Hallo Leute.
Die Sache mit der Kausalität wird vielleicht einfacher verständlich, wenn man nicht mit Formeln rumrechnet und durch Null teilt und so tolle Sachen, sondern das „Minkowski-Diagramm“ verwendet. Es stellt die Bewegung von Objekten im Prinzip in einem Weg-Zeit-Diagramm dar. Die Zeitachse ist senkrecht und so normiert, dass eine Bewegung mit Lichtgeschwindigkeit genau diagonal verläuft.
Licht nach ^t Licht nach
links . | . rechts
. 1sec+ .
. | .
. | .
----------------0-----+------------\>x
1Lichtsec
Wer in diesem System ruht (ich nehme mal an, das bin ich, denn ich bin natürlich der Mittelpunkt meiner Welt), bewegt sich nicht im Raum (bleibt also bei x=0), aber in der Zeit. Er kriecht also sozusagen im Laufe der Zeit die t-Achse hoch. Diese Beschreibung der Bewegung nennt man eine „Weltlinie“.
Einen Punkt in dem Koordnatensystem nennt man „Ereignis“, ein Ereignis hat einen bestimmten Ort x und eine bestimmte Zeit t.
Das Ereignis „Ich sende Lichtsignale nach links und rechts“ ist im obigen Bild der Nullpunkt.
Parallelen zur x-Achse sind „gleichzeitig“, denn alle ihre Punkte finden zwar an verschiedenen Orten, aber zur gleichen Zeit statt.
Wenn sich nun ein Objekt (von mir aus gesehen) bewegt, kommt es im Laufe der Zeit voran, d.h. x ändert sich im Laufe der Zeit. Der Winkel seiner Weltlinie gegen die t-Achse ist ein Maß der Geschwindigkeit. Winkel 0 ist v=0, Winkel 45 Grad ist v=c (Lichtgeschwindigkeit, d.h. man kommt pro Sekunde um 1 Lichtsekunde voran). Hier ein Objekt, das sich etwa mit c/2 bewegt:
^t Weltline eines Objektes mit c/2
. | \* .
. 1sec+ \* .
. | \* .
. |\*.
----------------0-----+------------\>x
1Lichtsec
Das bewegte Objekt hat nun ein eigenes Koordinatensystem (ich nenne es mal S’), das sich mit ihm mitbewegt. Da das Objekt in seinem eigenen System ruht, ist die Weltlinie des Objektes (Beobachters) identisch mit der Zeit-Achse dieses mitbewegten Koordinatensystems. In seinem System S’ kriecht er bei x’=0 die t’-Achse lang.
^t t'-Achse des Objektes mit c/2
. | \* .
. 1sec+ \* .
. | \* .
. |\*.
----------------0-----+------------\>x
1Lichtsec
Jetzt kommt im Prinzip ein Haufen Relativitätstheorie, den ich nicht vorrechnen möchte, jedenfalls mit dem Kern: Die Lichtgeschwindigkeit ist in jedem (Inertial-)System die gleiche. Wenn der Beobachter im bewegten System also ein Lichtsignal aussendet, muss das ebenfalls diagonal verlaufen, sonst kriegt er einen anderen Wert für c raus. Das bedeutet, im Minkowski-Diagramm muss auch die x’-Achse des bewegten Systems um einen Winkel verdreht werden (gegen die x-Achse von S), und zwar um den gleichen wie die t’-Achse (okay, sieht in ASCII-Kunst nicht schön aus):
^t t'-Achse des Objektes mit c/2
. | \* .
. | \* . \* x'-Achse dieses Objektes.
. | \* . \*
. |\*. \*
----------------0------------------\>x
\* \*|
\* \* |
\* \* |
Ich hab jetzt mal die Achsen ins Negative fortgesetzt, damit man sieht, dass auch das nach links ausgesandte Licht in beiden Systemen (S’ bewegt und S unbewegt) auf der Diagonalen zwischen Raum- und Zeitachse verläuft - also lichtschnell ist.
Jetzt kommt Knackpunkt 1: „Gleichzeitig“ ist parallel zur x-Achse. Im bewegten System ist gleichzeitig parallel zur x’-Achse. Da diese schräg ist, ist „gleichzeitig“ im System S’ was anderes als „gleichzeitig“ in S.
Im folgenden Bild sind die Ereignisse A und B gleichzeitig in S aber nicht gleichzeitig in S’ (In S’ ist A später als B).
^t t'
. | \* .
. | \* . \*x'
. A-\*-.------B--------gleichzeitig in S
. |\*. \*
----------------0------------------\>x
\* \*|
\* \* |
\* \* |
Einstein nannte das „Relativität der Gleichzeitigkeit“.
Das ist immer noch nix Schlimmes, damit geht erstmal noch keine Kausalität kaputt.
