Sprache und Denken

Bei uns tauchte kürzlich die Frage auf, ob Sprachentwicklung die Voraussetzung sei für das Denken… im Sinne von Reflektieren über Vergangenes, Antizipieren von Zukünftigem, überhaupt im Sinne von Abstand zu den Dingen bekommen, indem man sie im Kopf in Form von Wörtern abbildet? Können Tiere nach dieser Definition nicht denken, weil sie über keine Wörter/Sprache verfügen? Was meint ihr?

Suche auch zum Thema „Sprache - Denken - Wirklichkeit“ folgende Texte:

  • Geheimnis Gehirn - Wie wir beim Sprechen denken. In: bild der wissenschaft 11/94, S. 61 ff.

  • von Mechsner, Franz: Wer sprach das erste Wort? Sprachevolution. In: GEO 9 / 1998, S. 76 ff.

Danke im voraus!

Hallo!

Also ich stolpere ja schon über die Begriffe Sprache und Denken als solche. Was ist „Sprache“ und was ist „Denken“? Bezieht man beides auf den Menschen, halte ich es für naheliegend anzunehmen, daß menschliches „Denken“ ohne menschliche Sprache nicht möglich ist. Genausowenig umgekehrt! Beides, Sprache und Denken, setzen sich wechselseitig voraus und haben sich wohl auch Entwicklungsgeschichtlich parallel und in enger Abhängigkeit voneinander entwickelt.

Unsicherer werde ich mir, wenn die Frage allgemeiner und weniger Mensch-bezogen gemeint ist. Ich bin mir eben nicht sicher, was genau eine „Sparche“ ausmacht und was genau unter „Denken“ zu verstehen ist. Da aber in der Natur beides - egal in welcher Form - immer entwicklungsgeschichtlich bedingt ist, halte ich es für besser, ganz klar NICHT natürliche Beispiele heranzuziehen und vielleicht konkret zu fragen: Können wir eine (mechanische oder biochemische oder sonstige oder theoretische) Maschine konstruieren (zumindest theoretisch!), die „denken“, aber nicht „sprechen“ kann (oder auch umgekehrt)? - Ich kann diese Frage nicht beantworten, nicht mal aus dem Bauch raus.

Übrigends: Ein interessantes Buch zu dem Thema ist

Bauplan für eine Seele Dietrich Dörner

Link: [http://www.buchtips.net/rez756.htm(ich](http://www.buchtips.net/rez756.htm(ich) glaube das gibt’s derzeit von rowolt für €12.50)

In diesem Kontext auch interessant: http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/nano/…

Sowie: http://beat.doebe.li/bibliothek/w00053.html

Grüße,
Jochen

Bei uns tauchte kürzlich die Frage auf, ob Sprachentwicklung
die Voraussetzung sei für das Denken… im Sinne von
Reflektieren über Vergangenes, Antizipieren von Zukünftigem,

  • von Mechsner, Franz: Wer sprach das erste Wort?

Sprachevolution. In: GEO 9 / 1998, S. 76 ff.

Danke im voraus!

Hallo Fabian,
Diese Frage brennt schon lange in meinem Gehirn. Nun habe ich mir vorgestellt, dass wenn ein Schimpanse eine zu hoch gelegene Banane erreichen will, er sich einen Stock bastelt und sich den voraussichtlichen Erfolg in Bildern vorstellt. Die Worte sind dazu nicht nötig. Er ruft dabei auch Erinnerungen an gehabten Erfolg ab.
Mit Gruss: hardy

Hallo Fabian

Bei uns tauchte kürzlich die Frage auf, ob Sprachentwicklung
die Voraussetzung sei für das Denken… im Sinne von
Reflektieren über Vergangenes, Antizipieren von Zukünftigem,

Nein. Sprache ist nicht Voraussetzung für Denken. Man kann all das von Dir Aufgeführte, mit andren Worten: Wesentliches auch ohne Wörter im Kopf abBILDen, wie der Name schon sagt.
Gruß, Branden

In seinem Buch „Bildung“ schreibt Dietrich Schwanitz diverse Male (und ich bin jedes Mal drüber gestolpert) dass nur wer die Sprache beherrscht auch richtig denken könne. Umkehrschluss: wer die Sprache nicht richtig beherrscht, kann nicht vernünftig denken.

In meinen Augen nur bewusst provokante Polemik, aber inhaltlich nicht haltbar. Zwar mögen dem Spachlosen oder dem Ungebildeten die etablierten Begriffe unbekannt sein, doch ich wüsste nicht, weshalb das das Überdenken von Problemen oder komplexen Zusammenhängen behindern sollte.

Könnte es nicht vielleicht sogar eher so sein, dass derjenige, der meint, die speziellen Begriffe für ein Konzept (z.B „Sozialismus“ oder „Relativität“) zu kennen, viel eher geneigt ist, gedanklich in vorgefertigten aber von ihm gar nicht vollständig durchdrungenen Spuren zu verharren?

