Triggern

Hallo

ich habe in letzer Zeit sehr oft den Begriff des " Trigger" gelesen, vor allem
in zusammenhang mit sexuellen Missbrauch.
Kann mir jemand sagen, was dieser Begriff wirklich bedeutet, weil ich mir nur
eine sehr rudimentäre Vorstellung machen kann.

Besten Dank

Julia

Hallo Julia,

ein Trigger ist ein Auslöser. Triggern heißt, daß spezielle Dinge, die in der Lebensgeschichte der sexuell mißbrauchten Person mit dem sexuellen Mißbrauch verknüpft sind oder sie daran erinnern wie z.B. Kleidungsstücke, Textstellen, Farben, Gerüche, Möbelstücke, Bilder, bestimmte Orte, zu einem bestimmten Verhalten führen (z.B. Weinen, Weglaufen, Erstarren, Wiedererleben im Sinne eines Flashback).

Beispiel:

Ein Mädchen wird von ihrem Vater immer nur im Keller mißbraucht. Diese Erlebnisse waren sehr schlimm für das Mädchen, sie hatte Angst, sie hatte Schmerzen, sie mußte weinen. Der Keller und andere ähnliche Orte, die wie dieser bestimmte Keller aussehen (das nennt man Reizgeneralisierung), erinnern sie später ständig an den Mißbrauch und werden deshalb zum Trigger (Auslöser) für ähnliche Reaktionen wie Angst, Schmerzen, Weinen. Deshalb hat sie auch Angst vor dem Keller und anderen ähnlichen Orten und vermeidet es, in deren Nähe zu kommen, und will gar nicht hineingehen. Denn sie hat auch erlebt, daß wenn sie einmal doch in einen Keller geht, sie sich ganz stark an die Mißbrauchssituation erinnern muß, ob sie will oder nicht. Es ist fast so, als ob sie die Situation noch einmal erlebt. Das nennt man dann Flashback. Wichtig ist noch zu sagen, daß nicht jeder Trigger einen Flashback auslöst.

Grüße,

Oliver Walter

Hallo

ich habe in letzer Zeit sehr oft den Begriff des " Trigger"
gelesen, vor allem
in zusammenhang mit sexuellen Missbrauch.
Kann mir jemand sagen, was dieser Begriff wirklich bedeutet,
weil ich mir nur
eine sehr rudimentäre Vorstellung machen kann.

Ein Trigger ist ein Anlass, der verursacht, daß eine Schwelle überschritten wird.

In diesem Kontext können das Worte, Situationen, Bilder sein, die schlechte Erinnerungen wieder hochkommen lassen. Ein Beispiel macht das am Besten klar:

Nehmen wir an, Dein Vater hätte Dich stets verprügelt (was ich nicht hoffe) und Dich vorher immer „Julialein“ genannt. Und das nur dann. Wenn Dich nun jemand „Julialein“ nennt, und Du dann völlig abdrehst, dann hat derjenige Dich „getriggert“.

(Nur ein Beispiel!)

Gruß,

Malte.

Hallo, Julia!

Ich meine, ein „Trigger“ sei einfach der/ein Auslöser.

Gruß!
Christopher

Hi Julia

genügend wurde ja schon erklärt, was es mit dem Trigger auf sich hat. Er löst z.B. eine Alarmanlage aus. Im Zusammenhang mit sexuellem Mißbrauch kommt dem Trigger außer den genannten Beispielen noch eine weitere Bedeutung zu. Das „Signal“ (es wurden Beispiele genannt: einzelne Worte, Farben, Gegenstände usw) löst eine Reaktion aus (Übelkeit, Erbrechen, Kreislaufkollaps, Hautreaktionen, Lähmungen, Sprechhemmungen …), aber der Person ist es selbst unmöglich, den Grund dafür zu finden. Auch der erwähnte „flashback“, eine kurz aufblitzende Wiederbelebung einer Erinnerung, enthält oft gar nicht das ursprünglich Erlebte, sondern sogar das Gegenteil: Etwas, das wie eine Erinnerung erlebt wird, aber tatsächlich die Erinnerung, um die es geht, gerade verhindert (das fällt dann unter den kürzlich erwähnten Begriff der „Abwehr“, eine Schutzfunktion sozusagen des Bewußtseins vor seinem eigenen Erinnerungsvorrat).

