T = 10-43 sec bereits eine physikalisch sinnlose Frage. Die Theoretische Physik arbeitet nun an den Raum- und Zeitkonzeptionen selbst.

Deshalb gibt es ja auch - schon seit den 1960er Jahren, und im Grunde schon mit der Kaluza-Klein-Theorie (eingerollte zusätzliche Dimensionen), mit der man Einstein 1916 überraschte - andere, neue physikalisch-mathematische Ansätze, die mit ganz anderen Raumzeit-Konzeptionen arbeiten.

Gruß
Metapher

Hallo,

dieser „Mythos“ wird vermutlich auch dadurch am Leben gehalten, daß in den einschlägigen populärwissenschaftlichen Sendungen immer wieder mal tolle Bilde gezeigt werden, wir der Urknall so vor sich hinknallt. Damit wird suggeriert, daß es etwas oder jemanden - buchstäblich - außen stehendes/n gab (hätte geben können) - also auch etwas, das sich „drumrum“ befand bzw. der der Urknall sich in etwas größerem ereignete.

Gruß
C.

Hi,

genau, und auch noch akustisch untermalt. Damitsich auch der einfachststrukturierte Zuschauer nun informiert fühlt, wie sich das „damals“ so abspulte.

und damit dem Zuschauer etwas vermittelt, was ja soviel „wissenschaftlicher“ sei als etwa 1. Mo. 1.1-2.4. Das wirklich außerordentlich Spannende an den physikalischen Kosmologien seit dem XX. Jhdt. wird dadurch sozusagen mit Fingerfarben übermalt.

Nicht viel anderes geschieht - zumindest in Bezug auf solche Themen - wenn Harald Lesch in Kneipentheken-Jargon und entsprechender Metaphorik ART „erklärt“ oder der lieblich-rührige, aber rhetorisch extrem naive Joseph Gaßner erzählt, wie SN funktionieren, oder mit Kugeln in der Hand das Standardmodell der Teilchenphysik „erklärt“: Sie reden so, daß das Publikum begeistert ist und die Leute glauben etwas verstanden zu haben. Aber das eigentlich Faszinierende an diesen Physiken wird wegmetaphorisiert, aus Angst, jmd zu überfordern. Ungefähr so, wie in den 1950ern mit Jugendlichen über Sex geredet wurde :smile:

Daß das viel besser geht, haben ja George Gamov („Mr. Tomkins seltsame Reise …“) und Jean-Pierre Petit („Die Abenteuer des Anselm Wüßtegern“). Sie machen gerade das, was sich der alltäglichen Anschauung so krass entzieht, auch und gerade für einen Laien so faszinierend.

Gruß
Metapher

2 Like

sorry, da fehlte was …

Wow, interessanter Thread bisher. Was ich jetzt noch nicht verstanden habe: Photonen haben keine Ruhemasse, dementsprechend dürften die ja auch keine Energie haben? Irgendwie unlogisch… Weil wenn ich einer Energie eine Geschwindigkeit zuweise, bekomme ich nach Einstein eine Masse.
Und zu den schwarzen Löchern: wie kann man bei 0 Ruhemasse von einem gravitativen Einfluss reden? Bzw wenn ein Stern z.b. 100 Sonnenmassen hat und kollabiert, seine dichte unendlich werden? Es kann ja nur eine endliche dichte sein. Von daher muss es eine, wenn auch bisher nur theoretisch mögliche fluchtgeschwindigkeit geben!

Sie haben ein Energie (Energie=Planckkonstante*Frequenz)

Interessante Interpretation

Die ART arbeitet mit Energie und Impuls beides haben auch Photonen

Nach der ART: Ja. Aber wenn ein Wert unendlich groß wird, heisst das, dass man eine Theorie zu weit getrieben hat. In der Praxis wissen wir nur das es Schwarze Löcher gibt und das sie Materie aufnehmen können. In welcher Form die Materie im SL vorliegt, ist unbekannt.

Die mittlere Dichte eines SLs hängt übrigens von seiner Masse ab und kann für grosse SLs sogar recht klein werden.

Die gibt es auch. Aber diese ist größer/gleich der Lichtgeschwindigkeit.

1 Like