Welchen Ort könnte dieses Bild (Seidenmalerei) darstellen und wer ist der Maler?

Sicherlich nicht. Die Darstellung ist in allen Details realistisch, so dass es keinerlei Anlass gibt, hier etwas „Künstlerisches“ im Sinn der Moderne einzufügen.

Derartige einfache Hauben findet man schon; aus der hohlen Hand treten mir zwei im Alpenraum vor Augen, die allerdings beide aus dem frühen Barock stammen: Die Jesuitenkirche in Innsbruck und die Basilika in Tirano.

Aus dem oberschwäbischen Barock (der mir angestammterweise näher ist) die Kirchen der Abteien Weingarten und Weissenau, beide um etwa 1720.

Verspieltere Hauben aus dem eigentlichen Rokoko, die aber nur durch Aufsetzen einer Laterne aus einer Konstruktion abgeleitet sind, die der abgebildeten sonst genau entspricht, an der Wieskirche und in Birnau; die auskragenden, mehrfach gegliederten „Zwiebeln“ wie in Steinhausen und Rot an der Rot und die einfachen Zwiebeln wie an der Friedrichshafener Schlosskirche sind Bauformen, die im Barock auch, aber nicht ausschließlich vorkommen.

Steinhausen ist übrigens zwar für heillose Überziehung des Budgets am bekanntesten geworden, aber so ganz selten war das nicht, dass am Schluss das Geld ausging. Da wäre es nicht auszuschließen (aber auch nicht das einzige denkbare Motiv), dass bei der abgebildeten Kirche ursprünglich auch zwei Laternen auf den Turmhauben sitzen sollten, die dann eingespart wurden, als man sah, dass das Geld hinten und vorne nicht langt.

Je länger ich mir das anschaue, desto mehr entsteht mir aber der Eindruck, dass ich mit „Rokoko“ ein bissele voreilig war und die Bauzeit wohl eher etwas früher im Barock lag, vielleicht sowas wie 1700.

Schöne Grüße

MM

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Servus,

allerdings nicht in und um Tübingen, wo das Neckar- und Ammertal bis in die 1950er Jahre fest in evangelischer Hand waren; die wenigen in der barocken Ära neu gebauten evangelischen Kirchen sahen schon 1680 klassizistisch aus.

Als zu Tübingen nächstgelegene römisch-katholische Herrschaft käme allenfalls das österreichische Rottenburg/Neckar in Frage, wo man allerdings bis zur Durchmischung der Konfessionen in den 1950er Jahren kulturell nichts mit Tübingen zu tun haben wollte (und umgekehrt), da man sich gegenseitig als feindliche Sekte betrachtete, der man mit größtem Argwohn begegnen sollte.

Das Kaisergelb auf dem Bild würde zwar zu allem passen, was dem Haus Habsburg gehörte, aber ich würde es (auch wegen der Mehrheit, die dann zur Veranstaltung weniger Anreise hatte) eher in Niederösterreich suchen. Und auch wegen des g’schlamperten Verputzes des ersten Giebels rechts, und das mitten an der Hauptstraße. Ha no, wer do au no schbard, nimmt’s gwieß au mit dr Kehrwoch’ et so g’nau! Ond hosch Du den iberhaupt scho amol auf dr Fronleichnamsbrozessio g’sähe?

Unfairerweise sind auch die Krüppelwalmdächer weiter vorne kein Indiz für diese oder jene der beiden Gegenden.

Schöne Grüße

MM
Schöne Grüße

MM

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Schöne Grüße

MM

Vor ungefähr hundert Jahren gab’s mal eine Editierfunktion…

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Ja mein (völlig unbedarftes) Gefühl würde auch eher in diese Richtung gehen. Wie groß kann denn der Einzugsbereich der Werbung bzw. der Plakataufhänger gewesen sein? Ich glaub nicht allzu groß. Ich schätze also, dass es schon so in max 50 km Umkreis von Wien sein wird.

Google Images gibt bei „Barockkirchen Niederösterreich“ eine ganze Reihe mit sehr ähnlichen Kuppeln ich glaub da wirds schon ganz warm. Wahrscheinlich muss man nur den Umkreis von Atzgersdorf/Liesing/Mödling absuchen und hats dann. Komisch nur dass es wohl genau NICHT diese Orte sind sondern wohl nur ein benachbarter.

Bitteschön:
Lichtentalerkirche in der Marktgasse in Wien
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www.kirche.in.wien_171015
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Fundstelle klickmich

Da nich für! :wink:

Gruß
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wiki gibts ja auch noch klickmich

Wow - Hammer!! Vielen Dank :slight_smile: Wie bist du da drauf gekommen??

