Hallo Carmen,
etliche der folgenden Tipps sind nur dann relevant, wenn - wie in eurem Fall - Verhaltensprobleme beim Hund entstanden sind. In intakten Rangbeziehungen spielen sie kaum eine Rolle, weil der Mensch bereits die Spielregeln klar genug definiert hat.
- Liegeplätze:
Im Moment liegt euer Hund da wo er will, wann er das will und wie lange er will. Das solltet ihr ändern. Dazu gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder ihr verbannt ihn konsequent von allen Menschenplätzen, d.h. keine Couch, kein Sessel, kein Bett. Das ist die einfachere Variante, weil der Hund relativ schnell kapiert, worum es geht, aber auch deswegen, weil der Mensch sich in der konsequenten Umsetzung leichter tut.
Oder ihr bringt ihm bei, nur auf euer Kommando hoch zu kommen und sich auch auf euer Kommando widerspruchslos runter schicken zu lassen und VOR ALLEM (!) unten zu bleiben. Das ist schwieriger für den Hund zu lernen, verführt aber auch den Menschen dazu, ihm schnell wieder was durchgehen zu lassen. Es macht auch keinen Sinn, den Hund am Anfang des Fernsehabends hoch zu holen und ihn dann den ganzen Abend da zu lassen. Und du kannst dir sicher sein, dass dein Hund keine Gelegenheit auslassen wird, Ge- und Verbote zu umgehen
. Aus Betten sollte er unbedingt konsequent draußen bleiben.
Und: KEIN Platz in der Wohnung gehört mehr uneingeschränkt ihm. Wenn er irgendwo liegt - auch auf seiner Decke - wird er immer mal wieder von euch dort weggeschickt. Beim Staubsaugen wird nicht um ihn rumgesaugt, sondern er muss gehen. Liegt er im Weg, steigt ihr NICHT über ihn drüber, sondern schickt ihn aus dem Weg. „Immer mal wieder“ bedeutet auch genau das: Immer mal wieder. Es heißt nicht, dass ihr den Hund nun permanent aufscheuchen müsst, wenn er irgendwo liegt. Es bedeutet, aber, dass er immer dann auch wegzugehen hat, wenn ihr es von ihm verlangt.
- Besitz:
Dem Hund gehört nichts mehr. Auch keine Spielsachen, die irgendwo rumliegen. „Selbstbefriedigung“ damit, wenn ihm grade danach ist, gibt es nicht mehr. Alles wird weggeräumt und der Hund kriegt es nur, um mit euch zu spielen. Dabei achtet ihr darauf, dass er Beute nicht sichert, indem er sie weg- bzw. um euch rumträgt. Er darf sie kurz haben, hat sie aber auf Kommando sofort an euch herzugeben. Zur Not den Hund beim Spielen anleinen, damit er nicht abhauen kann, und ihn an der Leine herholen.
Futter steht nicht zur Selbstbedienung rum, sondern wird zu Fütterzeiten verabreicht und muss innerhalb von 15 Minuten gefressen sein, sonst wird es bis zur nächsten regulären Mahlzeit weggeräumt.
Man kann auch einen Schritt weitergehen, und ihn sein Futter über den Tag weg erarbeiten lassen. Aber ich will euch nicht überfordern
.
- Zuwendung (Das Wichtigste!):
Für die nächsten 6 Wochen wird der Hund nicht mehr beachtet, wenn er von sich aus zu euch kommt und euch zum Streicheln oder Spielen auffordert. Ihr reagiert in keinster Weise auf ihn, auch nicht mit einem „Nein“. Ignorieren heißt: Nicht reden, nicht anfassen, nicht anschauen. Der Hintergrund ist: Was jederzeit und im Übermaß verfügbar ist, ist nichts wert - auch für den Hund nicht. Es wird als selbstverständlich erachtet, und der Hund benutzt den Menschen, um es sich zu holen, wenn ihm danach ist. Mit Zuneigung von Seiten des Hundes hat das nichts zu tun - auch wenn wir das gerne so sehen möchten.
Aber keine Sorge: Er kriegt seine Streicheleinheiten schon - nur eben zu euren, nicht zu seinen Bedingungen. Heißt: Immer wenn der Hund etwas anderes macht, als sich um euch zu kümmern (zum Beispiel rumliegt) ruft ihr ihn zu euch. Wichtig: Ihr geht NICHT zu ihm hin. Er muss zu euch kommen. Dann wird er gestreichelt. Achtung: Damit aufhören, bevor der Hund von sich aus geht, weil er genug hat. Passiert das, ruft ihr ihn zurück und bekrault ihn noch 1-2 Minuten, bevor IHR ihn entlasst. Versucht er nach dem Entlassen weitere Zuwendung einzufordern: Ignorieren.
Es kann durchaus sein, dass der Hund erst mal den Teufel tun wird, als freudestrahlend zu euch zu kommen, wenn ihr ihn ruft. Vor allem dann nicht, wenn er vorher seinerseits ignoriert wurde. Das bedeutet nichts anderes, als dass der Hund versucht, seine bisher innegehabte Position zu verteidigen. Er ist weder „beleidigt“ noch „trotzig“, sondern verhält sich lediglich gemäß der Lerntheorie „Erfolgreiches Verhalten wird beibehalten“.
Dummerweise greift bei ihm inzwischen auch bereits das Prinzip der variablen Verstärkung. Heißt: Wenn einer von euch zwischendurch schwach wird und doch wieder auf die Aufforderung des Hundes eingeht, ritzt der sich eine Kerbe in seinen Colt und merkt sich: „Das Verhalten ist immer noch erfolgreich, wenn ich nur konsequent dran bleibe“.
- Unterordnung:
Übt mit dem Hund Dinge, die er nicht mag. Macho-Hunde lassen sich oft nicht gerne hochheben, an bestimmten Körperstellen berühren, Kämmen oder in bestimmte Positionen legen. Und genau das muss er sich nun täglich mehrmals gefallen lassen. Ohne großes Tamtam, aber auch ohne nachzugeben. Achtung: Gegenwehr in Form von Drohverhalten ist möglich. Dieses sollte sofort mit einem klaren „NEIN!“ unterbunden werden. Die Übung wird danach fortgesetzt. War sie erfolgreich, wird der Hund kurz (!) und sanft gelobt. Insgesamt sollten diese Übungen aber immer in einem möglichst entspannten Rahmen stattfinden. Sie dienen dem Bindungsaufbau.
Wenn der Hund nicht leinenführig ist, wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, auch daran zu arbeiten. Leinenführig heißt, dass er an einer normalen 1,50 - 2,0 Meter langen Leine entspannt nebenher läuft, so dass die Leine permanent locker durchhängt. Tut sie das nicht oder wird der Hund nur an der Flexi geführt, habt ihr hier eine anspruchsvolle Aufgabe. Tipp: Es funktioniert am besten über konsequentes Stehenbleiben. Der Hund kommt nicht mehr vom Fleck, wenn er zieht. Das bedeutet, dass ihr zu Anfang u.U. in einer Stunde keine 20 Meter weit kommt. Egal. Damit der Hund weiß, was Sache ist und ihr nicht in Dauerstress geratet, finden normale Gassirunden z.B. NUR noch an der Flexi statt, Leinenführigkeitstraining nur an der kurzen Leine.
Tägliche Arbeit mit dem Hund z.B. in Form von gezielten Spielen. Hier kannst du im Forum mal unter FAQ:3302 schauen, da hab’ ich einige aufgelistet.
Schöne Grüße,
Jule