Die Betroffenen erleben also bei einem Auslösesignal eine (vorwiegend körperliche) Reaktion, ohne den Grund dafür zu wissen. Vor allem bei dem Phänomen der multiplen Persönlichkeit, die ihren Ursprung (nicht ihre Ursache) fast immer in einem sehr frühen Gewalterlebnis hat, ist es fast die Regel, daß ein Teil der „inneren“ Persönlichkeiten auf Auslöser reagiert, aber keine konkrete Erinnerungen hat, ein anderer Teil aber ein klares Bewußtsein des früher Geschehenen, jedoch ohne triggeranfällig zu sein. Diese „Innis“ übernehmen bei den „Multis“ dann die Rolle des Beschützers für die anderen, manchmal auch, um sie davor zu bewahren, daß Erinnerungen hochkommen.

In dem FIlm „Marnie“ hat Hitchcock das Triggerphänomen verarbeitet: Die Dame dreht regelmäßig durch, wenn sie die Farbe rot sieht, aber zunächst auch, ohne den Grund zu wissen … Den allmählich herauszufinden (Gespräche mit der Mutter, Kindheitserinnerungen) ist gerade der Inhalt des Films, es ist ein Psychoanalyse-Krimi (wenn auch PsA nur recht plakativ repräsentiert wird)

In Internetforen, in denen Betroffene austauschen, hat es sich eingebürgert, daß vor Pages mit brisantem Inhalt mit dem Text „Vorsicht - kann triggern“ gewarnt wird. Ein Triggerwort muß nicht Bestandteil eines persönlichen Erinnerungsinhaltes sein, sondern kann auch das Thema generell betreffen. Daher werden in solchen Foren triggernde Wörter absichtlich zerstört geschrieben (meist, indem die Vokale durch * ersetzt werden): Das ermöglicht dann auch Betroffenen, diese Texte gefahrlos zu lesen: M*ß*br*ch, G*w*lt, s*x*ll, T*t*r …

Gruß

Metapher

Hallo Metapher,

der Person ist es selbst unmöglich, den Grund dafür
zu finden.

Ist das dem Trigger an sich inhärent, daß er unbewusst triggert?

Was ist mit denen, die sich dessen bewusst sind? Reagieren die dann „nicht wirklich“ darauf? Oder ist der Begriff dann lediglich nicht korrekt verwendet worden?

Gruß,

Malte.

Hi Malte

der Person ist es selbst unmöglich, den Grund dafür zu finden.

Ist das dem Trigger an sich inhärent, daß er unbewusst triggert?

Da muß ich etwas mißverständlich gesagt haben. Natürlich nicht. Ich erwähnte nur zusätzliche Beispiele, in denen (meist körperliche) Reaktionen getriggert werden, ohne daß die Betroffenen auch nur eine leise Ahnung haben, warum das so sein könnte, und weitere Beispiele für die Auslösung von Erinnerungsblitzen, deren Inhalte aber keineswegs direkt auf die (oder eine) ursprüngliche traumatische Situation hinweisen, sondern die Erinnerung gerade kaschieren.

Glaube auch nicht, daß man sagen kann, daß etwas bewußt oder unbewußt triggert. Aber die Verbindung zwischen Trigger und Ausgelöstem kann mir bekannt sein oder unerklärlich - je nachdem.

Wenn ich ein Auto eines bestimmten Typs sehe, triggert das die Erinnerung an vieles, was ich mit diesem Auto erlebt habe, und auch an die Szene, in der ich es zu Schrott gefahren habe. Aber eine Person P bekommt Schweißausbrüche, Erbrechen, Kreislaufkollaps, wenn sie eine bestimmte Farbtönung von grün sieht, aber sie weiß nicht, warum das so ist und kann sich (zunächst) an nichts erinnern, was mit einer solchen Farbe zu tun hat.

Dieser Unterschied war gemeint. „wirklich“ ist die Reaktion jedoch immer, sonnst würde man das Ding ja nicht Trigger nennen.

Grüße

Metapher

Danke…

Hi Malte

der Person ist es selbst unmöglich, den Grund dafür zu finden.

Ist das dem Trigger an sich inhärent, daß er unbewusst triggert?

Da muß ich etwas mißverständlich gesagt haben. Natürlich
nicht. Ich erwähnte nur zusätzliche Beispiele, in denen
(meist körperliche) Reaktionen getriggert werden, ohne daß die
Betroffenen auch nur eine leise Ahnung haben, warum das so
sein könnte,

Dann hab ich es doch richtig verstanden. Danke für die Aufklärung.

