Grenzen Narzisstische Persönlichkeitsstörung

hallo zusammen!
ich hätte gerne hilfe, die grenzen eines normalen narzissmus gegenüber einer krankhaften narzisstischen Persönlichkeitsstörung vorzunehmen!?

ist der drang nach anerkennung nicht allen menschen innewohnend?

ist jemand, der (zeitweise -jedoch auch über einen langen zeitraum) in arbeit UND privatleben (beziehung) keine oder nur sehr wenig anerkennung findet, gleich pathogen - narzisstisch veranlangt?

wer kann weiterhelfen?
herzlichen dank!
paul

Unfachmännische Antwort
Moin Paul, was ist ein „normaler Narzismus“?

Ich denke, die fehlende Anerkennung hat eher andere Folgen als Narzissmus. Viel eher wurzelt darin so etwas, was ich weiter unten gefragt/angesprochen habe. Die Grundhaltung, sich so perfekt zu geben, um anerkannt zu werden.

Viel interessanter finde ich jedoch die Frage, warum ein Mensch nicht die Anerkennung bekommt, die er braucht? Die jeder braucht?

Gruß

To-i

Gesunder vs. pathologischer Narzissmus
Hi.

Aus Zeitgründen greife ich auf eine Passage aus Wiki zurück:

http://de.wikipedia.org/wiki/Narzissmus#Prim.C3.A4re…

Jeder Mensch durchläuft narzisstische Zustände. Nach Sigmund Freud unterscheidet man den primären und sekundären Narzissmus. Beim primären Narzissmus richtet das Kleinkind seine sexuelle Energie (Libido) ganz auf sich selbst… Beim sekundären Narzissmus wird die sexuelle Energie von äußeren Objekten wieder abgezogen und auf sich selbst bezogen (Regression). Dieser Zustand tritt vor allem nach enttäuschter Liebe oder Selbstwertkränkungen auf."

Zitat Ende.

Der normale gesunde Narzissmus hat seine Quelle im primären Narzissmus, der pathologische im sekundären Narzissmus. Bis zu einem gewissen Grad muss der Mensch fähig sein, sich selbst zu lieben.

Übersteigerte Selbstliebe auf Kosten der Liebesfähigkeit für andere Menschen, das ist der Punkt, an dem das Pathologische beginnt. Weil dann die Fähigkeit zur Selbstkritik eingeschränkt ist sowie die Fähigkeit, den Wert anderer Menschen zu erkennen.

Ein Defizit an Selbstliebe ist genauso pathogen. Denn dann besteht die Tendenz, sich andere, übermäßig bewunderten Personen sklavisch unterzuordnen. Sowie die eigene Person nächlässig und selbstzerstörerisch zu behandeln.

Der Drang nach Anerkennung wurzelt laut Lacan im dualen Verhältnis des Kindes zur Mutter. Fühlt das Kind sich vernachlässigt, ermangelt es ihm an Anerkennung. Seine Ich-Stärke wird in der Folge nur mangelhalt ausgebildet, was im späteren Leben zu pathologischem Verhalten führen kann.

Insofern ist der Drang nach Anerkennung nichts Angeborenes, er entspringt einfach der Struktur der menschlichen Entwicklung, die in familiäre Konstellationen eingebunden ist.

Horst

hi,

schon freud hat geschrieben, dass die grenzen von persönlichkeitseigenschaften bis hin zur persönlichkeitsstörung, und als solche gibt es auch die narzisstische, fliessend verlaufen.

eine gewisse selbstverliebtheit ist uns allen zu eigen, aber im vergleich zu den meisten anderen menschen und (und vor allem!) wenn diese eigenschaft dauerhaft-übergreifend ist und leidvoll für sich und andere wird, dann kann man an narzisstische persönlichkeit denken.

das zu unterscheiden gelingt aber nur profi´s, seid sicher!

danke (zunächst) für eure antworten :wink:
vlg
paul

Analytiker sind nicht der liebe Gott
Hi.

wenn diese eigenschaft dauerhaft-übergreifend ist und
leidvoll für sich und andere wird, dann kann man an
narzisstische persönlichkeit denken.

Das muss nicht unbedingt leidvoll für andere sein. Bei Bühnenkünstlern z.B. oder beim Film ist ein ausgeprägter Narzissmus von Vorteil, wenn auch nicht unbedingt notwendig. Das Publikum jedenfalls liebt narzisstische Idole, denn es reflektiert darin seinen eigenen, oft defizitären Narzissmus.

das zu unterscheiden gelingt aber nur profi´s, seid sicher!

Da sehe ich das Problem, dass nicht wenige Analytiker selbst hochnarzisstisch sind bzw. z.T. hochgradige narzisstische Probleme haben. Ich persönlich kenne zwei Exemplare, einen davon sehr gut. Entsprechend fallibel ist dann auch die Urteilskraft vieler Analytiker.

