Hallo,
Da geb ich dir recht, aber wenn man statistische Verfahren
nutzen will, dann sollte man diese wenigstens ausreichend
kennen.
ja, natürlich. Leider ist das nicht immer so.
Im Grunde weiß doch jeder
Student im Grundstudium, der eine Vorlesung Statistik hinter
sich hat (zumindest in BWL) das Erkenntnisse hier nur etwas
taugen, wenn die Fragestellung stimmt und die untersuchte
Gruppe von den Eigenschaften her zur Fragestellung passt und
repräsentativ ist.
Was soll denn „die Fragestellung stimmt“ heißen? Die Fragestellung sollte die Methodik bestimmen. Meinst Du das?
Und was soll im konkreten Fall „die Gruppe von den Eigenschaften her zur Fragestellung passen“ heißen? Soweit ich bisher sehe, ging es um die Einschätzung von Bartträgern durch Menschen. Ob noch genauer differenziert wurde, weiß ich nicht.
Würdest du auch, wenn du Eischätzungen über tätowierte
Menschen untersuchen möchtest, dich im Zweifel darauf
beschränken, nur die Bewohner eines bestimmten Altersheims zu
befragen, weil die grad mal Langeweile haben und gerne
kostenlos mitmachen ?
Wenn ich Einschätzungen über Tätowierungen untersuchen wollte, würde ich mir vorher Gedanken darüber machen, wovon diese Einschätzungen abhängen könnten und dann meine Stichprobe auswählen. Wenn ich glaube, daß diese Einschätzungen in unterschiedlichen Populationen unterschiedlich ausfallen, ich aber in einer Studie nur eine Teilpopulation untersuchen konnte, dann schreibe ich in der Arbeit: „Die Ergebnisse könnten aufgrund folgender Überlegungen nur für die untersuchte Population gelten. Deshalb sind weitere Untersuchungen in anderen Populationen notwendig.“ Hat die Diplomandin das geschrieben?
Ich darf dir garantieren, wenn die aufgrund solcher „Studien“
von Psychologen getroffenen Entscheidungen teilweise
Milliardeninvestitionen von Unternehmen nach sich ziehen
würden, dann würden auch Psychologen anders arbeiten müssen.
Das ist albern. Ergebnisse aufgrund von Untersuchungen an kleinen und kleinsten Stichproben von Teilpopulationen können durchaus ihren Wert haben und bleibende Erkenntnisse liefern. Ich hatte Dir das Beispiel der Klassischen Konditionierung genannt, die ja sogar an Vertretern einer anderen Art erforscht wurde. Außerdem nannte ich in dem anderen Posting Einzelfallstudien. Beispiele hierfür wären Watsons Studie mit dem kleinen Albert oder - im Fall der Psychoanalyse - Freuds Studien über Hysterie (obwohl ich die Ergebnisse nicht für bleibend halte). Konrad Lorenz´ Graugänse waren auch nicht repräsentativ für alle Graugänse, geschweige denn die Tierwelt und doch haben seine Befunde wichtige Erkenntnisse gebracht.
Fein, solange du aufgrund solcher lustigen Prämissen niemandem
ein Produkt verkaufen willst, kannst du ruhig weiter spielen.
Aber vermutlich wirst du jetzt Arguemtieren, dass im Gegensatz
zur Einschätzung von Bartträgern, Kaufentscheidungen keine
allgemeinpsychologischen Prozesse sind *fg*.
Marion, Marion, Marion. Wo, glaubst Du denn, kommen die Theorien über Kaufprozesse her? Schlag mal Deine Marketing-Bücher auf und vergleiche deren Theorien mit psychologischen. Es ist ja sogar so, daß die Marketing-Leute regelmäßig bei den Psychologen „klauen“. Die Darstellung psychologischer Paradigmen (S-R-Modell oder S-O-R-Modell) in manchen BWL-Bücher ist allerdings für einen Psychologen recht erheiternd, weil diese Darstellung manchmal sehr oberflächlich und ungenau sind.
Sicher, wenn du mir vorher in einer umfassenden Studie
bestätigst, dass es sich bei den untersuchten Vorgängen hier
um „allgemeinpsychologische Prozesse“ handelt. Nach meinem
Verständnis wären dabei aber Untersuchen einer ausreichend
repräsentativen Gruppe erforderlich, um dies erstmal zu
klären. Nur die Tatsache, dass du oder sonstwer das wohl
irgendwie annimmt , ist mir ehrlich gesagt so dünn, dass
ich auf die Ergebnisse solcher Studien nicht mal einen Euro
geben würde.
Nein, normalerweise macht man erst einmal ein paar exploratorische Untersuchungen, um zu schauen, ob die eigenen Hypothesen überhaupt in der Empirie standhalten können. Wenn das schon in Teilpopulationen nicht klappt, läßt man weitere Untersuchungen bleiben. Erst wenn etwas herauskommt, macht man größere Untersuchungen und differenziert stärker.
Es würde bereits reichen, wenn einer der kompetentesten und
sympatischsten Dozenten der befragten Studentengruppe
Bartträger ist, um das Ergebnis völlig zu verfälschen und auf
andere Personengruppen unübertragbar zu machen.
Genau. Jetzt müßtest Du eine Studie machen und nachweisen, daß Deine Vermutung korrekt ist. Denn ohne diesen Nachweis ist Dein Argument nur eine Vermutung, die auch unzutreffend sein kann.
Klar, wenn ich irgendwo mit dem Hammer draufhau, ist es auch
meistens platt, egal was es vorher war. Und ? Hilft uns das
bei der Einschätzung von Bartträgern jetzt irgendwie weiter ?
Ja, mein Beispiel der Klassischen Konditionierung hilft weiter, weil es zeigt, daß man auch an Teilpopulationen wertvolle Erkenntnisse gewinnen kann.
Und auf welcher Grundlage kannst du dir das vorstellen ?
Auf der Grundlage der Studien über die Einschätzung von Bartträgern, die es seit mindestens Ende der 60er Jahre gibt, die in verschiedenen Populationen durchgeführt wurden und welche ähnliche Ergebnisse wie die Studie von Frau Strauß ergaben.
Oha, eine Stichprobe richtet sich einzig und allein danach,
für welche Gruppe sie repräsentativ sein soll. Ich glaub das
lernt man in der ersten Vorlesungsstunde in Statistik.
Das ist Unsinn. Stichprobengrößen sollten auch nach der vermuteten Effektstärke und der statistischen Power ausgewählt, um maximale Effizienz der Untersuchung zu gewährleisten.
[Geschichte Stichproben]
Dann darf man daraus aber auch keine verallgemeinernden
Schlüsse ziehen.
Doch, das machen wir nämlich bei den PISA-Studien so. Die erhobenen Daten aus einer mehrfach geschichteten Stichprobe werden mit Gewichten versehen, welche die Stichprobenergebnisse repräsentativ machen. Die Gewichte berechnen sich aufgrund der Informationen, wie die Stichprobe gewonnen wurde. Die Statistik dazu ist relativ kompliziert, aber Du kannst im Technical Report von PISA 2000 nachlesen, wie das Prinzip ungefähr ist.
Grüße,
Oliver Walter