Hallo,
das ist wahr. Aber in welcher der zahlreichen sog. Buchreligionen ist das anders? Auch nicht in den monotheistischen, henotheistischen, dualistischen und atheistischen Religionen, in denen sich nicht der Topos „Wort Gottes“ auf den - immer erst nach und nach enstandenen, und erst nach der Kanonisierung als „heilig“ bestimmten - Bestand ihrer Textsammlungen gelegt hat.
Das NT besteht ja (nach der Festlegung, und nicht von allen damaligen Interpretationsrichtuingen akzeptierten Textsammlung Ende des 2. Jhdts) aus 27 Schriften, die wiederum von mehr als 12 verschiedenen Autoren verfaßt wurden, in einer Zeitspanne von ca 40 Jahren. Von Autoren, die ihrerseits wiederum aus mindestens 6 schon im 1. Jhdt. sich erheblich unterscheidenden Traditionen kamen.
Allein die vier (von den mindestens 5 im 1. Jhdt verfaßten) schließlich kanonisierten Evangelien rekurrieren sich aus 2 Traditionen (Johannes und die drei sog. Synoptiker), die ein ein recht unterschiedliches Bild der Aktivitäten und Lehren der Hauptperson präsentieren. Noch während des 2. Jhdts war man unterschiedlicher Meinung darüber, ob die Pauslusbriefe (die sog. „echten“ und die anderen aus seiner Schule) überhaupt zu dem Kanon zählen dürften.
Viele Theologeme, die später für die Formation „Christentum“ und die dann allmählich sich formierenden christlichen Strömungen (Judenchristentum, syrische, griechische, arabische, ägyptische, äthiopische, lateinische Traditionen) sind überhaupt erst in den späteren Jhdt. nach und nach als „Lehre“ ausgeprägt worden. Erste Höhepunkte gab es Ende des 2. und dann im 4. und 5. Jhdt. Die ersten großen Spaltungen entstanden da: Die Person Jesu: Jesus als „Gottes Sohn“ wurde erst im 4. Jhdt in Versammlungen festgelegt, zum Ärgernis anderer weitverbreiteter Auffassungen (z.B. Arianismus). Ob Jesus bzw. Christus als Gott und als Mensch in einer einzigen oder in zwei unvermischten „Naturen“ aufgefaßt werden sollte, war Gegenstand heftigster Auseinandersetzungen, die zu Spaltungen führten (bis heute). Die Rolle des „heiligen Geistes“ und dann die überaus komplizierte Diskussion der Trinitätslehre waren während des 4. Jhdts. Hauptthema, und führten zu weiteren Spaltungen (ebenfalls bis heute): Die kämpferisch geführten Kontroversen zwischen Trinitariern und Antitrinitariern, und die zwischen Zweinaturenlehre und Miaphysitismus spielten sogar bei der Entstehung des Islam eine bedeutende Rolle …
Ich erinnere mich - vor 4 Jahren: Damals hatte ich dir zu den im 1. Jhdt noch sehr unterschiedlichen Auffassungen von „Auferstehung“ umfangreich geantwortet. (Da du damals mit Realnamen gezeichnet hast, jetzt aber nicht, verlinke ich nicht, sondern kopier den entscheidenden Teil hier noch mal.) Kurzgefaßt: Der Hebräerbrief, der nichts mit Paulus (dem eine „Auferstehung des Fleisches“ undenkbar war) zu tun hat, sondern einer unbekannten Jerusalemer (und also judenchristlichen) Tradition angehört, kennt tatsächlich eine irdische Auferstehung der Toten (wie es auch in einigen damaligen jüdischen Schulrichtungen aufgefaßt wurde) in der erhofften Endzeit, und eine transzendete (epouránia, „himmlische“) Auferstehung (uneindeutig, ob mit oder ohne Körper). Und diese letztere wird in deinen Zitaten als „bessere“ (kreíttonos) Auferstehung bezeichnet. Hier der Text von damals:
…
Der Ausdruck „Auferstehung“ gehört sicher zu den Fundamenten der neutestamentlichen „Botschaft“. Es ist aber ein Irrtum, zu glauben, daß er in allen Stellen aller Texte des NT in einunddemselben Verständnis gebraucht wird. Selbst im zeitgenössischen Judentum waren es nur einige Richtungen neben anderen, die eine Auferstehung glaubten, und auch diese hatten Varianten über das, was darunter verstanden wurde.
