Gesamtschulen oder gegliedertes Schulsystem?

Der Grund, warum überhaupt über so einen Schmarn nachgedacht wird, ist ein einfacher:

Früher galt das deutsche Schulsystem mit seinen Differenzierungen als das beste der Welt; erreicht wurde dies durch eine gewisse Rigorosität, d.h. wer nicht fähig war, dem Gymnasialstoff zu folgen, der wurde eben anderweitig ausgebildet (praxisorientiert). Grundsätzlich kann man sagen, (die heutigen drei Schulformen zugrunde legend) auf dem Gymnasium wurden zukünftige Akademiker ausgebildet und auf Real- und Hauptschule Leute, die später praktische Berufe ausüben sollten.
Später fing man dann an, angefacht durch die unsägliche Gleichmacherei der 68er, diejenigen, die eben nicht die gymnasiale Ausbildung durchliefen, als benachteiligt darzustellen; die Anforderungen des Gymnasiums sanken und die anderen beiden Schulformen entwickelten sich zu dem, was sie heute sind: die Realschule als letzter Rettungsring und die Hauptschule als Deponie für alles „Nichtverwertbare“.

Die Vertreter der Gesamtschule argumentieren, dass Schüler, die nicht aufs Gymnasium kommen, benachteiligt seien; das sehe ich komplett anders, denn wenn sie leistungsmäßig eben nicht mitkämen, womit wäre ihnen dann geholfen, würden sie trotzdem aufs Gymnasium geschickt? Dass bei uns differenziert wird und leistungsschwächeren Schülern somit die Möglichkeit gegeben wird, in anderen Bereichen ihre Talente zu entdecken als ständig hinter den Leistungsstärkeren hinterherzuhinken und irgendwann in ihren eigenen Misserfolgen zu versinken, ist aus humanistischer Sicht weit besser als ein gleichmachendes System, das schlussendlich genauso ausgehen wird wie in anderen Ländern bzw. auf den Gesamtschulen, die wir jetzt schon haben: die Leistungsschwächeren werden keineswegs besser, dafür die Leistungsstärkeren aber schlechter!

Jedem hier, der schon einmal eine Hauptschule gesehen hat, wird sich vorstellen können, aus welcher Klientel bzw. aus welchen Charaktern die Gruppe der Leistungsschwachen besteht und ich bin keineswegs der Auffassung, dass man diese Leute „bekehren“ kann, indem man sie mit den Ambitionierten in eine Klasse setzt.

Was wir tun müssen, ist, die Gutmenschen-Doktrin und die Theorie, alle Menschen seien (intellektuell gesehen) gleich, abzuwerfen und endlich wieder nur nach Leistung zu beurteilen, ohne dass diese Beurteilung von vorgeblich humanitären Gründen beeinflusst werden kann; natürlich muss auch dafür gesorgt werden, dass z.B. Migrantenkinder Deutsch lernen, „Ghetto“-Kinder aus ihrem Umfeld entfernt werden, ggf. Eltern zu Kompetenz- und Erziehungskursen verpflichtet werden, etc. All diese Maßnahmen müssen mit rigoroser Strenge durchgeführt werden und nicht nach dem Pipifax-Muster, wie z.B. heutzutage mit Migranten und ihren Sprachkursen verfahren wird, dass eben einfach hingenommen wird, wenn sie zu diesen eigentlich verpflichtenden Kursen nicht erscheinen.

Generell muss der Staat seine Ernsthaftigkeit zurückerlangen, seine Aufgaben wieder ernstnehmen und vor allem Probleme beim Schopf und mit aller Konsequenz anpacken, ohne dabei von irgendwelchen Ideologien verblendet zu sein, wie z.B. der allgegenwärtigen „Political Correctness“!

guten morgen,

„Jedem hier, der schon einmal eine Hauptschule gesehen hat, wird sich vorstellen können, aus welcher Klientel bzw. aus welchen Charaktern die Gruppe der Leistungsschwachen besteht und ich bin keineswegs der Auffassung, dass man diese Leute „bekehren“ kann, indem man sie mit den Ambitionierten in eine Klasse setzt.“

aussagen wie diese tragen wesentlich zur debatte bei.

die idee, dass dieses „klientel“ ein produkt unserer gesellschaft ist und auch dem fehlenden integrationswillen dieser gesellschaft geschuldet sein könnte, ist natürlich völlig abwegig.
zielführende ideen dazu ,wie man der situation am anfang der kausalkette begegnen könnte, wären aufgrund des typs „leistungsschwach“ und somit nicht systemrelevant, verschwendete ressourcen.

viel einfacher läßt es sich natürlich leben, wenn wir ganz einfach zur „bekehrung der ungläubigen“ eine BADSCHOOL(steigerung der, igitt, „hauptschulen“) schaffen, dort könnte man das gesamte „klientel und konfliktpotential“ auslagern. so dass wir eine klare struktur schaffen,gymnasial & universitär .mit anderen worten: transparenz und bestmögliche abgrenzung der „ambitionierten“.
dann ist die bahn frei für leistungsstarke, die dann unsere welt bereichern werden.sie sind dann ingenieure und wissenschaftler,banker u.s.w.,entwickeln solche hocheffizenten modelle wie Schichtentrennung & BADSCHOOLS (bisweilen auch gerne finanzkrisen).dieses hirnschmalz präsentieren sie dann als das ergebnis ihrer jahrelangen ,staatlich subventioniert,genossenen ausbildung.

gehen wir also,nicht nur gedanklich, wieder zurück ins 19/20Jht. und
und plagen wir uns nicht mehr weiter mit dieses unseligen trends der „gleichmacherei“. wir wissen, nicht alle menschen sind gleich, viele sind naturgemäß gleicher. die mehrheit entscheidet, also lassen wir den gleicheren ihren benötigten freiraum.sie brauchen ihn wie die luft zum atmen.und die gleichen brauchen die gleicheren, damit ihnen jemand ihren originären,qua geburt geerbten platz in dieser welt zuweisen kann.

bartholomäus, der untertan

PS: neulich las ich einem sehr suspekten artikel in einer der gleicheren medien: demnach ergäbe die neuere forschung, dass der uralte prekariatsspruch " handwerk hätte goldenen boden" (hihihi) zukünftig seine berechtigung habe! und an einem beispiel:durch unsere errungenschaften wie: handwerkliche und geistige ausbildung,säuberlich getrennt,könne sich keiner der spezialausgebildeten aufgrund seiner spezialausbildung alleine helfen. und noch schlimmer: es gäbe zukünftig berufe die man auslagern kann!ingenieure z.B.
worauf wollte der verfasser dieses beinahe, reaktionären, artikels eigentlich aufmerksam machen?

Na, na. Das kann man ja so nicht stehen lassen.

