Raum abhängig von der Zeit?!

Hallo!

Speziell der Zeitbegriff ist schon lange als Illusion
durchschaut, besonders in der asiatischen Mystik (z.B.
Vedanta).

Nichts gegen die Mystik, aber ich möchte noch hinzufügen, dass auch die Ethnologie -oder auch die Soziologie- etwas handfester von Kulturen weiß, die völlig andere Zeit(vorstellung)en haben.

Aus dieser Perspektive könnte man übrigens auch gegen Kant und Piaget usw. argumentieren, und bestreiten, dass die Zeit eine „Anschauungsform“ des menschlichen Geistes ist.
Passt aber nicht wirklich zum Thema, da der UP ja eindeutig nach den Zeit- und Raumvorstellungen im Kontext der modernen Physik fragte.

In der modernen Physik kommt man dieser Einsicht auf
anderem Wege auch immer näher, siehe z.B.:

http://www.focus.de/wissen/wissenschaft/bdw/tid-8332…

"Dieser Fluss der Zeit ist uns sehr vertraut und zugleich
äußerst rätselhaft – aber trotzdem wohl eine blanke Illusion.
Denn immer mehr Physiker und Philosophen kommen zu dem
Schluss, dass es die Zeit objektiv überhaupt nicht gibt.

Nur weil es etwas nicht „objektiv“ gibt, also losgelöst von menschlicher Subjektivität, ist es noch lange keine Illusion oder weniger real.
So was zu lesen stört mich immer wieder (ich weiß, du hast es ja nur zitiert) :wink:

_ ℂ Λ ℕ Ð I Ð € _

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da krafte(el.,magn.,grav.,(vermutl. auch kernkraft)) nichts weiter als raumzeitdehnungen sind

Das ist leider reine Phantasie. Die Geometrisierung ist leider nur für die Gravitation möglich. Das wäre zu schön gewesen, denn dann wären die Hauptprobleme der Physik des XX. Jhdts gelöst gewesen :smile:

naja…was wäre denn mit einem universum ohne gravitation:smile:

Du hast meinen Einwand gegen deine oben zitierte physikalisch falsche Behauptung offenbar nicht verstanden.

richtig:smile:

Dann erklär ich es nochmal:

  1. hat die Gravitationstheorie der ART nichts mit
    „Raumzeitdehnung“ zu tun. Da wird nichts
    "gedehnt", das ist eine unsinnige Vorstellung. In der ART
    wird die Gravitation in einer Nichteuklidischen
    Raumzeit-Geometrie derart dargestellt, daß der Kraftbegriff
    obsolet wird. Man nennt das „Geometrisierung“ der Gravitation.

die geometrisch dargestellte raumzeitkrümmung wird vom menschen als zeitdehnung und raumkontraktion wahrgenommen. IN der erde ist mehr raum aus wir anhand des durchmessers berechnen. aber das weißt du ja selbst.

  1. Diese Geometrisierung ist aber eben nur für die Gravitation
    gelungen. Die sog. „Einheitliche Felödtheorie“, in der auch
    die anderen Kräfte geometrisiert werden sollten, war Einsteins
    Traum, der leider ein Traum geblieben ist.

http://de.wikipedia.org/wiki/Spezielle_Relativit%C3%…

im inertialsystem des bewegten elektrons wirkt auf das elektron keine kraft, sondern nur der beobachter sieht die beschleunigung. das weißt du ja selbst.

wie soll also ohne „relativbewegung“, also weg pro zeit, eine kraft entstehen, wenn es keine zeit gibt?

…und wie soll sie je entstanden sein…es gibt ja keine vergangenheit…

Wie gesagt, ist hier nicht das Brett für Erlärungen elementarer Physik. Daher nur kurz:

die geometrisch dargestellte raumzeitkrümmung

Was ist das denn? Die Raumzeitkrümmung wird nicht „geometrisch dargestellt“, sondern sie IST (ein Parameter einer nichteuklidischen, hier einer Riemannschen) Geometrie.

wird vom menschen als zeitdehnung und raumkontraktion wahrgenommen.

Die Lorentztransformationen sind reine Kinematik, haben also mit Kräften nichts zu tun. Und gravitative Dilatation und Kontraktion sind ebenfalls eine Sache bloßer Geometrie in Nichteuklidischen und betreffen ebenfalls nur die Meßwert-Relationen zwischen verschiedenen Beobachtersystemen.

Und das Ganze betrifft außerdem ausschließlich die Gravitation und nicht, wie du behauptetest, alle Kräfte.

Gruß
Metapher

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hi,

gut, man könnte natürlich annehmen, dass aufgrund der
fehlenden zeit auch keine zeit ist, dass sich alles in diese
quarkpampe zerlegt, aber: wenn zeit nicht mehr da is, kann man
nicht ein universum mit zeit in der vorstellung haben.

In der Schleifenquantengravitations-Theorie heißt es, dass
Raum ein quantenmechanisches Spin-Netzwerk ist, das man
schematisch mit Linien und Knoten darstellen kann. Die
kleinste Einheit (1 Knoten) entspricht dabei der Planck-Länge
((ca. 10 hoch minus 35 m) und im Zeitbereich der Planck-Zeit
(ca. 10 hoch minus 43 s). In dieser Größenordnung verliert die
Welt jede Kontinuität und kann nur noch quantisierend
beschrieben werden.

Man hat ausgerechnet, dass ein Kubikzentimeter 10 hoch 99
solcher Knoten enthält.

Wichtig dabei ist, dass diese Knoten nicht i n Zeit und Raum
liegen, sondern Zeit und Raum s i n d. Man kann sie sich als
„Blasen“ vorstellen, die einen Schaum bilden, der die Substanz
unserer Welt ist.