Das führt gleich auf eine weitere Frage, der Vorsprung in der Gebäudereihe wo dieser Anschlag für die Liedertafel in meinem Bild hängt, scheint nicht zu existieren. Kann es sein, dass diese ganze Sache irgendeinen tieferen Hintergrund hat. So wie ich das verstehe sind diese Arbeitergesangsvereine und ihre Liedertafeln durchaus politisch motiviert, vielleicht verbirgt sich ja einfach ein kleines politisches Statement dahinter? Dann wäre übrigens durchaus eine gewisse künstlerische Freiheit drin.

Wenn du bei ebay „Wien Lichtentalerkirche“ ins Suchfenster eingibst, findest du diese Postkarte zahlreich (auch preiswert). Alle aus einem Leporello entnommen.

Die Postkarte ist von einem Photo reproduziert. Das Haus neben dem Plakat ist zwar exakt dasselbe wie auf deinem Bild (eine Zeichnung), aber die Häuser daneben sind zerfallen. Die Zeichnung gibt also einen früheren (oder einen zumindest beschönigten) Zustand wieder. Und das Haus rechts im Vordergrund ist nach rechts und nach hinten versetzt gezeichnet, so daß eine seitliche Häuserwand vorgetäuscht wird. Ganz sicher genau mit dem Zweck, um das Plakat mit reinzubringen. Deshalb ist die Perspektive ja auch so gewählt, daß es direkt ins Auge springt.

Der Straßenverlauf ist gegenüber dem Photo eh verzerrt, auch wenn man den anderen Standort berücksichtigt, und, daß das Photo eine Weitwinkelaufnahme ist.

Gruß
Metapher

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Ja, scheint mir auch so (siehe meinen Kommentar oben vom 16.10.2017, 17:08 Uhr).

Das ist kein Vorsprung, sondern die Seitenwand des Gebäudes.
Zwischen dem Plakat-Haus und der Bäckerei ist eine Lücke, womöglich sogar ein Durchgang. Das sieht man auf Deinem Bild deutlich im Dachbereich.
Bei einer solchen Konstellation wie hier (Wechsel der Giebelseiten und somit Wechsel der Dachformen) geht das gar nicht anders als mit Lücke.
Das Bäckerhaus ist zudem um einen halben Meter zurückgesetzt gebaut (warum auch immer) und so ist doch der halbe Meter Seitenwand die optimale Fläche, um Passanten aufmerksam zu machen.
Wenn ich die helle Fläche über und unter dem Plakat richtig deute, dann hängt an dieser Stelle häufiger was dran!

Keine Ahnung. :wink:

Ich habe die Links im Thread nur überflogen. Sollte ich wohl nochmal genauer lesen. War/ist denn dieser Verein ein Arbeiterverein? Und der Tübinger Sängerkreis auch?
Falls ja: Ob Sangeslust immer politisch motiviert ist, kann ich nicht sagen.
Es gibt viele Beispiele da haben Arbeiter ihre eigenen Vereine (auch z.B. im Sportbereich) gegründet, weil ihnen in den bürgerlichen der Zutritt verwehrt war (oder die Mitgliedsgebühren zu hoch) oder weil es einfach angenehmer war, die Freizeit unter seinesgleichen zu verbringen.

Gruß
.

Für mich war auf den ersten Blick klar, daß das eine Großstadtszenerie sein muß.
Eine solch’ imposante Kirche derart zwischen die „normalen“ Häuser eingequetscht und dann noch das Kirchenportal direkt an der Straße ohne ordentlichen Vorplatz* - das kann nur Großstadt mit Grundstücksmangel sein.
*man stelle sich vor, da verläßt ein Trauerzug das Portal und Sarg samt Trauergemeinde stehen direkt auf der Straße

Da ich außerdem auch der Meinung war (wie weiter unten jemand schrieb), daß das Plakat nur im Umkreis des Veranstaltungsortes zu finden war, der Schwäbische Raum bereits ausgeschlossen war, habe ich bei akpool.de in die Suchfunktion „Wien Kirche“ getippt, 75 Treffer erhalten, die stur runtergescrollt und bei Nr. 52 fündig geworden.

Ich war über den Fund selber überrascht, weil doch schon zwei Tage gesucht worden ist :wink:

Auf der wiki-Seite über Schubert ist seine Taufkirche auch abgebildet klickmich.
Ob ein Schubert-Fan Dein Bild schneller lokalisiert hätte? :wink:

Gruß
.

Mit dem „Vorsprung“ sehe ich das was falsch? Weil ich sehe den auf der Postkarte (die ja wohl eine Photographie ist?) einfach nicht.

Auf dem Bild ist dieser Vorsprung der Gebäudereihe an das Bäckerhaus angrenzend einfach „erfunden“.

Wo siehst Du das auf der Postkarte?