  1. Sind „die 68er“ höchstens daran Schuld, dass es jetzt deutlich mehr Abiturienten gibt, als noch 1968. Das wurde allerdings nicht dadurch erreicht, dass das Bildungsniveau auf dem Gymnasium gesenkt wurde, sondern dass viel mehr Kinder aus sog. Arbeiterfamilien eben auch die Chance sahen, zu Akademikern zu werden. Wenn „Gleichmacherei“ also bedeutet, dass allen Menschen der Zugang zu höherer Bildung ermöglicht werden soll, dann kann ich das nur unterstützen. Wer behauptet, früher sei das Gymnasium noch so viel anspruchsvoller gewesen, der meint auch, dass die Butter früher besser geschmeckt habe und irgendwie auch sonst die Welt früher noch in Ordnung war.

  2. In einer Gesamtschule gehen nicht alle auf’s Gymnasium. Wo kommt denn diese Vorstellung her? Bis zur 10. Klasse gehen viele in die gleiche Schule. In die Sekundarstufe II muss man es aber trotzdem noch schaffen. Zudem gibt es da eine Vielzahl von Modellen, u.a. mit A-, B- und C-Kursen, die das individuelle Lernverhalten durchaus berücksichtigen.

  3. In anderen Ländern funktioniert das Konzept der Gesamtschule deutlich besser. Dies liegt aber vor allem daran, dass deutlich mehr und deutlich besser ausgebildetes Lehrpersonal eben auf das individuelle Lernniveau der einzelnen Schüler eingehen. Und ja, das kostet auch deutlich mehr, aber was ist schon umsonst? Übrigens wird Deutschland nicht selten wegen der mangelnden Chancen und dem extrem selektiven Schulwesen von der OSZE gerügt. Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen - das ist nicht unbedingt jedermanns Auffassung.

  4. Ich denke nicht, dass „Political Correctness“ unser Problem heutzutage ist. Und ich denke nicht, dass der Staat zu feige wäre, gegen diese angebliche Meinungsmehrheit anzukämpfen. Meine Wahrnehmung ist eher, dass „Political Incorrectness“ zur Zeit sehr stark in Mode gekommen ist, was reaktionären und rassistischen Tendenzen wieder mehr Freiraum gibt (vgl: Sarrazin etc.). Da musst Du Dich übrigens nicht von angesprochen fühlen.

Grüße,

Lurchi

  1. Sind „die 68er“ höchstens daran Schuld, dass es jetzt
    deutlich mehr Abiturienten gibt, als noch 1968. Das wurde
    allerdings nicht dadurch erreicht, dass das Bildungsniveau auf
    dem Gymnasium gesenkt wurde, sondern dass viel mehr Kinder aus
    sog. Arbeiterfamilien eben auch die Chance sahen, zu
    Akademikern zu werden. Wenn „Gleichmacherei“ also bedeutet,
    dass allen Menschen der Zugang zu höherer Bildung ermöglicht
    werden soll, dann kann ich das nur unterstützen. Wer
    behauptet, früher sei das Gymnasium noch so viel
    anspruchsvoller gewesen, der meint auch, dass die Butter
    früher besser geschmeckt habe und irgendwie auch sonst die
    Welt früher noch in Ordnung war.

Das Niveau wurde deutlich gesenkt, damit jeder ein Abitur bekommen kann. Vergleichbar ist da die Schule in der DDR, wo alles anspruchsvoller war. Die Absolventen der POS hatten mehr drauf als heutige Abiturienten. Auch sind Arbeiterkinder heute besser dran, was die OECD-Studien zeigen. Nur in Deutschland ist die Korrelation zwischen Herkunft und Bildungschancen so hoch.

Hallo Lurch,

  1. Sind „die 68er“ höchstens daran Schuld, dass es jetzt
    deutlich mehr Abiturienten gibt, als noch 1968. Das wurde
    allerdings nicht dadurch erreicht, dass das Bildungsniveau auf
    dem Gymnasium gesenkt wurde, sondern dass viel mehr Kinder aus
    sog. Arbeiterfamilien eben auch die Chance sahen, zu
    Akademikern zu werden. Wenn „Gleichmacherei“ also bedeutet,
    dass allen Menschen der Zugang zu höherer Bildung ermöglicht
    werden soll, dann kann ich das nur unterstützen.

Solange Bildung nichts kostet kann man doch nicht von Nachteilen von finanzschwachen Schuelern sprechen - oder warum sollen ALG2-Kinder nicht die Moeglichkeit haben laenger die und damit eine hoehere Schule zu besuchen?

  1. In einer Gesamtschule gehen nicht alle auf’s Gymnasium. Wo
    kommt denn diese Vorstellung her? Bis zur 10. Klasse gehen
    viele in die gleiche Schule. In die Sekundarstufe II muss man
    es aber trotzdem noch schaffen. Zudem gibt es da eine Vielzahl
    von Modellen, u.a. mit A-, B- und C-Kursen, die das
    individuelle Lernverhalten durchaus berücksichtigen.

Wo liegt denn der Sinn darin die Kinder zusammen auf eine Schule zu schicken wenn sie nicht im gleichen Klassenzimmer sitzen? Meine alte Schule beherbergte auch ein Gymnasium sowie eine Realschule unter dem selben Dach mit gleichen Pausenraeumen… aber viel Interaktion hat es nicht gegeben.

  1. In anderen Ländern funktioniert das Konzept der
    Gesamtschule deutlich besser. Dies liegt aber vor allem daran,
    dass deutlich mehr und deutlich besser ausgebildetes
    Lehrpersonal eben auf das individuelle Lernniveau der
    einzelnen Schüler eingehen.

Wenn der Staat mehr in die Bildung investieren wuerde wuerde jedes Schulsystem besser funktionieren.

  1. Ich denke nicht, dass „Political Correctness“ unser Problem
    heutzutage ist. Und ich denke nicht, dass der Staat zu feige
    wäre, gegen diese angebliche Meinungsmehrheit anzukämpfen.
    Meine Wahrnehmung ist eher, dass „Political Incorrectness“ zur
    Zeit sehr stark in Mode gekommen ist, was reaktionären und
    rassistischen Tendenzen wieder mehr Freiraum gibt (vgl:
    Sarrazin etc.). Da musst Du Dich übrigens nicht von
    angesprochen fühlen.

Das spielt zusammen: Wenn die Masse politisch korrekt ist versuchen immer irgendwelche Populisten Tabus auszusprechen, d.h. indirekt verursacht politische Korrektheit den Bruch dieser weil es sonst einfach irrelevant waere ein politisch nicht heikles Thema anzusprechen.

Gruss

Desperado

Grüß Dich.