Das nur als Anregung.

du hast gerade meinen horizont erweitert. jetzt wird es noch mal hell.

damit wäre, wenn ich das richtig verstehe, die masse selbst eine art raumzeit-baustein.

wenn man diese schleifenquantentheorie auf die frage anwendet, könnte man die zeit anhalten und beschleunigen. aber eine extraktion wäre nicht möglich - so wie man dazu neigen würde, mathematisch die variable zeit einfach aus einer matrix zu entfernen. man müsste quasi den raum mit extrahieren, um der zeit ihre basis zu entziehen.

das heißt, dass laut dieser theorie meine annahme, es gäbe schlagartig eine quarkpampe genau von meinem 4. punkt, dass man noch nicht weiß, was raum sei, eleminiert werden würde, wenn es war wäre.
das ganze universum wäre schlagartig verschwunden, wenn man die zeit extrahieren würde.

hi,

Wie gesagt, ist hier nicht das Brett für Erlärungen
elementarer Physik. Daher nur kurz:

die geometrisch dargestellte raumzeitkrümmung

Was ist das denn? Die Raumzeitkrümmung wird nicht „geometrisch
dargestellt“, sondern sie IST (ein Parameter einer
nichteuklidischen, hier einer Riemannschen) Geometrie.

wir reden da von dem gleichen. du gibtst dem ganzen nur einen professionelleren touch.*schleim*

wird vom menschen als zeitdehnung und raumkontraktion wahrgenommen.

Die Lorentztransformationen sind reine Kinematik, haben also
mit Kräften nichts zu tun. Und gravitative Dilatation und
Kontraktion sind ebenfalls eine Sache bloßer Geometrie in
Nichteuklidischen und betreffen ebenfalls nur die
Meßwert-Relationen zwischen verschiedenen Beobachtersystemen.

richtig.

darum geht es. kinematik. und die gibt es nur mit zeit. darauf will ich hinaus.

Hi ich nochmal,

Ich habe eine Lösung für mein Problem gefunden:

Wenn ich meinen 3D-Raum habe und ich ein Objekt habe, welches sich im Raum nicht bewegt, heisst das ja nicht dass das objekt in sich selber sich nicht bewegt!

Jedes Objekt besteht ja aus Atomen mit ihren zugehörigen elektronen und neutronen, welche sich ja ständig bewegen. Wie z.B. der Laptop vorf mir, der zwar so tut als sei er still, aber er ist letztendlich auch in ewiger Bewegung mit seinen Atömchen.

Nun macht es denn auch für mich sinn davon zu sprechen, dass Bewegung den Raum AUFRECHTERHÄLT. Sobald die Bewegung wegfällt, muss konsequenterweise auch der Raum und die Zeit wegfallen.

Und achja: Ich bin so ein mystiker der das auch schon transzendiert hat und weiß, dass das alles Konzepte sind, dennoch:

Mein Verstand und mein Geist ringen um dieses Verstehen von der Abhängigkeit.

Liebe Grüße

Stell dir mal die Zeit vor als eine Art potenzial zur Veränderung. Wenn alles gleich ist und es keine Unterschiede mehr gibt (nichts mehr angehoben, nicht mehr schneller als das andere) dann kann sich auch nichts an diesem Zustand (alles gleich) ändern. Die Möglichkeit etwas zu ändern oder das Änderungen geschehen können ist das Potenzial der Zeit. Ich kann mir nicht vorstellen wie du so was aus einem raum mit Objekten nehmen kannst, du müsstest die Wechelwirkungs Prinzipien abschalten. Der raum entseht oder ist da weil ein körper da ist. Ist ein 2ter da so kann sich was ändern. zb. die position der beiden zu einander. Also kannst du diese änderung auch zeitlich ausdrücken m/s oder Zerfälle/s…
Man könnte sich einen ganz kleine zeit einheit anschaun so kurz das sich nichts geändert hat. Der raum und die objekte währen da. Das der Raum die Zeit beeinflusst oder die Bewegungen durch den Raum Auswirkungen, also Einfluss auf das Potenzial (die Zeit selbst), haben ist sicher richtig aber Zeit erzeugt nicht den raum sondern gibt Möglichkeiten der Änderung.
Norm

Zeit = subjektive Realität, objektive Illusion
Hi Candide.

Speziell der Zeitbegriff ist schon lange als Illusion
durchschaut, besonders in der asiatischen Mystik (z.B.
Vedanta).

Nichts gegen die Mystik, aber ich möchte noch hinzufügen, dass
auch die Ethnologie -oder auch die Soziologie- etwas
handfester von Kulturen weiß, die völlig andere
Zeit(vorstellung)en haben.

Sicher, aber auch diese anderen Vorstellungen bleiben immer noch Vorstellungen von „Zeit“, und damit „Anschauungsformen“ (oder wie immer man es auch nennen möchte).

Aus dieser Perspektive könnte man übrigens auch gegen
Kant und Piaget usw. argumentieren, und bestreiten, dass die
Zeit eine „Anschauungsform“ des menschlichen Geistes ist.

Worauf Kant hinaus will, ist, dass Zeit und Raum zum Subjekt gehören, sie sind die Formen (oder Dimensionen), in denen die Welt-Objekte dem Subjekt überhaupt erst erscheinen können. Ob die eine oder andere Kultur diese Formen in etwas anderer Weise strukturiert als der westliche Mensch, ändert nichts daran, dass Zeit und Raum „an-sich“ keine Objektivität haben.

Passt aber nicht wirklich zum Thema, da der UP ja eindeutig
nach den Zeit- und Raumvorstellungen im Kontext der modernen
Physik fragte.

Gerade in der modernen Physik ist aber viel von der Beobachter-(also Subjekt-)abhängigkeit von Erfahrung die Rede. Also passt es sogar sehr gut zum Thema.

http://www.focus.de/wissen/wissenschaft/bdw/tid 8332/physik_aid_229939.html
Zitat:
„Dieser Fluss der Zeit ist uns sehr vertraut und zugleich
äußerst rätselhaft – aber trotzdem wohl eine blanke Illusion.
Denn immer mehr Physiker und Philosophen kommen zu dem
Schluss, dass es die Zeit objektiv überhaupt nicht gibt.“

Nur weil es etwas nicht „objektiv“ gibt, also losgelöst von
menschlicher Subjektivität, ist es noch lange keine Illusion
oder weniger real.

