Bezahlung der Ärzte

Hallo allerseits,

eigentlich geht es mir ja eher um Gesundheitspolitik, aber ich hoffe, das Brett passt trotzdem.
Es ist ja gerade ein großes Geschrei seitens der Ärzteschaft, dass trotz der Budgeterhöhung um € 3 Mrd. manche Ärzte pro Patient und Quartal nur € 20 von den Kassen erhalten, unabhängig davon, wie oft der Patient im betreffenden Quartal auf der Matte steht. Und das verstehe ich nicht, da der Arzt doch für jede Behandlung Geld nach dem Punktesystem erhält. Das heisst, dass jedesmal, wenn der Patient kommt, erhält der Arzt zusätzliches Geld für die zusätzliche Behandlung. Ist es also so, dass die € 20 pro Quartal pauschal erstattet werden plus eben die Erstattung für die Behandlung? Oder gilt die GoÄ seit neuestem nicht mehr?

fragende Grüße,

Ralph

Hi Ralph

manche Ärzte pro
Patient und Quartal nur € 20 von den Kassen erhalten,
unabhängig davon, wie oft der Patient im betreffenden Quartal
auf der Matte steht.

Genau. Es handelt sich um „budgetierte“ Leistungen. Der Arzt bekommt einen festen Betrag pro Nase pro Quartal. Im Schnitt sind es bei Allgemeinärzten so um die 35,- Euro. Wenn der Patient öfter als einmal kommt, hat der Arzt insofern Pech, als dass er dann umsonst - besser gesagt: für Gottes Lohn - arbeitet. Wenn ein Arzt also z.B. 100 Patienten, also 100 Krankenscheine pro Quartal hat, wären das also 3500,- Euro pro Quartal, das heißt also er hat einen BRUTTO (!) Monatslohn von etwa 1170,- Euro. Davon muss er aber seine Altersversorgung (Ärzteversorgung), seine Krankenkasse und die seiner Familie bezahlen sowie die Gehälter seiner Mitarbeiter und die Praxismiete.
Geht natürlich nicht. Daher müssen soviele Praxen schließen, weil sie pleite sind und die Versorgung der Bevölkerung wird schlechter.

Und das verstehe ich nicht, da der Arzt
doch für jede Behandlung Geld nach dem Punktesystem erhält.

Nein, dies ist wiegesagt budjetiert.

Das heisst, dass jedesmal, wenn der Patient kommt, erhält der
Arzt zusätzliches Geld für die zusätzliche Behandlung.

Nein, eben nicht.

Ist es
also so, dass die € 20 pro Quartal pauschal erstattet werden
plus eben die Erstattung für die Behandlung? Oder gilt die GoÄ
seit neuestem nicht mehr?

Siehe oben.
Gruß,
Branden

100 Krankenscheine pro Quartal
Ein Wahnsinn! Das wären ja zwei, drei, vielleicht sogar vier Patienten pro Tag.
Jetzt wird mir klar, warum die für zweimal Blutdruck messen und ein wenig Beratung (was in der Apotheke zwei Euros kostet) dem Privatpatienten fast hundert Euros in Rechnung stellten.

LG

Gitta

Hallo,
nein, das wären etwa 1,5 Patienten pro Tag, denn es handelt sich ja um ein Quartalsabrechnung. Ich denke die 100 war nur mal eine Rechengrundlage, die dann allerdings etwas überstrapaziert wurde. Vermutlich kann man da locker eine Null dranhängen und dann bleibt unter dem Strich immer noch kein exorbitantes Vermögen über, da eine gut laufende Praxis auch einige Angestellte, entsprechend teure Räume, Geräte usw. benötigt.
Allerdings kann man die Rechnung egal mit welcher Zahl so glatt auch nicht durchführen, da viele Patienten ja im Quartal mehrfach erscheinen.

Gruß
Werner

Hi Werner

Allerdings kann man die Rechnung egal mit welcher Zahl so
glatt auch nicht durchführen, da viele Patienten ja im Quartal
mehrfach erscheinen.