Zunächst als Kommentar zu beharrlichen, süddeutschen Mythen und als Hintergrund zum gegliederten Schulsystem:

/t/trennung-zwischen-hauptschule-und-realschule/5498…

Zu den Begriffen:

Gesamtschule = gegliedertes Schulsystem
Gesamtschule ≠ Gemeinschaftsschule ≠ Einheitsschule

Das gegliederte Schulsystem hat kein pädagogisches Fundament und die Phrase von der notwendigen Separation auf Grund von Talent oder Begabung ist seit je falsch, war zu keiner Zeit politisch gewollt und niemals verwirklicht.

Des weiteren ist die Sache eigentlich unstrittig: Es gibt nirgendwo auf der Welt eine ordentliche, tragfähige Studie, die die Frühauslese und die Trennung durch Schulformen stützt.

Sondern das Gegenteil ist der Fall: Sämtliche Studien zeigen, daß gemeinsames Lernen allen Schülern hilft. Der deutlichste Hammerschlag stammt jüngst aus den Vereinigten Staaten, die im Rahmen einer Langzeitstudie die Grundlage des gegliederten Schulsystems untersuchten und die Methode des indirekten Beweises anwandten:

Es wurde genau das getan, was seit Jahrhunderten den Deutschen in steter Indoktrination eingeimpft wird. Getrennte Lernkohorten, völlig homogen, auf das Leistungsvermögen zugeschnittene Unterrichtsmethodik.
Die Ergebnisse: Die guten Schüler, obwohl unter sich, konnten keinen schnelleren Lernfortschritt erzielen als in den gemischten Kohorten. Hingegen schädigte die Trennung besonders die Kohorte der schlechten Schülern. Dort brach das Niveau völlig ein.

Der nächste Punkt ist der in Westdeutschland unbeachtet gebliebene Erfahrungsschatz der DDR. Die Einheitsschule in Ostdeutschland schrieb gemeinsames Lernen groß und ließ die Kinder sehr lange in einem „Klassenkollektiv“ zusammen, und zwar 8 Jahre. Die Schulstatistiken bestätigten die Richtigkeit des Ansatzes seit der Zerschlagung des fünfgliedrigen Schulsystems 1946. Die DDR schoß sogar über das Ziel hinaus, denn in der Phase der antifaschistischen Schulreform wurden Schulversuche unternommen, die selbst die spätere polytechnische Oberschule hätten ablösen können, und letztere war bekanntlich dem gegliederten Schulsystem überlegen in Leistungsvermögen und Gerechtigkeit der Bildungsgelegenheiten.

Zum Beispiel existierte in Thüringen unter Leitung einiger Reformpädagogen und unter Volksbildungsminister Walter Wolf eine radikale zwölklassige Einheitsschule , die die harsche Trennung zwischen Grundschule (1.-8. Klasse) und Oberschule (9.-12. Klasse) aufhob und auch ein paar Wahlfächer als Differenzierung bot. Thüringens Reinsteinheitsschule erzielte zu dieser Zeit die besten Lernergebnisse. Als später, 1950, die Sowjetpädagogik zum Vorbild genommen wurde, beendete die DDR leider die meisten quer zur politischen Linie liegenden Schulen wegen der „Veränderung der pädagogischen Großwetterlage“ [Zitatende], ohne sich jedoch - wie immer - völlig von empirisch gestützten „guten Ideen“ zu trennen, denn die Internatschulen und Spezialschulen der DDR griffen in pragmatischer Art und Weise erheblich auf Traditionen der ursprünglichen Einheitsschule zurück. Weiterere Schulversuche waren die (1950 beendeten) Produktionsschulen, die die allgemeinbildende Schule mit landwirtschaftlicher und handwerklicher Produktion verschmolzen, so daß sich die institutionelle Trennung von Allgemeinbildung und Berufsbildung aufhob.

Und spätestens wenn die westdeutsche Lehrerschaft in ihrem irdischen Jammertal das gegliederte Schulsystem besingt und starrsinnig behauptet, es sei doch unmöglich, gemischte Klassen zu unterrichten, und es ginge doch überhaupt nicht, ein ausgeprägtes Leistungsgefälle ins Gleichgewicht zu bringen, denke ich stets an Kurt Tucholsky:

„Traue keinem Fachmann, der sagt, das mache er schon seit 20 Jahren so; es könnte sein, dass er es seit 20 Jahren falsch macht.“

Die BRD-Lehrer kennen nichts anderes als das gegliederte Schulsystem und wurden nur dafür ausgebildet. Somit ist die Gemeinschaftsschule bereits gescheitert, ehe sie Wirklichkeit wird, denn Schulstruktur ist die eine Sache, eine sehr, sehr wichtige zwar, doch ist Erfolg oder Mißerfolg des Bildungssystems letztlich untrennbar mit der Lehrerschaft verknüpft.

Die Gemeinschaftsschule braucht ein fundamental reformiertes Lehrerstudium und das ist nirgends in Aussicht. Die BRD diskutiert ja heute noch, wie denn vielleicht möglicherweise unter Umständen irgendwie das überholte zweiphasige Lehramtsstudium ersetzt werden könnte. Der Worte viele sind gemacht, der Taten keine.

Diametral die Töne aus Ostdeutschland: Die älteren Lehrer, die ihr Studium noch zu DDR-Zeiten absolvierten, betrachten die Gemeinschaftsschule positiv. Warum auch nicht? Schließlich wurden diese Leute genau dafür ausgebildet und beherrschen die Techniken, um Kindern ein optimales, achtjähriges, gemeinsames Lernen zu ermöglichen.

Unsere Grundschüle ist übrigens kein Argument. Die Grundschule ist nur formal eine Schule des gemeinsamen Lernens.

  1. Die Grundschule westdeutscher Prägung ist entwicklungshemmend, unterfordernd und leistungsfeindlich.

Das Niveau ist dermaßen niedrig, daß ich das nach der Wende für einen schlechten Scherz hielt und mir längere Zeit einredete, daß das doch bloß Übergangserscheinungen seien und die Anforderungen wieder steigen, spätestens wenn die Zwangsauflösung der Einheitsschule zum Ende kommt.

Überspitzt formuliert: Die Kinder „bei uns“ gingen zur Schule - die Kinder „drüben“ gingen in einen täschelnden, verblödenden Kindergarten für große Spielekinder. Schule ist jedenfalls was anderes.

  1. Die Grundschule erfüllt eine reine Auslesefunktion.

Die Benotung setzt absichtlich spät ein und vermittelt auf Grund zu weicher Anforderungen ein trügerisches Bild. Das so in den Köpfen der Eltern herbeigeführte Zerrbild wird in der 4. Klasse mit Gewalt korrigiert und zerstört, begleitet von fadenscheinigen und zynischen Sprüchen als Rechtfertigung für die Missetaten – wie z.B. „Die Kinder sollen mit den Anforderungen der weiterführenden Schule konfrontiert werden.“, „Lieber in der 4. Klasse als später.“ usf.