Ich halte es mit dem Konstruktivismus (speziell dem radikalen), dass es Objektivität (im Sinne von Subjektunabhängigkeit) nicht geben kann, da „Objektivität“ immer nur ein Konsens zwischen Subjekten ist (also nichts anderes als Intersubjektivität). Wenn zwei Menschen ein Objekt gleich beschreiben, dann ist dieses angeblich „objektiv“. Das heißt aber nicht, dass dieses Objekt „real“ so ist, wie es die Subjekte beschreiben. Vielmehr hängt ihre Beschreibung von ihren Verstandeskategorien, ihren Sinnesorganen und natürlich ihren Zeit-und Raumvorstellungen ab.

Vermutlich geht obiger Verfasser von den gleichen Anschauungen und Begriffsdefinitionen aus.

Es ist also ein großer Unterschied, ob etwas intersubjektiv gültig ist oder „objektiv“ im Sinne von absolut real und beobachterunabhängig.

„Zeit“ ist ein intersubjektives Phänomen - nicht aber ein objektives. Als „Illusion“ kann man sie bezeichnen, weil es sie außerhalb des (inter)subjektiven Horizontes nicht gibt. Nennen wir sie eine Kollektiv-Illusion.

Worauf du vielleicht hinaus willst, ist, dass auch Illusionen konkrete Effekte haben können. Das ist unbestritten. Der Glaube an „Gott“ ist ein Beispiel dafür. Dieser Glaube hat ganze Jahrtausende geprägt. Was aber nicht heißt, dass sein Objekt real existiert.

Gruß

Horst

1 Like

Lieber Horst!

Nichts gegen die Mystik, aber ich möchte noch hinzufügen, dass
auch die Ethnologie -oder auch die Soziologie- etwas
handfester von Kulturen weiß, die völlig andere
Zeit(vorstellung)en haben.

Sicher, aber auch diese anderen Vorstellungen bleiben immer
noch Vorstellungen von „Zeit“, und damit „Anschauungsformen“
(oder wie immer man es auch nennen möchte).

Der Begriff „Anschauungsform“ ergibt nur im Kantschen Zusammenhang Sinn (in Abgrenzung zu den Verstandeskategorien etc.). Bei Kant sind die Anschauungsformen, überhaupt der menschliche Geist, aber sicher nicht Kultur-abhängig konzipiert.
Nur darauf wollte ich hinaus.

Passt aber nicht wirklich zum Thema, da der UP ja eindeutig
nach den Zeit- und Raumvorstellungen im Kontext der modernen
Physik fragte.

Gerade in der modernen Physik ist aber viel von der
Beobachter-(also Subjekt-)abhängigkeit von Erfahrung die Rede.
Also passt es sogar sehr gut zum Thema.

Ich glaube nicht, dass man bei der Beantwortung der Ursprungsfrage Kant oder Piaget braucht. War jetzt aber auch nicht sonderlich als Kritik gemeint, eher als Begründung, weshalb ich mich für die Beantwortung der Ursprungsfrage nicht qualifiziert fühle.

Es ist also ein großer Unterschied, ob etwas intersubjektiv
gültig ist oder „objektiv“ im Sinne von absolut real und
beobachterunabhängig.

kein Dissens

Worauf du vielleicht hinaus willst, ist, dass auch Illusionen
konkrete Effekte haben können. Das ist unbestritten.

Nein, mir ging es nur um den m.E. unsauberen Gebrauch des Begriffes Illusion. Wenn man den Begriff so gebraucht als ob dahinter etwas realeres stecken würde („nur Illusion“ und dergleichen), dann kann man ihn aber auch nicht mit einer konstruktivistischen Argumentation verteidigen.
Enten - Eller, du kennst das mit dem Pelz und dem Waschen …

Zu deinem obigen Satz fällt mir übrigens das alte Thomas-Theorem ein, das wir Soziologen damals alle im ersten Semester auswendig lernen mussten:
If men define situations as real, they are real in their consequences.

:wink:

_ ℂ Λ ℕ Ð I Ð € _

endlich eine ausrede:smile:
hi,

Es ist also ein großer Unterschied, ob etwas intersubjektiv
gültig ist oder „objektiv“ im Sinne von absolut real und
beobachterunabhängig.

„Zeit“ ist ein intersubjektives Phänomen - nicht aber ein
objektives. Als „Illusion“ kann man sie bezeichnen, weil es
sie außerhalb des (inter)subjektiven Horizontes nicht gibt.
Nennen wir sie eine Kollektiv-Illusion.

wenn ich das nächste mal zu spät zur arbeit komme, werde ich meinem chef sagen, dass mein mutmaßliches zuspätkommen nur eine kollektive illusion intersubjektiver beobachtung wäre.
in realität kann ich gar nicht zu spät gekommen sein:wink:

mal sehn, was er sagt:smile:

Kategorienverwechslung
Hi.

„Zeit“ ist ein intersubjektives Phänomen - nicht aber ein
objektives. Als „Illusion“ kann man sie bezeichnen, weil es
sie außerhalb des (inter)subjektiven Horizontes nicht gibt.
Nennen wir sie eine Kollektiv-Illusion.

wenn ich das nächste mal zu spät zur arbeit komme, werde ich
meinem chef sagen, dass mein mutmaßliches zuspätkommen nur
eine kollektive illusion intersubjektiver beobachtung wäre.
in realität kann ich gar nicht zu spät gekommen sein:wink:
mal sehn, was er sagt:smile:

Kleiner logischer Fehlschluss. Chef, Firma und Uhren sind empirische Phänomene innerhalb der intersubjektiv konstruierten Realität. In der Sphäre des von Kant behaupteten An-sich aber, in der es keine „objektive Zeit“ gibt, gibt es auch keinen „Chef“ und keinen „Chatairliner“, keine „Firma“ und keine „Uhren“.