Gruß,

Malte.

*ff t*p*c
H* M*t*ph*r,

s*ch*r f*llt *s D*r n*cht s*hr schw*r, d*s z* l*s*n. Es dauert halt nur ein wenig länger, ist dem Leser (oder der Leserin) aber trotzdem möglich. Ist Dir eine plausible Erklärung bekannt, warum nur vollständig ausgeschriebene Wörter als „Trigger“ wirken sollen? Vorausgesetzt, es ist der semantische Gehalt der Wörter (und alles andere erscheint mir zunächst ziemlich abwegig), dann sollte doch auch das durch Sternchen verstümmelte Wort dieselbe Wirkung haben.

Gruß
Michael

r*tualisierter Umgang mit Tabus
Hi Michael

Ist Dir eine plausible Erklärung bekannt, warum nur vollständig ausgeschriebene Wörter als „Trigger“ wirken sollen?

Das ist klar, daß der semantische Gehalt des Wortes durch die Zerstörung nicht zerstört wird. Dann könnte man sich ja den Gebrauch des Wortes ganz sparen.

Die Erklärung findet sich schnell, wenn du einen Betroffenen, der diese Form des Schreibens verwendet, danach fragst. Ich bin jedoch im Zweifel, ob es richtig ist, ein im Chat geschriebenes Wort wie „Täter“ als Trigger zu interpretieren, das in der Form „T*ter“ entschärft wird. Kein *pfer s*xueller G*walt, das Zeitung liest, wird beim Lesen getriggert werden - das haben mir Betroffene vielfach bestätigt.

Meine Erklärung dieser Erscheinung ist keine physiologische und keine psychologische, sondern eine religionswissenschaftliche: Der Umgang mit einem Tabu muß rituell geregelt werden, sonst macht man sich eines Sakrilegs schuldig. Durch die Zerstörung des Wortes wird es enttabuisiert, sodaß der nicht-rituelle, also pro-fane Gebrauch des Wortes kein Sakrileg mehr ist.

Das mag überraschen, deshalb noch etwas zum Hintergrund: mythologisch resp. ritualtheoretisch betrachtet begegnet das Heilige (Fane) dem Profanen in zweierlei Wertigkeiten: als Anziehendes, Seligmachendes (Faszinosum) und als Abstoßendes, als Schrecken (Tremendum).

Die Form des Umgangs mit dem Bösen, Verbrechen, Unheil, Unglück, mit dem Grauen und dem Schrecken hat daher in allen Kulturen (und zu allen Zeiten von denen wir historisch etwas wissen) dieselbe Form wie der Umgang mit dem Göttlichen: Z.B. man nennt das Böse genauso wie das Göttliche nicht mit Namen, sondern nur unter besonderen geregelten Umständen (Ritual) und nur mit einer besonderen Legitimation (persona sacra). Das genau heißt „Tabu“. Wenn man es dennoch tut, begeht man eines der schlimmsten Verbrechen (Tabubruch, Entweihung) und die Ängste, die einem Tabubruch einhergehen, gehören zu den tiefstgreifendsten, die man auch in der Psychologie kennt. Sexueller Umgang mit Kindern ist natürlich selbst einer dieser Tabubrüche.

Wenn man nun ein Wort, das ein mit Grauen verbundenes Tabu benennt, zerstört, dann bleibt das Thema erhalten, aber das Tabu wird nicht mehr verletzt. (Ähnlich: Mephistopheles läßt im „Faust“ das auf dem Boden gechriebene Pentagramm von einer Maus anknabbern, so daß er jetzt den Raum verlassen kann.)

Das Vorbild für diese „*“-Schreibtradition ist übrigens die Sitte unter jüdischen Religionsanhängern, das Wort „G’tt“ zerstört zu schreiben.

