Maß für Abstand von Sprachen

Hi,

nochmal: Verständlichkeit hat nicht viel mit verwandtschaftlicher Nähe zu tun. Die durch Verwandtschaft erzeugten Ähnllichkeiten sind nur ein Teilaspekt der gegenseitigen Verständlichkeit. Andere Aspekte, die die Verständlichkeit beeinflussen, folgen in ihrer Entwicklung aber anderen Einflüssen als die Vewandtschaftsverhältnisse. Daher sind diese Ähnlichkeiten schon wichtig und haben etwas mit der Verständlichkeit zu tun, lassen sich aber nicht einfach so extrapolieren.
Andre schreibt weiter oben:

Wiederum hat man mit der Reduktion auf 40 Wörter gleich die
Probleme der mathematischen Erfassung von Sprache aus dem Weg
geräumt - allerdings ohne sie zu lösen.

Sprachen sind nicht in ihrer Gänze mathematisch erfassbar und :vergleichbar, daher braucht man auf so eine Lösung nicht zu hoffen.

Und hier, in diesem Teilthread, schreibt er, dass das Deutsche und das Englische von einander nur um 0,02mm weiter entfernt sind als zwei beliebige romanische Sprachen. Kannst Du Dich mit einerm Engländer unterhalten, ohne das einer von Euch beiden die Sprache des anderen gelernt hat? Nein. Spanier und Italiener können das.

Ich war ganz überrascht, als ich in deiner Vika las, dass du deutschlehrer bist, da müsstest Du doch eigentlich diese Unterschiede kennen…

Und um zu wissen, dass es nützlicher ist, spanisch zu lernen als portugiesisch, muss ich keine computergestützte Analyse betreiben, dazu reicht es, sich Sprecherzahlen anzugucken.

Von der Tatsache, dass du Spanisch gelernt hast, profitierst Du aber nciht wenn du einem Portugiesen gegenüberstehst. Vermutlich wird er dich verstehen - du ihn aber nicht. Selbst ich, die ich sehr fließend Englisch und relativ gut Russisch spreche, bin bei Tok Pisin und Polnisch oder Ukrainisch aufgeschmissen.

die Franzi

Ohne jetzt der miezekatze Antwort gelesen zu haben, die vllt. schon drauf eingeht:

wann ist denn die publikation eurer ergebnisse geplant?

Eigentlich ist sehr viel bereits publiziert. Ich habe sogar selbst in einer Fachzeitschrift etwas dazu geschrieben (allerdings zum Thema Kunstsprachen). Auf unserer Internetseite gibt’s 'ne ganze Liste mit Publikationen in Fachzeitschriften. ^^

interessant für mich auch die beobachtung unsymmetrischer
abstände, was verstehbarkeit betrifft. wenn portugiesen
spanier eher verstehen als umgekehrt, kann das auch mit
pragmatischen faktoren zusammenhängen, meine ich. es ist für
portugiesen aufgrund der geographischen lage und aufgrund der
bevölkerungszahlen vermutlich wichtiger spanisch zu verstehen
als umgekehrt. insofern wird eine einschätzungsuntersuchung
nie dasselbe liefern wie eine systemlinguistische; es spielen
halt andere faktoren wesentliche rollen. aber da sind wir uns
eh einig.

Ich denke, in dem Fall gilt noch ein anderer Faktor: nämlich die Schrift. Spanisch wird praktisch so gelesen wie’s geschrieben steht, die spanische Orthographie ist dabei wirklich sehr phonetisch. Man braucht nicht viele Regeln, um das lesen zu können. Und wenn man die Sprechgeschwindigkeit der Spanier gewöhnt ist, dann kann man von der Aussprache fast 1:1 auch auf die Schreibung schließen — und schriftlich sind die beiden Sprachen sich sehr ähnlich.
Portugiesisch wird stark anders gesprochen als es geschrieben wird, es gibt da sehr viele Regeln, die greifen. Viele Buchstaben werden nicht oder völlig anders ausgesprochen. Unterschiedliche Kontexte verlangen unterschiedliche Aussprachen von Buchstaben. Wer Spanisch kennt, dem kommt Portugiesisch manchmal irgendwie vor wie Tschechisch mit französischem Akzent. Für die Portugiesen ist Spanisch dann wieder so, als würde man diese ganzen Regeln nicht anwenden und einfach alles Buchstabe für Buchstabe vorlesen. Deswegen haben sie es etwas leichter.
Das ist mit Dänisch und Norwegisch ähnlich: während Norwegisch fast gesprochen wird, wie’s geschrieben steht, könnte die dänische Aussprache der Schreibung ferner kaum sein. Da werden allemöglichen Konsonanten abgeschliffen, es gibt fast nur noch Vokale (etwas übertrieben gesprochen) und es greifen wieder viele Sonderregeln. Ich glaube, Dänisch ist die Sprache mit den meisten unterschiedlichen Vokalen, Di- und Triphthongen in der Welt. Für einen Norweger klingt Dänisch wie superschlimm zernuscheltes Norwegisch, während für einen Dänen Norwegisch einfach klingt, wie Dänisch, bei dem aber jeder Buchstabe einzeln gesprochen wird. Die Schreibung ist ansonsten extrem nah.

Grüße,

  • André
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22 ****!
einfach toll, der thread.
wenn ich mich nicht verzählt habe, hats im thread bis dato insgesamt 22 sternchen gegeben. nachdem ich mir nicht vorstellen kann, dass wir uns die alle gegenseitig zugeschubst haben (ich jedenfalls hab glaubich nur 3 davon vergeben), scheint der thread auch sonst ein recht breites interesse gefunden zu haben.
hat spaß gemacht.
m.

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