Seele im Buddhismus

Hallo zusammen

Mich würde interessieren, ob es im Buddhismus auch den Begriff der Seele gibt. Wenn ja: Wohin geht diese nach dem Tod eines Menschen?

Danke vielmals

Liebe Grüssli
coco

Moin coco,

Mich würde interessieren, ob es im Buddhismus auch den Begriff
der Seele gibt.

Die Antwort lautet ganz klar: nein.

Gruß
Marion

Hi,

Marion sagte es ja schon: nein, gibt es nicht. Auch wenn sich die „hinduistischen“ brahman-atman-Spekulationen in Brahmanas, Upanishaden und Rgvedas kaum mit späteren eropäischen und asiatischen Seele-Begriffen vergleichen lassen, so hat gerade Buddha damit Schluß gemacht: Bei ihm ging es nicht mehr so sehr um strukturelle Fragen des Psychischen und des Numinosen, sondern viel mehr um Fragen des Handelns.

Gruß

Metapher

Hallo Coco,
die Lehre Buddhas, der Dharma, wird gelegentlich auch explizit ‚Anatmavada‘ genannt. Das kann man etwa übersetzen mit ‚der Weg derer, die die Nichtexistenz einer Seele lehren‘. Die Anatman-Doktrin, d.h. die Lehre von der Nichtexistenz eines festen, unwandelbaren ‚Kerns‘ der Persönlichkeit, ist im Buddhismus ziemlich zentral.

Das, was als Person erscheint, ist das Zusammenspiel geistig-körperlicher Faktoren, der sog. Skandhas. Man kann die Person mit einer Zwiebel und die Skandhas mit den Schalen vergleichen :wink:. Du kannst eine Zwiebel schälen, aber Du wirst keinen Kern finden - nur Schalen.

Freundliche Grüße,
Ralf

Hi,
ja ich stehe eher dem Zen nahe und hab mit dieser Aussage kein Problem.

Aber wie sieht es z.b. im tibetanischen Buddhismus (und dem Volksglauben fast aller buddhistischen richtungen ) aus, wo ja durchaus von Reinkarnationen im wörtlichen Sinn ausgegangen wird. Was reinkarniert sich da, wenn nicht eine Art „Seele“ vorausgesetzt wird?

A.

Moin,

Aber wie sieht es z.b. im tibetanischen Buddhismus aus. Was reinkarniert sich da, wenn nicht eine Art „Seele“
vorausgesetzt wird?

Ich weiß nicht, wie gut du mit dem „Konditionalnexus“ vertraut bist. Nicht „etwas“ reinkarniert sich, sonder Wiedergeburt (wie es manche Leute nennen) ist ein fortlaufender, bedingter Prozess. Es gibt hier kein Subjekt oder Objekt sondern lediglich bedingtes Entstehen und Vergehen.

Gruß
Marion

Hi,

ich beuge mich wie immer demütig Deiner Weisheit, oh Du Juwel in der Bremer Lotosblüte, und wollte nur meinen bescheidenen ergänzenden Senf dazugeben.

Nicht „etwas“ reinkarniert sich, sonder Wiedergeburt
(wie es manche Leute nennen) ist ein fortlaufender, bedingter
Prozess. Es gibt hier kein Subjekt oder Objekt sondern
lediglich bedingtes Entstehen und Vergehen.

Wenn ich es richtig verstanden habe, dann ist die Wiedergeburt dadurch bedingt, dass es noch Bedürfnisse und Anhaftungen gibt.

Stimmtet?
Liebe Grüße
Burkhard

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Moin Burki,

du Besitzer eines vermutlich stattlichen Pu Tai :smile:

Nicht „etwas“ reinkarniert sich, sonder Wiedergeburt
(wie es manche Leute nennen) ist ein fortlaufender, bedingter
Prozess. Es gibt hier kein Subjekt oder Objekt sondern
lediglich bedingtes Entstehen und Vergehen.

Wenn ich es richtig verstanden habe, dann ist die Wiedergeburt
dadurch bedingt, dass es noch Bedürfnisse und Anhaftungen
gibt.

Stimmtet?

äh…lass mich ein wenig ausholen.
Wenn ein Regentropfen in dein Bierchen fällt, dann könnte man dies als „Tod“ des Regentropfens verstehen. Nun wandert er aber zusammen mit dem Bierchen durch deinen Körper, es passieren wundersame Dinge damit, die wir nicht so recht verstehen und letztendlich wird er von dir wieder ausgeschwitzt, ausgepinkelt, ausgeheult, was auch immer. Wenn sich nun aus der von dir ausgeschiedenen Flüssigkeit wieder ein Regentropfen bildet, dann könnte man durchaus von Wiedergeburt reden (wenn man denn meint, unbedingt davon reden zu müssen). Dennoch würde niemand auf die Idee kommen, dem Regentropfen aufgrund dieser Wiedergeburt eine „Seele“ andichten zu wollen :smile:

Ähnlich verhält es sich nach buddhistischer Vorstellung auch bei uns Menschen. Zwar gibt es beim Menschen im Gegensatz zum Regentropfen so etwas wie Bewusstsein, Gefühle etc., allerdings sind diese nach buddhistischer Vorstellung auch nichts anderes, als unstete Zustände, die Bedingungen und Wandel unterworfen sind (genau wie die Form). Bedürfnisse oder Anhaftungen sind nun nichts anderes, als ebenfalls Teil dieser unsteten Zustände die kommen und vergehen.

Um auf deinen obigen Satz zurückzukommen: Wenn du dir einen Menschen nach unseren Vorstellungen ohne Bedürfnisse und Anhaftungen vorstellen kannst, dann magst du recht haben. Aber wäre es dann noch ein Mensch ? Und wenn nicht, was dann ?

Gruß
Marion

1 Like

äh…lass mich ein wenig ausholen.
Wenn ein Regentropfen in dein Bierchen fällt, dann könnte man
dies als „Tod“ des Regentropfens verstehen. Nun wandert er
aber zusammen mit dem Bierchen durch deinen Körper, es
passieren wundersame Dinge damit, die wir nicht so recht
verstehen und letztendlich wird er von dir wieder
ausgeschwitzt, ausgepinkelt, ausgeheult, was auch immer. Wenn
sich nun aus der von dir ausgeschiedenen Flüssigkeit wieder
ein Regentropfen bildet, dann könnte man durchaus von
Wiedergeburt reden (wenn man denn meint, unbedingt davon reden
zu müssen). Dennoch würde niemand auf die Idee kommen, dem
Regentropfen aufgrund dieser Wiedergeburt eine „Seele“
andichten zu wollen :smile:

Ich weiß nicht, ob Du (oder der Bhuddismus) es Dir hier nicht etwas zu leicht machst.

