0-Meridian

Gerade lese ich Dava Sobels Longitude. Auf Seite 4 lese ich, dass
dieser Merdian in der Geschichte auf Reisen ging. So war er auf den Kap
Verden, dannn auf den Azoren. Rom, Kopenhagen, Jerusalem, St.
Petersburg, Pisa, Paris und last but not least in Philadelfia. Was hat
er in Rom gemacht? Hatte ihn da das Christentum usurpiert? Wer weiß
etwas darüber? Mich interissiert besonders Rom. Wann war das? Hatte ein
Papst damit zu tun? Welcher?
Alexander

Hallo !

Natürlich ging der Nullmeridian auch durch den Vatikan. So machte es jedes Land, als man sich noch nicht auf Greenwich geeinigt hatte. Deutschland hatte seine Nullinie durch Berlin. Die Engländer nahmen Greenwich, weil dort eine der wichtigsten Sternwarten stand. Viele Länder richteten sich ebenfalls nach Greenwich, schon, weil die Engländer die besten Seekarten hatten und man diese dort kaufte.

Hier etwas dazu :

Greenwich-Nullmeridian und die Ordnung der Weltzeit.

Mitte des 19. Jahrhunderts hatte jede große Nation, wie USA, England, Argentinien, Japan usw seinen eigenen Nullmeridian.
Die USA und andere flächenstarken Länder benutzten diesen für Messungen und für Zeitpläne innerhalb ihres Landes.
Für ihre Marinen wiederum benutzten sie Seekarten aus Greenwich. Und doch benutzten zehn Prozent der Reeder wiederum Seekarten von anderen Institutionen, welche auch den Nullmeridian für sich beanspruchten.

1872 revidierte Prof. Charles Dowd, der Rektor des Damenseminars Temple Grove von Saratoga Springs, New York, sein ursprüngliches auf dem Washingtoner Meridian beruhendes Modell und entwarf ein in fünf Zeitzonen gegliedertes System für die nordamerikanischen Eisenbahnen, das fast genau dem heute geltenden entsprach. Die Abweichung zwischen seinen Zonen betrug je eine Stunde, da jede einzelne, in Fünfzehn-Grad-Schritten von Greenwich westwärts gerechnet, genau fünfzehn Längengrade einnahm.
Auch ein Prof. Peirce hatte, wie die „Atlantic Monthly“ meldete, einen ganz ähnlichen Ansatz vorgeschlagen, ebenso Prof. Abbe.
Doch zwei wichtige Gründe sprachen 1874 dagegen :

Erstens springt sofort ins Auge, das sich die fortschrittlichsten amerikanischen Reformvorschläge auf Greenwich bezogen, ohne dass man weltweit politisch so weit war. Auch wenn man schon großenteils Seekarten aus Greenwich benutzte.
Aber - insgesamt gab es damals zehn amtliche Nullmeridiane, alle historisch gerechtfertigt sowie mit Nationalstolz und einem festen Kundenkreis ausgestattet.
Dowds Neuerung von 1872 hatte darin bestanden, mit der amerikanischen Praxis zu brechen, indem er den Meridian Washingtons fallen ließ und stattdessen den Nullmeridian Greenwichs einführte oder einfach übernahm.
Die Umstellung von fünfzig auf nur vier Zeitzonen (plus eine für Canada) erfolgte dann ganz einfach durch Abstimmung der American Railroad Association (ARA) im Rahmen der General Time Convention. Geschäftsführer dieser ARA war William F. Allen. So machten also in den USA die Eisenbahngesellschaften die neue Zeit.
Damit stand den Bürgern nun eine grundlegende Umordnung ihres Privatlebens ins Haus, freilich abgestimmt auf die Erfordernisse einer landesweit operierenden Branche, die sich schlicht als Gebieterin über die örtlichen Verhältnisse aufspielte. Allen hatte die von Dowd vorgeschlagenen Zeitzonen für die Eisenbahn weiter für die Eisenbahn verbessert und sieben Monate später traten seine Vorschläge in Kraft.
Zwar trat auch Allen mit seinen Vorschlägen für fünf nordamerikanische Zeitzonen gestützt auf den Meridian Greenwichs ein, aber bei der Gestaltung seiner Karten zog er das Bahnnetz zu Rate und ermittelte, wo jeweils Häufungen der gleichen Zeitstandards überwogen. So konstruierte er seine eigenen Zonen, mit denen er die bereits geltenden Eisenbahnnormen möglichst getreu nachahmte.

