Wird Frankfurt Finanzzentrum einer liberalen Wirtschaftsordnung?

Hallo C.

vielleicht hast Du das, was ab 2007 geschah, doch etwas zu simpel geschildert.

Was genau ist damals eigentlich passiert? Im November 2007 wurde eine Bilanzregel in Kraft gesetzt, die Banken dazu verpflichtet, ihre Assets zum aktuellen Marktwert zu bilanzieren. Einige Vermögenswerte sind bei einer Bank jedoch regelmäßig wenig liquide und nicht für den Verkauf vorgesehen. Beispiel Hypothekenkredite. Diese sind verbrieft und damit handelbar, werden jedoch typischerweise bis zur vollständigen Rückzahlung im Portfolio gehalten. Mit der seit November 2007 geltenden Regel wurden die Geldhäuser gezwungen, auch für illiquide Assets fiktive Verkaufspreise auszuweisen. Als die Immobilienpreise fielen, gerieten dadurch viele Hedgefonds in den Fokus, die gehebelt in verbriefte Immobilienkredite investiert hatten. Also begannen die Banken, diese Papiere auf den Markt zu werfen – und der Preisverfall begann. Folge: Die Banken mussten in ihren Bilanzen hohe Wertberichtigungen vornehmen, ihr Eigenkapital schmolz wie Butter in der Sonne. Fast alle US-Institute standen vor dem Abgrund. Lehman Brothers wurde schließlich fallengelassen – ein bis dahin undenkbarer Vorgang. Panik setzte ein, denn die Anleger konnten sich nicht mehr darauf verlassen, dass die USA ihre Banken retten würde.

Ohne dieses procedere der Banken und Hedgefonds, die sich darauf verließen, dass der Staat sie im Zweifelsfall retten würde, hätte es eine Krise in dieser Form nicht gegeben.

Gruß, Hans-Jürgen Schneider

Nein, ganz sicher nicht. Zu viel zu billiges Geld floß in immer mehr Immobilienkredite und das führte dazu, daß immer mehr Kredite an Leute vergeben wurden, die diese nicht bedienen konnten. Fertig.

Die galt seit 2005 und das betrifft nur IFRS. Die US-amerikanischen Banken bilanzieren nach US-GAAP und da galt das Marktpreisprinzip schon immer, wenn ich mich recht entsinne. So oder so: eine Bilanzierung zum Marktwert führt zu schnelleren und heftigeren Bewertungsänderungen, was ich schon immer kritisiert habe. Die akuten Liquiditätsprobleme der deutschen Institute IKB, Hypo Real Estate und diverse Landesbanken kamen aber nicht aus der Bilanzierungs-/Wertthematik, sondern die Vehikel, über die die Immobilienkredite verpackt und gehandelt wurden, kamen in akute Liquiditätsnöte, weil die kurzfristigen Wertpapiere, über die sie sich finanziert hatten, auf einmal nicht mehr handelbar waren.

Im übrigen scheint der von Dir zitierte Autor die Geschichte nicht mehr so richtig im Sinn zu haben; andernfalls ist jedenfalls nicht erklärbar, wieso er mit dem angeblichen Zeitpunkt November 2007 (eh falsch, siehe oben) so danebenliegt. Die IKB brach im Sommer 2007 fast zusammen und war damit aber nur das erste deutsche Opfer der Veranstaltung. In den USA waren zu dem Zeitpunkt schon über 100 Institute zusammengebrochen.

Die implizite Staatsgarantie hat zu einer verzerrten Wahrnehmung und Bereisung von Risiken geführt, aber die Hauptursache der Finanzkrise ist die Flutung der Märkte mit billigem nach den Dotcom-Turbulenzen durch die FED. Europa bzw. der ganzen Welt droht dank Draghi ein noch viel größeres Desaster.

Wie ich seit zehn Jahren predige: man kann eine Krise, die durch zu viel zu billiges Geld entstand, nicht durch noch mehr noch billigeres Geld beseitigen.

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Danke C.,

hier sagt Grüner/Fischer Investment, warum es in absehbarer Zeit keine Wiederholung geben wird.