Erstens muß eine Identität bleiben, oder es wäre jedesmal eine Neuschöpfung. Wenn aber eine Identität bleibt, so muß man von einer Person ausgehen, die überlebt und wiedergeboren wird. Das widerum erfordert die Realität eines Zentralen Wesens, - der Seele.

gruß
rolf

Moin,

äh…lass mich ein wenig ausholen.
Wenn ein Regentropfen in dein Bierchen fällt, dann könnte man
dies als „Tod“ des Regentropfens verstehen. Nun wandert er
aber zusammen mit dem Bierchen durch deinen Körper, es
passieren wundersame Dinge damit, die wir nicht so recht
verstehen und letztendlich wird er von dir wieder
ausgeschwitzt, ausgepinkelt, ausgeheult, was auch immer. Wenn
sich nun aus der von dir ausgeschiedenen Flüssigkeit wieder
ein Regentropfen bildet, dann könnte man durchaus von
Wiedergeburt reden (wenn man denn meint, unbedingt davon reden
zu müssen). Dennoch würde niemand auf die Idee kommen, dem
Regentropfen aufgrund dieser Wiedergeburt eine „Seele“
andichten zu wollen :smile:

Ich weiß nicht, ob Du (oder der Bhuddismus) es Dir hier nicht
etwas zu leicht machst.

Obiges war ein Versuch von mir, das Prinzip der „Wiedergeburt“ ohne „Seele“ gemäß der buddhistischen Lehre zu erläutern. Dein Posting beweist lediglich, dass mir dies bei dir anscheinend nicht gelungen ist, schade, aber damit kann ich leben.

Erstens muß eine Identität bleiben, oder es wäre jedesmal eine
Neuschöpfung. Wenn aber eine Identität bleibt, so muß man von
einer Person ausgehen, die überlebt und wiedergeboren wird.
Das widerum erfordert die Realität eines Zentralen Wesens, -
der Seele.

Wenn du meinst, dass das „muss“, dann ist das deine eigene Überzeugung, jedoch nicht buddhistische Lehre. Aber ich denke, damit wird kein Buddhist ein Problem haben, dass du seine Lehre nicht teilst. Nur ist dein Beitrag eben auch nicht hilfreich, wenn es darum geht, buddhistische Lehre zu erläutern. Nach buddhistischer Lehre „muss“ das eben nicht. (was zu erläutern war)

Gruß
Marion

1 Like

Das widerum erfordert die Realität eines Zentralen Wesens, -
der Seele.

Wenn du meinst, dass das „muss“, dann ist das deine eigene
Überzeugung, jedoch nicht buddhistische Lehre. Aber ich denke,
damit wird kein Buddhist ein Problem haben, dass du seine
Lehre nicht teilst. Nur ist dein Beitrag eben auch nicht
hilfreich, wenn es darum geht, buddhistische Lehre zu
erläutern. Nach buddhistischer Lehre „muss“ das eben nicht.
(was zu erläutern war)

Gruß
Marion

Verstehe schon, wollte aber bei dieser Gelegenheit mal an den Grundfesten buddhistischer Weltanschauung kratzen.

Schließlich gibt es genau so viel Argumente für eine Seele, wie gegen dieselbige.

…was hat Buddha eigentlich zu diesem Problem gesagt? Ich meine, sind sich alle Schulen des B. in dieser Richtung einig oder gibt es da Unterschiede?

gruß
rolf

Hallo,
dieser Artikel ist bislang noch nicht im Internet verfügbar, daher kein Link. Er ist allerdings eher für ein Publikum gedacht, das sich schon etwas mit Buddhismus beschäftigt.

Freundliche Grüße,
Ralf


Reinkarnation?

Wohl in keinem Punkt der buddhistischen Lehre existieren so viele Missverständnisse und Unklarheiten wie bei der Frage, ob und wie sich die Auffassung einer Wiedergeburt mit ihr vereinbaren lässt. Für den Außenstehenden und nur oberflächlich Informierten scheint die Sachlage klar zu sein: Buddhisten glauben an Wiedergeburt. Wer sich allerdings ein wenig tiefer mit dem Dharma beschäftigt, dem fällt recht schnell auf, dass vor allem die westliche Vorstellung von Reinkarnation (die im Abendland seit Buddhas Zeitgenossen Pythagoras präsent ist) als einer Metempsychose (Seelenwanderung) mit einer Kernaussage des Dharma in unauflösbar scheinendem Widerspruch steht: der Lehre vom Anatman, die die Existenz eines unveränderlichen Persönlichkeitskernes, einer Seele, bestreitet. Eine der Konsequenzen der Anatman-Lehre ist, dass zwischen zwei aufeinanderfolgenden Existenzen / Inkarnationen keinerlei Identität in der Substanz besteht. Somit stellt sich die Frage, welcher Art die Verbindung zwischen diesen Inkarnationen ist.

Hier ist zunächst eine Warnung angebracht. Gemäß der Überlieferung des Palikanon, der wohl ältesten schriftlichen Niederlegung von Lehrreden Buddhas, hat Buddha der Reinkarnationslehre nie explizit widersprochen. Sie scheint zu seiner Zeit und in seinem Kulturkreis eine allgemein akzeptierte, selbstverständliche ‚Wahrheit‘ gewesen zu sein. Jemand, der ihr widersprochen hätte, wäre wohl auf ähnliches Befremden gestoßen wie jemand, der heutzutage die Existenz von Atomen leugnen würde. Buddha hat allerdings davon abgeraten, sich mit Fragen der Reinkarnation zu beschäftigen - es ist ein ‚unweises Nachdenken‘, das dem Heilsziel seiner Lehre letzlich nicht dient. Grundsätzlich gehört die Frage nach der Reinkarnation zu den Fragen, die man auf sich beruhen lassen sollte. So heisst es im Sabbasava-Sutta (Majjhima Nikaya I.2, Übersetzung Kurt Schmidt):

"Es kommt darauf an, ob man weise nachdenkt oder unweise. Wer unweise nachdenkt, bei dem entstehen immer neue Anwandlungen und die alten werden stärker; bei dem, der weise nachdenkt, entstehen keine Anwandlungen und die alten schwinden.
[…]
Unweise denkt man:
> War ich in früherer Zeit oder war ich früher nicht?
> Was war ich früher?
> Wie war ich früher?
> Was wurde ich früher, nachdem ich vorher was gewesen war?
> Werde ich künftig sein oder werde ich künftig nicht sein?
> Was werde ich künftig sein?
> Wie werde ich künftig sein?
> Was werde ich künftig werden, nachdem ich was geworden sein werde?