Freud selbst hielt religiöse Menschen pauschal für Spinner (salopp gesagt). Da kann man ihm aber viel entgegenhalten. Schon das zeigt, dass Analytiker fehlbar sind in ihrem Urteil.

Und die Unterscheidung zwischen einem ausgeprägten Narzissten und einem Menschen mit gesunden Narzissmus kann im Prinzip j e d e r Mensch mit normaler Urteilskraft treffen. Denn der Narzisst sendet hinreichend viele Signale aus, die ihn verraten.

Horst

3 Like

Grenzen von Persönlichkeitsstörungen
Hi Paul,

eindeutige scharfe Grenzen zwischen bloßen Varianten des Verhaltens und Erlebens einerseits und malignen Persönlichkeitsstörungen gibt es nicht. Das gilt für alle Persönlichkeitsstörungen. Letztere sind sehr früh angelegte Störungen der Persönlichkeitsentwicklung (daher die Bezeichnung). Das kann man aus einem aktuellen Verhalten und Erleben allein nicht entnehmen. Ob es sich um eine PSt handelt, kann von einem Laien nicht bestimmt werden.

ist der drang nach anerkennung nicht allen menschen innewohnend?

Selbstverständlich.

ist jemand, der … in arbeit UND privatleben (beziehung) keine oder nur sehr wenig anerkennung findet, gleich pathogen - narzisstisch veranlangt?

Vor ein paar Tagen hatte ich zu einer ähnlichen Frage eines Users etwas dazu geschrieben: Der Begriff „Narzißmus“ wird in dreierlei Kontexten verwendet:
/t/allgemeine-frage-zur-psychologie/5230473/16
und
/t/allgemeine-frage-zur-psychologie/5230473/9

Keine Anerkennung finden führt zu einer Verletzung des Selbstwertgefühls. Das nennt man dann auch „narzißtische Kränkung“ oder „narzißtische Verletzung“. Denn Selbstwert-Feedback durch die Umgebung hat etwas zu tun mit der in jeder Persönlichkeit vorhandenen narzißtischen Komponente.

Was aber die maligne Persönlichkeitstörung ausmacht ist etwas ganz anderes. Es ist u.a. im FAQ:920 beschrieben.

Gruß
Metapher

der liebe gott kann auch keine analyse
hi,

es soll ja noch die langjährig erfahrenen kliniker geben, die keine analytiker sind, mal in erwägung ziehen.

analytiker wie freud waren aber die ersten, die die theorie des narzissmuss geprägt haben, von daher finde ich nur interessant, bei der beantwortung der frage, wie man eine charaktereigenschaft von einer persönlichkeitsstörung unterscheidet, an die erfinder der theorie zu denken und einen satz daraus zu zitieren.

das bedeutet nicht, dass es nur analytikern gelingt, eine PS zu erkennen oder zu behandeln. das wäre lächerlich, zu behaupten.

Hi Tokei-ihto,

noch ein paar Gedanken dazu:

Viel interessanter finde ich jedoch die Frage, warum
ein Mensch nicht die Anerkennung bekommt, die er braucht? Die
jeder braucht?

weil unser evolutionäres Überlebenskonzept sich nach wie vor hierarchischer Prinzipien bedient.Bedingt die Unterdrückung des einen durch den anderen.Hiervon sich zu lösen,wird wohl kaum je möglich sein.Unsere Erziehungssysteme haben nie etwas anderes wirklich beinhaltet. Die bedingungslose Anerkennung unserer selbst und den gleichzeitigen Respekt von dem anderen haben wir nie gelernt. Ich wage zu behaupten,wir wissen gar nicht,wie das geht. Das,was in sozialen Tiergesellschaften instinktiv funktoniert,mußte der Mensch seinem Neokortex schnellstens wieder einbleuen,damit `s auch weiterhin keine Komplikatonen gibt.(Erbsünde-Dogma z.B.) So können wir beruhigt sein, dass Angst vor Bestrafung, Schuldgefühle,Unterwürfigkeit vor Obrigkeiten jedweder Couleur und das Bedürfnis nach gesellschaftlicher Anerkennung weiterhin die Menschen regierbar machen.
So manch Unheil beladener Spuk hat noch längst nicht aufgehört in den Köpfen sein Unwesen zu treiben.
Und da bin ich wieder bei der Frage,was normaler Narzissmus sei.
Gibt es ihn überhaupt? Und wer durfte ihn jemals erfahren?
Im Moment kriechen wir noch auf dieser Ebene erbärmlich dahin :smile:,aber wer weiß,vielleicht gibt es es irgendwann eine so hoch entwickelte Zivilisation, die Machtausübung nicht mehr nötig hat. Oder wir wären sonst ein Haufen unkontrollierbarer Anarchisten und gar nichts mehr würde funktionieren.

gruß
Heidi

Hallo!

ich hätte gerne hilfe, die grenzen eines normalen narzissmus
gegenüber einer krankhaften narzisstischen
Persönlichkeitsstörung vorzunehmen!?