Der Text schließt unmittelbar an jenen an, den ich oben zitierte:

Welche Parallelen kann man zur heutigen Situation tatsächlich ziehen? In Bezug auf die Liquidität an den Märkten erst einmal keine, denn die ist im Gegensatz zu 2008 gut. Hinzu kommt, dass die Banken über die Jahre hinweg dazu gezwungen worden sind, ihre Vermögenswerte defensiv zu bilanzieren und gleichzeitig ihre Eigenkapitalbasis zu stärken. Absolut gesehen ist die derzeitige Verschuldung zweifellos hoch. Doch den hohen Verbindlichkeiten stehen bei Unternehmen rekordhohe Assets gegenüber. Vielen Staaten hat die ausgeprägte Niedrigzinsphase zudem geholfen, die Zinslast für ihre Schulden zu senken. Dieser Effekt wird noch über Jahre hinweg anhalten, selbst wenn die Sätze steigen. Einen strengen Blick gilt es indes auf die EZB und die Fed zu werfen. Vor allem die Letztere wird mit dem Tempo ihrer Zinserhöhungen darüber entscheiden, ob die deutlich abgeflachte Zinsstrukturkurve in den USA invers wird – und damit eine Rezession droht.

Die haben mich immer gut beraten. Deshalb bleibe ich vorerst investiert. Im leicht abgesicherten Modus.

Gruß, Hans-Jürgen Schneider

Die Liquidität war auch vor der Finanzkrise gut - und zwar aus dem gleichen Grund: weil die Notenbanken ausgesprochen großzügig waren. Zu einem Engpaß kam es erst als die Liquidität im Markt knapp wurde. Ersetzt wurde diese Liquidität nach einer kurzen Pause von noch mehr Geld seitens der Zentralbanken. Bis heute. Zusätzlich wurde seitens der Staaten viel Geld in den Markt gedrückt, um Kreditinstitute, Versicherungen und andere Branchen zu stützen, die durch die Krise ins Trudeln kamen. Dies hat die Staatsverschuldung in die Höhe getrieben.

Die Verschuldung der Staaten ist heute viel höher als seinerzeit. Daß die Zinslast heute niedriger ist, liegt schlicht und ergreifend an den niedrigen Zinsen. Und hier kommen wir zum eigentlichen Problem: steigen die Zinsen, werden viele Staaten an die Grenzen ihrer Möglichkeiten kommen. Die leicht gestiegenen Zinsen in den USA haben bereits Schwellenländer in Schwierigkeiten gebracht, aus denen Kapital massiv abgeflossen ist. Dies wird sich fortsetzen, es sei denn, die jeweiligen Zentralbanken erhöhen ebenfalls die Zinsen und gefährden so die Staatshaushalte der früheren Kapitalimporteure.

Das Thema mit den nicht risikoadäquaten Zinsen wiederholt sich auch - nämlich bei den Staatsanleihen. Negative Zinsen bei Ländern mit exorbitanten Staatsschulden, die nur deswegen tragbar sind, weil die Zinsen künstlich niedrig gehalten werden? Das ist aberwitzig. Nicht umsonst sprach vor etwa acht Jahren (schon) ein inzwischen nicht mehr existierendes Bankhaus von der größten Blase der Menschheitsgeschichte. Natürlich sind die Zinsen auf die Staatsanleihen in gewisser Weise unabhängig von den Zinssätzen der Notenbanken, aber die Anleger vertrauen darauf (und nur das hält die Zinsen für Staatsanleihen niedrig), daß die Zentralbanken die Zinsen weiter niedrig halten und massiv Geld in die Märkte schieben.

Das soll angeblich in Europa und in den USA ein Ende finden. Aber es kann doch keine Anlageperspektive sein, darauf zu vertrauen, daß die Zentralbanken weiter so agieren. Die Zentralbanken machen sich zum Diener der Staaten, obwohl sie eigentlich unabhängig sein sollten. Sie machen Geldpolitik für die Wirtschaft und den Finanzminister. Wenn die ersten Zentralbanken - allen voran die EZB und die FED davon abrücken, dann bricht das ganze Kartenhaus in sich zusammen. Die hochverschuldeten Staaten und die gleichermaßen hoch verschuldeten Unternehmen und Privatpersonen werden Schwierigkeiten haben, ihre Kredite zu bedienen. Dies führt zu einem massiven Wertverfall der Staatsanleihen und damit der Vermögenspositionen der Anleger, der Versicherungen, der Kreditinstitute und der Sozialversicherungsträger.