Du kannst also nicht Aussagen über die zeitlose An-sich-Sphäre auf den Bereich empirischer Dinge und Sachverhalte übertragen. Wenn doch, dann wäre das eine Kategorienverwechslung.

Gruß

Horst

Hi Candide.

Sicher, aber auch diese anderen Vorstellungen bleiben immer noch Vorstellungen von „Zeit“, und damit „Anschauungsformen“ (oder wie immer man es auch nennen möchte).

Der Begriff „Anschauungsform“ ergibt nur im Kantschen Zusammenhang Sinn (in Abgrenzung zu den Verstandeskategorien etc.). Bei Kant sind die Anschauungsformen, überhaupt der menschliche Geist, aber sicher nicht Kultur-abhängig konzipiert.

Sie sind mit Sicherheit universal konzipiert. Wogegen auch nichts spricht. Der lineare Zeitbegriff ist sicher kulturübergreifend in dem Sinne, dass man überall und immer zwischen früher, jetzt und später, zwischen gestern, heute und morgen unterscheidet. Das reicht aus, um allen kulturellen Variationen der Zeitauffassung einen gemeinsamen Nenner zu unterstellen, der die Kant´sche Formel impliziert.

Dass die eine Kultur einen linearen Geschichtsbegriff hat und eine andere einen zirkulären, widerspricht dem nicht, denn innerhalb beider Vorstellungen gibt es das Prinzip das „Nacheinander“, und nichts anderes ist die Zeit, im Unterschied zum Raum, der das „Nebeneinander“ ist.

Was Kant und Piaget hier unterscheidet, ist vor allem, dass für Kant diese Anschauungsformen angeboren sind, für den viel moderneren Piaget aber erworben (per Interaktion des Subjekts mit der Umwelt).

Worauf du vielleicht hinaus willst, ist, dass auch Illusionen konkrete Effekte haben können. Das ist unbestritten.

Nein, mir ging es nur um den m.E. unsauberen Gebrauch des Begriffes Illusion.

Ich sehe da kein Problem. „Illusion“ verwende ich synonym mit Trugbild, Täuschung, falscher Eindruck usw. Wenn ich glaube, dass eine entfernte Gestalt ein Mensch ist, und stelle aus der Nähe fest, es ist eine Schaufensterpuppe, dann war die Interpretation als Mensch eine Illusion. Wenn ich glaube, dass Zeit real ist, weil es mir so vorkommt, dann sitze ich – im Sinne von Kant – einer Illusion auf.

Zu deinem obigen Satz fällt mir übrigens das alte Thomas-Theorem ein, das wir Soziologen damals alle im ersten Semester auswendig lernen mussten: If men define situations as real, they are real in their consequences.

Der originale Satz soll lauten:

„It is not important whether or not the interpretation is correct–if men define situations as real, they are real in their consequences.“

Davon können beispielsweise die Opfer der christlichen Inquisition ein Lied singen.

Gruß

Horst

Lieber Horst!

Der Begriff „Anschauungsform“ ergibt nur im Kantschen Zusammenhang Sinn (in Abgrenzung zu den Verstandeskategorien etc.). Bei Kant sind die Anschauungsformen, überhaupt der menschliche Geist, aber sicher nicht Kultur-abhängig konzipiert.

Sie sind mit Sicherheit universal konzipiert.

Eben.

Wogegen auch
nichts spricht. Der lineare Zeitbegriff ist sicher
kulturübergreifend in dem Sinne, dass man überall und immer
zwischen früher, jetzt und später, zwischen gestern, heute und
morgen unterscheidet.

Nein, das denke ich nicht, das wäre aber eher eine empirische ethnologische Diskussion.

Was Kant und Piaget hier unterscheidet, ist vor allem, dass
für Kant diese Anschauungsformen angeboren sind, für den viel
moderneren Piaget aber erworben

Naja, vielleicht - oder nicht :wink:

Schließlich kommt jedem wie von selbst die Frage, ob beide Begriffe [Raum, Zeit] angeboren oder erworben seien. Das letztere scheint zwar durch das Bewiesene schon widerlegt, das erstere aber ebnet einer Philosophie der Faulen den Weg, die jede weitere Nachforschung durch Berufung auf die erste Ursache für unnütz erklärt, und darf daher nicht so aufs Geratewohl zugelassen werden. Die Begriffe von Raum und Zeit sind erworben …

Kant, De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis, § 15 Von dem Raume

*lach*
„Philosophie der Faulen“, vulgo: Biologismus …
Das muss ich mir unbedingt merken :wink:

Ich sehe da kein Problem. „Illusion“ verwende ich synonym mit
Trugbild, Täuschung, falscher Eindruck usw.

Genau darin liegt das Problem.
Wenn man von einem Trugbild spricht, dann spricht man automatisch zugleich auch von einem „wahren Bild dahinter“.
Das ist soweit schon ok, dann kann man aber nicht sein Sprechen über Illusionen bzw. Trugbilder mit Verweisen auf eine der vielen Spielarten des Konstruktivismus rechtfertigen, der gerade diese Annahme eines „wahren Bildes dahinter“ eindeutig verwirft.
Um nichts anderes ging es mir.

_ ℂ Λ ℕ Ð I Ð € _

Kant und der Schleier der Maya
Hi Candide.

Der lineare Zeitbegriff ist sicher
kulturübergreifend in dem Sinne, dass man überall und immer
zwischen früher, jetzt und später, zwischen gestern, heute und
morgen unterscheidet.

Nein, das denke ich nicht, das wäre aber eher eine empirische
ethnologische Diskussion.