Das alles ist ein Hinweis dafür, daß auch heute, wie schon immer, der Sprache sehr bedeutsame magische Funktionen zukommen. Es gibt mehrere davon, und sie alle spielen sogar eine wichtige Rolle in psychotherapeutischen Settings - leider haben Therapeuten in der Regel kein Wissen darüber …

Gruß

Metapher

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Verständnisfrage
Hallo Metapher,

aaalso, dann meinst Du, das Wort „Missbrauch“ wirkt auch in dieser Schreibweise nicht als Trigger. Die Schreibweise „M*ssbr*ch“ wird gewählt, um einen Tabubruch zu vermeiden. Es ist nämlich nicht nur der Missbrauch selbst, sondern auch die Kommunikation über das Thema Missbrauch mit einem Tabu belegt. Über den Missbrauch zu reden, bedeutet dieses Tabu zu verletzen. Indem ich das Wort „zerstöre“, kann ich es verwenden, ohne einen Tabubruch zu begehen, so wird eine Kommunikation über das Thema ermöglicht. Habe ich das so richtig verstanden?

Gruß
Michael

Sprachmagie
Hi Michael

Die Schreibweise „M*ssbr*ch“ wird gewählt, um einen Tabubruch zu vermeiden.

Ja, so ähnlich erklär ich es mir. Das ist natürlich nicht die Erklärung, die die Betroffenen selbst geben. Diese „*“-Schreibweise ist ja eine Gepflogenheit nur in Chaträumen oder in anderen Schriftmedien, wo sich Betroffene miteinander austauschen. Und die machen es (gemäß ihrer eigene Erklärung), weil es viele (nicht unbedingt alle) gibt, die beim Lesen bestimmter Wörter (unter denen zB „M*ßbrauch“, „T*ter“ grundsätzlich) eben die erwähnten Reaktionen haben, wenn sie ausgeschrieben sind, und wenn sie zerstört sind, eben nicht.

Ich beobachtete aber auch, daß manche in ihren Texten auch Wörter zerstört schreiben, die nur bei ihnen persönlich in einem Gewalterlebniszusammenhnag stehen.

Über den Missbrauch zu reden, bedeutet dieses Tabu zu
verletzen. Indem ich das Wort „zerstöre“, kann ich es
verwenden, ohne einen Tabubruch zu begehen, so wird eine
Kommunikation über das Thema ermöglicht. Habe ich das so
richtig verstanden?

Ja, so wäre die Erklärung. Was ich allerdings noch nicht verstehe (bzw. mit diesem Ansatz nicht erklären kann), warum ein in einer Zeitung gelesenes Wort aus diesem Kontext keine Reaktion auslöst - so, wie es mir gesagt wurde. Ich vermute, das hängt damit zusammen, daß diese Chats für sie selbst etwas einem „Sakralraum“ Analoges darstellen - dann wäre die Analogie vielleicht darin zu sehen, daß man beim Betreten von Heiligtümern bestimmte Verhaltensregeln einzuhalten hat wie zB eine Kopfbedeckung zu tragen oder gerade nicht zu tragen usw.

Eine Erläuterung, die ich bekam, lautete so, daß dem M*brauch durch die Zerstörung des Wortes die Dramatik des Inhaltes und dem T*ter die Macht über sie weggenommen wird. Das gab mir den Hinweis, daß hier klassische magische Funktionen der Sprache im Spiel sind.

Ich werde mit Betroffenen, mit denen ich im Austausch bin, darüber nochmal reden. Jetzt will ich es auch genauer wissen …

Gruß

Metapher

Hallo Metapher,

das Thema interessiert mich jetzt auch. Du erwähntest den „rituellen“ Umgang mit den „zerstörten“ Wörtern und jetzt auch

[Die] „*“-Schreibweise ist ja eine Gepflogenheit nur in Chaträumen
oder in anderen Schriftmedien, wo sich Betroffene miteinander
austauschen.

Dazu interessiert mich, ob die genannte Schreibweise auch einen Beitrag bzgl. Identität (im sozialpsychologischen Sinn) und auch zur Ingroup-Outgroup-Differenzierung leistet. Das muß den Verwendern der Schreibweise nicht „bewußt“ sein - im Sinne von „das ist ihnen nicht unbedingt klar“.

Ich beobachtete aber auch, daß manche in ihren Texten auch
Wörter zerstört schreiben, die nur bei ihnen persönlich in
einem Gewalterlebniszusammenhnag stehen.

Das ist ebenfalls interessant. Könnte gerade das nicht darauf hinweisen, daß zwei Arten von Identität (im sozialpsychologischen Sinn) - die soziale und die private, die hier natürlich in enger Verbindung stünden - durch Wörter in dieser Schreibweise „bedient“ werden können?