Oder es steigen ihm Zweifel über die Gegenwart auf, und er denkt:
> Bin ich denn oder bin ich nicht?
> Was bin ich?
> Wie bin ich?
> Woher bin ich zu diesem Dasein gekommen?
> Wohin werde ich (nach dem Tode) gehen?

Wer so unweise nachdenkt, verfällt auf eine dieser sechs Theorien:

  1. Als wahr und feststehend erscheint ihm die Theorie
  2. oder ,
  3. oder die Theorie ,
  4. oder die Theorie ,
  5. oder die Theorie ,
  6. oder es bildet sich bei ihm folgende Theorie: .

Dies nennt man
Theorien-Gestrüpp,
Theorien-Gaukelei,
Theorien-Sport,
Theorien-Fessel.

Mit dieser Theorienfessel gefesselt kann ein unkundiger Weltling nicht frei werden von Geborenwerden, Altern und Sterben, von Sorgen, Jammer, Schmerzen, von Kummer und Verzweiflung. Nicht wird er frei vom Übel, sage ich."

Nun sollte man dies nicht als ‚Denkverbot‘ auffassen. Der Kern dieser Aussage ist vor allem die Warnung vor dem Anhaften an Ansichten, hier als ‚Theorienfessel‘ bezeichnet. Stattdessen verweist Buddha auf die von ihm gelehrte Praxis, auf den edlen achtfachen Pfad, der - ohne spekulatives Denken zu bemühen - zur Einsicht in die vier edlen Wahrheiten und damit zur Befreiung führt. Dabei ist das Anhaften an einseitigen Ansichten, wie sie unter den Nummern 1. bis 6. aufgeführt werden, hinderlich und zu vermeiden. Auch in dieser Hinsicht ist der Dharma ein ‚mittlerer Weg‘. Es ist dieser Ansatz, der in den Prajnaparamita-Sutren behandelt wird und der vor allem von Nagarjuna aufgegriffen wurde und zur Philosophie des mittleren Weges, dem Madhyamaka führte.

Natürlich stellt sich da nun zwangsläufig die Frage: Befreiung wovon? Hieße die Antwort darauf schlicht: vom Leiden in dieser jetzigen Existenz - so wären da auch andere Lösungen vorstellbar, von extremem Hedonismus bis hin zum Selbstmord aus kühler Berechnung. Da die Antwort auf die Frage, wie weitreichend die Befreiung sein muss, um vollständig zu sein, für viele Menschen offensichtlich nicht evident ist, berührt sie einen eminent wichtigen Punkt der Praxis - nämlich den der Motivation. Nach dem Verständnis von Buddhas Zeitgenossen konnte moksha, Befreiung, nur Befreiung vom Kreislauf der Wiedergeburten heißen. Nun spricht Buddha jedoch eher unspezifisch von ‚samsara‘, ‚fortwährendem Wandern‘. Das, was diesem Wandern Zusammenhang gibt, was es zu einem Wandern über unzählige Existenzen hinweg macht, ist nicht eine Seele, ein fester personaler ‚Kern‘, der die Existenzform wandelt, sondern eine unpersönliche Wirkungskraft - karma.

Dazu ist zunächst zu sagen, dass sich die Auffassung von ‚karma‘ im Buddhismus gegenüber der brahmanisch/hinduistischen stark gewandelt hat. ‚Karma‘ ist hier nicht als eine Art ‚Fatum‘ zu verstehen, sondern als das den samsarischen Bereich bestimmende Gesetz der Kausalität. Kausalität nicht nur im physikalischen Sinne, sondern auch im ‚moralischen‘. Moralisch deswegen in Anführungsstrichen, weil es keine abstrakt - metaphysisch begründete Moral ist, um die es hier geht, sondern der Prüfstein der Moralität ist das ‚Heil‘, das Erwachen zur Wirklichkeit und damit die Überwindung des Leidens. Da gibt es heilvolle Gegebenheiten und unheilvolle (kusaladharma und akusaladharma), die das Erwachen jeweils begünstigen oder behindern; diese Umstände werden durch Handeln, das entsprechend als ‚heilvoll‘ oder ‚unheilvoll‘ zu bezeichnen wäre, erzeugt. Heilvoll und unheilvoll, kusala und akusala, entspricht zwar in der Regel der landläufigen Auffassung von ‚moralisch gut‘ und ‚moralisch schlecht‘, hat jedoch eine andere Grundlage - eben das karmische Gesetz.

Entsprechend wurde auch die Wiedergeburtslehre nicht einfach weitergeführt, sondern in entscheidenden Punkten neu gefasst. Das buddhistische Konzept der Reinkarnation steht in engstem Zusammenhang mit dem Konzept des samsara überhaupt - im Zen ist ‚Geburt-und-Tod‘ ein geläufiges Synonym für samsara. Das beschreibende Modell von samsara ist pratityasamutpada (etwa: Entstehen in gegenseitig bedingter Abhängigkeit, auch als Konditionalnexus bezeichnet). Pratityasamutpada ist nicht nur eine (psychologisch / idealistische) Welterklärung; es erklärt auch den Zusammenhang zwischen verschiedenen Inkarnationen. Das entscheidende Glied dabei sind die ‚samskara‘ - ‚Gestaltungen‘; wohl treffender übersetzt mit ‚Tatabsichten‘. Ich verstehe die samskara (im Gegensatz etwa zu Nyanatiloka) als vorbewusste Willensimpulse, die aus Unwissenheit (avidya) heraus zum Ergreifen / Anhaften (upadana) und und damit zur Individuation drängen. Die samskara sind nun karmisch bedingt, was nicht viel mehr heisst, als dass bewusstes Handeln auf die un- und vorbewussten Antriebe (weiteren) Handelns prägend und orientierend rückwirkt. Die samskara sorgen nicht nur für die scheinbare Kontinuität eines inkarnierten, handelnden und erfahrenden empirischen Ichs (pudgala), sondern sie überstehen auch den Zerfall dieses scheinbaren Ichs, die Auflösung der upadana-skandhas (der psychophysischen ‚Aggregate des Ergreifens‘), indem sie karmisch weiterwirken. Da stellt sich natürlich die Frage, wie die samskara den Zerfall der skandhas überstehen und einen neuen nama-rupa (eine ‚Geist-Körper-Einheit‘) bedingen können; was also Übermittler, Träger und Substrat der samskara ist, wenn es keine überdauernde ‚Seele‘ gibt. Die klassische buddhistische Scholastik (der Abhidharma) versagte bei dem Versuch, dies schlüssig und nachvollziehbar zu erklären - jedenfalls wurde und wird dies von vielen Menschen so empfunden.