Trotzdem wäre schon ein einziges Gegenbeispiel hilfreich.

Was Kant und Piaget hier unterscheidet, ist vor allem, dass
für Kant diese Anschauungsformen angeboren sind, für den viel
moderneren Piaget aber erworben

Naja, vielleicht - oder nicht :wink:

Ok, Kant konstruiert eine kleine Zwischenetappe, die es ihm erlaubt, die Anschauungsformen als nicht-angeboren zu bezeichnen. Im Endeffekt läuft es aber doch auf Angeborenheit hinaus.

Kant in der KrV:

„Es muß aber doch ein Grund dazu im Subjekte sein, der es möglich macht, daß die gedachten Vorstellungen so und nicht anders entstehen und noch dazu auf Objekte, die noch nicht gegeben sind, bezogen werden können, und dieser Grund wenigstens ist angeboren.“ (genaue Stelle im Moment nicht feststellbar)

„Illusion“ verwende ich synonym mit
Trugbild, Täuschung, falscher Eindruck usw.

Genau darin liegt das Problem.
Wenn man von einem Trugbild spricht, dann spricht man
automatisch zugleich auch von einem „wahren Bild dahinter“.
Das ist soweit schon ok, dann kann man aber nicht sein
Sprechen über Illusionen bzw. Trugbilder mit Verweisen auf
eine der vielen Spielarten des Konstruktivismus rechtfertigen,
der gerade diese Annahme eines „wahren Bildes dahinter“
eindeutig verwirft.

Eine ähnliche Debatte hatten wir schon mal in Sachen Sprache und Wirklichkeit. Im jetzigen Zusammenhang führt die Opposition Trugbild vs. Wahres Bild, denke ich, in die Irre. Denn hier setzt das Trugbild kein wahres Bild voraus, eben weil die An-sich-Sphäre, also die der Zeit- und Raumlosigkeit, nicht in Bilder gefasst werden kann. Zwischen Trugbild und Bild gibt es also gar keinen Unterschied, jedes Bild ist apriori eine Illusion. Von Trugbildern spricht man auch im Hinduismus (Maya, die Welt der Illusion vs. Brahman, die wahre Wirklichkeit).und im Buddhismus (Samsara vs. Nirvana).

Das einzige, was man über die transkategorialen Sphäre sagen kann, ist das, was sie n i c h r sind oder haben. Und sie sind eben nicht zeitlich und räumlich. Zeit und Raum sind leere Formen, die mit Dingen und Ereignissen gefüllt werden – so sieht es das Alltagssubjekt. Das ist aber illusionär. Denn in der absoluten Wirklichkeit gibt es keine Leerstellen, kein Vakuum, kein Werden und kein Vergehen.

Also weder Raum noch Zeit.

Das widerspricht nicht dem Konstruktivismus. Denn es geht hier nicht um falsche vs. wahre Zeit, sondern um Zeit vs. Zeitlosigkeit. „Zeit“ wird konstruiert – von einem menschlichen Geist, der in seinem Innersten identisch mit Brahman, dem Zeitlosen, ist (vedantisch formuliert).

http://en.wikipedia.org/wiki/Maya_(illusion)

"Maya in Hindu philosophy

In Advaita Vedanta philosophy, Maya is the limited, purely physical and mental reality in which our everyday consciousness has become entangled. Maya is held to be an illusion, a veiling of the true, unitary Self — the Cosmic Spirit also known as Brahman. The concept of Maya was introduced by the great ninth century Hindu philosopher Adi Shankara.[2] Many philosophies or religions seek to „pierce the veil“ of Maya in order to glimpse the transcendent truth, from which the illusion of a physical reality springs, drawing from the idea that first came to life in the Hindu stream of Vedanta.

Maya is neither true nor untrue. Since Brahman is the only truth, Maya cannot be true. Since Maya causes the material world to be seen it is true in itself but is untrue in comparison to the Brahman. On the other hand, maya is not false. It is true in itself but untrue in comparison with the absolute truth.“

Gruß

Horst

Zeit und der Gebrauch des Begriffs der Illusion
Lieber Horst!

Der lineare Zeitbegriff ist sicher
kulturübergreifend in dem Sinne, dass man überall und immer
zwischen früher, jetzt und später, zwischen gestern, heute und
morgen unterscheidet.

Nein, das denke ich nicht, das wäre aber eher eine empirische
ethnologische Diskussion.

Trotzdem wäre schon ein einziges Gegenbeispiel hilfreich.

Nur ein Zitat, das zeigt, dass das nicht meine persönliche fixe Idee ist, denn man müsste das in breiterem Rahmen ausführen, um dem Gedanken gerecht werden zu können:

[Norbert] Elias wendet sich zunächst gegen die Alltagsvorstellung, die Zeit sei eine … selbständig existierende Gegebenheit jenseits der Entwicklung des sozialen Wissens der Menschen … Indem er zeigt, dass die Zeit keine apriorische Gegebenheit der menschlichen Natur ist (Kant), widerlegt Elias in seiner Untersuchung über die Zeit [Elias, „Über die Zeit“, 1984] wichtige Grundannahmen der klassischen europäischen Philosophie … Zeit ist nach Elias … das Ergebnis eines langen, anfangslosen Lernprozesses der Menschheit.

Baumgart/Eichener, Norbert Elias zur Einführung, Junius

Was Kant und Piaget hier unterscheidet, ist vor allem, dass
für Kant diese Anschauungsformen angeboren sind, für den viel
moderneren Piaget aber erworben

Naja, vielleicht - oder nicht :wink:

Ok, Kant konstruiert eine kleine Zwischenetappe, die es ihm
erlaubt, die Anschauungsformen als nicht-angeboren zu
bezeichnen. Im Endeffekt läuft es aber doch auf Angeborenheit
hinaus.