Was ich allerdings noch nicht
verstehe (bzw. mit diesem Ansatz nicht erklären kann), warum
ein in einer Zeitung gelesenes Wort aus diesem Kontext keine
Reaktion auslöst - so, wie es mir gesagt wurde. Ich vermute,
das hängt damit zusammen, daß diese Chats für sie selbst etwas
einem „Sakralraum“ Analoges darstellen - dann wäre die
Analogie vielleicht darin zu sehen, daß man beim Betreten von
Heiligtümern bestimmte Verhaltensregeln einzuhalten hat wie zB
eine Kopfbedeckung zu tragen oder gerade nicht zu tragen usw.

Ja, das könnte ich mir auch vorstellen. Vielleicht hat es gerade etwas mit der sozialen Identität zu tun. Denn auch bei vielen anderen Gruppen (gerade auch bei religiösen Gruppen) findet sich ein Umgang mit gewissen Symbolen, der für die Gruppe spezifisch ist, diese Gruppe von anderen unterscheidbar macht und bei den Gruppenmitgliedern zur Bildung und Aufrechterhaltung der sozialen Identität beiträgt. Könnte die Schreibweise auch diese Funktion haben? Oder ist Gebrauch zu selten oder wird von den Verwendern als zu unwichtig angesehen?

Fänd ich spannend, dem nachzugehen.

Gruß,

Oliver Walter

private ‚Identität‘
Hi Oliver,

Dazu interessiert mich, ob die genannte Schreibweise auch einen Beitrag bzgl. Identität (im sozialpsychologischen Sinn) und auch zur Ingroup-Outgroup-Differenzierung leistet.

Diese Frage ist in der Tat sehr naheliegend, da ja sogar jeder Forumsteilnahme ein „In“-Charakter zukommt und damit auch mit einer jeweiligen sozialen Identität, auf die du weiter verweist. Dann könnte tatsächlich diese Schreibweise ein (rituelles) Identitätssymbol sein, das dem Zweck der Zugehörigkeit und zugleich der Abgrenzung dient.

Leider scheint mir das meine bisherige Beobachtung aber nicht zu bestätigen - aber, wie gesagt, ich bin erst jetzt durch die Frage von Michael neugierig geworden, dem mal genauer nachzugehen. Es ist nicht ganz einfach, weil in den Foren mit den erwähnten Themen noch manche andere auffällige Erscheinung bzgl. Schreibverhalten zu beobachten ist.

Auch gibt es, soweit ich weiß, keinerlei Vereinbarung oder Anweisung für dieses Verhalten und es sieht so aus, daß jemand, der ohne Wort"zerstörung" schreibt, selbst nicht in Boards mit Inhalten, die äußerlich mit Warnsymbolen (z.B. „Achtung, kann triggern“) für evtl. gefährdete Leser gekennzeichnet sind, nicht etwa von Moderatoren ermahnt oder gerügt wird. Die Warnung bezieht sich dann auf die berichteten Inhalte wie z.B. Erlebnisberichte oder - vor allem - Kundgebungen momentaner Befindlichkeiten. Solche Beiträge sind dann natürlich eher Trigger im üblichen Sinn, die per assoziationem Erinnerungen aktualisieren oder zumindest Ängste auslösen.

Allerdings finden sich z.B. Ermahnungen an Autoren, als Schriftfarbe nicht die Farbe rot zu wählen - aber das ist ja dann auch wieder ein „echter“ Trigger.

Fast scheint es mir manchmal nur eine Respektskundgebung zu sein, so, wenn Worte wie „T*ter“, „T*d“, „M*ss*r“ geschrieben werden. Man zeigt damit den anderen, daß man mit den Inhalten vorsichtig umzugehen bereit ist und somit eher als vertrauenswürdig anerkannt wird. Zumal, wenn der Autor neu ist. Das wäre dann wieder, wie du vermutest, ein In-Group-Signal.

Das ist ebenfalls interessant. Könnte gerade das nicht darauf
hinweisen, daß zwei Arten von Identität (im
sozialpsychologischen Sinn) - die soziale und die private, die
hier natürlich in enger Verbindung stünden - durch Wörter in
dieser Schreibweise „bedient“ werden können?