Nun soll sich aber einer mal überlichtschnell bewegen! Dann wird seine Weltlinie (also t’-Achse) im Minkowski-Diagramm mehr als 45 Grad gegen meine t-Achse verdreht, denn er kommt in einer Sekunde weiter als eine Lichtsekunde. Zugleich muss seine x’-Achse ebenso weit verdreht werden, läuft jetzt also steiler als die t’-Achse:
^t x'-Achse dieses Objektes
. | \* .
. 1sec+ \* . \* t'-Achse eines Objektes mit v\>c
. | \* . \*
. |\*. \*
----------------0-----+------------\>x
\* \*| 1Lichtsec
\* \* |
\* \* |
Holla, gucken wir mal genau auf den Achsenverlauf. Mein in S nach rechts geschicktes Lichtsignal läuft in S’ nach links (logisch, der in S’ überholt ja mein Licht).
Und schlimmer, Knackpunkt 2: Mein Lichtsignal, das ich in meinem System S nach links geschickt haben, verläuft jetzt bei dem Anderen im System S’ zeitlich rückwärts.
Im Prinzip ist das Paradoxon jetzt schon da: Ich kann ein Lichtsignal in die Vergangenheit von S’ schicken.
Der in S’ kann auch ein Lichtsignal in meine Vergangenheit schicken, nämlich wenn er ein Signal in seinem System S’ in die negative x’-Richtung schickt:
Lichtsignal ^t x'-Achse dieses Objektes
in die . | \* .
Vergangen-. 1sec+ \* . \* t'-Achse eines Objektes mit v\>c
heit von S' . | \* . \*
. |\*. \*
----------------0-----+------------\>x
\* \*| . 1Lichtsec
\* \* | .
\* \* | .Lichtsignal in die Vergangenheit von S
Und jetzt können wir damit eine Kausalitätsverletzung konstruieren: Ich verabrede mich mit zwei Kumpels, die sich (von meinem System S aus gesehen) überlichtschnell bewegen, einer nach links und einer nach rechts. Ich skizziere jetzt nur den nach links bewegten (mit dem System S’’), sonst wird’s unübersichtlich, der andere war ja schon im Bild zuvor.
x'' ^t
t'' . \* | .
\* . \* | .
\* . \* | .
\* .\*| .
----------------0------------------\>x
. |\* \*
. | \* \*
. | \* \*
Licht in die | \*
Vergangenheit von S \*
Wie man sieht, kann auch der in S’’ ein Signal in meine Vergangenheit schicken. Man beachte, welche Richtung diese Signale im Minkowski-Diagramm haben. Wenn S’ in meine Vergangenheit sendet, geht das Signal diagonal nach rechts unten. Wenn S’’ in meine Vergangeheit sendet, geht das Signal diagonal nach links unten. Das ist der Trick, der jetzt zur Anwendung kommt. (Ich lass mal die ganzen Achsen x’, t’, x’’, t’’ weg, sonst erkennt man gar nichts mehr).
^t
|
| B
| . .
| . .
----------------A-----------C------\>x
| .
| .
| .
| .
| .
D
Angenommen, ich bin Lottospieler.
Ereignis A: Ich setze mich vor den Fernseher und gucke mir die Ziehung der Lottozahlen an. Die Gewinnzahlen morse ich per Lichtstrahl (Signal nach rechts oben) zu meinem Kumpel in S’.
Ereignis B: Der Empfänger morst sie in meine Vergangenheit (nach rechts unten). Dort nützen sie mir erst mal nichts, weil ich bei x=0 sitze und das Signal ganz woanders (rechts auf meiner x-Achse) ankommt.
Ereignis C: Dort sitzt aber mein anderer Kumpel in S’’ und sendet die Botschaft weiter in meine Vergangenheit, d.h. nach links unten.
Ereignis D: Dieses Signal erreicht mich in meinem Fernsehsessel. Und zwar, wie man sieht, vor der Ziehung der Lottozahlen. Ich kenne also nun die Gewinnzahlen rechtzeitig vor der Ziehung und kann den Tippzettel abgeben, der mich reich machen wird.
(Wer’s nicht glaubt, sollte sich das Ganze nochmal schön aufmalen statt mit ASCII-Kunst.)
Fazit: Ich erfahre die Lottozahlen, bevor sie gezogen werden. Ist das nun eine Kausalitätsverletzung oder nicht?
P.S.: Da ich in einem der Beiträge das Argument: „Ein Blinder beobachtet nur Schall, dann müsste für den ja schon Überschallgeschwindigkeit zur Kausalitätsverletzung führen“ gelesen habe, noch diese kurze Anmerkung: Bei Schall gibt es keine Relativität der Gleichzeitigkeit, da die Schallgeschwindigkeit nicht in allen Systemen den gleichen Wert hat. Er hat nur in der Luft, in der er sich bewegt, Schallgeschwindigkeit. Eine Pistolenkugel kann ihn überholen, ohne dass dadurch irgendwo die Zeit rückwärts läuft.
So long
Eckard C.