Kant in der KrV:

„Es muß aber doch ein Grund dazu im Subjekte sein, der es
möglich macht, daß die gedachten Vorstellungen so und nicht
anders entstehen und noch dazu auf Objekte, die noch nicht
gegeben sind, bezogen werden können, und dieser Grund
wenigstens ist angeboren.“ (genaue Stelle im Moment nicht
feststellbar)

Schon klar, ich hab das ja auch aus humoristischen Gründen zitiert. Dennoch ist die Frage erworben-angeboren bei Kant m.E. durchaus komplexer Natur.

Eine ähnliche Debatte hatten wir schon mal in Sachen Sprache
und Wirklichkeit.

Das hatten wir nun schon ein paar mal.

Im jetzigen Zusammenhang führt die
Opposition Trugbild vs. Wahres Bild, denke ich, in die Irre.
Denn hier setzt das Trugbild kein wahres Bild voraus, eben
weil die An-sich-Sphäre, also die der Zeit- und Raumlosigkeit,
nicht in Bilder gefasst werden kann. Zwischen Trugbild und
Bild gibt es also gar keinen Unterschied, jedes Bild ist
apriori eine Illusion.

Völlig einverstanden, dann verbietet sich aber m.E. erstens ein Begriffsgebrauch wie „nur Illusion“, weil er genau diesen obigen Gedanken wegsuggeriert.

Zum zweiten verbieten sich dann Beispiele wie die mit der „Schaufensterpuppe“, die als empirisch verifizierbare Illusionen sich so sehr von der Zeitlichkeit-als-Illusion unterscheiden, dass selbst die Begriffsgleichheit schon irreführend ist.

Das widerspricht nicht dem Konstruktivismus. Denn es geht hier
nicht um falsche vs. wahre Zeit, sondern um Zeit vs.
Zeitlosigkeit.

Der sog. Radikale Konstruktivismus denkt auf keinen Fall die Zeitlosigkeit als ontischen Urgrund, und Zeit als Konstruktion eines menschlichen Geistes.

_ ℂ Λ ℕ Ð I Ð € _

Uneinigkeit bei den Ethnologen über Hopi-Zeit
Hi Candide.

(Zitat) „[Norbert] Elias wendet sich zunächst gegen die Alltagsvorstellung, die Zeit sei eine … selbständig existierende Gegebenheit jenseits der Entwicklung des sozialen Wissens der Menschen …“

Um nichts anderes geht es mir ja hier, als genau darauf hinzuweisen. Besagte „Alltagsvorstellung“ übrigens kann man auch als „Illusion“ bezeichnen. Ich glaube nicht, dass Elias das als inadäquat empfände.

Es gibt natürlich ein klassisches Gegenbeispiel gegen die These, „Zeit“, vor allem lineare Zeit, sei eine universale Kategorie: die Hopi-Indianer. Schon Whorf hat in den 50ern versucht, anhand der Hopi-Sprache nachzuweisen, dass Sprache die Wahrnehmung der Welt determiniert.

Hier zwei konträre Zitate zu diesem Thema:

http://www.likatien.de/likatien/hopisprache.php/cPat…

„Die Art des Denkens und Sprechens ist in der Hopi-Sprache in einer sehr eindrücklichen Form verschieden von benachbarten Sprachfamilien: Die Hopisprache kennt keine Trennung von Raum und Zeit. Zeit spielt bei ihnen keine Rolle, sie existiert so auch in ihrer Sprache nicht, d.h. es existiert kein Wort für die Zeit als ein gleichmäßig fliessendes Kontinuum … Bei den Hopi existiert z.B. ein ganz anderes Zeitgefühl als bei uns. Ihr Zeiterleben ist nicht linear, sondern wohl als ganze Wirklichkeit in zyklischen Bewegungen.
Die Hopisprache enthält keine Wörter, grammatischen Formen, Konstruktionen oder Ausdrücke, die sich direkt auf das beziehen, was wir „Zeit“ nennen. Sie bezieht sich weder auf Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft, noch auf Dauern oder Bleiben …“

Zitat Ende.

Ein schneller Blick ins Wiki zeigt dann aber, dass es sooo un-zeitlich bei den Hopi nun auch wieder nicht zugeht:

http://de.wikipedia.org/wiki/Hopi

Zitat:

„Die Hopi sprechen einen Dialekt aus der uto-aztekischen Sprachfamilie. Der Bonner Sprachwissenschaftler Helmut Gipper untersuchte den Zeitbegriff der Hopi und fand heraus, dass diese Raumbezeichnungen verwenden, um Zeitliches auszudrücken. Die Hopi-Sprache hat also durchaus Bezeichnungen für gestern, heute, morgen und die Tageszeiten, entgegen einer weit verbreiteten Vereinfachung von Benjamin Whorf.“

Zitat Ende.

Vielleicht ist es also nur eine von manchen Ethnologen gehegte Illusion, die lineare Zeitvorstellung sei nicht universal.

Zum zweiten verbieten sich dann Beispiele wie die mit der „Schaufensterpuppe“, die als empirisch verifizierbare Illusionen sich so sehr von der Zeitlichkeit-als-Illusion unterscheiden, dass selbst die Begriffsgleichheit schon irreführend ist.

Claro, das mit der Puppe passte nicht im Kontext der Opposition Zeit / Zeitlosigkeit.

Das widerspricht nicht dem Konstruktivismus. Denn es geht hier nicht um falsche vs. wahre Zeit, sondern um Zeit vs. Zeitlosigkeit.

Der sog. Radikale Konstruktivismus denkt auf keinen Fall die Zeitlosigkeit als ontischen Urgrund, und Zeit als Konstruktion eines menschlichen Geistes.

Mein obiges „hier“ bezieht sich auf unser Thema „Zeit = Illusion?“, nicht auf den Konstruktivismus.