Der Grundschulpädagogik ist das Gedankengut der Frühauslese und schulischen Trennung immanent, denn die Grundschule muß aus den reichlich 90% der Schüler, die den Abschluß der 10. Klasse erreichen könnten, binnen vierer Jahre Hauptschüler, Realschüler und Gymnasiasten machen. Komme, was da wolle.

Das Ende vom Lied ist die selbsterfüllende Prophezeiung, die gebetsmühlenartig von den Verteidigern des gegliederten Schulsystems ins Feld geführt wird: Das deutsche Schulsystem formt die Kinder zunächst zu Hauptschülern, Realschülern und Gymnasiasten, weil sonst das perfide Gebäude in Gefahr gerät, und dann heißt es „Seht ihr, Gesamtschulen sind untauglich! Hauptschüler, Realschüler und Gymnasiasten können nicht gemeinsam unterrichtet werden. Solche, solche und solche wird es immer geben.“.

Ignorierte man die Tatsache, daß eine handwerklich gut gemachte Gemeinschaftsschule leistungsfähiger ist als die gegliederten Schulen, stünden auf der Seite der Gemeinschaftsschule noch immer die deutlich besseren Argumente. Gesellschaftserziehung der Kinder, das Miteinander der Kinder, der gerechtere Zugang zu Bildung und Aufstiegschancen, Reformfähigkeit und Reformfreudigkeit, Wirkungskreis der Schule auf alle Kinder, übersichtlicher Aufbau des Schulsystems als Voraussetzung für Akzeptanz und Interesse der Eltern an Schule und als Voraussetzung für Vergleichbarkeit der Zensuren, der Abschlüsse et cetera, et cetera.

Letztlich ist das gegliederte Schulsystem durch keinen geistigen Klimmzug zu verteidigen, weil die Gemeinschaftsschule schlechtestenfalls (!) sämtliche Dinge gleich gut beherrscht, im Zweifel jedoch das einfachere und somit das übelegene Modell ist.

Viele Grüße
reinerlein

*** (o.w.T.)

Hallo Deperado,

Chauvanee behauptet folgendes:
Früher galt das deutsche Schulsystem mit seinen Differenzierungen als das beste der Welt; erreicht wurde dies durch eine gewisse Rigorosität, d.h. wer nicht fähig war, dem Gymnasialstoff zu folgen, der wurde eben anderweitig ausgebildet (praxisorientiert).

Das glaubte ich auch einmal. Und dann kam Pisa.

Vergegenwärtige dir, dass die Trennung der Schüler nach der vierten oder sechsten Klasse in Schulen mit unterschiedlichen Schwirigkeitsgrad nur in folgenden Ländern existiert:

  • Deutschland
  • Österreich
  • Luxemburg
  • Schweiz
  • Nordirland

Alle anderen Länder haben die die Gemeinschaftsschule. Die Idee einer Trennung der Schüler in unterschiedliche Leistungsstufen gibt es nur im deutschsprachigen Raum und Nordirland.
Warum, dass hat Reinerlein wunderbar erklärt.

Die Schulexperten auf dem Rest des Planeten haben sich gegen das mehrgliedrige Schulsystem entschieden.
Warum wohl? Können die nicht logisch denken?
Oder wissen sie es vielleicht besser?

Im Pisa-Vergleich fällt das deutsche Schulsystem nicht mit den intelligentesten Gymnasiasten der Welt auf. Klar die sind gut, aber nicht herausragend.
Stattdessen ist in keinem anderen Land der Schulerfolg so sehr von der Herkunft des Schülers abhängig, wie in Deutschland. Und genau das ist der Grund und ursprüngliche Zweck des mehrgliedrigen Schulsystems, wie Reinerlein es schön dargelegt hat.

Natürlich wird das mehrgliedrige Schulsystem vehement verteidigt. Wer gibt schon zu, dass er sich jahrzehntelang geirrt hat.

Gruß
Carlos

Hallo Carlos,

„früher“ ist ja auch vo 1933 oder meinetwegen 1968. Die Überhöhung des Abiturs hat einen Riesenschaden angerichtet, den wir leider erst bemerken, nachdem er eingetreten ist.

Gruß,
Andreas

Hallo Desperado,

Solange Bildung nichts kostet kann man doch nicht von Nachteilen von :finanzschwachen Schuelern sprechen

Volle Zustimmung!
1950 wurde das Schulgeld abgeschafft (!), 1957 das Honneffer Modell eingeführt, das 1971 durch Bafög abgelöst wurde. Wer Bildung wollte, dem hat der Staat keine Steine in den Weg gelegt.
Alg2-Kinder und solche aus Einwandererfamilien werden so gerne als benachteiligt bezeichnet. Diese Rede kommt immer daher wie ein ideologische Tarnkappenbomber. Das mag hier und da schon stimmen, aber die Benachteiligung kommt nicht vom Staat oder der Gesellschaft, sondern von den eigenen Eltern.
Wer wirklich wollte, „daß es den Kindern mal besser geht“, hat immer Wege offen und Hilfen des Staates gehabt.

Gruß
Cassius

  1. Ich bezweifle, dass sich die geschilderten Erkenntnisse auf Lerngruppen übertragen lassen, in denen Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern oder Familien mit massivem „Migrationshintergrund“, die die deutsche Sprache kaum beherrschen und nicht imstande sind, sich länger als 10 Minuten auf etwas zu konzentrieren, das keine ruckelfreie 3D-Grafik hat, mit bestens geförderten und sonst „gepamperten“ Kindern aus besser geordneteren Verhältnissen zusammentreffen. Vor allem die Erkenntnisse aus der ehemaligen DDR dürften aus eben diesem Grund nicht ohne weiteres übertragbar sein.

  2. Meine persönlichen Erfahrungen sind andere. Ich habe selbst erlebt, und zwar am Gymnasium, wie ein substanzieller Anteil lernschwächerer Schüler das Lerntempo einer ganzen Gruppe erheblich herunterziehen kann. Und ich habe auch erlebt, dass der gemeinsame Unterricht jener schwächeren Schüler mit den stärkeren - auch ohne Mitwirkung von Problemschülern aus Migrantions- oder Trümmerfamilien - auch über mehrere Jahre nicht imstande ist, diese Unterschiede auch nur annähernd auszugleichen.

Dass die lernschwächeren Schüler bei getrenntem Unterricht womöglich noch ärmer dran sind mag sein. Ich sehe aber nicht ein, wieso das auf Kosten der Schüler mit größerem Potential gelöst werden soll. Insofern bin ich nach wie vor überzeugter Anhänger eines nach Lernniveau getrennten Unterrichts - was allerdings nicht zwingend gegen Gesamtschulen spricht, sofern man dort eine wirksame Trennung hinbekommt.