Auch das zu vermuten, liegt nahe. Allerdings ist das bei MPS, wie du ja weißt, so ein Problem gerade mit der privaten Identität. Es gibt nicht seltene Beispiele, wo einunddieselbe Realperson unter verschiedenen Innis sozusagen mit sich selbst streitet. Oder ein Inni „N1“ derselben Realperson entschuldigt sich für den „Blödsinn“, den ein anderer Inni „N2“ tags zuvor geschrieben habe, als dieser das Forum mit einer Suizidankündigung in Aufregung versetzte. Dann kann sich wiederum ein Inni „N3“ über die Verständnislosigkeit von „N1“ aufregen … (Das Beispiel ist aus Diskretionsgründen verfremdet)

Irgendeine Selbstschutzfunktion muß aber wohl vorliegen, wenn jemand in seinem Text Wörter, die keine bekannten Tabuwörter sind, zerstört schreibt, z.B. "Pf*rr*r, „K*nd“, „V*t*r“, „St*fv*t*r“ (die Wörter sind
aus Diskretionsgründen nicht orinal).

Fänd ich spannend, dem nachzugehen.

ich auch, und ich werde mich von Betroffenen, mit denen ich Kontakt habe, weiter darüber belehren lassen.

Gruß

Metapher

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hallo zusammen

finde diese diskussion sehr interessant und möchte als betroffene ein paar sätze dazu sagen

da *trigger* äußerst unangenehm sind und die betroffenen selber wissen wie schnell man in einen solchen zustand gerät, ist es einfach auch vermeidungsverhalten und respekt den anderen gegenüber worte zu zerstören.
nicht jedes wort ist für jeden ein trigger, aber bei der vielzahl von betroffenen und der vielzahl der möglicherweise triggernden worte werden alle worte die in frage kommen *gesplattet* und das insbesondere bei gesprächen mit menschen die dis haben, da es sehr oft so ist das mehrere gleichzeitig mitlesen auch wenn sie sich nicht beteiligen, und es dann oft vorkommt das ein innenkind auf das wort reagiert und getriggert wird.
auch wenn eine person nicht triggeranfällig ist und die worte so schreiben kann wie sie nunmal sind gibt es dennoch innere personen die darauf reagieren könnten wenn sie mitlesen.
deswegen ist es rücksichtnahme auf diejenigen die anfälliger sind für trigger.
das gesplattete wort kommt einfach nicht so hart und schnell im kopf an, als das ungesplattete, es braucht länger um zu begreifen und *knallt* nicht so ins bewußtsein. das ist jetzt etwas platt ausgedrückt aber habe grade keine anderen worte dafür, trigger sind dafür bekannt etwas zu sehen oder zu hören und mit einem *schuss* sofort eine reaktion zu provozieren und das fällt eben weg wenn die gesplatteten worte länger ins bewußtsein brauchen.

was metapher ansprach mit dem tabubruch spielt sicher auch eine große rolle dabei, denn darüber zu reden ist jedem betroffenen verboten worden und mit strafe, drohungen und schuld gekoppelt.
um dieses tabu zu brechen braucht es viel mut und ist mit sehr viel angst verbunden.
diesem tabu die gefährlichkeit etwas zu nehmen, dadurch das man ja nicht wirklich ausspricht was man nicht sagen darf, die worte also zerstört, ist nur ein weiterer versuch das unmögliche ohne konsequenz sagen zu können. es ist eine gute möglichkeit darüber reden bzw schreiben zu lernen und das tabu endlich zu brechen.

schiwa

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?
Hi!

Wie lesen solche Menschen Zeitung etc?
Tragen sie Brillen um Farben „auszuweichen“?

Ich verstehe es nicht.
Es erinnert mich an die Salem Witches/Massenhysterie

LG
Siân

zu der frage, warum diese wörter in zeitungen zb. weniger triggern kann ich jetzt nur von mir reden, hat also keine allgemeingültigkeit jedoch weiß ich das es bei vielen so ist.

eigentlich ist es ganz einfach

es sind verschiedene *bewußtseinszustände* was heißen soll, das alltagsbewußtsein ist viel weiter von den gefühlen entfernt, geht viel sachlicher und emotionsloser damit um und fühlt sich weniger betroffen in solchen momenten. ich kann das besser überlesen und nicht an mich rankommen lassen.
anders ist es wenn über das thema geredet bzw geschrieben wird, also persönlich, dann ist da viel mehr betroffenheit und alles ist viel näher, dieser *bewußtseinszustand* kann sich dann nicht mehr raushalten und überlesen. die triggergefahr ist somit viel größer wenn es persönlicher wird.

schiwa

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

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Warnschild
Hi Schiwa :wink:

danke für deine Insider-Perspektive, denn die bringt uns weiter.

nicht jedes wort ist für jeden ein trigger …
…und das insbesondere bei gesprächen mit menschen
die dis haben, da es sehr oft so ist das mehrere gleichzeitig
mitlesen auch wenn sie sich nicht beteiligen, und es dann oft
vorkommt das ein innenkind auf das wort reagiert und getriggert wird.