Genau das ist eben der Punkt. Meine Frau ist ja als Allgemeinärztin tätig. Sie hat etwa 200 Kassenpatienten (habe sie gerade deswegen eben nochmal gefragt) und kommt so also nicht auf 1170.-, sondern meinetwegen 2340,- Euro. Brutto! Aber davon gehen eben die vielen oben beschriebenen Abzüge ab. Natürlich kommen die Patienten vielfach im Quartal, aber sie verdient nur einmal etwa 35,- Euro an jedem.
Wenn wir nicht in unserem eigenen Haus, wo wir auch leben, praktizieren würden, und außerdem keine Arzthelferinnen beschäftigen, könnten wir das garnicht wirtschaftlich durchhalten.
Ich selber komme ehr so auf 50 Kassenpatienten, aber da ich großenteils Antragspsychotherapien durchführe, bekomme ich jede beantragte Sitzung bezahlt. Das ist aber ein Sonderfall bei und überwiegend psychotherapeutisch tätigen Fachärzten für Psychosomatische Medizin. Die armen Allgmeienärzte müssen weiter für lau schuften.
Gruß,
Branden

Allerdings kann man die Rechnung egal mit welcher Zahl so
glatt auch nicht durchführen, da viele Patienten ja im Quartal
mehrfach erscheinen.

Ja eben, das habe ich gerade berücksichtigt.
Die Apotheke bezahlt auch Miete, hat auch qualifiziertes Personal und muß abgelaufene aber von ihr bezahlte Medikamente wegschmeißen.
Warum ist ein Arzt ohne teure Geräte um den Faktor 50 teurer als Apotheke?
Die Antwort weiß ich selber: Weil der Privatpatient die Kassenpatienten mitbezahlen muß.

LG

Gitta

Und wenn jeder im Durchschnitt jeden Monat in die Praxis kommt, dann haben wir 600 Praxisbesuche pro Quartal. Eine Viertelstunde pro Patientenbesuch gerechnet, kommen wir aber auf gar nicht so eine wahnsinnige Schufterei sondern auf vielviel Freizeit.

Wenn ich zum Arzt gehe, ob mit oder ohne Termin, muß ich immer lange warten, und es sind in dieser Stunde mindestens vier Patienten vor mir dran.

Wenn ich Arzt als Vollzeitbeschäftigung ansehe, käme ich da nicht auf vier Patientenbesuche am Tag, sondern mindestens soviele pro Stunde.
Ein Allgemeinarzt hat mir gegenüber mal ausgeplaudert, man muß die Leute wartenlassen, sonst bleiben sie der Praxis fern.

LG

Gitta

Und wenn jeder im Durchschnitt jeden Monat in die Praxis
kommt, dann haben wir 600 Praxisbesuche pro Quartal.

Ja, w e n n… die kommen aber nicht im Durchschnitt jeden Monat, sondern eher im Durchschnitt jede Woche. Und dann haben wir also schon 2500 Praxisbesuche pro Quartal, kregen aber nur 200 bezahlt!

Eine
Viertelstunde pro Patientenbesuch gerechnet, kommen wir aber
auf gar nicht so eine wahnsinnige Schufterei sondern auf
vielviel Freizeit.

Meine Frau bestellt etwa jede halbe Stunde jemanden ein. Da kommst du schon auf eine nicht adäquat bezahlte Schufterei.

Wenn ich zum Arzt gehe, ob mit oder ohne Termin, muß ich immer
lange warten, und es sind in dieser Stunde mindestens vier
Patienten vor mir dran.

Ohne Termin sollte man normalerweise länger warten als mit Termin.

Ein Allgemeinarzt hat mir gegenüber mal ausgeplaudert, man muß
die Leute wartenlassen, sonst bleiben sie der Praxis fern.

Das machen manche so, wenn sie unter Patienten-Mangel leiden. Das mag schon sein.
Gruß,
Branden

Immer wird das auf Kosten der Versicherten gemacht. Auch die Barzahlung ist nicht normal und illegal.

Immer wird das auf Kosten der Versicherten gemacht. Auch die
Barzahlung ist nicht normal und illegal.

Mit Plattitüden und Allgemeinplätzen kommen wir da nicht weiter, fürchte ich.

Hallo,

ein Problem ist wohl auch, dass Ärzte eben auch nicht alle gleich sind, und damit meine ich nicht nur Qualitativ, sondern auch was ihre eigenen Ansprüche angeht.

Ich kenne ein Ärtzepaar, für die ging irgendwann die Welt durch die böse ungerechte Gesundheitsreform X unter, weil Sie ihre Denkmalgeschützte 400 m² Villa nicht mehr zu finanzieren sahen. Das ist dann Jammern auf hohem Niveau.

