Liebe Maria,
so kompliziert, wie Frau Nickel- Bacon den Sachverhalt dargestellt hat (Ich halte ihren Artikel für das Paradebeispiel für einen ausgesprochen schlechten formulierten deutschen Lehrtext.), so schwierig ist es vielleicht gar nicht, ihn in seinen Grundzügen zu verdeutlichen.
Meine folgenden Gedanken können aber nur als eine bescheidene Annäherung an diese Thematik verstanden werden:
Über die Literatur versucht die Menschheit bereits seit Jahrtausenden besondere Beziehungen zwischen den Individuen einer Gesellschaft bzw. auch über deren Grenzen hinweg herzustellen. Dabei entstand eine verwirrende Anzahl verschiedenster, unverwechselbarer Texte. Um diese Vielfalt überschaubarer zu machen, bemühten sich Schriftsteller seit dem Altertum darum, eine gewisse Ordnung vorzunehmen.
Erfolg versprechend erwies sich dabei ein Klassifizierungsversuch, der nicht nur von der bloßen Form eines Werkes ausgeht, sondern auch dessen Kommunikationsintension berücksichtig, denn beim Vergleich unterschiedlicher Nationalliteraturen fällt auf, dass bestimmte Gemeinsamkeiten in der Art und Weise bestehen, in der die Welt künstlerisch gestaltet, gewertet und angeeignet wird. Somit weisen bestimmte Werke mehr oder weniger stark ausgeprägt Gemeinsamkeiten auf, die sich letztlich in dem System von Gattungen und Genre ausdrückten.
Um also literarische Produkte (ästhetische Texte) aus verschiedensten Zeiten und Kulturen vergleichen zu können, scheint auch die Kenntnis über deren allgemeine Merkmale nützlich zu sein. In der Schule ist daher diese Systematik Bestandteil des Literaturunterrichts und dient bei der Interpretation literarischer Texte als ein Mittel zum Lese- und Textverständnis.
Der vorliegende Artikel kreist inhaltlich um den weiteren Lesekompetenz- Begriff (wie funktioniert das Verstehen eines literarischen Textes; wie gestaltet sich der Prozess, in dem man vom erworbenen Wissen zu dessen produktiver Umsetzung gelangt). Dazu scheint es angebracht, dass die beiden Seiten der Literaturaneignung (literaturdidaktische Kategorien mit kognitionswissenschaftlichen Konzepten[wie erfolgt die Übertragung von Fertigkeiten und Kenntnissen]) verbunden werden, um so zu einer Objektivierung/ Intersubjektivierung des Leseverstehens zu kommen.
Also kurz gesagt: Es hilft eben nichts, nur etwas auswendig zu lernen, ohne die Fähigkeit zu entwickeln, dieses Wissen auf unbekannte Situationen/Texte anwenden zu können!
Ich wünsche Dir noch viel Spaß in Deiner weiteren Ausbildung und lass Dir dabei nicht die Freude an unserer Sprache nehmen.
Gruß
Michael