***Fühle Dich virtuell besternt! (owT)
owT

Guten Tag.

Zweifle ruhig

dass sich die geschilderten Erkenntnisse auf Lerngruppen übertragen
lassen, in denen Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern oder Familien
mit massivem „Migrationshintergrund“

Das ist falsch.

  1. Die vielgescholtenen Ausländer oder Deutsche mit ausländischer Familienherkunft sind nur ein punktuelles Phänomen in Brennpunktgebieten und daher relativ unwichtig.

  2. Minderbemittelte Familien gibt es auch in anderen Ländern, wo Gemeinschaftsschulen prächtig funktionieren. Wie ich es bereits sagte: Es kann ja nicht sein, was nicht sein darf.

Auch in Amerika funktioniert das gemeinsame Lernen wesentlich besser. Das US-Schulsystem ist defacto das exportierte Humboldtsche System, wie es in Deutschland durch die Reaktion verhindert wurde.
Das US-System leidet aber an einer schlimmen Krankheit: Differenzierung. Und zwar die Differenzierung, wie sie hierzulande unablässig gefordert wird. Eine vollständige Auflösung der zwangsverordneten Allgemeinbildungsidee und des Pflichtunterrichts.

  1. Die Finnen und Schweden sahen das vor 40 Jahren anders und hielten die Ideen der DDR-Schule für adaptierbar.

  2. Ehe die gegenprivilegierte Zulassungspolitik der Ära Honecker einsetzte, war die DDR-Schule offen für Kinder der Arbeiterklasse, wie es nie zuvor und nie danach erreicht wurde von deutschen Schulen, ohne daß das Niveau gelitten hätte.

Ich habe selbst erlebt, und zwar am Gymnasium, wie ein
substanzieller Anteil lernschwächerer Schüler das Lerntempo
einer ganzen Gruppe erheblich herunterziehen kann.

Ich beschrieb das Problem doch eindeutig: die selbsterfüllende Prophezeiung.

Was sind Erfahrungen vom Gymnasium wert?
Das Gymnasium ist keine Schule des gemeinsamen Lernens und Gymnasiallehrer gelten im allgemeinen als sehr schlecht ausgebildete Lehrer.

Es ist erstaunlich, daß in Deutschland, wo Lehrer im internationalen Vergleich die homogensten Lerngruppen in den Schulen vorfinden, die Lehrer noch schärfere Trennung fordern, über heterogene Klassen jammern, und gleichzeitg das gegliederte Schulsystem im Leistungsvermögen soliden Gemeinschaftsschulen und der DDR-Einheitsschule hinterherläuft.

Ich bin Arbeiterkind und in den 50ern und 60ern in der DDR zur Schule gegangen. Mit den gleichen finanziellen Voraussetzungen damals im Westen wäre ich mit hoher statistischer Wahrscheinlichkeit auf die Hauptschule gekommen. In der DDR durfte ich am Ende des achtjährigen gemeinsamen Lernens auf die EOS, erhielt parallel zum Abitur eine Berufsausbildung und durfte weiter zum Studium. Ich müßte wohl tatsächlich einen Beitrag schreiben, um zu verdeutlichen, wie grundlegend verschieden Schule im Osten funktionierte und warum z.B. das in der DDR viel drastischer ausgeprägte Leistungs- und Konkurrenzprinzip kein Widerspruch zu dem gemeinsamen Lernen darstellte, warum die Klasse trotz hoher Anforderungen und ehrgeizigem Wettbewerb keineswegs auseinanderfiel, sondern schwächere Schüler trotzdem gefördert werden konnten.

Und ich habe auch erlebt, dass der gemeinsame Unterricht jener
schwächeren Schüler mit den stärkeren auch über mehrere Jahre nicht
imstande ist, diese Unterschiede auch nur annähernd auszugleichen.

Das ist ein Denkfehler par excellence.
Eine Gemeinschaftsschule ist keine Anstalt der Gleichmacherei, sondern: Die Guten werden nicht schlechter und die Schlechten werden viel besser.

Dass die lernschwächeren Schüler bei getrenntem Unterricht womöglich
noch ärmer dran sind mag sein. Ich sehe aber nicht ein, wieso das
auf Kosten der Schüler mit größerem Potential gelöst werden soll.

Das ist Gift für die Gesellschaft, das ist Gift für die Volkswirtschaft und das ist keine hinnehmbare philosophische Grundlage für einen freiheitlichen Staat. Da bist Du wohl Opfer des gegliederten Schulsystems geworden, wenn der primitivste Anstand fehlt und lieber gefrohlockt wird, andere Menschen mögen bitte versacken.

Das Volk ist der Staat und ich möchte in keiner Ellenbogengesellschaft leben, sondern mit meinen Mitmenschen zusammen. Der Mensch ist von Natur aus kein Individualist sondern kollektives Wesen. Es bricht keinem ein Zacken aus der Krone, wenn er sich um seine Mitmenschen kümmert und ihnen hilft.

Bildung ist Kulturgut – und zufällig der einzige Rohstoff Deutschlands. Die rohstoffarme DDR war da 1946 in Anbetracht Deiner Worte wesentlich weiter.

Und was bitte passiert „auf Kosten der Schüler mit größerem Potential“?
Wie ich sagte: Es ist gut untersucht, daß das obere Leistungsdrittel keinerlei bessere Fortschritte bei Trennung erzielt. Gute Schüler bleiben gut, doch nur mit denen klappt’s wohl kaum. Soll das Bildungsniveau steigen, muß die die Masse des Volkes besser gebildet werden, und nicht einige wenige.

Erschwerend kommt hinzu, daß das gegliederte Schulsystem volkswirtschaftlich nie richtig funktionierte. Spätestens nach dem Krieg war das am Beispiel der BRD gut zu beobachten. Das Bildungssystem brachte nie genug Fachkräfte in die Wirtschaft. Deswegen wurden erhebliche politische Anstrengungen unternommen:

  • Vor der Mauer wurden die gut ausgebildeten Fachkräfte aus der DDR mit viel Herzblut abgeworben

  • Seit dem Mauerbau holte sich die BRD Abertausende Ausländer ins Land, ohne - bis heute! - einen Plan in der Hinterhand zu haben, wie denn mit den Gastarbeitern umgegangen werden muß und wie die Abschiebung oder möglichweise die Integration ablaufen sollte

  • Nach dem Mauerfall waren die 1961 versiegten Quellen gut ausgebildeter DDR-Fachkräfte wieder verfügbar

Des weiteren ist da noch der vom gegliederten Schulsystem herbeigeführte Fachkräftemangel in der Mathematik, den Naturwissenschaften und der Technik, der die Volkswirtschaft Deutschlands ernsthaft bedrohen wird, wenn die entsprechenden Jahrgänge in Rente gehen.

