Servus Jasper,
ich glaube, da darf man sich schon auch noch über die Frage unterhalten, was denn konkrete Gerichte sind.
Das, was wir heute als Gericht kennen, ist zu ganz großem Teil eine bürgerliche Errungenschaft, also hauptsächlich aus dem 18.-19. Jahrhundert stammend.
Ich zitiere jetzt grad mal einen Speiseplan vom 12. Juni 1799 (nach: Michael Barczyk, Essen und Trinken im Barock, Thorbecke-Sigmaringen 1981):
_DIE RHEINARMEE
Freiheit! Gleichheit!
Waldsee, den 23. Prairial des Jahres 8
Der Kommandant der Stadt Waldsee an den Magistrat von Waldsee
Hiermit ergeht Befehl über die Verpflichtung der Bürger gegenüber den Soldaten, die hier einquartiert sind:
Morgens zum Frühstück: Schnaps und Weißbrot oder Suppe
Zum Mittag: Suppe, Gemüse, Gesottenes Fleisch und eine Flasche Bier
Abends: Suppe, Gemüse, dazu gesottenes Fleisch, Ragout oder Braten und Salat.
Befehl des Ortskommandanten als Kriegskommissar._
und aus gleicher Quelle noch ein paar Tage aus dem Wochenplan des Saulgauer Spitals von 1786 - sicherlich gab es zu Saulgau einige bürgerlichen Familien, die wesentlich besser aßen als die Bewohner des Spitals. Andererseits auch die überwiegende Mehrheit von wenigstens 80% der Bevökerung, die von so einem Speiseplan eher träumen konnten:
_Montag:
Morgens - Suppe, gebranntes Mus
Mittags - Suppe, Kraut und Knöpfle
Nachts - Briessuppe
Dienstag:
Morgens - Suppe, gebranntes Mus
Mittags - Suppe und Saure Knöpfle
Nachts - Suppe und Grünkernmus
Mittwoch:
Morgens - Suppe und Grünkernmus
Mittags - Suppe und Milchknöpfle
Nachts - Briessuppe
Donnerstag:
Morgens - Suppe, gebranntes Mus
Mittags - Suppe und Saure Knöpfle
Nachts - Briessuppe
Freitag:
Morgens - Suppe und Grünkernmus
Mittags - Suppe, Kraut und Knöpfle
Nachts - Suppe und Grünkernmus
Samstag:
Morgens - Suppe, gebranntes Mus
Mittags - Suppe, Kraut und Knöpfle
Nachts - Briessuppe
Sonntag:
Morgens - ein Stück Brot
Mittags - Fleischsuppe, Kraut und Knöpfle und 250g Fleisch
Nachts - Fleischbrühe_
Abweichend von der genannten Quelle zitiere ich das dort genannte „Körnermus“ als Grünkernmus, alldieweil zu Zeiten in Saulgau genug Dinkel gestanden hat. Denkbar ist aber auch ein simples Mus von gekochtem Roggenschrot („Korn“ heißt im Oberland heute noch Roggen). Die Briessuppe rechnet aus zeitgenössischer Quelle „1 Paar“ Kalbsbriese auf vier Personen.
Da wir uns mit diesen Dingen schon mitten in der fortgeschrittenen Neuzeit bewegen, will ichs nicht zu sehr ausdehnen. Es lässt sich daraus aber ungefähr extrapolieren, wie es mit den Gerichten zwei-dreihundert Jahre vorher ausgesehen hat: Es gab sie, in dem heute verstandenen Sinn, ganz schlicht nicht. Die Mutter der bürgerlichen europäischen Küche, die französische, ist auch noch nicht gar so alt: Vor 1573 (Katharina von Medici in Frankreich) gab es sie in diesem Sinn nicht, man hat sich unter dem Adel Frankreichs genauso barbarisch große Fleischhäufen und ein bissel Brot und Suppe hineingedrückt wie überall sonst auch.
Weils so schön ist, und weil heutzutage vom „deutschen Reinheitsgebot“ so viel hergemacht wird, noch einer zum Thema Bier aus Sebastian Sailers „Sieben Schwaben“ 1756 (wohl die erste geschriebene Fassung der Sieben Schwaben):
(Der Spiegelschwab spricht):
„I will a Riadlingar Bier eineamma z’Morgas und z’Obads zwölf Dropfa, und dees vier Wocha lang. Doch dees muaß i mir ausbitta, wenn i aug’fähr dia schwedisch Kur it könnt aushalta, so laß mi liaber in dar Schlaacht sterba. As ischt doch a graißere Aihr dabei, as Soldat firs Vaterland umkomma, as an so ara saura Purganz.“
Man soll also von der Zeit, die Du ansprichst, im Hochmittelalter, wohl nichts anderes erwarten als Getreideschrot an Wasser oder Milch gesotten, Sonntags ein Stück Fleisch, einen Schlag Kraut, und Suppen, in denen alles an Gemüse zusammengekocht ist, was man halt so hat - auf den Sonntag eppes an Knochen oder Fleisch darin. Jedenfalls nicht ein Gericht im Sinn der bürgerlichen Küche seit ca. 1820…1850, von der wir uns heute ernähren.
Schöne Grüße
MM