Als eine Antwort auf diese Fragestellung nach einem Substrat oder Empfänger / Überträger der samskara entwickelten die Yogacara (auch Vijnaptimatras oder Vijnanavadin genannt) das Konzept des alaya-vijnana, des Speicherbewusstseins. Die Schule der Yogacara (begründet durch Vasubandhu und Asanga) ist (nach dem durch Nagarjuna begründeten Madhyamaka) die zweite bedeutende Strömung mahayanischer Philosophie. Das alaya-vijnana, das entfernt an Jungs ‚kollektives Unterbewusstsein‘ erinnert, ist - grob zusammengefasst - Empfänger der samskara in der Form von vasana (‚Gewohnheits-Energieen‘), die dann als bija (Same) einer neuen Individuation wirken - in Form des klistamanovijnana oder manas, das wiederum die sechs ‚klassischen‘ (d.h. auch schon im Abhidharma behandelten) durch Wahrnehmung bedingten vijnanas enthält.

Zur näheren Erläuterung des alaya-vijnana (svw. ‚Reine Essenz des Geistes‘ oder ‚tathagatha-garbha‘ - und auch ‚nirvana‘) hier ein längeres Zitat aus Asvagoshas Mahayana Shraddhotpada Shastra (Kommentar zur Vertrauenserweckung in das Große Fahrzeug; Übersetzung Goddard/von Muralt). Ich habe mir erlaubt, einige eigene Kommentare hinzuzufügen. Asvagosha gilt übrigens wohl nicht zuletzt wegen dieses Textes (der vor allem im koreanischen Son hoch geschätzt wird) als 12. (indischer) Patriarch des Zen, Nagarjuna als 14.

„Der Geist hat zwei Ausgänge, von welchen seine Tätigkeiten ausgehen.“

Geist / citta verstehe ich hier als Synonym von ‚naman‘, als die Gesamtheit der psychischen Anteile der empirischen Person (pudgala / nama-rupa); also der skandhas mit Ausnahme des körperlich-materiellen rupa-skandhas.

„Der eine führt zur Verwirklichung der Reinen Essenz des Geistes, der andere führt zu den Unterscheidungen des Erscheinens und Verschwindens von Leben und Tod.“

‚Verwirklichung‘ ist hier eine etwas enge Übersetzung von englisch ‚realization‘, das ja auch die Nebenbedeutung ‚Erkenntnis‘ besitzt; gemeint ist natürlich das Erwachen, bodhi. Die ‚Reine Essenz des Geistes‘ ist somit eine Interpretation von nirvana. Wie im Folgenden deutlich wird, bedeutet diese ‚Verwirklichung der Reinen Essenz des Geistes‘ das Ende von jeglicher Art von Individuation, mithin das Aufhören des Kreislaufs der Wiedergeburten. Die ‚Ausgänge des Geistes‘ sind somit samsara und nirvana; der Geist steht zwischen ihnen, besitzt das Potential zu beidem.

„Durch jede dieser Türen gehen des Geistes Begriffe so sehr untereinander verkettet hindurch, dass sie nie getrennt waren und es auch nie sein werden.“

‚Begriffe‘ ist hier missverständlich; ich verstehe ‚Begriff‘ hier im Sinne von ‚samskara‘, von (karmisch wirksamen) ‚Tatabsichten‘. ‚Begriff‘ im herkömmlichen Verständnis wird im Weiteren ‚falscher Begriff‘ genannt. Beide Konzepte - das der vorbewussten Tatabsichten und das des ‚Begreifens‘ / begrifflichen Ergreifens (upadana) gehen hier nahtlos (über die sie verbindenden Glieder von pratityasamutpada) ineinander über. Die samskara haben über den Geist als klesa eine ‚trübende‘ Rück- / Wechselwirkung auf die ‚Reine Essenz des Geistes‘.

„Was bedeutet: Reine Essenz des Geistes? Sie ist die höchste Reinheit und Einheit, die allumfassende Ganzheit, die Quintessenz der Wahrheit. Die Essenz des Geistes gehört weder zu Tod noch Wiedergeburt, sie ist ungeboren und ewig.“

Vergleiche Itivuttaka 43: „Es gibt, ihr Mönche, ein Ungeborenes …“ oder auch Udana 8,1. Es handelt sich hier also nicht um eine ‚mahayanische Ketzerei‘ - auch im Palikanon wird nirvana nicht einfach als ein Negativum, als Nichts verstanden.

„Die Begriffe des bewussten Geistes werden durch falsche Vorstellungen individualisiert und unterschieden.“

Individualisierung und Unterscheidung - hier setzt sich pratityasamutpada mit ‚Werden‘ (bhava) fort.

„Wenn der Geist von dem unterscheidenden Denken freigehalten werden könnte, so gäbe es keine willkürlichen Gedanken mehr zur Erzeugung der Erscheinungen der Form, existierender Dinge und Bedingungen. Deshalb waren von Anfang an alle Begriffe unabhängig von Individuation, von Namen, geistigen Stimmungen und Bedingungen.“

Statt ‚waren von Anfang an‘ macht mE die Übersetzung ‚sind ursprünglich‘ mehr Sinn. Hier bahnt sich eine Umdeutung von ‚Begriffe‘ bzw. ihrer ‚Wurzel‘, den samskara, an.

„In ihrer essentiellen Natur sind sie von der gleichen Einerleiheit, weder veränderlich noch zerbrechlich noch zerstörbar. Da sie von einer So-heit, von einer Reinheit sind, werden sie als Geistessenz bezeichnet.“

Man beachte die Gleichsetzung von ‚Geistessenz‘ mit ‚Essenz der Begriffe‘ oder besser ‚Essenz des Begreifens‘! Ich verstehe diese schwierige Passage so: die Essenz des Geistes ist seine Funktion, ist ‚Wirken‘ an sich. ‚Samskara‘ erfährt hier eine Umdeutung, da es als nicht notwendig zielgerichtet, auf ein Ergreifen (upadana) gerichtet, sondern als im Kern freie, reine Dynamik aufgefasst wird. Darüber hinaus wird hier auch klar, dass der Geist kein Eigensein (svabhava) besitzt, sondern leer ist. Er ist nicht ein Etwas, das eine Funktion erfüllt; er ist mit seiner Funktion identisch.

