Hallo Täubchen (netter Nick )
Bereits vor christlichen Zeiten waren die Juden
unterschiedlichen Verfolgungen ausgesetzt.
Kannst Du da Belege nennen? Es gab einige gewaltsame Erhebungen von Juden (in Palästina und in Alexandria), die natürlich genauso gewaltsam niedergeschlagen wurden und (neben der Proselytenmacherei der Juden) zu weit verbreiteten antijüdischen Ressentiments in der römischen Gesellschaft führten. Belege hatte ich ja schon genannt; auch bei Horaz oder Juvenal gibt es ‚Stellen‘ - hauptsächlich gegen die Neubekehrten gerichtet. Von einer ‚Verfolgung‘ kann man da meiner Meinung nach allerdings nicht sprechen. Juden waren Soldaten in den Legionen, laut Flavius Josephus ernannte Caligula sogar Agrippa I. zum Prätor und Claudius später Agrippa II. Josephus berichtet auch von mehreren Juden im Range von Rittern (Equites) in Palästina. Nicht unwahrscheinlich, dass es auch jüdische Senatoren gab.
‚Verfolgung‘ trifft mE allenfalls auf die antijüdischen Edikte zu, die 135 nach dem Bar-Kochba-Aufstand durch Kaiser Hadrian erlassen wurden (z.B. Verbot der Beschneidung). Diese Edikte wurden bereits drei Jahre später durch Hadrians Nachfolger Antoninus wieder aufgehoben.
Wie es dann dazu kommen konnte, dass sich das Christentum mit
dem Antisemitismus eingelassen hat, gehört zu den
verwirrendsten und traurigsten Kapiteln der Geschichte des
Christentums.
Mit Verlaub - wenn man sich die Quellen anschaut, scheint es mir gar nicht so verwirrend, „wie es dazu kommen konnte“ …
so der als Antisemit verschrieene
Paulus
„Denn es gibt viele Freche, unnütze Schwätzer und Verführer, besonders die aus den Juden, denen man das Maul stopfen muß …“
Titusbrief 1,10-11 (nach der Übersetzung Martin Luthers in der revidierten Fassung von 1984)
Und tatsächlich hat, seit dem 11. oder 12. Jahrhundert, das
Christentum die Hauptverantwortung für den abendländischen
Antisemitismus zu tragen
Zu ernsthaften Ausschreitungen (so weit ich es überblicke) kam es tatsächlich erst nach dem Jahr 1000. Aber das war dann u.a. Ergebnis jahrhundertelanger klerikaler Hetze und keine neue (von der alten Kirche abzutrennende) Entwicklung - siehe weiter unten.
Aber trotzdem ist der
Antisemitsimus kein Geburtsfehler des Christentums, sondern im
Gegenteil: ihm im Kern wesensfremd.
Das mit dem ‚Geburtsfehler‘ kam von mir, nicht von Max. Nur zur Erinnerung: ich hatte durchaus zwischen Antisemitismus und Antijudaismus differenziert. Und ich glaube Dir ohne weiteres, dass der ‚Kern‘ des Christentums, so wie Du persönlich ihn verstehst, nichts mit Verfolgung Andersdenkender zu tun hat. Ich will hier nicht Christen an Stelle von Juden verteufeln, aber doch darauf hinweisen, dass es von Anbeginn an eine durch höchste Autoritäten legitimierte Judenfeindschaft im Christentum gab.
Einige der frühen Kirchenväter und bekennenden Judenfeinde habe ich ja schon genannt:
Origenes, um 185-254 ("… sie haben das abscheulichste Verbrechen begangen, indem sie jene Verschwörung gegen den Retter des ganzen Menschengeschlechts anzettelten …"), der so überaus fromm war, dass er sich angeblich selbst kastrierte. Vater der allegorischen Bibelexegese und vor Augustin wohl bedeutendster christlicher Theologe, wenn auch später als Häretiker gebrandmarkt (nicht wegen seiner Judenfeindlichkeit, versteht sich). Die evangelischen Christen widmen ihm trotzdem einen eigenen Gedenktag (den 27.04.).
Gregor von Nyssa, ca. 330-394 ("… Mörder des Herrn, Totschläger der Propheten, hasserfüllte Rebellen gegen Gott … Statisten des Teufels, eine Rasse von Schlangen, Verräter, in ihrem Gehirn verdunkelte Verleumder … eine Versammlung von Dämonen …"), der wegen Unterschlagung von Geldern seiner Diözese zeitweise verbannt war. Die katholischen und die orthodoxen Christen feiern seinen Gedenktag am 10.01. (und die Kopten am 14.10.).
Johannes Chrysostomos („Goldmund“), 354-407 („Die Synagoge ist ein Hurenhaus, … eine Räuberhöhle und Schlupfwinkel für wilde Tiere … mit ihrem immer stinkenden Maul leben die Juden nur für ihren Bauch und führen sich nicht besser als die Schweine und die Böcke auf in ihrer schmierigen Grobheit und ihrer übertriebenen Gier …“). Wegen seines goldenen Schandmauls noch 1908 von Papst Pius X. zum Patron der Prediger erhoben. Einer der katholischen Kirchenlehrer, bei den Orthodoxen sogar einer der vier großen Kirchenlehrer. Katholiken und Evangelische feiern ihn am 13.09. (die Orthodoxen am 12.11.).
Nicht genannt hatte ich den heiligen Ephraim oder Ephraem, 306-373 („Die Juden sind Sklavennaturen, Wahnsinnige, Teufelsdiener, Mörder, ihre Führer Verbrecher, ihre Richter Schurken, … sie sind neunundneunzigmal so schlecht wie Nichtjuden“, „Heil dir, hehre Kirche, aus jedem Mund, die du frei bist… von dem Gestank der stinkenden Juden!“). Seit jeher bei den Orthodoxen Kirchenlehrer, 1920 endlich auch von den Katholiken zum Kirchenlehrer erhoben. Gedenktag bei den Katholiken und Evangelischen am 09.06. (Orthodoxe am 28.01.).
Die Kirchenlehrer (und veritablen Heiligen) Hieronymus und Augustinus hatte ich ja ebenfalls schon genannt, auch der heilige Kirchenlehrer Ambrosius verdient durchaus eine lobende Erwähnung. Ich erspare mir weitere Zitate, man könnte Seiten über Seiten damit füllen …
Ich empfehle statt dessen die Lektüre von Karlheinz Deschners dickleibiger aber gut zu lesender „Kriminalgeschichte des Christentums“. Sicher kann man Deschner vorwerfen, er sei einseitig und polemisch (was er selbst durchaus nicht leugnet) - aber er liefert unwiderlegliche Fakten. Niemand ist so blind wie der, der sich weigert, zu sehen.
Ah - Moment - eins hab ich noch (Antijudaismus hin, Antisemitismus her):
„Der Führer ist ein Abbild des Glanzes Gottes… und nimmt Teil an seiner ewigen Autorität“
(Kardinal Michael Faulhaber)
Sorry, aber irgendwie sehe ich da schon eine Verbindung …
lg
Täubchen
Gleichfalls und nix für ungut,
Ralf