Warum bin ich da nicht gleich drauf gekommen bei der Erwähnung von MPS! Ist ja klar, warum dieselben Worte (auch die persönlichen Tabuworte) beim Lesen in den anderen Medien, also Zeitungen usw., nicht triggern , obwohl sie nicht splattered sind: Hier liest ja wohl meist eh die Innenperson, die für die anderen die Beschützerrolle hat! Würdest du das so auch sehen?

das gesplattete wort kommt einfach nicht so hart und schnell
im kopf an, als das ungesplattete, es braucht länger um zu
begreifen und *knallt* nicht so ins bewußtsein. das ist jetzt
etwas platt ausgedrückt

Nein, „knallt nicht so“ ist sehr treffend ausgedrückt, denn es ist ja beinahe so schon eine neurophysiologische Erklärung. Jetzt ist auch Michael Niepels Frage transparenter, nämlich wieso dieses Verfahren funktioniert, obwohl das Wort auch splattered seinen semantischen Gehalt weiterhin hat. Es ist soetwas wie ein Riegel vor der Tür, der erst geöffnet werden muß oder ein Warnschild „Achtung hinter dieser Tür sehen Sie etwas sch*ßl*ches“ :wink: … dann hat man Zeit, innerlich die Schotten dicht zu machen, bevor man sie öffnet.

… trigger sind dafür bekannt etwas zu sehen oder zu hören
und mit einem *schuss* sofort eine reaktion zu provozieren und
das fällt eben weg wenn die gesplatteten worte länger ins
bewußtsein brauchen.

Eine interessante Erklärung für Funktionsweise von Psycho-Triggern.

diesem tabu die gefährlichkeit etwas zu nehmen, dadurch das
man ja nicht wirklich ausspricht was man nicht sagen darf, die
worte also zerstört, ist nur ein weiterer versuch das
unmögliche ohne konsequenz sagen zu können. es ist eine gute
möglichkeit darüber reden bzw schreiben zu lernen und das tabu
endlich zu brechen.

Ja - übrigens ein Vorteil, den die Text-Kommunikation der Sprech-Kommunikation voraushat :smile:

herzliche Grüße an dich

Metapher

Hi

Wie lesen solche Menschen Zeitung etc?
Tragen sie Brillen um Farben „auszuweichen“?

Ich verstehe es nicht.

Das ist eben´ein Beispiel, daß psychisches Leiden Leiden ist. Wie bewegt sich ein Querschnittsgelähmter durch Leben?

Die Erklärungen von schiwablue in diesem Thread sind empfehlenswert, wenn du es verstehen willst.

Es erinnert mich an die Salem Witches/Massenhysterie

Versteh ich das richtig? Wessen Hysterie denn?
Warum immer mit der breiten Täter-Lobby sympathisieren, die frühkindliche Gewalt bagatellisieren oder gar wegdiskutieren wollen?
Es gibt schon genügend Richter, die sich anmaßen, zu wissen, daß frühkindliche Gewaltübergriffe keine bleibenden Schäden zur Folge haben.

Gruß

Metapher

Hallo Metapher,

danke für Deine Antwort. Ich möchte noch ein paar Gedanken dazu los werden, sonst nichts weiter.

Diese Frage ist in der Tat sehr naheliegend, da ja sogar jeder
Forumsteilnahme ein „In“-Charakter zukommt

Genau, so wie bei w-w-w ja auch.

Leider scheint mir das meine bisherige Beobachtung aber nicht
zu bestätigen - aber, wie gesagt, ich bin erst jetzt durch die
Frage von Michael neugierig geworden, dem mal genauer
nachzugehen. Es ist nicht ganz einfach, weil in den Foren mit
den erwähnten Themen noch manche andere auffällige Erscheinung
bzgl. Schreibverhalten zu beobachten ist.