In vielerlei Hinsicht ist die Lage heute so wie vor gut zehn Jahren: liquiditäts- und zinsgetriebene Überbewertung von wichtigen Anlageklassen (Aktien, Immobilien, Rohstoffe und allen voran der Staatsanleihen, der angeblich sichersten Anlageform), hohe Verschuldung, völlig übertriebene und wirtschaftlich nicht zu rechtfertigende Preise für übernommene Unternehmen und völlige Aufweichung der Kreditbedingungen.

Ich sehe heute die gleichen abenteuerlichen Strukturen bei Übernahme-, Projekt- und Investitionsfinanzierungen - nur zu wesentlich niedrigeren Zinsen. Selbst jenseits der High-Tech-Branchen werden heute Preise für Unternehmen gezahlt, die selbst zu Dotcom-Zeiten übertrieben gewesen wären (die letzten beiden Transaktionen: das achtfache vom Umsatz und das dreißigfache vom EBITDA - und unsere Kunden haben den Zuschlag nicht erhalten, weil die Gebote zu niedrig waren) vom Geld wird heute wieder nicht nur für an sich sinnvolle Investitionen ausgeben, sondern auch wieder, weil das Geld einfach nichts kostet und daran keine Bedingungen geknüpft werden.

Da steht nichts anderes, wenn auch verklausuliert, als das, was ich sage: sobald die Notenbanken den Hahn zudrehen - und sei es nur ein kleines bißchen - dann ist die Party zuende. Diesmal geht es aber nicht um etwa eine Billionen Dollar an Immobilienfinanzierungen, sondern von hunderten von Billionen an Staatsanleihen. Vielleicht sind die Staatsanleihen nicht der erste Schritt, sondern irgendwann der letzte. In den USA steigen seit etwa zwei Jahren die Kreditausfälle massiv an. Betroffen sind vor allem Konsumentenkredite und Studiendarlehen. Das Volumen und die Entwicklung ist dabei ähnlich wie zehn Jahre zuvor bei den Immobilienkrediten. Nur halt, daß die Staaten wesentlich höhere Schulden haben und eine erneute Übernahme der Risiken aus dem Bankenbereich und bei den Wertpapieren kaum tragen werden können - jedenfalls nicht, ohne von der Bonität her massiv abgestuft zu werden.

Hinzu kommt das Gegenteil eines stabilen Umfeldes, nämlich das erratische Handeln eines US-Präsidenten, der auch kaum Solidarität zu erwarten hat, wenn die eigene Wirtschaft schwächelt. Der internationale Zusammenhalt ist heute geringer als damals - verbindliche Absprachen zwischen Europa und den USA sind kaum zu erwarten. Vielmehr ist dank Trump damit zu rechnen, daß sich der Protektionismus verschärft, was übrigens - neben der Spekulation auf Aktien und Immobilien - die Wirtschaftskrise Ende der 20er des vorherigen Jahrhunderts letztendlich verursacht hat.

Kurz gesagt: es droht die Mutter aller Schuldenkrise. Die Bombe ist da, die Lunte ist da - es fehlt nur noch der Funke. Trump, die Türkei und China sind meine Favoriten, was das Thema Funke angeht.

Warten wir mal ab.

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Hallo,

danke für Deine umfassenden Ausführungen. Und auch dafür, dass Du eine Sprache gewählt hast, die auch ich verstehe.

Die Gefahren, die Du anführst, bestehen natürlich. Die Fed hat ja bereits begonnen, in sehr kleinen Schritten wieder Zinsen einzuführen. Trotz all ihrer Vorsicht, kam es zu Turbulenzen in einigen Schwellenländern.

Mich interessiert zur Zeit nur, was ich bei einem (wie auch immer gearteten) Brexit tun soll. Das ist das nächste Etappenziel an der Börse.

Nochmals Danke, HJS

Hallöchen,

just heute veröffentlicht:

Gruß
C.