Am Sonntag, dem 18. November 1883, wurde die Standardzeit der Eisenbahnlinien frühmorgens in ganz Nordamerika eingeführt. Dieser Sonntag ging als der „Sonntag mit den zwei Mittagsstunden“ in die Geschichte ein, da Städte an den Osträndern der vier „Zeitgürtel“ Amerikas ihre Uhren um eine halbe Stunde zurückstellten, also einen zweiten Mittag herbeiführen mußten.
Der Kongreß hat diese, von der Eisenbahn konstruierte Zeiteinteilung erst 1918 ratifiziert.

Die „Prime Meridian Conference“ von 1884, die den weltweiten Zeitstandard festlegte, folgte zwar nur knapp ein Jahr auf jenen „Sonntag mit den zwei Mittagsstunden“, aber bei ihr spielte das mit William Allen assoziierte Modell der Standardzeit, das der Bahnen, überhaupt keine Rolle. Vielmehr beruhten die Diskussionen auf Anregungen wie denen Dowds, aber sein Name blieb unerwähnt und man hatte ihn auch nicht zu der Konferenz eingeladen.

(„Die Zähmung der Zeit Sir Sandford Fleming und die Erfindung der Weltzeit“)

mfgConrad

Hallo,

jaaa, das wär was für den Sonntag, muss mich allerdings um ein paar Versicherungsfragen kümmern *seufz*

Zum Nullmeridian von Rom fand ich
http://www.studiumurbis.org/menu/exhibition_02.html
Seinen Verlauf durch den Vatikanstaat hab ich aber nicht verfolgt …

Beim „Nullmeridian von Berlin“ komm’ ich ins Grübeln. Das Deutsche Reich bestand ja noch aus recht selbständigen Ländern ( Preußen, Bayern …). Rauenberg in Berlin war zwar , hm seit 1864?- Bezugspunkt der preußischen Landesvermessung, aber nicht mit Null Grad.

(Ich sollte aufhören, hier laut Rumzudenken und lieber nochmal nachschlagen.)

Grüße Roland

Hallo,

Beim „Nullmeridian von Berlin“ komm’ ich ins Grübeln. Das
Deutsche Reich bestand ja noch aus recht selbständigen Ländern
( Preußen, Bayern …). Rauenberg in Berlin war zwar , hm seit
1864?- Bezugspunkt der preußischen Landesvermessung, aber
nicht mit Null Grad.

An meinem Arbeitsplatz hab ich irgendwo in den Tiefen des Schrankes alte geologische Karten auf der Basis von Messtischblättern liegen. Die Kartengrundlage schätze ich auf die Kaiserzeit. Bei den Längenangaben sind mir mal Werte aufgefallen, welche auf den Ferro-Meridian hindeuten (Irgendwas im 20er-Bereich). Dies sollte ein eindeutiger Hinweis auf die „Kaiserliche Landesvermessung“ sein, ich muss aber mal gelegentlich genauer hinschauen (Messtischblattränder und -umschriften geben einiges her).

Gruß
Jörg Zabel

PS: ich kann mir vorstellen, dass die Preussen im 19. Jahrundert die gesamte norddeutsche Landesvermessung dominiert haben - trotz oder wegen aller Kleinstaaterei.

Als Nullmeridiane galten vor Greenwich :

Greenwich selbst, Ferro, Berlin, Paris, Washington.

Auskunft lt. Brockhaus 1906.

Hallo,

erstmal an Alexander:
durch Deine Anfrage findet man ja aktuelle Bezüge
http://www.catholicnews.com:80/data/stories/cns/0701…
Die Meldung konnte ich nicht weiter verfeinern, immer kamen stereotype Treffer.

