Mein greiser Vater

Hallo Krystin,

Anfang August hatte ich ein Update geschrieben.

Was seit dem August passiert ist: Mein Mann und ich hatten meinen Vater gerade 14 Tage zu Besuch („Von wo habt ihr mich jetzt abgeholt?“). Es hat sehr viel Überredung gekostet, ihn hierher zu holen, und wir mussten ihm versprechen, dass wir ihn nicht hier in ein Heim stecken. Wir haben unser Versprechen gehalten und ihn wohlbehalten zurückgebracht (die Rückfahrt dauerte allein 10 Stunden auf der Autobahn :frowning: . Nur um mal zu verdeutlichen, dass es eine beträchtliche Entfernung ist, die mit Staus und Baustellen noch schwerer zu überwinden ist.).

In den 14 Tagen hatten er und mein Jüngster Geburtstag („Wie hieß noch der Verwandte, der zum Kaffeetrinken hier war?“), und auch ansonsten haben wir viel mit ihm unternommen, aber kein Touri-Programm, sondern wir haben ihm Ecken gezeigt, die die Einheimischen schätzen. Und wir haben ihm ein Wohnstift gezeigt, das uns vielfach empfohlen worden ist. Das gefiel ihm sehr gut, und dort würde er auch wohnen wollen - aber die nächsten Jahre möchte er noch in seinem Haus bleiben :smirk: , was aber nicht gehen wird. Deshalb habe ich ihn auf die Warteliste für ein schönes großes Zimmer setzen lassen und muss wohl demnächst über seinen Kopf weg entscheiden.
Während ich vor seinem Besuch bei uns noch Zweifel hatte, ob ich so weit in sein Leben eingreifen sollte, bin ich jetzt sicher, dass es keinen anderen Weg gibt. Seine Demenz schreitet sprunghaft fort und die Treppen bei sich zu hause geht er auf allen Vieren rauf und runter. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann er dort stürzt.

Am Montag habe ich sein Auto verkauft und Interessenten für sein Haus durch selbiges geführt. Natürlich immer, nachdem ich das mit ihm besprochen hatte. Er bekommt nicht mehr so ganz auf die Reihe, warum das alles sein muss, aber er ist froh, dass ich das alles übernehme.

Anekdote: Wir haben uns alte Fotos angeguckt, auf denen er als junger Mann und meine Mutter zu sehen war. „Das bist du!“, sagte er.
Ich: „Nein, das ist Mutti.“
Beim nächsten Foto und den rund 20 anderen das gleiche.
Er zu mir: „Und wer bist du dann?“
„Ich bin die Tochter.“
Er: „Ich wusste gar nicht, dass deine Mutter eine Tochter hat. Ich hatte doch gar kein Verhältnis mit ihr.“

  • Bäng! -
    (Die beiden waren 46 Jahre verheiratet.)

Was das innige Verhältnis meines Vaters zu mir und umgekehrt betrifft, möchte ich nicht viel sagen. Mein Vater interessiert sich eigentlich nur für sich, hat nie einen Fehler gemacht und nimmt weder im Guten noch im Schlechten Anteil an den Geschicken anderer. Jetzt sowieso nicht mehr. Und ich kümmere mich um ihn, weil es meine Pflicht ist, dafür zu sorgen, dass es ihm jetzt, da er das Leben allein nicht mehr bewältigen kann, gut geht. Das ist alles.

Schöne Grüße & danke für deine Nachfrage
Ann da Cava

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