BDSM
Hi ildi
das ist „ein weites Feld“, das du da ansprichst. Aber zunächst wären ein paar Mißverständnisse aufzuhellen, die sich in deinem Posting verstecken:
wenn männer sich einer domina unterwerfen
- Nicht nur Männer unterwerfen sich einer Domina, sondern auch Frauen unterwerfen sich einem Dominus und ebenso gibt es Männer und Frauen, die soetwas in gleichgeschlechtlichen Beziehungen praktizieren
und nach bestrafung und schmerzen süchtig sind.
- Es geht dabei nicht nur um das passive Unterworfenwerden und/oder Schmerz Erleiden, sondern auch um das aktive Unterwerfen und/oder Schmerzen zufügen. Für das eine stehen die Begriffe „Submission“ und „Masochismus“ zur Verfügung (mit den Kurzformen „sub“, „bottom“, „maso“), für das andere „Domination“ und „Sadismus“ (mit den Kurzformen „dom“, „top“, „sado“).
Da in der Regel auch Fesselungspraktiken („bondage“) dazugehören, kürzt man das ganze mit BDSM ab.
- Es muß nicht gleich Sucht sein, aber jedenfalls geht es um Lust bzw. Lustgewinn. Wenn solche Praktiken Ausschließlichkeitscharakter haben, wenn also sexuelle Erregung ausschließlich auf diesem Wege gewonnen werden kann, dann handelt es sich - zumindest nach heutiger Auffassung der Psychotherapie - um ein psychopathologisches Phänomen, das auch therapiert werden kann. Aber ansonsten handelt es sich bei BDSM - wie auch bei (manchen!) Formen des sog. Fetischismus - um eine Erweiterung des sexuellen Verhaltens.
Das Entscheidende dabei ist, ob jemand seine BDSM-Interessen (und das dazugehörige Verhalten dem Partner gegenüber) unterscheiden und abgrenzen kann gegen sein sonstiges soziales Verhalten anderen Menschen gegenüber. Menschen mit submissiven Neigungen haben häufig im „realen“ Leben hervorragende Führungsqualitäten, ein Mensch mit dominanten Neigungen im Sexualverhalten kann dagegen im realen sozialen Leben alles andere als eine dominante Persönlichkeit haben.
…
Es stellen sich nun zu diesen Formen des sexuellen Verhaltens manche Fragen:
- wieso mit solchen Praktiken gerade sexueller Lustgewinn verbunden ist
- wie sich solche Interessen aus der individuellen Lebensgeschichte entwickeln
- wie man psychologisch bzw. therapeutisch relevante Verhaltensweisen unterscheiden kann gegen eine schlichte Erweiterung des Spektrum sexuellen Erlebens.
Daß Sadismus und Domination mit sexuellem Lustgewinn verbunden sind, ist seltsamerweise den meisten eher verständlich, als das umgekehrte, daß aus dem passiven Unterworfenwerden und Gedemütigtwerden und aus dem Schmerz Erleiden (vor allem sexueller) Lustgewinn zu ziehen ist.
Daß bondage und Schmerzen unter bestimmten Umständen euphorisierend wirken können, das weiß man (z.B. durch Schmerz werden Endorphine im Gehirn produziert). Aber damit ist noch lange nicht erklärt, wieso dadurch sexuelle Erregung produziert werden kann.
Der sexuelle Lustgewinn am Kontrollverlust - wie bei Bondagepraktiken und Blockierung der Sinneswahrnehmung (sense deprivation) - und Verlust der Verfügung über seine Handlungen, an der völligen Aufgabe der Rolle der sozialen Persönlichkeit durch Demütigungen, Scham, peinliche Situationen … das ist psychologisch weitgehend noch unverstanden. Und ich bezweifle, ob es allein aus der jeweiligen Geschichte der individuellen Sexualorganisation und der Persönlichkeitsentwicklung verstanden werden kann.
Hierzu:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
Zweifellos deutet die Verhaltensweise der von dir beschriebenen Person auf eine Störung der Sexual- und Persölichkeitsentwicklung hin. Das dürfte durchaus eine psychotherapeutische Aufarbeitung nützlich sein, denn dieser Mann dürfte ja eine erhebliche Beschränkung in seinem sexuellen Umgang und Erleben erfahren.
Aber generell bedeutet „BDSM“ das Gegenteil: Nämlich eine erhebliche Erweiterung des sexuellen Erlebens gegenüber den in der Öffentlichkeit eher akzeptierten „normalen“ Praktiken (die von BDSM-Fans manchmal etwas geringschätzig als „Vanilla“ oder „Blümchensex“ bezeichnet werden). Es heißt auch: „BDSM hält, was Vanilla nur verspricht“.
Zusammengefaßt:
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Wieso mit BDSM gerade sexueller Lustgewinn verbunden ist, ist eine Frage, mit der möglicherweise psychologische Theorien der Persönlichkeit und Persönlichkeitsentwicklung überfordert sind und die in eine allgemeinere Anthropologie gehört.
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BDSM ist generell eine Erweiterung des Sexualverhaltens - mit der Besonderheit, daß die sozialen Regeln des zwischenmenschlichen Umgangs zeitweilig - und grundsätzlich immer per gegenseitiger Vereinbarung und Zustimmung - außer Kraft gesetzt sind.
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Wo diese Bedingung des gegenseitigen Zustimmung und Vereinbarung nicht eingehalten wird oder das Verhalten Ausschließlichkeitscharakter zeigt, also zwanghaft ist, dann dürfte es psychotherapeutisch relevant sein. Diese Form von Verhalten läßt sich durchaus aus der individuellen Sexualorganisation und Persönlichkeitsentwicklung erklären - und meist auch erfolgreich therapieren.
Ich hoffe, daß dir das fürs erste Antwort genug ist?
Gruß
Metapher