1. WK gewonnen?

Hallo!

An meiner Schule hatten wir diesen Monat 2 Lehramtsstudenten. In einer großen Pause unterhielten sich die beiden über die globale Situation.
Währenddessen meinte einer der Beiden, dass die Welt ja besser dran wäre, wenn Deutschland den 1. WK gewonnen hätten. Der 2. Praktikant war türkischer Herkunft und pflichtete dem bei und bemerkte, dass das osmanische Reich ja Verbündeter Deutschlands im 1. Wk war.

Mein Kollege und ich haben uns dann etwas verdutzt angeguckt und wir haben uns gefragt ob man da was entgegnen sollte.

Wahrscheinlich wäre uns der 2. WK erspart geblieben und bestimmt auch der Holocaust. Aber ist so eine Stellungnahme in unserer heutigen Gesellschaft „politisch korrekt“?

Gruss

Monarchisten und Industrielle mochten Hitler nicht. Auch der Versailler Vertrag hat den Aufstieg Hitlers begünstigt. Erst durch den wirtschaftlichen Verfall Deutschlands wurde dies möglich. Danach kann es schon möglich sein, was behauptet wird.

Danke für die Antwort.

Dass es möglich wäre, ist mir klar. Meine Frage ist, ob es politisch korrekt ist, nachdem der 2. WK eindeutig von den Deutschen begonnen wurde, dem deutschen Kaiserreich, das weitestgehend undemokratisch war und zu einen erheblichen Teil für den Ausbruch des Krieges verantwortlich war, im nachhinein den Sieg zu wünschen.

Wenn man die Frage so aus irgendwelchen Gründen nicht beantworten kann würde ich mich auch für die Gründe dafür interessieren.

Was genau „politisch korrekt“ ist wäre noch interessant zu klären. Ich würde meinen, dass eine These politisch korrekt ist, wenn sie bei der breiten Mehrheit der Bevölkerung keinen Anstoß erregt (wenn auch nicht unbedingt Zustimmung). An dem Begriff sollte sich die Diskussion aber nicht festbeißen.

Ich bin dankbar für mehr Meinungen.

Gruss

Hallo Peter,

ja, es ist „politisch unkorrekt“, aber eben nur im soziologischen Sinne, ganz sicher nicht juristisch. Das Buch zum Thema heißt „Der falsche Krieg“ von Niall Fergusson, einem der britischen Top-Historiker. Der Schlusssatz war: „… und Hitler hätte als ganz zufriendener Weltkriegsveteran und Postkartenmaler geendet.“ Eine gute Vorstellung!

Zur Sache. Ideal wäre ein Verständigungsfrieden gewesen. Dazu war keine Seite bereit mit Ausnahme Österreich-Ungarns. Der junge Kaiser Karl war auch der einzige der Kriegführenden, der in diese Richtung aktiv wurde.

Sooo schlimm war das Deutsche Reich eigentlich nicht. Dazu muss ich nicht einmal die Oktoberreform 1918 bemühen, die die Demokratie auch de iure einführte („Parlamentarische Monarchie“). Spätestens seit dem 1912er Wahlsieg der SPD und der entsprechenden demokratischen Mehrheit (die spätere „Weimarer Koalition“) war ein Regieren gegen das Parlament de facto unmöglich.

Vor allem aber war das Deutsche Reich von 1871 bis 1933 immer ein Rechtsstaat. Und das ist im Zeifel mehr wert als eine wackelige Demokratie. Ausdruck dieser Geisteshaltung war z.B. die verblüffend kleine Zahl der Hinrichtungen von Deserteueren auf Seiten der Mittelmächte, während die Westdemokratien unvergleichlich mehr Fahenflüchtige an die Wand stellten.

Das als wahre, aber „unkorrekte“ Anregung von
Andreas

2 Like

Hallo!

Danke für die Antwort.

ja, es ist „politisch unkorrekt“, aber eben nur im
soziologischen Sinne, ganz sicher nicht juristisch.

Es ist mir schon klar, dass man für diese These, anders als für eine Holocaustleugnung oder für Nationalsozialistische Volksverhetzung auf die du wahrscheinlich anspielst, nicht juristisch belangt werden kannst.

Inwiefern ist diese These aber soziologisch verwerflich?

Gruss

Hallo Peter,

soziologisch ist unglücklich von mir gewählt. Ich habe einfach einen Gegenbegriff zu juristisch gesucht. Und wer definiert, was „politisch korrekt“ ist? Die Gesellschaft. So war die Gedankenkette zu soziologisch. Alles klar? Im Zeifel streichen, ist eh egal.

Andreas

Hallo Peter,

das Kaiserreich zwar technologisch und sozial auf der Höhe der Zeit, aber politisch ziemlich rückständig. Schau dich mal auf der Welt um, wo es noch Monarchien gibt, in denen der Monarch aktiv politische Verantwortung trägt. Voll entwickelte Staaten sind nicht dabei. OK, Monaco läuft ganz gut. Und Russland ist auch keine klassische Monarchie. :wink:
Früher oder später hätte es revolutionäre Veränderungen gegeben.
Der nächste Krieg hätte mit einem deutschen Kaiserreich auch nicht lange auf sich warten lassen. Ob ein dauerhafter Frieden in Europa ohne die Europäische Union möglich gewesen wäre, ist die Frage.

Das osmanische Reich war im Niedergang begriffen. Da gab es nichts zu gewinnen. Kemal Atatürk hat diesen Niedergang erst gestoppt, in dem er im verbliebenen Kernland einen modernen Staat gegründet hat.