Nur dass das „Geographen“ gemacht haben sollen, „Geographen“ !
Weit abgeschlagen folgen wir Geodäten …

Und an alle Anderen:

Als Nullmeridiane galten vor Greenwich :

Greenwich selbst, Ferro, Berlin, Paris, Washington.

Auskunft lt. Brockhaus 1906.

Was es mit dem Nullmeridian von Berlin auf sich hat, würde mich schon interessieren. Ich kenne inzwischen mindestens noch Jemand, der nichts darüber weiß :smile:

1868 wurde die Länge der Berliner Sternwarte 31° 3’ 41,25" (ö.Ferro) bestimmt. 1817 soll Müffling die Koordinaten der alten Sternwarte an der Dorotheenstraße bestimmt haben, ich nehme an auch auf Ferro bezogen.

Es gab noch ein preußisches Koordinatensystem, dass sich auf 31° bezog, sich aber wohl nicht als „Berliner“ Referenzsystem eignet.

Gab es mal eine „Berliner Ortszeit“ ? Hab’ mich schon wundgegoogelt.

Grüße Roland

Was es mit dem Nullmeridian von Berlin auf sich hat, würde

mich schon interessieren. Ich kenne inzwischen mindestens noch
Jemand, der nichts darüber weiß :smile:

Ich kenne einige Hundert, die nichts davon wissen.

Hallo Roland,

Gab es mal eine „Berliner Ortszeit“ ? Hab’ mich schon
wundgegoogelt.

Bis ins 19 Jahrhundert hatte fast jeder Ort seine Ortszeit !
Das war damals einfach „normal“ und ist erst so 200 Jahre her.
http://de.wikipedia.org/wiki/Ortszeit

Als die Zeit noch mit der Sonnenuhr gemessen wurde, gab es keine Uhren, mit denen man die Uhrzeit „transportieren“ konnte. 12 Uhr war immer dann, wenn der Schatten am kürzesten war.

Desweiteren hatte fest jede Stadt auch ihre eigenen Masse und Gewichte.
Das war der Hauptgrund wieso Napoleon ein einheitliches System einführte. Es war einfach zu umständlich für jeden Ort z.B. die Kochrezepte umzurechen und die Uniformen sollten ja auch den Soldaten passen.

Elle:
http://de.wikipedia.org/wiki/Elle_%28Einheit%29

Pfund:
http://de.wikipedia.org/wiki/Pfund
(erster Abschnitt)

MfG Peter(TOO)

Standardzeit

Die einheitliche Weltzeit - der Nullmeridian von Greenwich, die Internationale Datumsgrenze, die Vierundzwanzigstundenuhr, die in Greenwich einsetzende, in West- und Ostrichtung erfolgende Nummerierung der Längengrade, die Definition des „universellen Tages“ und daraus folgend, am wichtigsten überhaupt, die vierundzwanzig Zeitzonen - entstanden allesamt dank einer diplomatischen und wissenschaftlichen Übereinkunft im Rahmen der Prime Meridian Conference, die vom 1. bis 22. Oktober 1884 in Washington, D.C. stattfand.
Präsident Chester A. Arthur hatte die Konferenz offiziell einberufen, und sein gestrenger Außenminister Frederick Frelinghuysen eröffnete sie, doch als Dirigent und treibende Kraft stand dahinter Sanford Fleming.
(Aus : „Die Zähmung der Zeit. Sir Sandford Fleming und die Erfindung der Weltzeit“ von Clark Blaise).

mfgConrad

Hallo Conrad,

Standardzeit

Tja, das ist jetzt fast 125 Jahre hehr.
Und heute gleubt jeder, dass es schon immer so wie heute gewesen ist.
:wink:

Lange Zeit war ja nur in der Seefahrt die Ortszeit alleine, wenig hilfreich.
Praktisch alle anderen Berufzweige waren mit eine Ortszeit bestens versorgt.

