Aber wenn es soweit ist, dann wird „inne“ gehalten und
geschwiegen.
Aber was genau findest du denn daran so dramatisch? Meinst du, dass durch permanentes Benennen der Tatsache, dass man stirbt, sich irgendetwas zum Positiven ändern würde?
Ich vermag deinen Standpunkt immer noch nicht ganz nachzuvollziehen. Was genau gibt es deiner Meinung nach denn in solch einem Moment noch zu sagen? Also: nach außen hin. Der eigene Tod geht doch letztlich nur noch mich selbst an, und dann bin ich der einzige Mensch, mit dem ich noch Zwiesprache halten muss. Das ist dann wahrscheinlich das, was du als „Innehalten und Schweigen“ bezeichnest.
Ich leite daraus einen falschen „kulturellen Kodex“ ab.
Hast du denn hierfür konkrete Nachweise? Statistische Erhebungen, wissenschaftliche Unteruchungen o.ä., die diesen Zusammenhang bestätigen können? Bisher scheinen wir nämlich auf einer bloßen Ebene der Meinungen oder persönlichen Erfahrung zu argumentieren. Wenn du aber einen „falschen kulturellen Kodex“ ins Spiel bringst, bedarf das für mich größerer argumentativer Unterstützung, z.B. in Form von Belegen.
Unter dem Titel „Metamorphosen des Todes“ startet jetzt ein neues interdisziplinäres Forschungsprojekt an der Universität Jena, das sich mit der Christianisierung des Todes und der Jenseitsvorstellungen in Kaiserzeit und Spätantike auseinandersetzen wird - Im Fokus steht ein zentrales geistes- und kulturwissenschaftliches Problem:
Transformationen von Todes- und Jenseitsvorstellungen vom Hellenismus über die Kaiserzeit bis in die Spätantike. „In der Begegnung von Judentum, Antike und entstehendem Christentum kam es in der Zeit vom ersten bis zum sechsten Jahrhundert nach Christus zu einer Christianisierung des Todes und der Jenseitsvorstellungen, die über das Mittelalter und die frühe Neuzeit bis heute die westliche Kultur prägen, unbeschadet der dauerhaften Herausforderungen durch die Moderne und der Auseinandersetzungen mit anderen Kulturen und Religionen in der Gegenwart“, erläutert Prof. Dr. Karl-Wilhelm-Niebuhr, Inhaber des Lehrstuhls für Neues Testament. Durch das antike Christentum, so die Arbeitshypothese des Projekts, sei der Umgang mit dem Tod verändert worden.
Klar! Die Vorstellungen von dem, was „danach“ kommen koennte muessen immer theoretischer Natur sein und bleiben. Doch macht es fuer die jeweilige Kultur sicher viel aus, WIE die Zeit danach antizipiert wurde.
Und das finde ich schade,
dass so ein Mensch nicht gelernt hat
mit der Endlichkeit des Seins vernuenftig umzugehen:
Friederike Mayröcker:
„Der Tod ist wirklich der größte Feind eines Menschen, der sein ganzes Leben aktiv gewesen ist, in einem künstlerischen Beruf zum Beispiel, und der dann aus irgendwelchen physischen Gründen nicht mehr arbeiten kann. Das ist eine solche Strafe.“
"Mein ganzes Werk spricht eigentlich von der Angst vor dem Tod.
Vielleicht schreibe ich auch gegen den Tod an. Vielleicht macht das jeder Künstler, dass er gegen den Tod arbeitet. Solange man arbeiten kann, wehrt man sich ja auch gegen den Tod."