Das hat sicher auch seine Ursache darin, dass bis vor ca. 10 Jahren die Gleichung Arzt=Wohlhabend bis Reich zumindest für niedergelassene Ärzte im Grunde immer aufging, wobei ich auch weiß, dass auch früher viele dabei enorme Arbeitszeiten hatten. Da sind natürlich auch enttäuschte Erwartungen entsprechend groß.

Wenn heute der Jahresverdienst (nach Abzug von Betriebskosten) von Ärzten bei durchschnittlich wohl immer noch (ich weiß die aktuelle Zahl nicht, aber vor zwei Jahren waren es noch etwa 125.000) über 100.000 € liegt, dann kann man wohl kaum von einer generell bedrohlichen Einkommenssituation sprechen. Allerdings ist die Streuung größer geworden und es gibt mittlerweile einen großen Teil Ärzte, die unter dem Strich kaum noch ein Facharbeitergehalt erreichen. Das ist dann aber vor allem ein Verteilungsproblem, dass von der Ärzteschaft auch mitverursacht wurde, denn die ärztl. Standesorganisationen sitzen da gewichtig mit am Tisch, auch wenn sie sich gerne als arme Opfer böser Politik darstellen.

Gruß
Werner

Hallo,

der Vergleich mit den Apotheken sagt mir nun gar nichts.
Dort funktioniert die Finanzierung natürlich ganz anders, als in Arztpraxen, auch wenn es dort mit der Preisbindung für Medikamente ebenfalls nicht geringe Verzerrungen gibt, ist ein Apotheker vor allem Händler mit den spezifischen Schwierigkeiten eines Käufermarktes.
Da haben sich die Apotheker durch knappe Studienplätze und ihre Monopolstellung aber wohl immer noch relativ komfortabel aufgestellt.

Gruß
Werner

Hallo,

Wenn ein Arzt also z.B. 100 Patienten, also 100
Krankenscheine pro Quartal hat, wären das also 3500,- Euro pro
Quartal, das heißt also er hat einen BRUTTO (!) Monatslohn von
etwa 1170,- Euro. Davon muss er aber seine Altersversorgung
(Ärzteversorgung), seine Krankenkasse und die seiner Familie
bezahlen sowie die Gehälter seiner Mitarbeiter und die
Praxismiete.
Geht natürlich nicht. Daher müssen soviele Praxen schließen,
weil sie pleite sind und die Versorgung der Bevölkerung wird
schlechter.

Rechnen wir mal anhand Deines Beispiels mit runden Zahlen:
90 Patienten/Krankenscheine in 90 Tagen bedeuten einen Patienten/Tag.
Wie könnte ein Arzt überhaupt auf die Idee kommen sich selbständig zu machen und von nur einem Patienten/Tag zu leben?

Da müßtest Du schon mal die durchschnittliche Patientenzahl/Quartal bei einer durchschnittlichen Praxis nennen, um realistische Zahlen zu präsentieren. Die sehen wohl etwas anders aus.

Gruß:
Manni

Es gibt bekannte Probleme:

  1. Kassenärztliche Vereinigung

  2. Krankenkassen

  3. Pharmaindustrie

Daran liegt das Übel der Gesungsheitsreform.

Hi,

Ich kenne ein Ärtzepaar, für die ging irgendwann die Welt
durch die böse ungerechte Gesundheitsreform X unter, weil Sie
ihre Denkmalgeschützte 400 m² Villa nicht mehr zu finanzieren
sahen. Das ist dann Jammern auf hohem Niveau.

Stimmt.
Allerdings frage ich schon, wo das ganze Geld bleibt. Laut Statistischem Bundesamt betrugen 2006 die Kosten für das Gesundheitswesen 245 Milliarden Euro, eine Menge Geld also und die aktuellen Ausgaben werden noch höher sein.
Die Frage ist: wenn oben so viel Geld reingekippt wird, wie kann es sein, dass unten, wo das Geld in sachkundige Arbeit umgewandelt werden soll, kaum noch etwas vorhanden ist?
Also: wo bleibt die Kohle?

WoDi

Hi,

Allerdings frage ich schon, wo das ganze Geld bleibt. Laut
Statistischem Bundesamt betrugen 2006 die Kosten für das
Gesundheitswesen 245 Milliarden Euro, eine Menge Geld also und
die aktuellen Ausgaben werden noch höher sein.

OK - zieh den Wasserkopf und den Verwaltungsspperat der knapp 200 (!) Kassen ab.