MfG Peter(TOO)

Hallo,

Alexander hätten wir fast völlig vergessen :smile:

Beim Lesen seiner Frage fiel mir noch folgendes auf:

  • in meinem Buch steht das Zitat auf S. 12.
  • nicht der Meridian wandert von hier nach da, sondern einzelne Nationen legen ihn für ihre Zwecke an einen bestimmten Ort
  • das Anordnen einer Vermessung des Vatikanstaates hat wohl wenig mit dem Christentum sondern eher mit einer aufgeschlossenen Verwaltung und einem wissenschaftlich interessierten Papst zu tun.

Was finde ich noch dazu ? Auf meiner geposteten Seite *knirsch* finde ich den Hinweis auf die Ausstellung „Roma Geodetica“ - beendet im Februar 2007 !!
Details auf Italienisch
http://www.studiumurbis.org/menu/exhibition08.pdf

Alexander, hättest Du doch früher angefragt !

Bleibt noch der „Berliner Meridian“.
Mit dem tue ich mich schwer. Dass die Preußische Landesaufnahme sich auf Ferro bezog, finde ich noch hier, letzte Seite, letzter Abatz
http://amtspresse.staatsbibliothek-berlin.de/pdf/116…

Zu den fünf Ortszeiten in Deutschlan hier etwas
http://amtspresse.staatsbibliothek-berlin.de/pdf/116…
Mir war der Begriff „Stargarder Meridian“ bzw. „Stargarder Zeit“ neu.
„Görlitzer Zeit“ oder „Görlitz Time“ für mitteleuropäische Zeit hatte ich schonmal gehört.

Bis dann
Roland

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Hallo,

Tabellen-Zwischenstand zum „Berliner Nullmeridian“:

Pro : 2,5 (Conrad, Peter?, Brockhaus)
Perplex : 2 (Ich und Kollege)
Contra : 3 Kollegen
Unwissend : Hunderte

Grüße Roland

Hallo Roland,

Tabellen-Zwischenstand zum „Berliner Nullmeridian“:

Pro : 2,5 (Conrad, Peter?, Brockhaus)
Perplex : 2 (Ich und Kollege)
Contra : 3 Kollegen
Unwissend : Hunderte + 1

Die Bestimmung der Ortszeit ist eine einfache Beobachtung, kürzester Schatten, und hat einen eindeutigen Bezug zur „Himmelsmechanik“.

Die Festlegung eines Nullmeridians ist dagegen eine willkürliche, politische Festlegung :wink:

MfG Peter(TOO)

Hallo Peter,

wie komme ich aus dieser „Ortszeit-Falle“ wieder raus ?
Ich hatte nur gegrübelt: wenn’s keinen Meridian geben sollte, dann wurde Berlin vielleicht wegen seiner Ortszeit im Brockhaus erwähnt ???

Ich hab’ noch versucht, bei Berliner Geodäsie-Koryphäen anzuklopfen … entweder wurde es überhört - oder alle sind noch so vertieft in die Suche nach der Antwort… Who knows :smile:

Meine These/mein Unwissen kann ich noch hiermit stützen
http://wwp.greenwichmeantime.com/info/prime-meridian…

Mei, do hot sogar Minga an eignn Meridian, abba Berlin net - san scho Hund, die Baiern.

Und für Alexander hab’ ich nochwas, Clifford Mugnier
http://www.asprs.org/resources/grids/08-2005-italy.pdf
Aber mit soviel geodätischen Details …

Grüße Roland

Hallo ,

der Berliner Meridian wurmt mich immernoch …

Habe jetzt etwas vom „Berliner Rathaussystem“ gefunden. Die innerstädtische Vermessung Berlins bezog sich anfang vorigen Jahrhunderts auf einen Meridian durchs Rote Rathaus.

Aber das hatte doch wohl keine überregionale Bedeutung ?

Wenn sich nichts Neues ergibt und Alexander sich nicht meldet, lassen wir das Thema langsam im Orkus verschwinden …

Grüße Roland

Hallo ,

der Berliner Meridian wurmt mich immernoch …

wg. der mäßigen Resonanz mehr fürs Archiv

http://ead.nb.admin.ch/web/cats/karten.pdf
S. 37 13°23’44" das ist die 1910/11 abgerissene Rauenberger Sternwarte.
Lt. Berliner Geodäten kein „Nullmeridian“ im eigentlichen Sinne.

Grüße Roland