Zellinhalt vs. Zelleninhalt beim Computerspeicher?

Wenn es um den Inhalt einer Speicherzelle in einem Rechner geht, was ist korrekt bzgl. der deutschen Grammatik: Zellinhalt oder Zelleninhalt? Bitte eine sinnvolle Begründung mitangeben. Danke!

Hallo @AyquassarMd (Wiedergeburt?)

Abgesehen von dem, was zu deiner Frage heute/gestern → hier bereits diskutiert wurde: Es ist keine Frage der Grammatik, sondern der Morphologie. Terminologisch: Es handelt sich um zwei Formen von Fugenmorphemen in nominalen Komposita. Also bei solchen Komposita, bei denen sowohl das Vor-Wort (der „Nicht-Kern“) als auch das Nach-Wort (der „Kern“) ein Nomen ist und der Nicht-Kern ein Fugen-Suffix bekommt.

Auch wenn bei nominalen Komposita meist (zumindest bei Nicht-Feminina) deutlich zwischen Singular und Plural des Nicht-Kerns unterschieden werden kann ("[Bücher]wurm" ↔ „[Buch]Händler“), so ist untersucht worden, dass es sich bei Nicht-Kernen, die ein Genitiv zu sein scheinen, nicht um Genitive handelt.

So ist bei „[Tag-es]lauf“ das „-es“ kein Genitiv-Suffix, wie man andernfalls am Beispiel „[Tag-e]buch“ oder „[Tag]-falter“ erkennt, sondern das Fugenmorphem „-es“. Und auch bei „[Löwe-n]mähne“ ist das „-n“ kein Genitiv-Suffix, sondern das Fugenmorphem „-n“. Diese Fugenmorpheme werden daher auch als „Nicht-Kasus-Suffixe“ bezeichnet.

Um nicht zu weit auszuholen: Bei [Zell]inhalt ↔ [Zelle-n]inhalt haben wir ein Beispiel, in dem der Nicht-Kern Zelle 1. ein Femininum ist, das 2. eine Schwa-Endung ("-e") besitzt. Bei „[Zell]inhalt“ handelt es sich um den Sonderfall, dass nicht ein Fugenmorphem zugefügt, sondern im Gegenteil die Schwa-Endung des Nomens getilgt wurde. Es ist ein Beispiel für ein sogenanntes „negatives Fugenmorphem“. Ein weiteres Beispiel für ein negatives Fugenmorphem am Nicht-Kern eines Kompositums (nur bei femininen Nomen mit Schwa-Endung) ist „[Sprach]wissenschaft“. Ob es weitere Beispiele solcher Komposita gibt, weiß ich ad hoc nicht.

Unzweifelhaft sind alle diese „Zelle“-Komposita rein historisch der biologischen Fachterminologie zugeordnet: „Zellkern“, „Zellstruktur“, „Zellgrenzen“, „Zellsuspension“. Und sie sind daher auch eben als Termini mit ihrer eigentümlichen historisch bedingten Morphologie zu betrachten. Denn bei allen anderen Komposita, bei denen es sich beim Nicht-Kern um Feminina mit Schwa-Endung handelt, werden diese ganz regulär mit dem Nicht-Kasus-Suffix „-n“ gebildet.

Einige Beispiele:
„Welle“ → „[Welle-n]kamm“
„Krähe“ → „[Krähe-n]fuß“
„Sonne“ → „[Sonne-n]schirm“, „[Sonne-n]finsternis“
„Banane“ → „[Banane-n]schale“
„Hölle“ → „[Hölle-n]lärm“
„Blume“ → „[Blume-n]vase“
„Seite“ → „[Seite-n]zahl“
„Treppe“ → „[Treppe-n]witz“

Und da das Kompositum „Zelleninhalt“ semantisch nichts mit der speziellen traditionellen biologischen Nomenklatur zu tun hat, sollte es auch ebenso regulär verwendet werden. Auch, wenn du

„unter dem Inhalt einer Speicherzelle eher ein Maschinenwort als ein Bit“

meinst: „Zelle“ → „[Zelle-n]inhalt“
Der Nicht-Kern „[Zelle-n]-“ ist auch hier, wie in den Beispielen, jedenfalls weder Genitiv Singular, noch Genitiv Plural, noch Nominativ Plural. Das „-n“ ist ein an die komplette Nominalform angehängtes Nicht-Kasus-Suffix.

Gruß
Metapher

2 Like

Danke für den Link! Ehrlich gesagt stellte ich die Frage auf einigen Foren, aber stackexchange gehört nicht dazu. Vermutlich wollte jemand auf den Foren antworten und stellte die Frage erneut.
Nun, was deine Erklärung angeht: klingt sehr vernünftig. Aber Zelleninhalt kann (ohne einschränkenden Kontext, natürlich) als der Inhalt aller Zellen des Speichers missverstanden werden; bei Zellinhalt ist es nicht der Fall.

Na egal, dann ist das dort halt dein „permutiertes“ Namensdouble :wink:

Dann ist das in dieser Hinsicht Entscheidende der Komposita-Morphologie gar nicht rübergekommen! Das [Fuge-n]suffix (genau wie das „-n“ hier) hat eben keine Kasus-Valenz, ist also kein Genitivmarker! Und im Fall von Feminina daher auch kein Numerusmarker!

Es gibt zwar Beispele für eindeutig pluralische Nichtkerne von Komposita. Klassische Beispiele: „Bücherstapel“, „Gästehaus“, „Kindergarten“ … Aber umgekehrt ist das „Gasthaus“ nicht für nur 1 Gast, und der „Buchhändler“ handelt nicht mit nur 1 Buch, und das „Kindermädchen“ betreut vielleicht nur 1 Kind.

Bei Komposita wird der Numerus ausschließlich - ebenso wie Genus und Kasus - durch den Kern, also die rechte Komponente(!) bestimmt! Daher sind „Sonnenschirme“ nicht die Schirme vieler Sonnen, und die „Tagträume“ beziehen sich nicht auf nur 1 Tag, und "die „Buchbinder“ binden nicht nur 1 Buch. Ebensowenig, wie die „Tagesmutter“ nur 1 Tag lang betreut, und „die Zellkerne“ nicht mehrere Kerne nur 1 Zelle sind.

Dahe verweist „Zellinhalt“ nicht per se auf den Inhalt nur 1 Zelle, und „Zelleninhalt“ nicht auf den Inhalt vieler Zellen. Zusammengefaßt noch einmal: Das fehlende („negative“) Fugenmorphem in „Buchbinder“, „Zellkerne“ verweist nicht auf einen Singular des linken Nomens (Nichtkern), und das „-n“-Suffix des Nichtkerns verweist nicht auf einen Plural.

Ob du mit „Zelleninhalt“ also den Inhalt mehrerer Zellen oder nur den einer bestimmten Zelle meinst, muss allein aus dem Kontext hervorgehen. „Zellinhalt“ dagegen ist ein der Biologie reservierter Ausdruck, und er meint ebendort auch nicht ggf. den Inhalt nur 1 Zelle.

Gruß
Metapher

1 Like