„Die Unterscheidungen mit Worten sind nur falsche Begriffe ohne wirkliche Grundlage. In ihrer Falschheit besitzen sie nur eine relative Existenz; als falsche Vorstellungen und Gedanken tauchen sie auf und verschwinden wieder. Sogar auf die Geistessenz angewandt haben Worte keine Bedeutung, denn bei der Geistessenz gibt es nichts, was ergriffen oder mit einem Namen versehen werden könnte. Aber wir gebrauchen Worte, um uns von den Worten freizumachen, bis wir die reine, wortlose Essenz erlangen. … Alle Begriffe sind ein unteilbarer Teil der Realität, sie sind nicht künstlich, sind aber unveränderlich, unaussprechlich und undenkbar. Sie sind die Geistessenz selbst. …“

Auch hier ist wieder darauf zu achten, ‚Begriffe‘ und ‚falsche Begriffe‘ (d.h. Begriffe im herkömmlichen Sinn, ‚Unterscheidungen mit Worten‘) nicht miteinander zu verwechseln. Wenn wir auf die obige Identifikation von ‚Begriffen‘ mit (samskarischem) Wirken zurückgreifen, dann ist dieses Wirken tatsächlich von der (konventionellen) Realität nicht zu trennen. Das Wirken ist ihr dynamischer Charakter, als Daseinsmerkmal wahrgenommen ihre Unbeständigkeit (anitya).

„Wenn irgendein lebendes Wesen fähig wäre, sich von allen willkürlichen Begriffen freizuhalten, so würde dies bedeuten, dass es die Einheit mit der reinen Essenz aller Begriffe erlangt hat. …“

Reine Dynamik, reines Wirken ohne künstliche Trennung von Subjekt und Objekt; direktes Wirken der Geistessenz ohne Vermittlung durch Geist und falsche Begriffe / Vorstellungen. Dies ist eine Definition des Tathagatha, des in Soheit Wandelnden.

„Dann gibt es den erscheinenden und verschwindenden Aspekt der Geistessenz, den wir als Geburt und Tod bezeichnen. In diesem Zusammenhang stellen wir uns die Geistessenz vor als den Tathagathaschoß, in Wirklichkeit aber kommt nichts hervor und nichts kehrt zurück und so gibt es keinen Schoß des Tathagatha, denn die Natur des Erscheinens und Verschwindens fällt mit der Natur des Nicht-Erscheinens und Nicht-Verschwindens zusammen.“

Der Tathagathaschoß (Tathagatha-garbha) als das ständig Erzeugende und (unter dem Aspekt des alaya-vijnana) wieder Aufnehmende ist also keine Art ‚atman‘ bzw. ‚brahman‘ oder ‚Weltseele‘, sondern selbst nur eine Vorstellung, eine ‚Unterscheidung mit Worten‘, ‚falscher Begriff‘. Das gleiche gilt natürlich erst recht auch für ‚Reinkarnation‘ …

„Die reine Geist-Essenz ist weder Einheit noch Vielheit und doch begreifen wir sie als das unerfassbare alaya-vijnana, das Speicher- oder Universalbewusstsein. … Dieses alaya-Bewusstsein umschliesst zwei bedeutsame Aspekte … Der eine Aspekt ist derjenige der Erleuchtung, der andere derjenige des Nichtwissens.“

Hier nähern wir uns dem, was gelegentlich undifferenziert und platt verkürzt als These von der Identität von nirvana und samsara bezeichnet wird.

„In ihrem Erleuchtungsaspekt ist die Geistessenz frei von jeglicher Art von Individuation und unterscheidendem Denken … Sie ist der Dharmakaya der Tathagathaheit. Sie ist angeborene Erleuchtung … Angeborene Erleuchtung jedoch und das Erscheinen der Erleuchtung sind von derselben Gleichheit und da es nun den Begriff der Erleuchtung gibt, gibt es den Begriff der Nicht-Erleuchtung.“

… da es den ‚falschen Begriff‘ der Erleuchtung gibt, gibt es den gleichfalls falschen Begriff der Nicht-Erleuchtung…

„… Wegen der Begriffe der Erleuchtung und der Nicht-Erleuchtung gibt es den Begriff des Erreichens der Erleuchtung, jedoch sind Erleuchtung, Nicht-Erleuchtung und Erreichen der Erleuchtung alle von derselben Gleichheit und Einheit. Wenn der Geist sich seiner höchsten Erleuchtungsnatur bewusst ist, so spricht man von der Erleuchtung, wenn er nicht erleuchtet ist inbezug auf seine höchste Natur, so bezeichnen wir dies mit Nichtwissen, aber in Wirklichkeit gibt es im alaya-vijnana keinen Unterschied unter ihnen, da gibt es nur die vollkommene Reinheit des Dharmakaya.
[…]
Nun erhebt sich die Frage: wie können diese scheinbaren Unterschiede sich aus der Reinheit der Geistessenz erheben? Die Antwort lautet, dass dies aus der vollkommenen Anpassung des alaya-vijnana zu seiner Anhäufung von Befleckungen, die sich seit undenklichen Zeiten gebildet haben, entstanden ist. Diese lassen zwei Klassen von Phänomenen entstehen, welche
untrennbar von seiner inneren Erleuchtungsnatur sind und auch miteinander in Verbindung stehen. In einer Klasse sind Phänomene, die sich auf intellektuelle Reinheit beziehen und die sich zur Erleuchtung hinbewegen, in der anderen Klasse sind Phänomene, die das Karma betreffen und die sich nach dem Nichtwissen hin bewegen. …“

Die ‚beiden Klassen‘ sind die heilsamen Gegebenheiten (kusaladharma) und die unheilsamen (akusaladharma). Die kusaladharma entsprechen sila, prajna und dhyana, dem achtfachen Pfad.

„Obgleich alle Phänomene des Geistes, seine Wahrnehmungen, seine Unterscheidungen, sein Bewusstsein zur Natur der Nicht-Erleuchtung gehören, so ist doch die Natur der Nicht-Erleuchtung dieselbe wie die Natur der Erleuchtung, also weder zerstörbar noch unzerstörbar. Es gleicht dies den Wellen an der Oberfläche des Ozeans, die durch den vorbeisausenden Wind emporschlagen. Beide sind verbunden, aber das Wasser selbst besitzt nicht die Fähigkeit der Bewegung, so dass, wenn der Wind sich legt, die Wellen sich wieder senken. So kehrt das Wasser wieder zu seiner natürlichen Ruhe zurück. Dasselbe gilt für die lebenden Wesen. Ihre reine Geistessenz ist durch den … Wind des Nichtwissens gestört worden, aber weder Geist noch Nichtwissen besitzen irgendwelche eigene Substanz noch Form noch Phänomenales, noch sind sie voneinander getrennt.“

Soweit das Zitat. Der ‚kanonische‘ Hintergrund der Yogacara-Schule findet sich im Lankavatara-Sutra, das vor allem in der Frühzeit des Zen eine bedeutende Rolle spielte, bis es zugunsten der Prajnaparamita-Sutren (die wiederum mit dem Madhyamaka in enger Verbindung stehen) etwas in den Hintergrund trat.

