Gündogan und Can und ihr like

[Penegrin]

Das wiederholst du hier doch vor allem deshalb, weil du (zurecht; das ist nicht strittig) diese Kriegsbefürwortungen sehr übel findest?!

Nein, ich wiederhole es, weil ich es für richtig erachte

Aber klar, spätestens seit der Hinrichtung von Hevrin Khalaf durch türkische Verbündete müsste auch einem Sahin klar sein, dass es an diesem Krieg nichts Glorreiches gibt.

Was wäre denn gewesen, wenn in den 90ern Deutsch-Serben (gibt’s das überhaupt?) sich positiv über Srebrenica geäußert hätten? Ich mein, Handke gewinnt den Nobelpreis und sieht sich einem Shitstorm ausgeliefert für etwas, das er vor 30 Jahren gesagt hat. Im Grunde ist das doch genau das Gleiche, was Gündogan gerade widerfährt.

Das mag ja abstrakt so sein, Italien wird aber in aller absehbaren Zukunft keinen Krieg führen, den wir Deutschen kollektiv ablehnen.

Würde doch reichen, wenn ein Deutsch-Italiener die Registrierung von Sinti und Roma gutheißen würde oder ein Deutsch-Chinese eine blutige Niederschlagung des Hong Konger Aufstands oder ein Deutsch-Russe die Unterdrückung der Krimtataren.

Dein Standpunkt ist doch, dass man Gündogan und Co. anders behandeln würde, wenn sie nicht Deutsch-Türken wären. Ich sehe dafür aber keinen einzigen Anhaltspunkt und bleibe dabei, dass auch ein Neuer einen Shitstorm erleben würde, wenn er das Gleiche wie Sahin schreiben würde.

[anon56793850]

Ich mein, Handke gewinnt den Nobelpreis und sieht sich einem Shitstorm ausgeliefert für etwas, das er vor 30 Jahren gesagt hat. Im Grunde ist das doch genau das Gleiche, was Gündogan gerade widerfährt.

Handke hat sich die Affinität zu Serbien selbst gewählt, Gündogan die zur Türkei nur in geringem Maß selbst, sondern hat sie geerbt (die Verwandtschaftsbeziehungen) bzw. per Fremdzuschreibung übernehmen müssen.

Handke hat mehr oder minder (ich denke er hat recht, dass die gegenwärtigen Vorwürfe seine Position arg vereinfachen/verfälschen) langjährig eine konsistente pro-serbonationalistische Position vertreten. Gündogan dagegen vertritt sicherlich keine konsequente Erdogan-Position, er distanziert sich nur nicht konsequent genug davon.

Drittens mag ich beim einem öffentlichen Intellektuellen schon andere Maßstäbe anlegen als bei einem Fußballspieler Ende 20.

Würde doch reichen, wenn ein Deutsch-Italiener die Registrierung von Sinti und Roma gutheißen würde

Ich wüsste nicht, wo es groß in den hiesigen Schlagzeilen gelandet ist, dass ein Teil der Deutsch-Italiener sich über Salvini begeistert hat.
Ich gestehe aber zu, dass ein fiktiver deutscher Nationalspieler Lorenzo Rossi für eine Foto mit Salvini schon auch ein bisschen Kritik erfahren hätte.
Die stärkste Kritik würde natürlich ein Timo Werner für ein Foto mit Höcke erfahren.

Da gibts in der Öffentlichkeit eben Rankings der Widerlichkeiten, die mal einen interessanten Thread ergeben könnten

Dein Standpunkt ist doch, dass man Gündogan und Co. anders behandeln würde, wenn sie nicht Deutsch-Türken wären.

Jain.
Mein Standpunkt ist, dass auch jeder andere deutsche Nationalspieler Kritik erfahren müsste, wenn er Sympathie für den türkischen Angriffskrieg erklärt.
Aber nur die Deutsch-Türken (sofern sie einen gewissen Bezug zur Türkei haben/pflegen; tun ja nicht alle) sind vor das Problem gestellt, dass an sie unterschiedliche, z.T. sich widersprechende Erwartungshaltungen gerichtet sind, und dass sie natürlich auch einen anderen Blick auf die Situation haben.

Gruß
F.

[anon85889897]

Und so Dinge wie Identifikation, türkische Verwandte, Freude, Fans, Follower, die eigene Bindestrich-türkische Identität … alles scheißegal, um das Verhalten von Menschen wie Gündogan, Özil, Can, Serdar, Karaman, Ayhan, Sahin und vieler anderer verstehen zu können.

Ich meine, aus gut drei Jahrzehnten beruflicher Erfahrung mit Menschen aus Ost- und Südosteuropa, gerade ein Thema Identifikation hier einigermaßen einschätzen und darin differenzieren zu können. Ob es nun religiöse oder ethnische - der Jugoslawienkrieg beispielsweise hat seinerzeit Gräben geschaffen, die heute noch nicht annähernd überwunden sind - Unterschiede sind, ich meine unterschiedliche Intensitäten und Werte (ich formuliere hier bewusst vorsichtig) zu erkennen gegenüber dem, was wir hier leben.

Das, was mich nun beunruhigt, dass solche Intensitäten und Werte - im Grunde genommen rein private Überzeugungen wie religiöse Dinge - nun offen und öffentlich ausgetragen, unterstützt, hofiert oder entschuldigt werden. Wenn du weiter oben von Deutsch-Türken schreibst, jetzt von Bindestrich-Türken, dann stecken dahinter Zuschreibungen wie Minderheiten, Opfer usw.

Ich habe hier eine andere Einstellung zu Gündogan, Özil, Erdogan und Co. Deren vorher noch rein ökonomisch/wirtschaftlicher/respektvoller Bereich wird nun auch hinsichtlich privater persönlicher Befindlichkeiten und Moral gesellschaftsfähig und dominierend gemacht. In einer Art und Weise, die ich nicht teile, und hinsichtlich dessen, was vertreten wird, schon gar nicht.

awM

[anon56793850]

Ich meine, aus gut drei Jahrzehnten beruflicher Erfahrung mit Menschen aus Ost- und Südosteuropa, gerade ein Thema Identifikation hier einigermaßen einschätzen und darin differenzieren zu können. Ob es nun religiöse oder ethnische - der Jugoslawienkrieg beispielsweise hat seinerzeit Gräben geschaffen, die heute noch nicht annähernd überwunden sind - Unterschiede sind, ich meine unterschiedliche Intensitäten und Werte (ich formuliere hier bewusst vorsichtig) zu erkennen gegenüber dem, was wir hier leben.

Eben!

Wenn du weiter oben von Deutsch-Türken schreibst, jetzt von Bindestrich-Türken, dann stecken dahinter Zuschreibungen wie Minderheiten, Opfer usw.

So ist es von mir eigentlich nicht gemeint gewesen.
Deutsch-Türke meint hier einfach nur die Zugehörigkeit zur deutschen wie zur türkischen Öffentlichkeit.

Ich habe hier eine andere Einstellung zu Gündogan, Özil, Erdogan und Co. Deren vorher noch rein ökonomisch/wirtschaftlicher/respektvoller Bereich wird nun auch hinsichtlich privater persönlicher Befindlichkeiten und Moral gesellschaftsfähig und dominierend gemacht. In einer Art und Weise, die ich nicht teile, und hinsichtlich dessen, was vertreten wird, schon gar nicht.

Aber das betrifft ja mehr die türkische oder die deutsch-türkische Öffentlichkeit, weniger die deutsche Öffentlichkeit? Wenn ich dich da richtig verstehe.

Gruß
F.