„Auferstehung“ wird in der Sprache des NT mit anástasis (wörtl: „Aufstehen“, z.B. aus dem Sitzen oder Liegen) oder égersis („Aufwachen“, „Aufwecken“ aus dem Schlaf) ausgedrückt. An einigen Stellen wird von „Aufstehen von (wörtl. aus) den Toten“, anástasis ex nekrón, geschrieben. Und damit ist manchmal … das Wiederlebendigwerden einer Leiche gemeint. Beispiel: Lazarus in Joh. 11.1 ff, oder die Tochter des Jairus in Mk 5.21 ff. Und eben auch Beispiele aus dem Tanach, wie sie zahlreich im Hebr.-Brief aufgezählt werden.
In der johanneischen Literatur (Joh.-Ev. und 1. Joh.), und bis auf Ausnahmen nur dort, wird die anastasis auch mit dem Ausdruck „ewiges (= „aionisches“) Leben“ verbunden. Sie ist aber nicht identisch damit, denn bei diesem Autor gibt es auch eine Auferstehung „zum Gericht“, die zur ersteren als Alternative herausgestellt wird.
Darüber hinaus erklärt der Text des Hebr.-Briefes selbst, was er speziell mit Auferstehung, und auch mit einer „besseren“ Auferstehung meint. Dazu hat er einen Ausdruck, der sonst im NT nirgendwo auftaucht, nämlich ausgiebig erläutert in den Passagen Hebr. 3.7 bis 4.11: Dort ist von einer Ruhe (griech. katápausis) die Rede:
3.11 „… Sie sollen nicht zu meiner Ruhe kommen.“
3.18 „… daß sie nicht zu seiner Ruhe kommen sollten.“
4.1 „… daß keiner von euch zurückbleibt, solange die Verheißung gilt, zu seiner Ruhe zu kommen.“ usw. usw.
4.9-10 „Also verbleibt noch eine Sabbatruhe (griech. sabbatismós) dem Volk Gottes. Denn der Eingehende in seine Ruhe ruhte auch selbst von seinen Werken, wie Gott von den eigenen.“
Eine weitere Bestimmung von Auferstehung, ebenfalls im direkten Bezug auf den Tanach (= AT bei den Christen), bringt der Hebr. in 11.14-16:
„Denn die, die solches sagen, zeigen, daß sie eine Heimat (griech. patrís, „Vaterland“) suchen. Und wenn sie doch an jene gedacht hätten, aus der sie ausgezogen waren, hätten sie Zeit gehabt, zurückzukehren; jetzt aber streben sie nach einer besseren (hier steht dasselbe griech. Wort „kreíttonos“ wie in deinem Zitat 11.35!) und das heißt: nach einer himmlischen (griech. „epouránia“).“
Der Hebr. setzt also einer Auferstehung im Sinne eines Weiterlebens (wie) in einer irdischen Welt (wenn auch in einer besseren als die gegenwärtige) eine Auferstehung in einem „höheren Sinne“ (= „besseren“) entgegen, die er u.a. an dieser Stelle „himmlisch“ nennt.
…
Bis auf den letzten Satz kann man dem zustimmen. „Besser“ (siehe oben) sei die transzendete Auferstehung, im Gegensatz zu einer „bloß“ irdschen. In der späteren christlichen (in diesem Punkt mehr johanneischen) Dogmatik auferstehen alle Toten. Dann erst entscheidet sich, in welcher Form es weitergeht. Dazu Weiteres in → diesem und vor allem in → diesem Artikel.