Wenn man also fragt, wie Buddha Shakyamuni, der vollständig Erleuchtete, in seiner Lehre an der Vorstellung festhalten kann, daß ein Individuum wiedergeboren wird, nachdem doch feststeht, daß es keine Seele gibt, die fortdauern würde - dann beruht diese Frage auf einem Missverständnis. Die Wieder-geburt eines Individuums wurde schon im frühen Buddhismus gerade nicht behauptet. Das ‚Wieder-‘ (oder auch das ‚Re‘ in ‚Reinkarnation‘) ist irreführend - wenn auch nicht ganz so abwegig wie der Begriff Seelenwanderung / Metempsychose. Es gibt im Buddhismus keine ‚Wiederkehr des ewig Gleichen‘. Was immer wieder neu geboren wird, sich inkarniert, sind aus Unwissenheit entstandende und fortbestehende Willensimpulse - die unbeschadet ihres Fortbestehens (solange Unwissenheit als ihre Bedingung fortbesteht) ständigem karmischem Wandel unterworfen ist. Es gibt also keinerlei Identität zwischen verschiedenen Inkarnationen - lediglich sich wandelnde Willensimpulse als bedingende Beziehung. Diese Position findet sich schon im frühen Buddhismus.

Karma ist nach buddhistischem Verständnis nichts, das angesammelt werden kann, sondern etwas, das nach dem Muster Aktion - Reaktion direkt und unmittelbar wirkt. Man könnte nun zwischen ‚kollektivem‘ und ‚individuellem‘ karma unterscheiden, doch ist dies nur eine Unterscheidung auf der Ebene konventioneller Aussagen (samvrti-satya). Auf dieser Ebene arbeitet das Individuum an ‚seinem‘ Erwachen (oder auch nicht) und bedingt durch sein Handeln eine leidhafte Fortexistenz - wenn auch streng genommen nicht die eigene, sondern eine im Kollektiv aufgehobene.

Andererseits ist die Identifikation mit vorangegangenen und folgenden Inkarnationen zunächst soterologisch von Vorteil - sie gibt einem noch vorwiegend von egoistischen Antrieben geleiteten Wesen eine hinreichende Motivation zum Betreten des Pfades. Das würde ein radikales Verwerfen der aus dem Brahmanismus überkommenen Reinkarnationslehre unzweckmäßig machen - die (den am Beginn des Pfades Stehenden sicher spitzfindig erscheinenden) buddhistischen Modifikationen dieser Lehre zeigen jedoch auch den Weg zur Auflösung bewusst werdender Widersprüche.

Mit fortschreitender Auflösung von avidya muss zwangsläufig mit dem Anhaften an der falschen Auffassung von einem Ich auch die egoistische Motivation schwinden. Hier tritt dann das, was ich die ‚Bodhisattva-Motivation‘ nennen möchte, an dessen Stelle - die im Vorfeld kultivierten brahma-viharas karuna, maitri, mudita und upeksa. Man könnte auch sagen, die Identifikation wird zunehmend auf das ‚Kollektiv‘ gerichtet, nicht mehr auf mit einem illusorischen Ich verbundene Inkarnationen. Um eine platte ‚fromme Lüge‘ handelt es sich bei der Reinkarnationslehre trotzdem nicht, da auf einer höheren Aussageebene, wenn man sich also der Ebene höchster Wahrheit (paramartha-satya) annähert, zwischen Kollektiv und Individuum kein Unterschied existiert. Das heilswirksame Handeln des Bodhisattva ist dann auch kein individuelles Handeln mehr - der Bodhisattva ist daher tatsächlich fähig, „das Meer mit einem Teelöffel auszuschöpfen“.

Auch die Zeit, das Vorher / Nachher, ist Illusion; eine durch die Individuation bedingte Form der Wahrnehmung. Nur aus dieser individuellen Sicht heraus kann es vorangegangene und nachfolgende Inkarnationen überhaupt geben. Für den Erwachten existiert kein Konzept der Zeit, kein Vorher und kein Nachher, kein Kollektiv und kein Individuum, weder Geburt noch Tod. Und nur so ist es zu verstehen, dass das Erwachen eines Wesen gleichzeitig das Erwachen aller Wesen ist - mit Shakyamuni Buddha sind alle Wesen erwacht.


Auch die Zeit, das Vorher / Nachher, ist Illusion; eine durch
die Individuation bedingte Form der Wahrnehmung. Nur aus
dieser individuellen Sicht heraus kann es vorangegangene und
nachfolgende Inkarnationen überhaupt geben. Für den Erwachten
existiert kein Konzept der Zeit, kein Vorher und kein Nachher,
kein Kollektiv und kein Individuum, weder Geburt noch Tod. Und
nur so ist es zu verstehen, dass das Erwachen eines Wesen
gleichzeitig das Erwachen aller Wesen ist - mit Shakyamuni
Buddha sind alle Wesen erwacht.


Der Artikel ist interessant, aber viel zu lang, als das man etwas Abschließendes dazu sagen könnte. Man kann nur einige Punkte herausnehmen.

Bezüglich der Wiedergeburts Lehre, bestätigt er, was ich weiter unten ansprechen wollte, nämlich daß diese eine spätere Hinzufügung der jeweiligen Schulen ist und keine ausgesprochene Lehre Buddhas. Buddhas Ziel war aus dem Leid herauszukommen. Den Weg hat er gefunden, aber eben alles andere beiseite gelassen. Die Frage nach Wissen, wie es die Upanischaden und der Veda beantwortet, findet bei ihm also keine Beachtung. Somit auch nicht das Wissen der Wiedergeburt.

Was sich die Schulen dabei zurechtgezimmert haben, sollte man nicht als endgültige Wahrheit stehen lassen, sondern nur als Versuch, Dinge aus buddhistischer Sicht zu begreifen und der bleibt unbefriedigend, wie man sieht.

Den letzten Abschnitt möchte ich aber doch sehr in Frage stellen.

Das Erwachen bedeutet nicht, daß damit alle Unterschiede und alles Wissen ausgelöscht sind, das wäre doch ein eigenartiges Erwachen. Das kann so nur ein Unerwachter behaupten.

gruß
rolf

Moin,

Verstehe schon, wollte aber bei dieser Gelegenheit mal an den
Grundfesten buddhistischer Weltanschauung kratzen.