Aha. Gut, zu dem Thema weiß ich zu wenig. Allerdings gebe ich zu bedenken, daß die „zerstörte“ Schreibweise nicht das einzige Symbol sein muß und vielleicht auch nicht das wichtigste. Die Verbindung zu echten Triggern hat sie aber möglicherweise entstehen lassen.

Auch gibt es, soweit ich weiß, keinerlei Vereinbarung oder
Anweisung für dieses Verhalten und es sieht so aus, daß
jemand, der ohne Wort"zerstörung" schreibt, selbst nicht in
Boards mit Inhalten, die äußerlich mit Warnsymbolen (z.B.
„Achtung, kann triggern“) für evtl. gefährdete Leser
gekennzeichnet sind, nicht etwa von Moderatoren ermahnt oder
gerügt wird.

Auch hier würde ich einwenden, daß es nicht notwendig sein muß, daß ein solches „Erkennungszeichen“ für alle gleichermaßen verbindlich sein muß. Es wird sich in diesen Chatrooms oder Foren hauptsächlich um informelle Gruppen handeln, nehme ich mal an. Die einen kommen, die anderen gehen, einige sind länger da. Da dürfte es dann vielleicht unterschiedliche Handhabungen solcher Dinge geben.

Die Warnung bezieht sich dann auf die berichteten
Inhalte wie z.B. Erlebnisberichte oder - vor allem -
Kundgebungen momentaner Befindlichkeiten. Solche Beiträge sind
dann natürlich eher Trigger im üblichen Sinn, die per
assoziationem Erinnerungen aktualisieren oder zumindest Ängste
auslösen.

Klar.

Allerdings finden sich z.B. Ermahnungen an Autoren, als
Schriftfarbe nicht die Farbe rot zu wählen - aber das ist ja
dann auch wieder ein „echter“ Trigger.

Eben.

Fast scheint es mir manchmal nur eine Respektskundgebung zu
sein, so, wenn Worte wie „T*ter“, „T*d“, „M*ss*r“ geschrieben
werden. Man zeigt damit den anderen, daß man mit den Inhalten
vorsichtig umzugehen bereit ist und somit eher als
vertrauenswürdig anerkannt wird. Zumal, wenn der Autor neu
ist. Das wäre dann wieder, wie du vermutest, ein
In-Group-Signal.

Genau.

Allerdings ist das bei MPS,
wie du ja weißt, so ein Problem gerade mit der privaten
Identität.

O.k., die Menschen mit dissoziativer Identitätsstörung sind sicherlich ein Fall für sich (obwohl bei ihnen oft sexueller Mißbrauch dort die vermutliche Ursache für die Störung ist) und deren Verhaltensweisen sollten gesondert betrachtet werden. Dazu fällt mir noch eines ein: Ich lese hier in diesem Thread recht häufig Bezüge zu dieser Störung. Nun ist sie - so weit man weiß - recht selten. Daher denke ich, daß man auch deswegen unterscheiden sollte, zwischen der Bedeutung der „zerstörten“ Wörter für Personen mit dissoziativer Identitätsstörung und Personen ohne diese Störung. Möglicherweise gibt es Bedeutungsunterschiede für die Personengruppen, vielleicht nur quantitativer, vielleicht aber auch qualitativer Art.

Irgendeine Selbstschutzfunktion muß aber wohl vorliegen, wenn
jemand in seinem Text Wörter, die keine bekannten Tabuwörter
sind, zerstört schreibt, z.B. "Pf*rr*r, „K*nd“, „V*t*r“,
„St*fv*t*r“ (die Wörter sind
aus Diskretionsgründen nicht orinal).

Muß? Das leuchtet mir nicht so recht ein. Ich kann mir durchaus vorstellen, daß der Kontakt einer sexuell Mißbrauchten zu einer Selbsthilfegruppe o.ä., in der einige Personen so schreiben, dazu führt, daß sie diese Schreibweise - vielleicht auch nur temporär - übernimmt und diese Übernahme in sozialer Identitätsbildung begründet ist - vielleicht anfangs mit starker emotionaler Komponente (Geborgenheit). Dies ist eine Hypothese von mir.

O.k., dies waren noch ein paar Gedanken. Danke nochmals für die Antwort. Ein wirklich spannendes Thema.

Gruß,

Oliver Walter