Natürlich basiert der Radikale Konstruktivismus nicht auf solchen Vorstellungen, aber einige seiner prominenten Vertreter neig(t)en sehr deutlich zum Buddhismus, beispielsweise Maturana und Varela, beide definitive Buddhisten, was bedeutet, dass sie von einer Wirklichkeitsdimension der Zeitlosigkeit (in diesem Fall „Nirvana“) überzeugt waren.

Und da Wirklichkeit, von der „Zeit“ ja ein Teil ist, eine Konstruktion des subjektiven Geistes ist (Wilber kritisiert am RK, dass dieser die Intersubjektivität vernachlässigt), ist mir nicht klar, wieso du abstreitest, dass – ich zitiere - der RK die„ Zeit als Konstruktion eines menschlichen Geistes“ auffasst. Oder verstehe ich dich da falsch?

Gruß

Horst

Die Ethnologie der Zeit
Lieber Horst!

  • Elias: Nein, als Wissenssoziologe hält er Alltagsvorstellungen grundsätzlich nicht für „Illusionen“. Er ist ja kein Philosoph, erst recht kein deutsch-idealistischer.

  • Hopi: ja, das Beispiel kenne ich. Daran dachte ich aber gar nicht. Ich dachte z.B. an die „Traumzeit“ der Aborigines, an den „Geruchskalender“ der Andamanen usw. Dazu gibts ja Forschung en masse.

Vielleicht ist es also nur eine von manchen Ethnologen gehegte
Illusion, die lineare Zeitvorstellung sei nicht universal.

Du immer mit deinen Illusionen … :wink:

Wir sprechen doch hier vom Grundproblem überhaupt jeder ethnologischen oder auch soziologischen Forschung:
Inwieweit lege ich bei der Beobachtung des Fremden meine eigenen Beobachtungsmuster in das Beobachtete hinein und verdoppele so mich selbst anstatt das Andere zu erkennen?

Ohne jeden Zweifel kann man bei den Hopi, bei den Andamanen, bei den Aborigines lineare Zeitvorstellungen erkennen. Das sagt aber nicht zwingend etwas über deren Universalität aus, sondern erstmal darüber, dass wir (als Beobachter dieser Kulturen) Zeit und Zeitvorstellungen eben nicht anders erkennen können denn als lineare Zeit.

Ich denke, hier besteht ein gewisser (Interpretations)Spielraum, in dem man wunderbar empirische Forschung betreiben kann. Da bringt es einfach nichts, zu sagen (überspitzt): Ist doch klar, das ist universal, und alles andere ist Illusion, sagt doch schon Kant.

Zugegebenerweise (siehe mein Zitat zu Elias im letzten Post) bringt es auch nichts, zu glauben, mit solcher ethnologischer Forschung Kant widerlegen zu können.
Das ist schlicht eine Verwechslung der Ebenen.

Auf der anderen Seite neige ich persönlich halt sehr dazu, die großen Philosophen wissenssoziologisch zu lesen, sprich als Kinder ihrer Zeit, die die kontingenten Alltagsvorstellungen ihrer Kultur ins Transcendentale projizieren und so sich selbst zum „Menschen überhaupt“ verdoppeln.
Extrembeispiel: Hegel (der das immerhin aber auch zugleich weitgehend durchschaut und thematisiert hat, nicht umsonst beruft sich die Wissenssoziologie auf ihn als vielleicht den wichtigsten Proto-Wissenssoziologen.)

Natürlich basiert der Radikale Konstruktivismus nicht auf
solchen Vorstellungen, aber einige seiner prominenten
Vertreter neig(t)en sehr deutlich zum Buddhismus,
beispielsweise Maturana und Varela, beide definitive
Buddhisten, was bedeutet, dass sie von einer
Wirklichkeitsdimension der Zeitlosigkeit (in diesem Fall
„Nirvana“) überzeugt waren.

Von mir aus, in M. und V. erschöpft sich aber weder der Radikale Konstruktivismus, schon gar nicht das konstruktivistische Denken als solches.

Die „Wirklichkeitsdimension der Zeitlosigkeit“ ist im übrigen ja auch etwas, das unserer christlich geprägten Kultur nicht gerade fremd ist …

(Wilber kritisiert am
RK, dass dieser die Intersubjektivität vernachlässigt)

berechtigte Kritik ohne Frage.

ist
mir nicht klar, wieso du abstreitest, dass – ich zitiere - der
RK die„ Zeit als Konstruktion eines menschlichen Geistes“
auffasst. Oder verstehe ich dich da falsch?

Weil er weiß, dass der „menschliche Geist“ sich durch seine Konstruktionen selbst konstruiert und kein durchgängiger, ahistorischer ist.

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Mind, spirit, illusions
Hi Candide.

Sorry für die Verspätung, hatte gestern keine Zeit.

  • Elias: Nein, als Wissenssoziologe hält er
    Alltagsvorstellungen grundsätzlich nicht für „Illusionen“. Er
    ist ja kein Philosoph, erst recht kein deutsch-idealistischer.

Du hattest zitiert: „[Norbert] Elias wendet sich zunächst gegen die Alltagsvorstellung, die Zeit sei eine … selbständig existierende Gegebenheit jenseits der Entwicklung des sozialen Wissens der Menschen …“

Elias wendet sich dagegen, weil er sie für falsch hält. Und wenn diese Alltagsvorstellung falsch ist, dann i s t sie eben illusionär. Was ist so schlimm an dieser Bezeichnung? Die allermeisten Menschen sind doch so prall mit Illusionen, das man ihnen d i e s e auch noch zugestehen kann :smile:

Vielleicht ist es also nur eine von manchen Ethnologen gehegte
Illusion, die lineare Zeitvorstellung sei nicht universal.

Du immer mit deinen Illusionen … :wink:

Du meinst wohl „mit den Illusionen der anderen“ …

Ich denke, hier besteht ein gewisser
(Interpretations)Spielraum, in dem man wunderbar empirische
Forschung betreiben kann. Da bringt es einfach nichts, zu
sagen (überspitzt): Ist doch klar, das ist universal, und
alles andere ist Illusion, sagt doch schon Kant.