Daher meine ich, da das Plakat eben auch dazu noch so zentral platziert ist, dass in dem Bild eine Aussage politisch motivierte Aussage dahinter ist (ja, die Liedertafeln wurden immer(?) von Arbeitervereinen organisiert, scheints).

Hat ja übrigens auch @Metapher oben schon so gesehen und geschrieben:

quote=„Metapher, post:19, topic:9420167“]
Die Postkarte ist von einem Photo reproduziert. Das Haus neben dem Plakat ist zwar exakt dasselbe wie auf deinem Bild (eine Zeichnung), aber die Häuser daneben sind zerfallen. Die Zeichnung gibt also einen früheren (oder einen zumindest beschönigten) Zustand wieder. Und das Haus rechts im Vordergrund ist nach rechts und nach hinten versetzt gezeichnet, so daß eine seitliche Häuserwand vorgetäuscht wird. Ganz sicher genau mit dem Zweck, um das Plakat mit reinzubringen. Deshalb ist die Perspektive ja auch so gewählt, daß es direkt ins Auge springt.
[/quote]

Ja, aber nur auf der Graphik von @regreb .

Auf dem Postkartenphoto sieht man, daß weder das rechte Haus zurückgesetzt ist, noch eine Lücke zwischen den Häusern existiert. Und dies, zumal der Sichtwinkel auf die Straßenseite steiler ist als auf der Graphik.

Hab es hier mal aus einem Großformat herauskopiert:

Gruß
Metapher

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Das stimmt. Danke für die Vergrößerung.

Auf der Lücke bestehe ich!
Ich zwinge aber niemand, mir zu glauben. :wink:

Vergleich mit und ohne Lücke, von vorne betrachtet, Relationen außer acht gelassen:
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Ohne Lücke würde Regen beide Hauswände ständig feuchthalten.
In der Kuhle (roter Kringel) würde sich im Herbst das Laub sammeln und im Winter der Schnee liegenbleiben.

Ein bißchen Lücke muß sein. Über die Breite können wir gerne streiten. :wink:

Gruß
.

Eigentlich wollte ich Dir doch „nur“ den Namen der Stadt mitteilen! :wink:

Ich habe mir den Link weiter unten von @Panoramix zum Verein jetzt noch genauer durchgelesen. Im Kapitel „Gründung“ ist die Rede von „allesamt angesehene Bürger“ und daß der erste Vorstand der Bürgermeister von Atzgersdorf war.
Das klingt doch eher nach bürgerlich-konservativ als nach Arbeitergesangverein.
Auch der bis heute gesungene Wahlspruch
„HOCH UND HEHR TÖNT UNSER LIED, WENN EINTRACHT IN DEN HERZEN BLÜHT“
deutet nicht gerade auf Rot-Front hin.

Deinen Link zu den Liedertafeln hätte ich mir gerne angesehen, aber beim Öffnen der pdf-Datei mit mehr als 600-Seiten ist der Speicher meines Läppis unterwegs verhungert.

Hast Du den Verein schon kontaktiert?
Vielleicht ist dort Dein Bild sogar bekannt und sie können Dir die Erklärung für die „verfälschte“ Darstellung liefern.

Gruß
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Hast ja Recht. Normalerweise sollte sich zwischen giebelständigen Häusern ein → Traufgässchen befinden, auch wenn dies in der Regel nur wenige Dezimeter breit war- Nicht nur zur Ableitung von Regenwasser, sondern auch von Fäkalien. Ebenso wie bei Mischbebauung mit traufständigen Häuser, wie es in dieser Straße hier der Fall war.

Das wurde aber nicht grundsätzlich so gemacht. Sogar giebelständige Häuser untereinander wurden manchmal Wand and Wand gebaut. Auf dem Photo ist jedenfalls so ein Gäßchen auch zwischen dem zweiten und dritten Haus nicht zu erkennen.

Schönen Gruß
Metapher

Kein Widerspruch meinerseits.

Ich behaupte ja nur, daß eine Lücke sein muß bei
Wechsel der Giebelseiten und unterschiedlicher Traufhöhe.

Du meinst die/das mit dem Krüppelwalmdach?
Ich denke, daß es sich dabei um ein Haus handelt und es somit unterhalb der Kuhle keine Außenwände gibt. Es sind auch keine Regenfallrohre zu erkennen. Auch das ist für mich ein Indiz, daß es ein einziges Haus ist.

Auch links vom linken Krüppelwalmdach muß es nicht unbedingt eine Lücke geben, weil das Haus links daneben eine ungefähr gleichhohe Traufhöhe hat.

Wir sollten ins Brett Architektur umziehen! :wink:

Btw. lt. Stadtplan gibt es die Häuserzeile nicht mehr, das ist jetzt der Lichtentalerpark.

Gruß
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