nochmal zusammenfassend: Tabu-Tiere
Hi,
Jedenfalls, eine entsprechende Erklärung warum dieses und jenes Tier…
bei keinem einzigen von einem Dutzend Stämmen und Clans, die Nahrungsverbote hatten, haben wir herausgefunden, warum. Und mir ist auch nicht bekannt, daß das anderen Arbeitsgruppen gelungen ist. Wir hatten Beispiele von Verboten, die in eng benachbarten, sogar verwandten Clans, die folglich dasselbe Biotop bewohnten, keine Verbote waren.
Das einzige, was man in dieser Hinsicht gesichert weiß: Manche (aber nicht alle) dieser Tabu-Tiere sind mythologisch als Stammesgründer bestimmt (eine der mannigfaltigen Vorformen von Götter-Begriffen). Diese Tabu-Tiere sind dann in der Regel mit einem kosmogonischen Mythos assoziiert.
In so einem Fall ist das Tabu, ganz analog zum ambivalenten griechischen hagnos, positiv besetzt und das Tier wird auch bei wohldefinierten Gelegenheiten in streng ritueller Form verspeist (das sog. „Gott-Essen“-Motiv). Negative hagnos-Besetzungen haben dagegen sehr häufig die Tabu-Tiere der benachbarten Clans: Die dürfen grundsätzlich nie verspeist werden. Die sprachlichen Bezeichnungen für diese sind dann typischerweise „böse“, „schmutzig“ oder, wie z.B. im Tanach schäqqäz „ekelhaft, widerlich“.
Ein Anklang davon dürfte in 5.Mose 14.21 bzw 2. Mose 23.19 vorhanden sein „Du sollst das Kalb nicht in der Milch seiner Mutter kochen“. Hier weiß man, daß Kalbfleisch in Kuhmilch eine verbreitete Speise der Kanaanäer war.
Aber warum gerade diese und nicht andere Tiere (positiv oder negativ) sakral tabuisiert sind, ist nach meinem Wissen noch nie herausgefunden worden - außer, wie gesagt, wenn es sich um eigene oder die Totem-Tiere der Nachbarn handelt.
Aber gerade die beispiellos differenzierten Verbote der Israeliten sind bis heute nicht aufdröselbar: So ist es gerade für ein (wahrscheinlich ursprünglich) steppenwanderndes Nomadenvolk erstaunlich, daß Löwenfleisch und Reptilienfleisch als verboten gilt. Und warum einige Heuschreckenarten verboten sind, andere Heuschreckenarten aber explizit erlaubt.
Das einzig - allerdings auch nur mit Wahrscheinlichkeitscharakter - Erklärbare im Tanach ist das Verbot der „auf dem Bauch (al-gachown) gehenden“ Tiere und die „Vielfüßigen“ (d.h.Käfer): Sie könnten das aus Ägypten mitgebracht haben, denn dort hatten Schlangen und Käfer komogonischen Charakter (nicht nur der Skarabäus).
Das ist genauso kompliziert wie Initiations-Markierungen (Inzisionen): Die einen schneiden sich einen Ritz in die Nasenspitze, die anderen kupieren die Ohrläppchen oder Fingerkuppen, anderen schneiden oder brennen Muster in die Brusthaut - und andere kupieren die Vorhaut. Ein Warum ist in der Geschichte der Völker verlorengegangen. Die tradierten Erklärungen der Völker selbst sind mythologisch: Sie werden nachträglich durch ein archetypisches Ereignis um den (ebenfalls mythischen) Stammesgründer „erklärt“. So ja auch die Ursprungsgeschichte der Beschneidung bei den Israeliten (der abrahamitische Bund).
Zusammengefaßt: Das Warum läßt sich wohl nicht mehr aufdröseln, das, WIE es gemeint war, schon eher.
Gruß
Metapher