Harnblase 'kollabiert'

Hallo,

ich höre immer wieder: - und das hält sich sehr hartnäckig - dass ein Patient mit einem Harnverhalt (aus welchen Gründen auch immer) und der daraus resultierenden Gefahr des aufsteigenden Harnwegsinfektes bis in die Nierenbecken und letztendlich der Gefahr der Urosepsis falls der Urin nicht abgelassen werden kann (in den meisten Fällen transurethral).

Soweit sogut. Logische Handlung wäre das Legen einer Katheters um den Urin abzulassen, der von alleine nicht rausläuft. Und dabei sollte man den Kathether möglichs nach einer Menge von 500 - 700ml abklemmen, „damit die Blase nicht kollabiert“.

Ich stelle mir das wie einen Ballon vor: In dem Ballon befindet sich eine Flüssigkeit von 1,5 Litern. Lasse ich diese Flüssigkeit ab, so fällt der Ballon in sich zusammen.
Kann sowas mit der Harnblase auch passieren? Ich meine, in einem leeren Zustand muss ja schließlich auch eine gewisse Elastizität vorhanden sein, um eben den Harn aufzufangen.

Kann es also möglich sein, dass durch eine zu schnelles ablassen des Urins bei einem Harnverhalt die Blase „kollabiert“, also in sich zusammenfällt wie eine Ballon?
Hat das stufenweise ablassen des Urin eventuell eine Auswirkung auf den Kreislauf?

Gruss levi

Hallo Levi
Du stellst immer so sehr spezielle Fragen, auf die eigentlich nur absolutes Fachpersonal antworten kann.
Obwohl ich aus der Allgemeinmedizin schon ne Weile raus bin und in der Urologie nie wirklich heimisch, würde ich doch sagen: Da gibt es gewisse Unterschiede zwischen einem Luftballon und der Harnblase. Wenn der Luftballon, mal abgesehen von seiner völlig anderen stofflichen Zusammensetzung (Gummi, Kautschuk), zusammenschnurrt, dann kann er das leichter, weil er ja freie Luft drumrum hat, während die Harnblase von den jeweiligen *g* anatomischen Verhältnissen umgeben ist und sich daher nicht so völlig frei im Raume befindet wie jener Luftballon.
Es grüßt Dich
Branden

Hallo!

Bei einem echten Harnverhalt staut sich der Urin über einen längeren Zeitraum auf, so daß mit der Zeit die Blasenwand mehr als normal gedehnt wird. Die Blasenwand ist aber nicht einfach ein „Gummiballon“, sondern ein „aktives“ Organ mit einer kräftigen Muskelschicht, die die jeweilige Wandspannung an den Füllungszustand der Blase anpasst. Weiterhin ist die Blasenwand incl. der innenliegenden Schleimhaut sehr gut durchblutet. Die Wanspannung der Blase trägt dazu bei, die Blutgefäße „abzudichten“, d.h. es herrscht ein gewisser mechanischer „Druck“ auf den Gefäßen (alles ein wenig vereinfacht).

Wenn man als bei einem Harnverhalt, der sich über Tage entwickelt hat, den Urin plötzlich und rapide ablassen würde, könnte sich die gedehnte Muskulatur der Blase nicht so schnell an die „Leere“ anpassen, so daß es zu Blutungen aus der Blasenschleimhaut führen kann; gerade bei Patienten mit Gerinnungsstörungen bzw. gerinnungshemmenden Medikamenten kann das schnell bedenkliche Ausmaße annehmen.

Daher ist die Empfehlung für die Praxis: bei Harnverhalt Katheter legen, den Urin in Portionen ablassen, dazwischen immer mal wieder ein paar Minuten Pause machen. Wie große Portionen bzw. wie lange Pausen man macht, ist wohl sehr unterschiedlich und beruht auf persönlicher Erfahrung, Gefühl, „Hausinternen Standards“… Ich denke nicht, daß es konkrete Empfehlungen auf fundierter Basis dazu gibt…

Grüße,
Vlado

Hallo,
kollabieren ist sicher keine glückliche Beschreibung.
Neben dem was schon gesagt wurde, kann es bei einer Überdehnung der Blase dazu kommen, dass sie sich bei Entleerung nicht gleichmäßig zusammenzieht, weil durch die Überdehnung beschädigte Muskelstränge sich weniger kontrahieren als weniger oder nicht betroffene Teile der Muskelschicht.
Normalerweise schrumpft die Blase bei Entleerung, wie ein Luftballon, etwa unter Beibehaltung der Grundform. Wenn dies nicht geschieht, dann entstehen unphysiologische Spannungen im Gewebe, die schmerzhaft sind und auch Gefäße zerreißen können.
Im Extremfall kann sich die Blase einstülpen, es entsteht also eine Beule der Blasenwand ins Blaseninnere hinein wodurch eine normale Entleerung und Verkleinerung der Blase zumindest vorübergehend zusätzlich behindert wird.

Gru0ß
Werner