Träume sind Schäume?

Hallo zusammen,

ich schreibe hier im Namen meiner Schwester, denn sie „leidet“ seit ca einem Jahr unter einem bestimmten Traum:

Sie befindet sich in einer Art Schule, Lehrgang oder Ähnlichem, sie stellt fest, dass eine Prüfung ansteht, jedoch keine Unterlagen zur Vorbereitung besitzt oder auch nur einen kleinen Fitzel gelernt hat, während alle anderen scheinbar ihre sieben Sachen dabei haben und auch darauf vorbereitet sind.
Weil sie das so irritiert, daß der Traum immer wieder kehrt (sie lebt in einer gesunden Partnerschaft, wird bald 28 Jahre alt), hab ich ihr angeboten, mal hier nachzufragen. Weiss jemand über sowas bescheid oder bin ich hier total falsch?

Gruß, Heidi

Hallo Heidi

sie lebt in einer gesunden Partnerschaft, wird bald 28 Jahre
alt), hab ich ihr angeboten, mal hier nachzufragen.

Mit einer gesunden Partnerschaft hat der Traum wenig zu tun, sondern weitaus eher mit dem Selbstwertproblem Deiner Schwester, welches tiefer liegen dürfte. Eine „sich ständig unter Prüfungsstress“ fühlende Persönlichkeit träumt halt (auch jenseits von realen Prüfungssituationen) oft sokche Prüfungssituation. Dieses „keine Unterlagen haben“ (!) und Sich-nicht-vorbereitet-fühlen weist auf eine labile Basis der Persönlichkeit (und Ich-Entwicklung) hin.
Hat Deine Schwetser mal über eine Therapie nachgedacht? Wär wahrscheinlich nicht zu ihrem Schaden.
Es grüßt Dich
Branden

Nananana Branden,

vielleicht bedeutet es auch nur, dass sie sich auf bald anstehende
Lebensprüfungen vorbereiten soll. Bereitmachen und stärken.

Angel

Hallo Angel

vielleicht bedeutet es auch nur, dass sie sich auf bald
anstehende
Lebensprüfungen vorbereiten soll. Bereitmachen und stärken.

Das wäre durchaus so zu interpretieren, wenn die Schwester sich in realen Prüfungssituationen befände oder sichtbare (Lebens-)Prüfungs-ähnliche Veränderungen in naher Zukunft zu erwarten hätte. Aber die Posterin hat deutlich mitgeteilt, dass dem nicht so ist, sondern dass ihre Schwester seit enem Jahr wiederholt Prüfungsträume hat, OHNE in einer derartigen Situation zu stecken. Also ist die gante Geschichte als LATENTE „Dauer-Prüfung“ zu verstehen und also so zu deuten, wie ich es oben vorschlug. :wink:
Gruß,
Branden

Aber die Posterin hat deutlich mitgeteilt,
dass dem nicht so ist, sondern dass ihre Schwester …

Wenn das Außenstehende (auch Schwestern) überhaupt
beurteilen können!!!

Angel

Wenn das Außenstehende (auch Schwestern) überhaupt
beurteilen können!!!

Natürlich - aber man kann immer nur das beurteilen, was einem „vorgelegt“ wird. Mehr ist schlichtweg nicht möglich - insbesondere bei dieser Art „Beratung“ hier im internet. :wink:

Traum ohne Schaum
Hi Heidi,

der von dir in zitierter Rede wiedergegebene Traumbericht weist auf einen Traum typ hin, den man sozusagen als Standardtraum bezeichnen könnte. Andere solche Standardträume sind zum Beispiel solche,

  • in denen der Träumende fliegen, schweben kann (eine Treppe hinunter oder durchs Fenster auf die Straße)

  • in denen der Träumende es eilig hat, aber nicht von der Stelle wegkommt, obwohl er sich vom Boden abzustemmen versucht

  • in denen dem Träumenden die Zähne grundlos ausfallen

  • in denen der Träumende sich nochmal in einem ersten Schuljahr befindet, obgleich er sich so erwachsen sieht, wie er real ist, und die Aufgabe hat, damals versäumte „Grundlagen“ nachzulernen.

Solche Träume können, wie andere auch, zeitweilig auch gehäuft auftreten. Wie bei jedem anderen Traum ist aber eine Schlußfolgerung daraus (oder was manche eben „Deutung“ nennen) ohne direkten Dialog mit dem Träumer absolut unsinnig - insbesondere die Vermutung einer „labilen Basis der Persönlichkeit (und Ich-Entwicklung)“. Siehe dazu mein FAQ:286

Die Erfahrung aus Dialogen mit Träumenden selbst über ihre (eigenen!) Traumberichte lehrt, daß es sehr wohl sein könnte , daß sich hier jemand aktuell in einer Phase kontextbezogenen Unzulänglichkeitsgefühls sieht. Ob das aber tatsächlich so ist, könnte sich bestenfalls aus einem direkten Dialog spezifischer Art erhellen. Darin spielt dann die gemeinsame Arbeit zum Beispiel an von Träumer selbst gewählten Formulierungen eine Rolle, durch deren Hinterfragung der Träumer dann manchmal auf eine tatsächliche aktuelle Problematik aufmerksam wird, die dann weiter bearbeitet werden kann.

Über einen bloß zitierten Traumbericht ohne Rückfragemöglichkeit ist jedoch wirklich jede Spekulation absolut sinnlos - erst recht, wenn der Träumer ein unbeteiligter Dritter ist.

