Ist es ein intelligent keine Kinder zu bekommen?

Hallo Anja,

Mal so ganz hypothetisch: Würde das Dein potentielles Kind
richtig finden? Aufs Leben verzichten, weil die
Lebensverhältnisse nicht so sind, wie Du sie für Dich
erträumst? Villeicht würde dieses Kind um des Lebens willen
lieber leben, auch unter widrigen Umständen, wie Du sie
formulierst.

Interessante Frage, die sich mir aber ja definitiv erst stellen würde, wenn ich tatsächlich schwanger werden würde (was ich ja aber bisher erfolgreich verhindern konnte und auch weiterhin werde).

Davon aber mal abgesehen, lasse ich mich gern auf dieses Gedankenspiel ein: wie mein hypothetisches Kind die Frage beanworten würde, hängt wohl entscheidend davon ab, welche Beurteilungsmaßstäbe es ansetzen würde. Und das hängt wiederum von so vielen unterschiedlichen Faktoren ab, dass mein Vorstellungsvermögen nicht ausreicht, das Gedankenspiel zu Ende zu spielen.

Selbstverständlich liefe die Frage - möchtest du leben? - vermutlich darauf hinaus, dass sie grundsätzlich bejaht werden würde, aller widrigen Umstände zum Trotz.

Aber trotzdem würde ich bei meinem grundsätzlichen Nein zu eigenen Kindern bleiben. Mag sein, dass sich das erst einmal so anhört, als würde ich meine Wünsche und Sehnsüchte höher gewichten als das potentielle Leben meines hypothetischen Kindes, aber auch an dieser Stelle sollte man genauer hinschauen: ich könnte meinem Kind in der Rolle als fest in das gesellschaftliche Gefüge integrierte Elternteil - im Gegensatz zu meiner von Vereinnahmungen weitestgehend befreiten, aktuellen Tätigkeit als Ansprechpartnerin und Vertrauensperson im offenen Treff - nicht die Mittel und Wege zeigen, sich mit der Situation zu arrangieren, ohne dabei ständig in Konflikt mit der Gesellschaft oder mit meinen Prinzipien zu geraten.

Ob einem Kind eine sich möglicherweise aus Erwägungen ihm zuliebe heraus an die Umstände anpassende und dadurch selbst verleugnende Mutter im Endeffekt wirklich gut tun würde, bezweifele ich. Erschwerend kommt hinzu, dass ich es unter diesen Umständen für ein unlösbares Problem halte, dem Kind so etwas wie Zuversicht zu vermitteln. Denn meine Zuversicht speist sich aus dem Glauben an grunsätzliche andere Formen des sozialen Miteinanders als der Familie. Mit der Gründung einer Familie ginge insofern also auch die in jahrelanger Auseinandersetzung hart erkämpfte Zuversicht verloren, die ich neben Liebe und Verständnis im Leben eines Kindes jedoch für elementar halte.

Und so wären wir dann wieder an den Anfang zurückgekehrt, obgleich mit leicht veränderter Aussage und erweiterten Variablen: mein Verantwortungsgefühl ist offenbar nicht flexibel genug, sich einem eigenen Kind bzw. der Rolle als Mutter zu stellen bzw. müsste ich dazu etwas aufgeben, das mir sehr wichtig ist, weil ich für diese Einsicht Jahre gebraucht habe, und die Aufgbe dessen eben nicht nur mir, sondern indirekt auch dem Kind schaden würde. Deshalb ist die stundenweise Betreuung und Unterstützung von nicht eigenen Kindern der einzig richtige Weg für mich (und für das hypothetische Kind).

Ich danke dir für diese vertiefende Einsicht!

menschine