Griechenland pleite - na und?

Hallo Cassius,

dem Euro würde es wohl nicht wirklich schaden.

da sind die Meinungen geteilt. Wenn es denn nur
die Griechen wären, aber da ist ein weit größerer
Sumpf:

http://www.euractiv.de/finanzplatz-europa/artikel/al…

Die Griechen könnten so eine Art Initialzündung
entfachen, das scheint mir das größte Problem.

Gruß an Dich!
Powenz

Hallo,

das ist ja gerade der Witz: nichts.

und du arbeitest bei einer Bank? *wunder*

was wundert Dich denn daran?

Interessiert
Christian

Hallo,

das ist ja gerade der Witz: nichts.

da bin ich nicht ganz Deiner Meinung.
Der Staatsbankrott würde in Griechenland ein innenpolitisches
Erdbeben auslösen, das zwar längst überfällig ist und
möglicherweise eine gewisse Reinigungswirkung zur Folge hätte,
aber die Gefahr des Überschwappens auf andere Länder birgt.

ach was. Nur weil in den Niederlanden die große Käserevolution ausbricht, hat das nicht zwangsläufig nennenswerte Auswirkungen auf Belgien oder Deutschland. Eigentlich will mir im Moment kein Land einfallen, das wegen eines Aufstandes im Nachbarland destabilisiert worden wäre (und vorher stabil war!).

Andererseits könnte eine solche Entwicklung in Griechenland
ein abschreckendes Beispiel für die anderen Pleitekandidaten
wie Irland, Spanien und Italien sein. Oder um FJS sinngemäß zu
zitieren: Man muß die Karre an die Wand fahren lassen, sonst
werden die Leute nicht wach.

So sieht das aus. Nur weil GR zahlungsunfähig ist, sind ja nicht automatisch alle Kredite auf ewig verloren (s. Pariser Club). Die Auswirkungen auf uns wären viel dramatischer, wenn sich die EU dazu entscheiden sollte, einzelnen Ländern auszuhelfen. Dafür gibt es in den IWF.

Gruß
Christian

Hallo,

was wundert Dich denn daran?

du stehst mit deiner Einschätzung ziemlich alleine da.
Jedenfalls unter deinen Kollegen. Grad letzte Woche
habe ich den Vorstand unserer Hausbank gesprochen,
ich lese die großen Wirtschafts- und Finanzzeitschriften…
Die Mühe, dir entsprechende Artikel zu verlinken,
schenke ich mir.
Wir sind, wie viele Unternehmen, die sowohl importieren,
als auch exportieren in unseren Dispositionen,
(was leicht nachvollziehbar ist), von den globalen
Marktentwicklungen, wie Wechselkurse etc. abhängig.
Insofern würden mich deine Begründungen für deine
Einschätzung schon interessieren, ohne eine Diskussion
anzetteln zu wollen.

Gruß
Powenz

Hallo,

du stehst mit deiner Einschätzung ziemlich alleine da.
Jedenfalls unter deinen Kollegen. Grad letzte Woche
habe ich den Vorstand unserer Hausbank gesprochen,
ich lese die großen Wirtschafts- und Finanzzeitschriften…

ich formuliere meine ursprüngliche Antwort um: eigentlich dürfte nichts passieren.

Die Welt lebte jahrzehntelang einen Traum: den von der nie versiegenden Liquiditätsquelle und der ausbleibenden Großpleiten. 2007 und 2008 platzte dieser Traum: auf einmal wurde eine große Bank geschlossen. Die anschließenden Verwerfungen sind Dir im Zweifel ja bekannt. Diese traten aber nicht auf, weil Gläubiger auf einmal Milliarden verloren hätten, sondern weil Erwartungen nicht erfüllt wurden und man sich vor allem einer neuen, unerwarteten Situation gegenüber sah.

Hätte man damit gerechnet, daß auch eine größere Bank geschlossen wird, wäre das gleiche passiert, was sonst auch bei einer Pleite passiert: die Gläubiger hätten ihre Forderungen angemeldet, diese gleichzeitig teilweise wertberichtigt, abgewartet und ansonsten weitergemacht wie bisher.

Seltsamerweise sind viele Marktteilnehmer danach wieder in einen Schlaf gefallen und träumen nun an der Stelle weiter, an der sie vorher wachgeworden sind. Noch seltsamer ist das angesichts des Umstandes, daß spätestens seit vorletztem Sommer an vielen Stellen offen über Staatspleiten geredet wird und auch schon kleinere Länder kurzfristig mit Geld versorgt werden mußten (Island, Rumänien, Lettland usw.), um deren Zahlungsfähigkeit sicherzustellen.