Und dann das Problem des gegliederten Schulsystems, daß es das Bildungssystem des 19. Jahrhunderts ist, das Bildungssystem der Ständegesellschaft ist, und daß es unter den Anforderungen des Industrie- und Informationszeitalters folgerichtig zusammenbricht.

Die Zeiten, wo man unqualifizierte, billige Arbeitskräfte brauchte, sind lange vorbei. Womit sich der Kreis schließt: Deutschland muß sein Volk intellektuell wie einen Scheuerhader auswringen, um die Chance zu wahren, den Lebensstandard zu sichern. Für Ungelernte oder Hauptschüler existieren höchstens noch unbedeutende Nischen.

Insofern bin ich nach wie vor überzeugter Anhänger eines nach
Lernniveau getrennten Unterrichts

Aha, reaktionärer Fundamentalist, oder wie?

Kein Problem! Aber bitte offen und ehrlich zugeben, daß man das gegliederte Schulsystem nur aus Oberschichtattitüde und Herabwürdigung minderbegüterter Kinder behalten will, denn Fakten und Argumente sprechen vollständig gegen Frühauslese und Trennung.

Viele Grüße

Hallo Andreas,

„früher“ ist ja auch vo 1933 oder meinetwegen 1968.

Du meinst also das Schulsystem aus Kaisers Zeiten, bzw. das reformierte Schulsystem aus der Weimarer Zeit.

Und nun die entscheidende Frage.
Woher weisst du, dass das Schulsystem da besser war? Gibt es dafür Studien, wissenschaftliche Belege?
Oder ist dies reiner Glauben.

Ich gebe zu Bedenken, vor Pisa glaubte ich, dass das deutsche Schulsystem eines der besten der Welt sei. Das haben alle gesagt. Über das US-amerikanische Schulsystem wurde gelästert, dass die Highschool gerade mal mit em Realschulabschluß vergleichbar ist.
Und dann kam der Paukenschlag. Das deutsche Schulsystem ist Mittelmaß.
Ich kenne folgende Reaktionen:
1.) Die Studie kann so nicht stimmen. Es gibt systematische Fehler
2.) Die vielen dummen Ausländerkinder ziehen den deutschen Schnitt runter.
3.) Wir müssen unser Schulsystem überdenken.

Da ich persönlich klebe nicht an meiner Meinung. Wenn Jemand mit überzeugenden Argumenten kommt, ändere ich sie. Deswegen plädiere ich für Reaktion 3.

Wenn nun jemand behauptet, dass es nicht funktioniert, wenn man gute und schlechte Schüler in einer gemeinsamen Klasse bis zum Abschluß der Klasse 12 gemeinsam unterichtet, obwohl auf dem gesamten Planeten das Gegenteil bewiesen wird, dann ist das reiner Hirnkrampf.
Eine solche Person glaubt auch, dass Halbedelsteine einen heilenden Effekt haben oder dass 9/11 vom CIA inszeniert wurde.

Gruß
Carlos

Kann es sein, dass ihr hier alle überseht, dass nicht nur die vergleichsweise besten Länder der Pisa - Studie Schulsysteme mit Gesamtschule haben sondern auch die schlechtesten? Wie erklärt ihr euch das?

Ich denke, dass es immer eine Frage der Umsetzung ist und demzufolge auch zwangsläufig von der Finanzierung.
Deshalb bin ich auch Anhänger der dreigliedrigen Schulsystems, obwohl es bei uns eindeutige Schwächen gibt, die man verbessern muss, z.B. die schlechte Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Schularten.

Die Gemeinschaftsschule dagegen vermag die eigentlich Probleme genausowenig zu lösen. Weder entsteht dadurch auch nur ein Arbeitsplatz mehr, noch wird die so wichtige individuelle Förderung der Schüler erleichtert. Um es drastisch zu formulieren: Die Doofen bleiben immernoch doof und die Klugen klug. Dazu kommt dann das Problem, dass die Klassengesellschaft durch ein Gesamtschulsystem nur noch verstärkt wird, denn wie wollt ihr verhindern, dass besser betuchte Familien ihre Kinder dann in Privatschulen geben, wie es in anderen Ländern schon gang und gebe ist?

Warum dann zum Beispiel Finnland mit seiner Gesamtschule so viel besser ist als Deutschland?
Das liegt meiner Meinung nach nicht am System an sich in Finnland, sondern an den - verglichen mit Deutschland - traumhaften Bedingungen mit sehr kleinen Klassen und gut ausgebildeten Lehrern. Hätten wir das auch in Deutschland, wären wir, davon bin ich überzeugt gerade MIT dreigliedrigem Schulsystem Weltspitze.

Hallo

Ich müßte wohl tatsächlich einen Beitrag schreiben, um zu verdeutlichen, wie grundlegend verschieden Schule im Osten funktionierte und warum z.B. das in der DDR viel drastischer ausgeprägte Leistungs- und Konkurrenzprinzip kein Widerspruch zu dem gemeinsamen Lernen darstellte, warum die Klasse trotz hoher Anforderungen und ehrgeizigem Wettbewerb keineswegs auseinanderfiel, sondern schwächere Schüler trotzdem gefördert werden konnten.

Ja, tu das mal, das würde mich sehr interessieren.

Viele Grüße

Hallo,

Kann es sein, dass ihr hier alle überseht, dass nicht nur die
vergleichsweise besten Länder der Pisa - Studie Schulsysteme
mit Gesamtschule haben sondern auch die schlechtesten? Wie
erklärt ihr euch das?

Ganz einfach, das Schulsystem ist nicht allein entscheidend, sondern ein Faktor von vielen.

Dazu kommt dann das Problem, dass die
Klassengesellschaft durch ein Gesamtschulsystem nur noch
verstärkt wird, denn wie wollt ihr verhindern, dass besser
betuchte Familien ihre Kinder dann in Privatschulen geben, wie
es in anderen Ländern schon gang und gebe ist?

FALSCH! In keinem anderen OECD-Land hängt der Schulerfolg so stark von der sozialen Herkunft ab, wie in Deutschland.

Den Grund hat Reinerlein auch deutlich erklärt. Das dreigliedrige Schulsystem entstand aus einem klassenbasierten Schulsystem und so funktioniert es auch
/t/herkunftsbedingte-selektion/2566080

… Hätten wir das auch in Deutschland,
wären wir, davon bin ich überzeugt gerade MIT dreigliedrigem
Schulsystem Weltspitze.

Wir könnten hoch, bis nahe an die Spitze kommen, aber sie nie erreichen, solange wir die Hauptschule als „Bad School“ haben und somit Schulversager züchten.

