Tabus, Enttabuisierung und der Respekt
Hi,
der Zusammenhang zwischen der Tatsache, daß einerseits das geschriebene Tetragramm („jhwh“) als „haSchem“ („der Name“) oder als „adonaj“ („mein Herr“) ausgesprochen wurde, und daß andererseits in nicht-hebräischen Sprachen das Wort „Gott“ gesplattet (= „zerstört“, so nennt man das) geschrieben wird (nämlich als „G’tt“), ist historisch etwas anders, als es hier dargestellt wurde, bzw auch teils im Netz zu finden ist.
In jedem Fall geht es um ein Tabu-Wort. Ein Wort also, das als „heilig“ definiert wurde, und das daher nur unter bestimmten Voraussetzung ausgesprochen werden durfte. Heiliges ist ebenso unberührbar wie unaussprechbar.
Seit wann das in Torah und generell in den Schriften des Tanach geschriebene Tetragramm als „adonaj“ laut gelesen wurde, ist nicht rekonstruierbar. Es war jedenfalls bereits in der Zeit der ersten punktieren Textausgaben (die Masoreten, ca. ab 700 u.Z.) üblich. Allerdings geben die ältesten griechischen Übersetzungen (die Septuaginta, LXX, ca ab 200 v.u.Z.) bereits Hinweise darauf, da sie das Tetragramm mit „kyrios“ („Herr“) übersetzten. In den masoretischen Texten wird das Tetragramm mit den Vokalen aus adonaj versetzt. Dadurch war die Gefahr vermieden, das Geschriebene so zu lesen, wie es geschrieben war.
Aber auch das ist fraglich, weil nämlich niemand weiß, wie ursprünglich, also zur Zeit der Abfassung der mosaischen Texte, die Vokale des Tetragramms lauteten. Auf die Vokalisation „jaweh“ ist lediglich aus griechischen Varianten erschließbar.
Etwas ganz anderes ist aber die gesplattete Schreibweise „g’tt“, die hier zur Diskussion steht. Diese Tradition taucht erst, wie Eli bereits erwähnte, um 1700 u.Z. in jüdischen Texten auf. Hier wurde also die Tabuisierung des jüdischen Gottesnamens auf die Gottesbezeichnung in anderen Sprachen übertragen - was nicht ganz korrekt ist, denn „Gott“ ist ja kein Name, sondern ein Allgemeinbegriff. Nur im Kontext biblischer Schriften entspricht es manchmal. Und außerdem galt vorher die Tabuisierung allein der Aussprache, und nicht der Schreibung des heiligen Wortes.
Die hebräische Entsprechung des Allgemeinbegriffs: „el“, „eloah“, „elohim“ wird ja auch nicht gesplattet geschrieben und darf auch ausgesprochen werden.
Der Hintergrund ist jedenfalls, daß das zerstört geschriebene Wort eben kein Tabu mehr ist, es ist ent-weiht.
Der hier diskutierte „Respekt“ vor jüdischen Lesern, das Wort zerstört zu schreiben, besteht also nicht darin, daß man „G’tt“ schreibt, weil es so ehrfurchtgebietend ist, sondern im Gegenteil, „G’tt“ ist gerade kein heiliges Wort mehr. Respektvoll gegenüber jüdischen Lesern ist daher, ihnen das Wort nicht un-zerstört vor die Augen zu setzen.
Warum das Splatting ein Verfahren der Enttabuisierung ist, wurde schon oft genauer im Brett erklärt. Daher hier nur nochmal der Hinweis auf
/t/woher-kommt-die-patriachalische-vorstellung-gotte…
und dasselbe im Kontext der Psychologie:
/t/triggern/1687652/10
Gruß
Metapher