Nein, gerade diese universale Zeitvorstellung i s t doch die Illusion, von der ich rede.

Auf der anderen Seite neige ich persönlich halt sehr dazu, die
großen Philosophen wissenssoziologisch zu lesen, sprich als
Kinder ihrer Zeit, die die kontingenten Alltagsvorstellungen
ihrer Kultur ins Transcendentale projizieren und so sich
selbst zum „Menschen überhaupt“ verdoppeln.

Das sehe ich aber weder z.B. bei Kant noch bei Hegel. Was die sich dachten, erhebt sich um mindestes 8000 Lichtjahre über die „kontingenten Alltagsvorstellungen“.

Von mir aus, in M. und V. erschöpft sich aber weder der
Radikale Konstruktivismus, schon gar nicht das
konstruktivistische Denken als solches.

Sind aber herausragende Beispiele dafür, der der RK mit der Spiritualität „kann“.

Die „Wirklichkeitsdimension der Zeitlosigkeit“ ist im übrigen
ja auch etwas, das unserer christlich geprägten Kultur nicht
gerade fremd ist …

Keinesfalls aber beim offiziellen Christentum. Hier ist von zeitlicher Ewigkeit die Rede, nicht von Zeitlosigkeit. Nur ein zeitlicher „Gott“ hatte überhaupt die Zeit, sich zu entscheiden, die Welt zu erschaffen („Draygombs Paradoxon“). Also ist und war der christliche „Gott“ nie zeitlos.

Die christlichen Outsider (die Mystiker), ja die redeten von Zeitlosigkeit usw. Jedenfalls solange die Kirche nicht ihre Zunge abschneiden ließ …

ist
mir nicht klar, wieso du abstreitest, dass – ich zitiere - der
RK die„ Zeit als Konstruktion eines menschlichen Geistes“
auffasst. Oder verstehe ich dich da falsch?

Weil er weiß, dass der „menschliche Geist“ sich durch seine
Konstruktionen selbst konstruiert und kein durchgängiger,
ahistorischer ist.

Jetzt sind wir wieder im Thema „philosophy of mind“, das ich kürzlich gepostet hatte. Könnte es sein, dass du oben „spirit“ mit „mind“ verwechselst? In transpersonaler Sicht jedenfalls ist mind nur eine Manifestation von spirit und von diesem nicht und nie getrennt. Also ist Geist (spirit) immer auch die „durchgängie, ahistorische“ Quelle von Geist (mind).

Gruß

Horst

Lieber Horst!

Sorry für die Verspätung, hatte gestern keine Zeit.

gar kein Problem.

Du hattest zitiert: „[Norbert] Elias wendet sich zunächst
gegen die Alltagsvorstellung, die Zeit sei eine …
selbständig existierende Gegebenheit jenseits der Entwicklung
des sozialen Wissens der Menschen …“
Elias wendet sich dagegen, weil er sie für falsch hält. Und
wenn diese Alltagsvorstellung falsch ist, dann i s t sie eben
illusionär. Was ist so schlimm an dieser Bezeichnung?

Gar nichts ist daran schlimm, dennoch ist die Bezeichnung hier schlicht unangebracht, weil es für einen Wissenssoziologen per definitionem kein illusionäres bzw. falsches Wissen geben kann, zumindest nicht in diesem ontologischen Sinn, den wir hier diskutieren.

Das Zitat von B./E. ist zugegebenermaßen durch und durch blöd formuliert. Den Unfung im zweiten Teil mit der „Widerlegung Kants“ hatte ich ja selbst schon bemängelt.

Vielleicht ist es also nur eine von manchen Ethnologen gehegte
Illusion, die lineare Zeitvorstellung sei nicht universal.

Du immer mit deinen Illusionen … :wink:

Du meinst wohl „mit den Illusionen der anderen“ …

:wink:

Auf der anderen Seite neige ich persönlich halt sehr dazu, die
großen Philosophen wissenssoziologisch zu lesen, sprich als
Kinder ihrer Zeit, die die kontingenten Alltagsvorstellungen
ihrer Kultur ins Transcendentale projizieren und so sich
selbst zum „Menschen überhaupt“ verdoppeln.

Das sehe ich aber weder z.B. bei Kant noch bei Hegel. Was die
sich dachten, erhebt sich um mindestes 8000 Lichtjahre über
die „kontingenten Alltagsvorstellungen“.

Ich nicht. Gerade Hegel sieht sich doch sogar selbst als „Kind seiner Zeit“.
Dass ich -ebenfalls in Übereinstimmung mit Hegel- den Philosophen eine gewisse Distanz zu den Alltagsvorstellungen zubillige, ist schon klar, allerdings keine Lichtjahre. Der gemeine Philosoph stammt ja auch nicht vom Sirius.

Von mir aus, in M. und V. erschöpft sich aber weder der
Radikale Konstruktivismus, schon gar nicht das
konstruktivistische Denken als solches.

Sind aber herausragende Beispiele dafür, der der RK mit der
Spiritualität „kann“.

Ich denke, jede Philosophie „kann“ prinzipiell mit der Spiritualität. Selbst der Urvater des Positivismus, Auguste Comte, hat das schon an sich selbst gezeigt :wink:

Weil er weiß, dass der „menschliche Geist“ sich durch seine
Konstruktionen selbst konstruiert und kein durchgängiger,
ahistorischer ist.

Jetzt sind wir wieder im Thema „philosophy of mind“, das ich
kürzlich gepostet hatte. Könnte es sein, dass du oben „spirit“
mit „mind“ verwechselst?

Geist (spirit) immer auch die
„durchgängie, ahistorische“ Quelle von Geist (mind).

Ich weiß nicht, wer von den Radikalen Konstruktivisten (da gibts ja doch einige, die man so labelt) einen Geist im Sinne von spirit denkt.
Maturana&Varela?

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