Hallo!
wer 1989/90 eingeschult wurde, der
wurde noch in der DDR eingeschult. 1990/91 hatte sich alles
geändert, das Bildungssystem befand sich bereits in der
Auflösung.
Sowas wie Sonnabendunterricht usw. hast Du nicht mehr
mitbekommen.
Das ist richtig: Außer meinem Einschulungstag (siehe unten) musste ich an keinem Sonnabend zur Schule gehen.
Dann durftest Du bereits die Sitten des neuen Schulsystems
erleben, denn der Schueintritt war, ministeriell festgelegt,
am Sonnabend vor dem 1. September bzw. dem 1. Schultag
durchzuführen.
Ich wurde am Sonnabend, dem 1. September 1990, eingeschult.
in den Hofpausen lernte man seine Mitschüler kennen
Auch ungewöhnlich, da die Unterstufenklassen aus den großen
Gruppen der Kindergärten zusammengelegt wurden, um die
Schulstruktur kommunal zu halten. Du hättest demnach die
Hälfte Deiner Mitschüler kennen müssen, seit drei Jahren.
Wenn es Dich wirklich interessiert: Meine (erste) Grundschule war wahrscheinlich das letzte DDR-Begabtenfrühförderungsprojekt. In den Kindergärten ganz Ost-Berlins wurden Kinder selektiert, die bereits lesen und schreiben konnten und die Ansätze der Grundrechenarten anwenden, damit diese im Unterricht nicht bei Adam und Eva beginnen müssen. So kamen 15 Schüler zusammen, die in einer Klasse lernen sollten. Die Schule befand sich am Ostkreuz (klar, wenn sie aus ganz Ost-Berlin gut erreichbar sein soll), was für mich einen Schulweg von ca. einer halben Stunde bedeutete.
Leider wurde das Projekt von den beiden nun schon gemeinsam agierenden Berliner Bürgermeistern gekippt. Insbesondere der Regierende Bürgermeister von Berlin (West), Walter Momper (SPD), war gegen jegliche Form von „Elitebildung“ und anderen Abnormitäten (wie z.B. Jungs, die nicht mit Autos spielen), und so mussten 60 weitere Schüler (aus der näheren Umgebung vom Ostkreuz) in die erste Klasse eingeschult werden. Daraus wurden dann Klassen 1a - 1c gebildet, die jeweils 5 Frühbegabte enthielten, damit diese die 20 Normalentwickelten „geistig mitziehen“ - wie auch immer das funktionieren sollte.
Vielleicht funktioniert es ja auch in der Theorie; praktisch funktionierte es jedoch nicht, und sämtliche 15 ursprünglich Ausgewählten übersprangen dann eine Klassenstufe, weil es in dieser Umbruchsphase keine andere Frühförderung mehr (und noch nicht wieder) gab.
Jedenfalls ist dies die Erklärung, dass ich nur einen meiner Mitschüler vorher kannte (weil unsere Eltern sich zufällig kannten).
Nachdem ich dann eine Klasse übersprungen hatte und in meinem Wohngebiet (Johannisthal) zur Grundschule ging, kannte ich jedoch auch niemanden, da wir 1989 von Adlershof umgezogen waren, ich dieses letzte Kindergartenjahr dann noch dort in meiner angestammten Kindergartengruppe verbrachte, von der aber natürlich niemand in Johannisthal zur Schule ging. Das „Kennenlernen in den Hofpausen“ kann also auch ohne jegliche Früh- oder Spätbegabung nötig werden.
Ähnlich war dann der Eintritt in die 5. Klasse, nur ohne Schultüte,
was die Feierlichkeit für meinen Geschmack deutlich bequemer werden
ließ.
Ich meinte das sarkastisch. Der Übergang der 5. Klasse ist
nichts zum Begehen. Ein überflüssiges, ungerechtes und
weltweit einzigartiges Selektionsloch. Daß da überhaupt ein
feierliches Wort verloren wird, ist an Zynismus schwer zu
überbieten und zeigt die Perversität des Schulsystems und der
Gesellschaft.