Um etwas kritisch zu hinterfragen sollte man es aber erstmal kennen und verstanden haben, meinst du nicht ? Buddhisten sind im Allgemeinen recht diskussionsfreudig, was ihre Lehre angeht, für einen Glaubenskrieg wirst du aber selten jemanden gewinnen können.

Schließlich gibt es genau so viel Argumente für eine Seele,
wie gegen dieselbige.

Nochmal: Es geht hier nicht darum, irgend jemanden davon zu überzeugen, ob der Mensch nun eine Seele habe oder nicht, sondern es geht hier darum, buddhistische Lehre zu erläutern. Wenn du das alles für Blödsinn hältst, dann ist das völlig in Ordnung.

…was hat Buddha eigentlich zu diesem Problem gesagt?

zu welchem ?

Gruß
Marion

Hallo Rolf,

Bezüglich der Wiedergeburts Lehre, bestätigt er, was ich
weiter unten ansprechen wollte, nämlich daß diese eine spätere
Hinzufügung der jeweiligen Schulen ist und keine
ausgesprochene Lehre Buddhas.

Das ist nur teilweise richtig - vor allem hast Du offensichtlich gar nicht verstanden, dass auch später keine „Wiedergeburtslehre“ hinzugefügt wurde. Du darfst da populäre Auffassungen und Missdeutungen nicht mit der Lehre verwechseln. Es gibt weder im Theravada noch im Mahayana eine Reinkarnations- oder Wiedergeburtslehre im hinduistischen Sinn - eben, weil es nichts zu reinkarnieren gibt. Ich habe in dem Artikel versucht, eine Darstellung der Auffassung des Mahayana zu geben. Wenn Dir ein Theravadin die Auffassung des Abhidharma (der hinayanischen Scholastik) erläuterte, würdest Du auch dort keine Reinkarnationslehre finden.

Buddhas Ziel war aus dem Leid
herauszukommen. Den Weg hat er gefunden, aber eben alles
andere beiseite gelassen.

Richtig ist, dass Buddha die Problematik der Reinkarnation vor allem unter dem Gesichtspunkt ihrer soterologischen Tauglichkeit betrachtet hat, so z.B. in Anguttara Nikaya III.62:

"Drei Glaubensstandpunkte gibt es, ihr Mönche. Werden sie von Verständigen geprüft, untersucht und gründlich vorgenommen, dann ergibt sich, daß sie, selbst wenn man ihnen bloß der Tradition wegen folgt, in Untätigkeit enden. Welches sind diese drei Glaubensstandpunkte?

Es gibt einige Asketen und Priester, die da behaupten und der Ansicht sind, daß, was auch immer der Mensch empfindet, sei es Wohl oder Wehe oder weder Wohl noch Wehe, daß dies alles bedingt sei durch frühere [vorgeburtliche] Tat.
Es gibt einige Asketen und Priester, die da behaupten und der Ansicht sind, daß, was auch immer der Mensch empfindet, sei es Wohl oder Wehe oder weder Wohl noch Wehe, daß dies alles bedingt sei durch Gottes [isvaras] Schöpfung.
Und es gibt einige Asketen und Priester, die behaupten und der Ansicht sind, daß, was auch immer der Mensch empfindet, sei es Wohl oder Wehe oder weder Wohl noch Wehe, daß dies alles ohne Ursache und Grund geschieht."

Buddha kritisiert alle drei Ansichten, ohne sie allerdings explizit zu widerlegen - lediglich aus soterologischen Erwägungen heraus, „weil sich nun aber hieraus wirklich und gewiß keine Notwendigkeit ergibt für ein [bestimmtes] Tun oder Lassen“. Andererseits hat er sich zum Thema Karma wie folgt geäußert (Anguttara Nikaya VI.63):

„»Es wurde ferner gesagt, daß man das Wirken (karma) zu erkennen hat, sowie seine bedingte Entstehung, seine Verschiedenartigkeit, sein Ergebnis, seine Aufhebung und den zu seiner Aufhebung führenden Weg. Warum aber wurde dies gesagt? Den Willen, ihr Mönche, bezeichne ich als das Wirken, denn, nachdem man es gewollt hat, vollbringt man das Wirken in Werken, Worten und Gedanken.
[…]
Was aber ist das Ergebnis des Wirkens? Dreierlei, sage ich, ihr Mönche, ist das Ergebnis des Wirkens: es hat ein Ergebnis entweder in diesem Leben, oder im nächsten, oder in einem späteren.
Das, ihr Mönche, nennt man das Ergebnis des Wirkens.“ (Ähnlich auch z.B. in Anguttara Nikaya III.34)

Der scheinbare Widerspruch erklärt sich so, dass Buddha zwar nicht die Wirksamkeit von Karma über das gegenwärtige Leben hinaus bestritt, sondern im Gegenteil Einsicht in dieses Wirken empfahl. Es gibt allerdings keinen ‚Träger‘ des Karma, „es gibt die Tat, doch nicht den Täter“, und die Karma-Lehre begründet vor allem keinen absoluten Determinismus. Beide Auffassungen - Determinismus und Glaube an die Existenz eines Atman - sind eng mit der Reinkarnationslehre verbunden, weshalb Buddha zur Vermeidung dieser falschen Ansichten von einer Beschäftigung mit ihr abriet.

Dass der scheinbare Widerspruch durchaus auflösbar ist, habe ich versucht zu zeigen. Er führt zu einer Inkarnationslehre (nicht Re-), die ohne Seele/Atman auskommt und nicht-deterministisch ist (wobei ich in meinem Artikel auf das Problem der Willensfreiheit allerdings nicht eingegangen bin). Aber vielleicht wurde dabei auch deutlich, dass diese Auflösung nicht ohne weiteres verständlich und schwierig zu vermitteln ist. Buddhas Konsequenz und Empfehlung war, von solchen Erwägungen einfach die Finger zu lassen - eine Konsequenz, die für seine Zeit und seine Situation sicher richtig war.

Was sich die Schulen dabei zurechtgezimmert haben, sollte man
nicht als endgültige Wahrheit stehen lassen, sondern nur als
Versuch, Dinge aus buddhistischer Sicht zu begreifen und der
bleibt unbefriedigend, wie man sieht.

Wenn Du den Artikel aufmerksam liest, sollte Dir auffallen, dass es gar nicht um „endgültige Wahrheit“ ging oder auch nur gehen konnte. Mit Worten können lediglich Aussagen auf der Ebene samvrti-satya, konventioneller Wahrheit, getroffen werden. Natürlich ist samvrti-satya unbefriedigend - wie alles Samsarische. „Endgültige Wahrheit“, paramartha-satya, entzieht sich jedem Ausdruck. Man kann sie erfahren, aber eben nur unvollständig auf der relativen, konventionellen Ebene ausdrücken. „Endgültige Wahrheit“ findest Du auch in den Veden nicht oder in dem, was Sri Aurobino sich bzw. seinen Schülern zurechtgezimmert hat.