Ist es nicht auffällig, dass nur diejenigen vom dreigliedrigen Schulsystem überzeugt sind, die es schon immer waren?
(Lernresistenz)

Gruß
Carlos

Ganz einfach, das Schulsystem ist nicht allein entscheidend,
sondern ein Faktor von vielen.

Sag ich doch! :smile:

Dazu kommt dann das Problem, dass die
Klassengesellschaft durch ein Gesamtschulsystem nur noch
verstärkt wird, denn wie wollt ihr verhindern, dass besser
betuchte Familien ihre Kinder dann in Privatschulen geben, wie
es in anderen Ländern schon gang und gebe ist?

FALSCH! In keinem anderen OECD-Land hängt der Schulerfolg so
stark von der sozialen Herkunft ab, wie in Deutschland.

Den Grund hat Reinerlein auch deutlich erklärt. Das
dreigliedrige Schulsystem entstand aus einem klassenbasierten
Schulsystem und so funktioniert es auch
/t/herkunftsbedingte-selektion/2566080

Das mag schon stimmen, das dieses System so entstanden ist, aber das heißt doch nicht, dass es jetzt noch so angewendet werden muss.
Es ist doch wohl klar: Ein begabtes Arbeiterkind kommt heutzutage mit größter Wahrscheinlichkeit auf das Gymnasium. Wenn nicht, dann ist das meiner Meinung nach Versagen der Eltern und nicht des dreigliedrigem Schulsystems. Denn die Chance hatte das Kind, nur wurde sie ihm von den Eltern zunichte gemacht.
Landet es stattdessen auf z.B. der Hauptschule, wird es durch seine hohe Intelligenz dort sehr stark auffallen - mehr als auf einer Gesamtschule - und der Lehrer wird sich bemühen, dass es auf eine höhere Schule wechseln kann. Auch jetzt können ihm nur die Eltern das Glück verderben.
So wäre der Idealfall, ich weiß dass es selten so glücklich kommt, weil es da Schwächen gibt, aber andererseits muss man ja auch sehen, das die Gruppe, die nach der 4. Klasse auf die falsche Schulart kommt nur eine Minderheit ist.

Wir könnten hoch, bis nahe an die Spitze kommen, aber sie nie
erreichen, solange wir die Hauptschule als „Bad School“ haben
und somit Schulversager züchten.

Also was du da über die Hauptschule von dir gibst finde ich erschreckend…
Meiner Erfahrung nach (ich selbst bin am Gymnasium, mein Bruder an der Hauptschule in einem M-Zug - JA, es gibt an der Hauptschule Möglichkeiten einen höheren Abschluss zu machen :wink: ) sind die Lehrer an der Hauptschule aus pädagogischer Hinsicht deutlich besser ausgebildet als Real- oder Gymnasiallehrer. Wenn ich mir vorstelle, dass meine Lehrer in einer Gesamtschule noch schwierigere Schüler als uns :wink: unterrichten sollen…
Nein mal krass formuliert:
Faule Schüler sind auch in der Gesamtschule faul und Schüler, die von daheim die Faulheit gelernt haben, sind erst recht in der Gesamtschule auch faul.
Aber dort werden sie es noch schwerer haben, denn da werden die Klassen viel größer sein und die Lehrer viel beschäftigter als in der Hauptschule, wo die Klassen immer kleiner werden und wo sich angemessen um die Kinder gekümmert werden kann.

Gruß
Carlos

Gruß zurück

Hallo,

ich möchte nur einen Teilaspekt kurz beleuchten, weil ich diese falsche Aussage immer wieder lese:

Es ist doch wohl klar: Ein begabtes Arbeiterkind kommt
heutzutage mit größter Wahrscheinlichkeit auf das Gymnasium.

Da stimme ich noch zu.

Wenn nicht, dann ist das meiner Meinung nach Versagen der
Eltern und nicht des dreigliedrigem Schulsystems. Denn die
Chance hatte das Kind, nur wurde sie ihm von den Eltern
zunichte gemacht.

Da nicht mehr. Die Debatte um den Mindestlohn kennst Du. Bei einem Lohn unter €10,-/h für einen Arbeiter hält die Bundesregierung also für akzeptabel.

Wenn der in ländlicher Umgebung wohnt, kann allein der Weg zum Gymnasium einige zig Euro kosten, das muss man sich erst mal leisten können. Den Eltern nun vorzuwerfen, daß der Besuch des Gymnasiums mit dem ihnen zugemuteten Einkommen nicht finanzierbar ist, halte ich für nicht akzeptabel.

Gruß Rainer
PS. Beispiel: Mich hat der Bus monatlich über €100,- gekostet.

Guten Tag.

Kann es sein, dass ihr hier alle überseht, dass […]

Nein.

Schulsysteme mit Gesamtschule

Nochmal. Gesamtschule ist ein irreführender Begriff. Die westdeutsche Gesamtschule ist ein gescheiterter Gegenentwurf zur ostdeutschen Einheitsschule und hat nicht viel mit den integrierten Schulen anderer Länder zu tun. Das gegliederte Schulsystem bleibt in der Gesamtschule bestehen:

  • Es existiert, wie im gegliederten Schulsystem, äußere Differenzierung, die, wie im gegliederten Schulsystem, vertikal organisiert ist.

  • Es existiert, wie im gegliederten Schulsystem, fast keine innere Differenzierung und der Unterricht ist, wie im gegliederten Schulsystem, nur auf homogene Lerngruppen zugeschnitten.

Das ist wieder der gleiche Stumpfsinn, der alte Mist im neuen Gewande.
(homogene Lerngruppen; dauerhafte, institutionalisierte Trennung und Frühauslese)

Das Wortungetüm für dieses Konzept heißt „kooperative Gesamtschule“.

sondern auch die schlechtesten?

Interessant ist vielmehr, daß die integrierten Schulsysteme derjenigen Länder schlechter als das gegliederte Schulsystem liegen, die entweder ein beträchtliches Gefälle zwischen arm und reich aufweisen, oder die ausgeprägt Privatschulen zulassen.

Das erschütternste Beispiel aus jüngerer Zeit ist hierfür das Bildungssystem der Sowjetunion, heute Russische Föderation und vormals Sowjetrepubliken. Die sowjetische Schule hatte eine beträchtliche Höhe in Mathematik und Naturwissenschaften. Mit dem Zusammenbruch am Anfang der 90er löste sich auch die Einheitsschule auf und wurde in eine horizontal gegliederte, integrierte Schule umgewandelt. Seitdem ist das Bildungsniveau in Osteuropa im Abwind, weil vor allem die Privatschulen die öffentliche Schule ausbluten.

Die betuchten Kreise entziehen sich der staatlichen Schule, so daß das Schulsystem dort arbeitet wie das deutsche Schulsystem bis ins 20. Jahrhundert, weil die Privatschule die gesellschaftliche Abschottungsfunktion des Gymnasiums einnimmt.