Dann nimm die extrem kostspieligen Behandlungen (Krebsbehandlungen, z.B - mir sagte auch mal ein Arzt: Je größer das Labor, desto besser die Bezahlung) oder völlig überteuerte Medinkamente die hier wegen der Preisbindung mal so richtig zu Buche schlagen auch mal raus.

Die Zahl, die DANN noch bleibt, wird vermutlich eine völlig andere sein…

VG
Guido

P.S. Mein ehemaliger Hausarzt ist ein ehemaliger Grundschulklassenkamerad von mit - der ist Lichtjahre von einem 6-stelligen Einkommen entfernt, hat weit weniger als die Hälfte.

Hallo,
die Zahl hört sich gewaltiger an als sie ist.
Der Gesundheitsbereich ist ein Dienstleistungsbereich und damit personalintensiv und heutzutage ist nun mal Personal in der Regel der Kostenfaktor Nr. 1.

Im Gesundheitswesen arbeiten m. W. etwa 11% der Beschäftigten in Deutschland. Das sind etwa 4,3 Millionen Menschen. Davon sind nur etwa 300 000 Ärzte, wovon wiederum etwa die Hälfte niedergelassen ist. Wenn wir für alle einfach mal den durchschnittsverdienst von 26 000 €/Jahr + Lohnnebenkosten annehmen, sind 4/5 des von dir genannten Geldes schon weg. Da sind wohl die Verwaltungskosten der Kassen eher eine Fußnote. Vom Rest müssen noch Steuern gezahlt werden, Material und Energie kosten auch noch was.

Gruß
Werner

Hi,

Du hast ja leider recht.
Was wäre das System ohne die „Quersubventionierung“ über die Privatpatienten?
Ein Arzt, der beim Auftauchen eines Privatpatienten nicht wie der berühmte Pawlowsche Hund reagiert, sollte schleunigst einen Arzt aufsuchen.

Gruß
Cassius

Hi Manni

Rechnen wir mal anhand Deines Beispiels mit runden Zahlen:
90 Patienten/Krankenscheine in 90 Tagen bedeuten einen
Patienten/Tag.

Ach so, du arbeitest auch samstags und sonntags? Hast also keinen Tag frei? Mensch, Manni, das tut mir leid für dich. Da bist du ja ein wahrer workoholic!

Wie könnte ein Arzt überhaupt auf die Idee kommen sich
selbständig zu machen und von nur einem Patienten/Tag zu
leben?

Der Karneval ist doch vorbei, Manni. Was sollen diese Witzchen?

Da müßtest Du schon mal die durchschnittliche
Patientenzahl/Quartal bei einer durchschnittlichen Praxis
nennen, um realistische Zahlen zu präsentieren.

Das hab ich ja gemacht. Ich redete von den zwei Praxen in meinem Hause, hauptsächlich der Praxis meiner Frau (Allgemeinmedizin) und meiner nur am Rande, weil ich ja spezielle Bedingungen habe.
Bei mir sind die Patienten 50 Minuten. Ich bestelle sie zu vollen Stunden und sie müssen nicht warten. Ich kann aber nur maximal 6 Patienten am Tag nehmen, sonst platzt mir die Birne, weil das sehr inensive Geschicten sind.
Als ich noch Hausarzt, Praktischer Arzt war, in den 80er Jahren, hab ich übrigens auch nicht so sehr viel mehr Patienten am Tag gehabt, weil ich ich auch mit jedem eingehend beschäftigt habe. Ich hätte sonst den Beruf nicht machen wollen, jedenfalls nicht so lange Praxis als niedergelassener Einzelkämpfer. Ich führe meine Paxis nun 22 Jahre lang und ich kann es nur machen, weil ich nicht mehr als 5, maximal 6 Patienten am Tag nehme.
Gruß,
Branden

Hi Cassius

Du hast ja leider recht.
Was wäre das System ohne die „Quersubventionierung“ über die
Privatpatienten?

So ist es. Zumindest betrifft es die Praktischen Ärzte. Ohne die Privatpatenten geht da fast gar nichts.
Bei uns Psycho-Ärzten ist es z.Zt. etwas besser, da wir bei Antragspsychotherapien jetzt immerhin fast so viel für einen Kassenpatieten abrechnen dürfen wie für einen Privaten.
Das ist ein leines Stück Gerechtigkeit egenüber unserem Fach. Aber die Allgemeinärzte müssen nach wie vor darben.
Gruß,
Branden