Fraglos wird der Sprachlose oder Mindergebildete Schwierigkeiten haben, die Ergebnisse seines Denkens zu vermitteln - solange es nicht auf eine lösungsorientierte Handlung hinausläuft.
Aber ich wüsste nicht, weshalb man dann nicht oder nur schlechter denken können soll.

Interessiert weiteren am Fortgang der Diskussion,

Andreas

Zu dieser Fragestellung

Suche auch zum Thema „Sprache - Denken - Wirklichkeit“

wäre für dich sicher interessant die lingustische Diskussion um die Sapir-Whorf-Hypothese. Näheres dazu in einem Text mit ebendiesem Titel:

Benjamin Lee Whorf: Sprache, Denken, Wirklichkeit
http://www.amazon.de/exec/obidos/search-handle-url/i…

Gruß

Metapher

Wie verhält sich das mit der Sprache und dem Denken bei Taubstummen oder Blinden?Wie erschließen,die sich den Sinn von Wörtern?
Ich meine,wenn jemand nicht hört,kann der dann den Fluß der Gedanken in sich hören?
Also das Denken lässt sich mit Sprache wohl einfach besser
strukturieren oder ist es die Struktur selbst?
Tja,was weiß ich.Jeder meiner Gedanken ist für mich in Worten hörbar oder in Bildern ersichtlich.

Hallo Matthew,
dazu könnte man natürlich Doktorarbeiten schreiben, aber von mir wenigstens ganz kurze Stichworte.

Wie verhält sich das mit der Sprache und dem Denken bei
Taubstummen oder Blinden?Wie erschließen,die sich den Sinn von
Wörtern?

Bedenke bitte, dass Gehörlose, wenn sie Gebärdensprache beherrschen, über eine vollwertige, komplexe Sprache verfügen, um ihre Gedanken auszudrücken!

Ich meine,wenn jemand nicht hört,kann der dann den Fluß der
Gedanken in sich hören?

Gedanken kann man nicht „hören“, nur denken! Natürlich kannst du dir auch Höreindrücke vorstellen, das hat aber nichts mit hören zu tun.

Also das Denken lässt sich mit Sprache wohl einfach besser
strukturieren oder ist es die Struktur selbst?

„Besser strukturieren“ stimmt, denn es gibt auch einfache gedankliche Strukturierung ohne Sprache. Bedenke aber, dass Blinde hören, tasten, riechen und schmecken, das Gleichgewicht und ihren Körper fühlen können. Sie haben also immer noch sechs von sieben Sinne! Gedanken wie Liebe, Eifersucht, Stolz, Ärger, Verdopplung, Prozentualität, Sicherheit und 1000 andere Gedanken sind vom Sehen absolut nicht abhängig! Blinde verfügen oft über eine besonders reiche Sprache. Natürlich gibt es Begriffe, unter denen sie sich nicht so viel vorstellen können (Farben), wenn sie von Geburt an blind sind. Dieser Teil wird aber immer maßlos überschätzt. Eine Wort wie „rot“ ist in unseren Gedanken keinesfalls nur als Seheindruck verankert, sondern außerdem mir all seinen psychologischen Aspekten wie „auffällig, gehört zu Liebe und Wut und Blumen“ etc… Und diese ganzen Aspekte lernen Blinde beim Spracherwerb genauso wie Sehende!

Tja,was weiß ich.Jeder meiner Gedanken ist für mich in Worten
hörbar oder in Bildern ersichtlich.

Das sind Verknüpfungen, die du gedanklich machst. Ist bei mir gar nicht.
Gruß!
Christian

Hallo Fabian

Nur als Stichwort in den Raum geworfen:

„Lenfant sauvage“ von Francois Truffaut

Der auf Wirklichkeit beruhende Fall des „Wolfsjungen“, der in den Wäldern Frankreichs im Alter von etwa 12 Jahren gefundene Junge, der aufgewachsen ist bei Wölfen oder Hunden.
Man hatte u.a. vergeblich versucht, dem Jungen Sprache beizubringen.
Inwiefern dem Jungen trotzdem „sinnvolles Handeln“ attestiert wurde, ist mir nicht bekannt.

Ein anderer Ansatz: Was ist eigentlich mit den Menschen, die aufgrund eines Unfalls die Sprache verloren haben? Ich habe selbst vor vielen Jahren einen Mann in einem Geschäft getroffen, der nicht ausdrücken konnte, was er eigentlich wollte. Alle Umstehenden waren im Grunde dazu eingeladen, mitzuraten! Er konnte gerade nur sagen, daß er eigentlich nicht in der Lage war, seine Wünsche zu formulieren.
Trotzdem konnte der Mann offenbar seinen Einkaufsbimmel organisieren - auch wenn er ihn nicht in Sprache hätte verwandeln können. (Welchen Defekt er wirklich hatte, war ja nicht bekannt. Vielleicht hatte er auch „nur“ eine Schädigung des Sprechapparates. Aber dass die Verquickung sehr eng und kompoliziert ist, zwischen diesen „Instanzen“: Sprechapparat, (zerebr.)„Sprachzentrum“ , irgendwie die Gedankenwelt etc. zeigt ja schon die Problematik des Stotterns.

Gruß, JS