Ich habe gemerkt, dass Du es sarkastisch meintest. Dennoch: Nie war mir freudiger zumute als nach dem Eintritt ins Gymnasium. Wie Du sicher weißt, existiert in Berlin eine 6-jährige Primarstufe, aber zum Glück gibt es einige grundständige Gymnasien (da musste ich dann erneut eine Dreiviertelstunde zur Schule fahren) - zwei Jahre mehr in dieser Verdummungsschule, in der die Mathelehrerin uns die Zahlen 1,4,9,16,25,36… als „Primzahlen“ verkauft (und sich selbst durch ein Tafelwerk nicht eines Besseren belehren lässt); die Sportlehrerin sich überhaupt keine Mühe gibt, mich, der ich mich nie gern schnell bewegte und jede Anstrengung scheute, irgendwie zu motivieren, in den Unterricht einzubinden oder irgendwie sonst zu fördern; und die Deutschlehrerin mich hasst, weil ich Löschpapier kaue, vor lauter Langeweile auf der Schulbank liege, statt nach vorn zu schauen, jeden ihrer Fehler sofort bemerke und verbessere …, und die den anderen Kindern deshalb verbietet, mit mir Umgang zu haben - zwei Jahre mehr hätte ich dort nicht ausgehalten. Mein Bild einer Grundschule (und damit auch einer Gemeinschaftsschule) ist dadurch dauerhaft von inkompetenten Lehrern geprägt.
Daher zog ich es ins Lächerliche, wenn mir jemand erzählt, der
Wechsel in die 5. Klasse sei ein Übergang. Ja, ein
künstlicher, ein obrigkeitsstaatlicher, der den Kindern nur
schadet.
Ha ha, dass ich nicht lache. Von mir aus kann die Grundschule gerne mehr als 4-jährig sein (ist sie hier ja auch), von mir aus auch mehr als 6-jährig - solange Förderbedürftigen die Möglichkeit eingeräumt wird, sie früher zu verlassen. In meiner Klasse gingen außer mir zwei weitere Schüler nach der Vierten ab - einer ebenfalls auf ein grundständiges Gymnasium, der andere auf eine Waldorfschule. Die beiden haben das sicherlich ebenso gebührend gefeiert wie ich, weil sie endlich optimale Lernbedingungen hatten!
Und das Siezen fand bei uns erst in Klasse 11 statt
Dann besuchtest Du schlechte Schulen. 14jährigen schadet das
Sie nicht und es ist der beste Zeitpunkt der Anerkennung, daß
sie dem Kindsein sukzessive entschwinden und von den
Erwachsenen ernstgenommen werden.
Ich kenne es von anderen Schulen in Berlin/Brandenburg auch nicht anders. Bei uns wehren sich die Elftklässler noch dagegen und erwirken solche „tollen“ Kompromisse wie „Andreas, was meinen Sie dazu?“
Und ja, eventuell ist meine Schule eine schlechte Schule, denn sie polarisierte: Man konnte sie nur lieben oder hassen, dazwischen gab es nichts. Alle Lehramtsstudenten, die vom Händel-Gymnasium kommen, wollen nach Möglichkeit dahin zurück. Die meisten der dort angestellten Lehrer waren selbst auf dieser Schule. Zahlreiche Schüler besuchen auch nach dem Abitur noch das alljährliche Sommerfest und nutzen alle Sonderfeste (100 Jahre Händelschule, 30 Jahre musikbetont u.s.w.), um noch einmal in ihrem Ensemble mitspielen zu können.
Diejenigen, die die Schule hassen, sind spätestens nach der Siebten weg. Und dann hält nichts so zusammen wie der Klassenverband (das ist in höchstens 20% der Klassen nicht der Fall, ein paar Problemklassen gibt’s halt immer).
Von den religiösen Verantaltungen halte ich nichts. Eine
archaische, im Geiste des Mittelalters erstarrte Prunk- und
Prachtvorstellung, wo man im 20. und 21. Jahrhundert
unweigerlich an das menschenverachtende, geistig
stehengebliebene, ultrareaktionäre Papsttum und die
verbrecherischer katholische Kirche denken muß.
Über die zunehmende Ideologisierung in der DDR zerreißt man
sich noch immer das Maul, aber wie durchgeknallt die Kirchen
hierzulande unterwegs sind… herje.
Natürlich sind die Kirchen durchgeknallt gewesen, aber was hat das für Konsequenzen für ihr heutiges Wirken? Was hat die Ideologisierung der SED für Konsequenzen für ihre Nachfolgepartei, die PDS (jetzt Linke)?
Diese Nachwirkungen bestehen doch nur in den Köpfen der jeweiligen Gegner. Kein Katholik denkt bei seiner Kirche primär an das Verhütungsverbot des Papstes, sondern daran, was ihm an der Kirche positiv erscheint - ob dies nun ein Glaubensinhalt oder ein Ritual ist. Kein Lutheraner wird an die Judenhetze Martin Luthers denken, wenn er seine Kirche lobt. Und kein Wähler der Linken wird an den Mauerbau zum Schutze gegen die faschistischen Kräfte Westdeutschlands denken, wenn er den Sozialismus preist.
Liebe Grüße
Immo