Die Schulsysteme der entsprechenden Länder sind somit recht nahe am Niveau, wie es vom gegliederten Schulsystem im 19. Jahrhundert und zu Zeiten der Weimarer Republik zu vermuten ist.

Es bestreitet niemand, das Unterrichtsbedingungen wichtig sind, aber die Strukturfrage ist eine sehr, sehr wichtige Frage. Die Konservativen wollen das kaputte System mit Unmengen Arznei und Maschinerie künstlich am Leben erhalten, obwohl der Sprung zur Gemeinschaftsschule objektiv sinvoller wäre. Und um das durchsetzen zu können, muß man natürlich die Frage nach der Schulstruktur kleinreden und den Menschen fälschlicherweise vermitteln, daß es dringlichere Probleme gäbe.

In Wirklichkeit ist die Frage, wie Schule institutionell organisiert werden soll, die wichtigste Frage überhaupt – denn die Schulstrukur ist immer da. Sämtliche bildungspolitischen Handlungen spieleb sich auf der Grundlage der Schulstruktur ab; die Schulstruktur ist wie die Hintergrundaufbauten im Theater oder wie die Leinwand im Lichtspielhaus; die Schulstruktur ist fragmentarisch in allem vorhanden, sie beeinflußt den Schulalltag und die schulische Bürokratie gleichermaßen; die Schulstruktur definiert Randbedingungen und bestimmt die Grenze der schulischen Möglichkeiten.

Schon dieser kybernetischen Analyse folgend ist das gegliederte Schulsystem der Gemeinschaftsschule völlig unterlegen.

Die Gemeinschaftsschule dagegen vermag die eigentlichen Probleme

sehr gut zu lösen und besser als das gegliederte Schulsystem.

Es beginnt schon damit, daß viele strukturelle und bürokratische Probleme, die das gegliederte Schulsystem sich selbst schafft, nicht entstehen.

[…] noch wird die so wichtige individuelle Förderung der Schüler erleichtert.

Das Gegenteil ist richtig.

Um es drastisch zu formulieren:
Die Doofen bleiben immernoch doof und die Klugen klug.

Nein.
Das faseln die Konservativen in Westdeutschland immer nur, während das Gegenteil gut untersucht ist.

[…] dass besser betuchte Familien ihre Kinder dann in Privatschulen geben

Privatschulen verbieten.

Warum dann zum Beispiel Finnland mit seiner Gesamtschule so viel
besser ist als Deutschland?

Finnland hat keine Gesamtschule.

Das liegt meiner Meinung nach nicht am System an sich in Finnland

Die Finnen sehen das anders und verweisen auf die DDR.

sondern den - verglichen mit Deutschland - traumhaften Bedingungen
mit sehr kleinen Klassen und gut ausgebildeten Lehrern. Hätten wir
das auch in Deutschland, wären wir, davon bin ich überzeugt gerade
MIT dreigliedrigem Schulsystem Weltspitze.

Nein, das ist ja das Paradoxe.
Deutschland betreibt genau die schulische Infrastruktur, die seit Anbeginn der Zeit großkotzig behauptet, die deutschen Kinder in ihren Talenten und Begabungen optimal zu bilden und auf diese Weise unübertroffene Spitzenleistungen zu entwickeln.

Nur die blöde Wirklichkeit begreift es nicht und sperrt sich gegen den Fieberwahn der erzkonservativen Selektions- und Separationsmaschinerie. :wink:

Deutschland hat im internationalen Vergleich die homogensten Lerngruppen und verschwendet größte Mühe, um die Ressourcen im Bildungssystem wie kein anderes Land auf homogene Lerngruppen zu verteilen. Trotzdem keine Erfolge.


Außerdem ist Dir nicht bewußt, daß sich die Finnen die „traumhaften Bedingungen“ aus der DDR abkupferten. Die Finnen bewunderten bei ihren Besuchen Anfang der 70er die kleinen Schulen, die Klassengrößen, die materielle Ausstattung, die Organisation des Schullebens, die handwerkliche Herangehensweise der Lehrer, das Konzept der Nachmittagsbetreuung, die Schulhorte usw.
Und lustigerweise zeigte die DDR noch nichtmal ihre Vorzeigeschulen wie z.B. die weltberühmte Heinrich-Hertz-Oberschule, weil in der Zeit das Schulsystem extrem umgebaut wurde und man „notgedrungen“ den Finnen 08/15-Schulen zeigen mußte.

Und was ist denn einfacher? Die Unterrichtsbedingungen und das Lehrerstudium für eine Schule zu reformieren, oder sämtliches Zeug wieder und wieder und wieder und wieder und wieder für vier oder mehr Schulen zu entwerfen?

Und welche Unterrichtsbedingungen überhaupt?

Meinst Du Unterrichtsmittel, die materielle Ausstattung, die Schulgebäude?
Oder meinst Du, daß die bevorzugten Gymnasien diesbezüglich ihre Sonderstellung verlieren sollten?

Was ist mit dem gerne vergessenen Schulnetz?

Gehört für Dich eine wohnortnahe Schule, die das stundenlange Busfahren vermeidet, zu den traumhaften Bedingungen?

Wie sieht es mit den für die Kinder und eine glückliche Kindheit so unendlich wichtigen „stabilen Verhältnissen“ aus?
Sind es für Dich traumhafte Bedingungen, wenn Kinder nach der 4. Klasse zerwürfelt werden in anderen Schulen?

Was ist mit Turnhallen? Schwimmhallen? Schulgärten? Obrservatorien?

In vierfacher Ausfertigung? Auch für die Restschulen (Hauptschulen)?

Ein begabtes Arbeiterkind kommt heutzutage mit größter
Wahrscheinlichkeit auf das Gymnasium.

Versagen der Eltern

Das ist falsch.

Vor allem in den Bundesländern, die das gegliederte Schulsystem mit größter Härte verteidigen, ist die Chancenungleichheit am größten, so daß minderbegüterte Kinder übervorteilt werden.

Darüber hinaus ist der Verweis auf die Eltern ein primitives Ausweichmanöver und der Versuch, das Versagen des staatlichen Schulwesens zu rechtfertigen.
Bräche dem Schulsystem ein Zacken aus der Krone, die Eltern aktiv einzubinden in den staatlichen Bildungs- und Erziehungsprozeß?

Die Unterschicht ist doch gerade wegen des gegliederten Schulsystems abgestürzt. Wie will ein Schulsystem langfristig die Einstellung zu Bildung zum Guten wenden, wenn es sich aus seiner Erziehungsfunktion stiehlt, seine Aufklärungsfunktion ignoriert und sich aus den Familien zurückzieht?

Viele Grüße