Das Erwachen bedeutet nicht, daß damit alle Unterschiede und
alles Wissen ausgelöscht sind, das wäre doch ein eigenartiges
Erwachen.

Ich dachte eigentlich, Aurobindo hätte Advaita gelehrt - da scheine ich mich wohl geirrt zu haben. Erwachen bedeutet, zu erfahren, dass „alle Unterschiede und alles Wissen“ künstlich ist, maya, bestenfalls paramartha-satya. Nichts als Begriffe. Das bedeutet nicht, dass ein Erwachter mit solchen Dingen nicht umgehen könnte - aber er verwechselt nicht Begriffe mit Begriffenem.

Das kann so nur ein Unerwachter behaupten.

Klasse Argument - muss ich mir merken …

Freundliche Grüße,
Ralf

2 Like

Hallo Ralph

Vielen Dank für Deine ausgiebigen Erläuterungen. Es wird mir nun einiges verständlicher.

Wenn Du den Artikel aufmerksam liest, sollte Dir auffallen,
dass es gar nicht um „endgültige Wahrheit“ ging oder auch nur
gehen konnte. Mit Worten können lediglich Aussagen auf der
Ebene samvrti-satya, konventioneller Wahrheit, getroffen
werden. Natürlich ist samvrti-satya unbefriedigend - wie alles
Samsarische. „Endgültige Wahrheit“, paramartha-satya, entzieht
sich jedem Ausdruck. Man kann sie erfahren, aber eben nur
unvollständig auf der relativen, konventionellen Ebene
ausdrücken. „Endgültige Wahrheit“ findest Du auch in den Veden
nicht oder in dem, was Sri Aurobino sich bzw. seinen Schülern
zurechtgezimmert hat.

Da würde ich vorsichtig sein. Das mag ein Schluß des Buddhismus sein, aber damit ist nicht gesagt, daß die Endgültige Wahrheit überhaupt nicht existiert. Es gibt relative Wahrheiten, von Stufe zu Stufe, sowie auch eine Absolute. Die Upanischaden sehen diese im Brahman und die Vedas sehen sie in der Vielzahl der Götter.

Das Erwachen bedeutet nicht, daß damit alle Unterschiede und
alles Wissen ausgelöscht sind, das wäre doch ein eigenartiges
Erwachen.

Ich dachte eigentlich, Aurobindo hätte Advaita gelehrt - da
scheine ich mich wohl geirrt zu haben. Erwachen bedeutet, zu
erfahren, dass „alle Unterschiede und alles Wissen“ künstlich
ist, maya, bestenfalls paramartha-satya. Nichts als Begriffe.
Das bedeutet nicht, dass ein Erwachter mit solchen Dingen
nicht umgehen könnte - aber er verwechselt nicht Begriffe mit
Begriffenem.

Advaita - die absolute Einheit allen Seins, schließt aber nicht die Vielheit aus, im Gegenteil es vereint sie. Im Moment des Erwachens oder der Befreiung, sieht man folgedessen die Vielen im und als Einen…und Sri Aurobindos Yoga beginnt hier und endet damit etwa nicht, wie bei Buddha.

gruß
rolf

von mir…
…ein Sternchen und einen ganzen Sack voll upekkha :smile:

Gruß
M.

…ein Sternchen und einen ganzen Sack voll upekkha :smile:

Danke, Marion
ich erwäge, künftig meine Postings hier mit ‚kshanti-rishi‘ zu unterzeichnen :wink:

Gasshô,
Ralf

Hallo Rolf

„Endgültige Wahrheit“, paramartha-satya, entzieht
sich jedem Ausdruck. Man kann sie erfahren, aber eben nur
unvollständig auf der relativen, konventionellen Ebene
ausdrücken. „Endgültige Wahrheit“ findest Du auch in den Veden
nicht oder in dem, was Sri Aurobino sich bzw. seinen Schülern
zurechtgezimmert hat.

Da würde ich vorsichtig sein. Das mag ein Schluß des
Buddhismus sein, aber damit ist nicht gesagt, daß die
Endgültige Wahrheit überhaupt nicht existiert.

Liest Du da oben bei mir irgendwo die Aussage, ‚Endgültige Wahrheit‘ existiere nicht?

Die Upanischaden sehen diese im Brahman und die
Vedas sehen sie in der Vielzahl der Götter.

Mag sein. Ich sehe da nur Worte.

Erwachen bedeutet, zu
erfahren, dass „alle Unterschiede und alles Wissen“ künstlich
ist, maya, bestenfalls paramartha-satya. Nichts als Begriffe.
Das bedeutet nicht, dass ein Erwachter mit solchen Dingen
nicht umgehen könnte - aber er verwechselt nicht Begriffe mit
Begriffenem.

Advaita - die absolute Einheit allen Seins, schließt aber
nicht die Vielheit aus, im Gegenteil es vereint sie. Im Moment
des Erwachens oder der Befreiung, sieht man folgedessen die
Vielen im und als Einen…

Liest Du da oben bei mir irgendwo die Aussage, Erwachen schließe „die Vielheit aus“?

und Sri Aurobindos Yoga beginnt hier
und endet damit etwa nicht, wie bei Buddha.

Ach Rolf, ersteres kann ich nicht beurteilen, dazu kenne ich Aurobindo zu wenig. Und das zweite kannst Du offensichtlich nicht beurteilen.

Freundliche Grüße,
Ralf

Dass der scheinbare Widerspruch durchaus auflösbar ist, habe
ich versucht zu zeigen. Er führt zu einer Inkarnationslehre
(nicht Re-), die ohne Seele/Atman auskommt und
nicht-deterministisch ist (wobei ich in meinem Artikel auf das
Problem der Willensfreiheit allerdings nicht eingegangen bin).
Aber vielleicht wurde dabei auch deutlich, dass diese
Auflösung nicht ohne weiteres verständlich und schwierig zu
vermitteln ist. Buddhas Konsequenz und Empfehlung war, von
solchen Erwägungen einfach die Finger zu lassen - eine
Konsequenz, die für seine Zeit und seine Situation sicher
richtig war.

Woraus läßt sich schließen, daß Buddha eine Person als Handlungstäter negiert, wenn er auf ein nächstes Leben hinweist? Wo verneint er eine Seele als Träger der Wiedergeburt.

gruß
rolf