Da hilft nur, sich die Definition des Begriffes Störung in diesem Kontext vor Augen zu führen (z.B. im DSM: http://www.behavenet.com/capsules/disorders/prsnltyd…).

Des Weiteren ist ein Umgang mit einem entsprechend gestörtem Klientel hilfreich - denn eigentlich kann man nur was man aus eigenem Erleben kennt sinnvoll beurteilen (durch Vergleiche). Wenn man die narzistische Persönlichkeitsstörung (PS) einmal „live“ erlebt hat (so es sie denn überhaupt gibt), dann beurteilt man narzistische Verhaltensweisen weniger schnell als PS.

ist der drang nach anerkennung nicht allen menschen
innewohnend?

Wenn ich an einen Sozialphobiker denke, dann wohl eher nein. Ich denke, es verteilt sich in seiner Ausprägung unterschiedlich auf die Menschen, es gibt auch viele, denen Anerkennung einfach nur unangenehm ist und die keinen Wert drauf legen ohne gleich gestört (wie im meinem Beispiel oben) zu sein. Aber der Sozialphobiker stellt meiner Meinung nach in gewisser Hinsicht einen Gegenpol zur narzistischen PS dar.

ist jemand, der (zeitweise -jedoch auch über einen langen
zeitraum) in arbeit UND privatleben (beziehung) keine oder nur
sehr wenig anerkennung findet, gleich pathogen - narzisstisch
veranlangt?

Nein.

Lieben Gruß
Patrick

Hallo,

Wenn ich an einen Sozialphobiker denke, dann wohl eher nein.
Ich denke, es verteilt sich in seiner Ausprägung
unterschiedlich auf die Menschen, es gibt auch viele, denen
Anerkennung einfach nur unangenehm ist und die keinen Wert
drauf legen ohne gleich gestört (wie im meinem Beispiel oben)
zu sein. Aber der Sozialphobiker stellt meiner Meinung nach in
gewisser Hinsicht einen Gegenpol zur narzistischen PS dar.

lediglich an dieser Stelle veto.Ich meine,ein Sozialphobiker braucht die Anerkennung der anderen umso mehr.Seine Phobie gründet ja auf der extremen Angst vor Ablehnung und davor,Fehler im sozialen Umgang zu machen.Er traut sich nur einfach nicht zu,diese Anerkennung zu erwerben.Seine narzisstische Struktur lebt er u.U. in der Isolation einer Partnerbeziehung.

viele Grüsse
Heidi

Hallo auch,

Wenn ich an einen Sozialphobiker denke, dann wohl eher nein.
Ich denke, es verteilt sich in seiner Ausprägung
unterschiedlich auf die Menschen, es gibt auch viele, denen
Anerkennung einfach nur unangenehm ist und die keinen Wert
drauf legen ohne gleich gestört (wie im meinem Beispiel oben)
zu sein. Aber der Sozialphobiker stellt meiner Meinung nach in
gewisser Hinsicht einen Gegenpol zur narzistischen PS dar.

lediglich an dieser Stelle veto.Ich meine,ein Sozialphobiker
braucht die Anerkennung der anderen umso mehr.Seine Phobie
gründet ja auf der extremen Angst vor Ablehnung und
davor,Fehler im sozialen Umgang zu machen.Er traut sich nur
einfach nicht zu,diese Anerkennung zu erwerben.Seine
narzisstische Struktur lebt er u.U. in der Isolation einer
Partnerbeziehung.

Entschuldigung, mein Fehler. Ich meine nicht Anerkennung, sondern Aufmerksamkeit (also generell).

Lieben Gruß
Patrick

Hi,

(fast) nichts ist so einfach wie es scheint:

Übertriebene Selbstkritik kann auch ein taktisches Mittel sein, um Anerkennung zu ergattern und seine narzistischen Neigungen zu befriedigen (Stichwort: Fishing for compliments)

Sich selbst so schlecht machen, dass andere sagen „Ach was, das ist doch bei Dir ganz und gar nicht so…“

Sogar Altruismus kann egoistische Motive haben: „Ich bin toll, weil ich andern helfe…“

Gruß, Rolo

Hallo Paul,

die Grenzen zwischen normal und krank sind nicht wirklich objektiv zu ziehen. Bei starker Ausprägung einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung mag die Diagnose leicht sein, das ist jedoch nicht immer der Fall. Außerdem ist zu bedenken, dass in schwierigen Lebenssituationen oder nach harten Schicksalsschlägen ein gewisses pathologisches Verhalten auch normal ist.
Ich persönlich ziehe in der Praxis die Grenze zwischen gesund und krank dort, wo ich fremd- oder selbstzerstörerisches Verhalten feststelle.

Viele Grüße
Anja Wurm