Gruß

Metapher

Hallo Frau Kraus,

die Ursache könnten Versagens- oder Leistungsängste sein. Insofern stimme ich Dr. Schmidt-Branden durchaus zu. Man müßte sich aber mit Ihrer Schwester einmal näher darüber unterhalten.

Ich bin zwar kein Freund psychoanalytischer Traumdeutungen, aber falls Sie sie speziell in Bezug auf den Prüfungstraum interessieren sollten, gebe ich hier eine Stelle aus Silberers „Probleme der Mystik und ihrer Symbole“ wieder. Den Abschnitt halte ich - bis auf die Assoziationen zur Sexualität - für beachtenswert.

„Was nun die Prüfungsszene selbst betrifft, bis zu der wir in unserer fortschreitenden Betrachtung der Erzählung vorgedrungen sind, kann ein häufig auftretender Traumtypus zur Interpretation herangezogen werden: der Prüfungstraum. Fast jeder Mensch, der schwierige Examina durchzumachen hatte, erlebt auch noch in späterer Zeit, wo die Mittelschul- oder Hochschulprüfungen längst hinter ihm liegen, quälende Träume, die mit der Angst vor einer Prüfung erfüllt sind. Freud (Trdtg., S. 196 f.) spricht aus, daß derlei Träume vor allem die unauslöschlichen Erinnerungen an die Strafen sind, die wir in der Kindheit für verübte Untaten erlitten haben, und die sich dann an den „Knotenpunkten unserer Studien, an der Dies irae, Dies illa der strengen Prüfungen in unserem Innern wieder geregt haben.“ Nachdem wir aufgehört haben, Schüler zu sein, sind es nicht mehr wie zuerst die Eltern und Erzieher oder später die Lehrer, die unsere Bestrafung besorgen: die unerbittliche Kausalverkettung des Lebens hat unsere weitere Erziehung übernommen, und nun träumen wir von der Matura oder von dem Rigorosum, sooft wir erwarten, daß der Erfolg uns bestrafen werde, weil wir etwas nicht recht gemacht, nicht ordentlich zustande gebracht haben, sooft wir den Druck einer Verantwortung fühlen. Zu beachten ist ferner die Erfahrung Stekels, die auch durch die Praxis anderer Psychanalytiker bestätigt wurde, daß Maturitätsträume recht häufig dann auftreten, wenn eine Probe der sexuellen Leistungsfähigkeit bevorsteht. Der Doppelsinn des Wortes „Matura“ (das ja auch geschlechtliche Reife bedeuten kann) mag dabei als Wortbrücke für die Assoziation mit in Betracht kommen. Im allgemeinen wären also die Prüfungsträume Äußerungen einer Angst, etwas nicht recht zu tun oder nicht recht tun zu können; im besonderen ein Ausdruck der Impotenzbefürchtung. Es muß gleich hier vermerkt werden, daß nicht bloß im ersteren, sondern auch im letzteren Falle die Befürchtung vorzugsweise einer psychischen Hemmung gelten wird“
(aus: Silberer, H. [1914]. Probleme der Mystik und ihrer Symbolik. Heller).

Grüße,

Oliver Walter

Hallo Metapher,
habe aus deinem posting wieder einmal etwas gelernt. Traumtyp-Standardtraum.
Hatte vor kurzem nämlich so einen „Standardtraum“ - fliegen, schweben - und zwar durchs Fenster auf die Straße! Ich saß dabei allerdings auf einem Sessel (Stuhl in „eurer“ deutschen Sprache - nur damit du dir das Richtige vorstellen kannst :wink:)

Nur als kleines Beispiel für interessierte Leser, wie ich meinen Traum im Dialog mit mir bearbeitet habe: ich rief mir das Gefühl, das ich im Traum hatte, in Erinnerung. Ich saß sehr sicher auf diesem Sessel, schaute mir die Straße von oben an, verspürte keine Angst.

Ich hielt mich rechts und links an der Sitzfläche fest und sagte mir im Traum:
halt ruhig, beweg dich nicht, fang nicht an zu zappeln, sitz einfach da, wart ab, dann passiert dir nichts.

Auf einen Satz reduziert:
Solange du dich nicht bewegst, kann gar nichts passieren.

Dann kam natürlich die unvermeidliche Frage: hat das was mit deinem Leben zu tun? Wo in deinem Alltag schleicht sich ein solcher Gedanke ein? Gilt es irgendwo für den Moment stillzuhalten?

Und das war dann eigentlich schon die Auflösung, die Botschaft dieses Traumes.

Schöne Grüße
Irene

  • in denen der Träumende fliegen, schweben kann (eine Treppe
    hinunter oder durchs Fenster auf die Straße)

.

ohne direkten Dialog mit dem Träumer absolut unsinnig -
dann die gemeinsame Arbeit zum Beispiel an von Träumer selbst
gewählten Formulierungen eine Rolle, durch deren Hinterfragung
der Träumer dann manchmal auf eine tatsächliche aktuelle
Problematik aufmerksam wird, die dann weiter bearbeitet werden
kann.

Hallo Angel,

Wenn das Außenstehende (auch Schwestern) überhaupt
beurteilen können!!!

Normalerweise neige ich auch zu deiner Art der Sichtweise, die eher nicht psychologisierend ist. Aber in diesem Fall muss ich Branden recht geben: Er geht auf das ein, was ihm vorgelegt wird und interpretiert es als Fachmann. So what?

Gruß

Hermann