Uneinigkeit bei den Ethnologen über Hopi-Zeit
Hi Candide.
(Zitat) „[Norbert] Elias wendet sich zunächst gegen die Alltagsvorstellung, die Zeit sei eine … selbständig existierende Gegebenheit jenseits der Entwicklung des sozialen Wissens der Menschen …“
Um nichts anderes geht es mir ja hier, als genau darauf hinzuweisen. Besagte „Alltagsvorstellung“ übrigens kann man auch als „Illusion“ bezeichnen. Ich glaube nicht, dass Elias das als inadäquat empfände.
Es gibt natürlich ein klassisches Gegenbeispiel gegen die These, „Zeit“, vor allem lineare Zeit, sei eine universale Kategorie: die Hopi-Indianer. Schon Whorf hat in den 50ern versucht, anhand der Hopi-Sprache nachzuweisen, dass Sprache die Wahrnehmung der Welt determiniert.
Hier zwei konträre Zitate zu diesem Thema:
http://www.likatien.de/likatien/hopisprache.php/cPat…
„Die Art des Denkens und Sprechens ist in der Hopi-Sprache in einer sehr eindrücklichen Form verschieden von benachbarten Sprachfamilien: Die Hopisprache kennt keine Trennung von Raum und Zeit. Zeit spielt bei ihnen keine Rolle, sie existiert so auch in ihrer Sprache nicht, d.h. es existiert kein Wort für die Zeit als ein gleichmäßig fliessendes Kontinuum … Bei den Hopi existiert z.B. ein ganz anderes Zeitgefühl als bei uns. Ihr Zeiterleben ist nicht linear, sondern wohl als ganze Wirklichkeit in zyklischen Bewegungen.
Die Hopisprache enthält keine Wörter, grammatischen Formen, Konstruktionen oder Ausdrücke, die sich direkt auf das beziehen, was wir „Zeit“ nennen. Sie bezieht sich weder auf Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft, noch auf Dauern oder Bleiben …“
Zitat Ende.
Ein schneller Blick ins Wiki zeigt dann aber, dass es sooo un-zeitlich bei den Hopi nun auch wieder nicht zugeht:
http://de.wikipedia.org/wiki/Hopi
Zitat:
„Die Hopi sprechen einen Dialekt aus der uto-aztekischen Sprachfamilie. Der Bonner Sprachwissenschaftler Helmut Gipper untersuchte den Zeitbegriff der Hopi und fand heraus, dass diese Raumbezeichnungen verwenden, um Zeitliches auszudrücken. Die Hopi-Sprache hat also durchaus Bezeichnungen für gestern, heute, morgen und die Tageszeiten, entgegen einer weit verbreiteten Vereinfachung von Benjamin Whorf.“
Zitat Ende.
Vielleicht ist es also nur eine von manchen Ethnologen gehegte Illusion, die lineare Zeitvorstellung sei nicht universal.
Zum zweiten verbieten sich dann Beispiele wie die mit der „Schaufensterpuppe“, die als empirisch verifizierbare Illusionen sich so sehr von der Zeitlichkeit-als-Illusion unterscheiden, dass selbst die Begriffsgleichheit schon irreführend ist.
Claro, das mit der Puppe passte nicht im Kontext der Opposition Zeit / Zeitlosigkeit.
Das widerspricht nicht dem Konstruktivismus. Denn es geht hier nicht um falsche vs. wahre Zeit, sondern um Zeit vs. Zeitlosigkeit.
Der sog. Radikale Konstruktivismus denkt auf keinen Fall die Zeitlosigkeit als ontischen Urgrund, und Zeit als Konstruktion eines menschlichen Geistes.
Mein obiges „hier“ bezieht sich auf unser Thema „Zeit = Illusion?“, nicht auf den Konstruktivismus.
Natürlich basiert der Radikale Konstruktivismus nicht auf solchen Vorstellungen, aber einige seiner prominenten Vertreter neig(t)en sehr deutlich zum Buddhismus, beispielsweise Maturana und Varela, beide definitive Buddhisten, was bedeutet, dass sie von einer Wirklichkeitsdimension der Zeitlosigkeit (in diesem Fall „Nirvana“) überzeugt waren.
Und da Wirklichkeit, von der „Zeit“ ja ein Teil ist, eine Konstruktion des subjektiven Geistes ist (Wilber kritisiert am RK, dass dieser die Intersubjektivität vernachlässigt), ist mir nicht klar, wieso du abstreitest, dass – ich zitiere - der RK die„ Zeit als Konstruktion eines menschlichen Geistes“ auffasst. Oder verstehe ich dich da falsch?
Gruß
Horst