Ausgerechnet bei Griechenland werden auf einmal alle hellhörig, obwohl a) die Bonität Griechenlands seit Anfang des Jahres kritisch gesehen wird (vgl. Spread-Entwicklung in der Zeit, die neulich noch von HSBC Trinkaus als Überreaktion bezeichnet wurde (während man die derzeitige Entwicklung als angemessen bezeichnet) und b) von der Wirtschaftsleistung nicht viel größer ist als Rumänien.

Die Entwicklung in Griechenland wird m.E. deswegen so mit Argusaugen verfolgt, weil mit der Pleite eines Euro-Landes eine weitere Grenze überschritten werden würde (obwohl man sich daran hätte allmählich gewöhnen müssen).

Kurzum: die entscheidenden Folgen der Zahlungsunfähigkeit Griechenlands wären nicht die tatsächlichen wirtschaftlichen Folgen, sondern die Reaktionen der Kapitalmärkte.

Wenn man letztere für einen Moment außen vorläßt: was wären denn die Folgen der Zahlungsunfähigkeit Griechenlands? Kalifornien war ein gutes halbes Jahr praktisch zahlungsunfähgig und hat ein BIP, das in etwa dreimal so groß ist. Was hat man außerhalb Kaliforniens davon gemerkt? Nichts.

Die griechischen Staatsbediensteten fänden das sicherlich nicht lustig, klar. Sie müßten mit Verspätungen bei den Gehaltszahlungen rechnen, mit Lohnkürzungen und u.U. mit Arbeitslosigkeit. Da die Griechen beim Krawallmachen schon gar nicht schlecht sind, gäbe es bestimmt auch ein paar Unruhen. Die gabs vor ein paar Jahren in Paris auch. Was hat man davon außerhalb Frankreichs gemerkt? Nichts.

Die Gläubiger Griechenlands wären sicherlich auch nicht begeistert, aber Argentinien hat Anfang des Jahrzehnts auch die Zahlungen auf seine Anleihen eingestellt und was hat man davon außerhalb Argentiniens gemerkt (von den Gläubigern jetzt mal abgesehen)? Nichts.

Das Spiel ließe sich fortsetzen. Insgesamt wären die Auswirkungen für das Ausland überschaubar: die Gläubiger hätten für den Anfang ein bißchen was wertzuberichtigen, aber die Kredite wären nicht sofort oder gar vollständig verloren. Der Handel würde vielleicht für einen Moment stocken oder man würde von clean payments wieder auf Akkreditive und andere dokumentäre Zahlungsarten zurückgreifen.

Eine hochdramatische Situation kann ich aber beim besten Willen nicht erkennen - wohl aber für den Fall, daß die EU Griechenland stützt. Den Vertrauensverlust ggü. dem Euro würden wir alle spüren und sei es nur über gestiegene Preise für importierte Waren.

Demgegenüber hätte die Pleite eines größeren Landes auch Vorteile: die Regierungen würden merken, daß die Schuldenaufnahme auch negative bzw. spürbare Konsequenzen hat (also nicht wie bisher „nur“ zukünftige Generationen betrifft). Die Marktteilnehmer würden sich bei der Kreditvergabe mehr Gedanken machen und nicht das Geld einfach nur rauskübeln, weil der Kreditnehmer ja ein A-Land ist. Es gäbe eine Konkurrenz um die Liquidität, d.h. die Länder würden endlich mal risikoadäquate Zinssätze bezahlen.

Alles Dinge, die schon lange überfällig sind. Insofern steht die Welt jetzt an einem Scheideweg. Entscheidet man sich für eine Rettung, zerstört man das mühsam aufgebaute Vertrauen in den Euro und setzt weiter auf unbegrenzte Kreditaufnahme durch die Staaten.

Entscheidet man sich für die Pleite, bleibt der Euro stabil und die Staaten ändern vielleicht ihre Einstellung hinsichtlich der Kreditfinanzierung von Staatsausgaben. Wir werden sehen.

Aber, und das mußte nach meiner Einleitung ja kommen, es bleiben die Reaktionen der Märkte. Die sind schwer vorherzusagen, wobei ich schon mit Turbulenzen rechne. Aber auch die gehen vorbei, auch wenn der ein oder andere Staat in der Folge auch mit Zahlungsunfähigkeit rechnen müßte. Die Kandidaten dafür habe ich ja schon mehrmals genannt.

M.E. müßte die EU aber Stärke zeigen. Daß wir seit gut einem Jahr die nächste Blase züchten, war eigentlich offensichtlich. Allmählich wird das Thema aber auch öffentlichkeitswirksam:
http://www.ftd.de/finanzen/maerkte/:finanzmaerkte-ac…

Das muß endlich mal ein Ende finden. Die Pleite Griechenlands ist m.E. dafür ein geringer Preis.

Gruß
Christian