Nichtchristen und die Hölle?
Hallo Petra,
zum historischen Rahmen deiner Frage: eine „Kurze Geschichte der (christlichen) Hölle“ gibt es hier: FAQ:1527
Frage: Bis wann hat man das geglaubt? Wie war früher … die Vorstellung, was mit den Menschen nach dem Tod passiert, die überhaupt nie von Jesus gehört haben? Wie ist es mit denen, die zwar von Jesus gehört haben, sich aber nicht „bekehrt“ haben?
Zunächst einmal die direkte Antwort: Bzgl. derer, „die sich nicht zu Christus bekennen“ hat sich in der offiziellen evangelischen, ebenso wie der röm.-katholischen Lehre seit dem 16. Jhdt nichts geändert. Der „Catechismus Romanus“ (1566) - ein Beiprodukt des Konzils von Trient 1545-63 - legt sich fest in Teil I, Cap.VI, §§ 2+3 (→ hier das lat. Original und eine → dt. Übersetzung).
Die (letztlich darauf basierenden) Höllen-Aussagen des nach dem Vat. II herausgegebenen KKK (Katechismus der Katholischen Kirche) finden sich → hier.
Und das von Melanchthon formulierte „Augsburger Bekenntis“ (1530 bzw. 1537) enthält die entscheidende Passage in Artikel XVII. Die beiden Konfessionen unterscheiden sich nur hinsichtlich des Begriffs „Reinigungsfeuer“ (lat. purgatorium, „Fegefeuer“ (einem der vier Räume der in der Scholastik konzipierten Höllen-Archtektur), Das Purgatorium wurde von protestantischen Seiten abgelehnt.
Dem gingen in der lateinischen Kirche auch einige dogmatische Formulierungen ("de fide") voraus: Im Symbolim Quincumque und im 4. Laterankonzil 1215. Uneindeutig war (und ist letztlich) derweil bzgl des Höllenaufenthalts die Dauer. Denn bis zum 5./6. Jhdt., als sich die lateinische Sprache gegenüber der griechischen durchsetzte, war die Bedeutung des griech. „aionios“ strittig (das über lat. „infinitus“ dann dt. mit „ewig“ wiedergegeben wurde).
Auch die Frage, wer, und ab wann überhaupt, zu den ewig "„Verdammten“ zählt, Bereits von Clemens v. Alexandrien (in Stromateis Buch VI, Kap. VI, Ende 2. Jhdt) wird die Frage diskutiert, ob diejenigen, die nie von Christus hörten, nicht anders in dem göttlichen Gnadengeschehen beurteilt werden müßten als die, die ihn definitiv ablehnten. Diese Frage wurde auch von Augustinus in seiner sehr folgereichen Gnadenlehre verhandelt. Sie führte dann in der Hochscholastik (besonders Thomas v. Aquin) zu dem Konzept eines Grenzbereichs (lat. „limbus“) in dem (immer noch rein räumlich (und zwar tief unter der Erde) vorgestellten Hölle (griech. hades, lat. infernus oder gehenna, als hebr. Lehnwort): Der „Limbus puerorum“ für die ungetauft gestorbenen Kinder, der „Limbus patrum“ für die, die historisch Christus vorausgingen oder ansonsten nie von ihm gehört hatten (um Letzteres zu vermeiden wurde ja gerade Mission weltweit betrieben).
Die Vorstellung dieses Limbus puerorum ist allerdings nie dogmatisch formuliert worden. Sie ist von Papst JP II (2007) und B XVI (2007) (nicht aufgehoben, aber) als nicht zur verpflichtenden Lehre gehörig erklärt worden.
Obwohl die älteren dogmatischen Höllen-Bestimmungen nahelegen, daß Seelen, die sich zur Zeit des Todes im Stand der sog. „Todsünde“ befinden (wozu auch die Ablehnung des Bekenntnisses zählte), unmittelbar in den übelsten Teil der Hölle geschickt würden, paßt das nicht ganz zu den (eh unklaren) anderen eschatologischen Vorstellungen dessen, was nach dem Tod geschieht: Denn bevor das „Letzte Gericht“ entschieden hat, kommt ja erst nochmal die „Auferstehung des Leibes“ - und zwar aller Menschen.
Was dann geschieht, und insbesondere mit denen, die sich zu Lebzeiten nicht bekannten, dazu habe ich hier schon mal einen Aufriss gegeben:
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[frühchristliche Totenreichvorstellungen] in FAQ:3316 und
http://www.wer-weiss-was.de/religionswissenschaft/gl… -
[Auferstehung und Verklärung/Metamorphose]
http://www.wer-weiss-was.de/religionswissenschaft/un…
Demnach gibt es in der christlichen Lehre also auch für die bekenntnislos Gestorbenen immerhin eine zweite Chance!
Wie schon von Kate und von Jule erwähnt, werden die christlichen Höllen-Eschatologien allerdings schon seit dem Ende des 2. Jhdts - zuerst bei Athenagoras und Origenes, später Gregor v. Nyssa, Johannes Eriugena u.a. - von der Idee der _ Apokatastasis panton _ („Allversöhnung“) begleitet: Eine „endgültige“ Hölle gebe es (angesichts der unendlichen Menschenliebe Gottes) nicht und letztendlich würden alle Seelen gerettet,
Diese Lehre des Origenes ist zwar schon auf der Synode in Konstantinopel 543 verdammt worden. Sie ist aber immer wieder aktualisiert worden. Und insbesondere hat sie im XX. Jhdt speziell und explizit durch Hans Urs v. Balthasar und Karl Barth, die eine „ewige Höllenstrafe“ rigoros für unchristlich erklärten, eine Neuauflage erhalten.
Gruß
Metapher