Gruß
Carlos

Könnte tatsächlich so sein. Das werden wir aber niemals wissen. Was wir aber sicher sagen können, ist, das die zwanziger, dreissiger etc Jahre nicht ohne Begebenheiten verlaufen wären. Wenn Deutschland den 1WK gewonnen hätten - wann? 1918? Dann waren die Kommunisten in Russland schon bei der Macht. Was hätten die getan? Wenn Deutschland Frankreich niedergekämpft hätte - französische Rache um 1940? - Solche Fragestellungen nennt man hypothetische Geschichte. Leider können wir mit der Geschichte experimentieren, können dieselbe Geschichtsepoche lass mal sagen dreissig mal unter verschiedenen Bedingungen sich wiederspielen lassen und sehen, wie sich das auswirkt.

Hallo erstmal

Könnte tatsächlich so sein. Das werden wir aber niemals
wissen.

Danke. Aber das wollte ich primär gar nicht wissen. Ob es nicht „pc“ ist sich einen anderen Verlauf der Geschichte zu wünschen, war meine Frage.

Gruss

Oder wäre das Forum Philosophie für diese Frage geeigneter?

Hallo allerseits,

ich denke, folgendes Szenario ist durchaus realistisch:
Österreich -Ungarn bekommt mit Karl einen relativ schwachen Kaiser. Der kann es nicht verhindern, dass Unruhen in seinem Vielvölkerstaat aufflammen wegen der deutschen und der ungarischen Vormachtstellung. Zuerst werden die Tschechen revoltieren, daraufhin wird eine Dreifach Monarchie gegründet. Sozusagen, eine K.K.K. Monarchie. Das ruft die Serben auf den Plan (Serbien ist dann ja besiegt und besetzt), die sich als Schutzmacht der südlichen Slawen aufspielen.
Spätestens dann ist nur noch eine lockere Staatengemeinschaft nach dem Vorbild des Commonwealth möglich.
Der nächste Schritt wäre dann die Unabhängigkeit aller Völker. Das hatte auch Franz Ferdinand erkannt und wollte es verhindern, was ihm das Attentat in Sarajevo eingebrockt hat.
Ich gebe der K.K. Monarchie auch nach einem gewonnenen Krieg nicht viel Überlebenschancen.
Das Deutsche Reich wäre da stabiler. Aber da war die Sozialdemokratie recht stark, während der Kaiser immer schwächer wurde. Auch hier wären Unruhen wahrscheinlich.
Denke aber auch, AH und der 2.WK wären dann nicht gekommen. Es sei denn, er wäre von Frankreich ausgegangen. Mit einem neuen Napoleon oder einem französischen AH.
Alles nur Spekulation…
cu
whisper

„Politisch korrekt“ ist sicherlich nicht das, was die Mehrheit der Bevölkerung für „wahr“ hält oder als „richtig“ erkannt zu haben meint, sondern was den gegenwärtigen politischen Strömungen in der Politik selbst nicht „in die Quere“ läuft (Womit ich der Politischen Elite unterstelle, nicht im Sinne und zum Wohle des Volkes zu handeln). Also eine Art selbstauferlegte Gedankenzensur - demnach braucht man sich als halbwegs rational begabter Mensch von vorn herein eigentlich keine Gedanken über PC zu machen, da dies ein Instrument ist, kritische Gedanken und Ideen von vorn herein auszuschließen - 1984 lässt grüßen!

Nun, einem monarchistischen, von antidemokratischen Eliten geprägten System den Sieg im ersten Weltkrieg zu wünschen ist natürlich politisch unkorrekt. Auf der anderen Seite wissen wir was passiert ist, nachdem DEutschland den Krieg verloren hat. Daher hätte ein deutscher Sieg im 1. Weltkrieg nur in einem „besseren“ Verlauf der Geschichte resultieren können.

Denn es waren eben nicht nur die Ultranationalsitischen Eliten, die die OPlitik bestimmten, sondern ein durchaus nicht zu unterschätzender Teil der Politiker vertrat durchaus liberale Ansichten - was die Friedensresolution des deutschen Reichstages von 1917 beweist (inhaltlich übrigens ähnlich den 14 Punkten Wilsons).

Die Frage, ob ein dauerhafter Europäischer Frieden ohne EU etc. überhaupt möglich sei… Nun, es gibt zwei Antworten: Die erste - die politisch korrekte - lautet: Nein, natürlich nicht! Die zweite lautet naturgemäß, dass eine Friedensordnung ohne EU usw. durchaus möglich ist, sofern es sich um ein System handelt, in dem das Machtgleichgewicht zwischen den einzelnen Akteuren erhalten bleibt.
Solch ein System gab es auch schon mal und im großen und ganzen hat es fast 100 Jahre funktioniert - so alt muss die aktuelle Ordnung erst mal werden.

Hallo.

Danke für den Versuch. Hast dir wahrscheinlich die anderen Antworten und meine Kommentare nicht durchgelesen. Schade.

Gruss

Hallo Peter,
also ich glaube, dass die Bundeskanzelerin arge Probleme bekäme, würde sie soetwas sagen. Sie hätte zwar nicht das größte Tabu des Nachkriegsdeutschlands gebrochen (welches darin besteht, irgend welche Zweifel aufkommen zu lassen, man sei kein entschiedener Bekämpfer von jeder Form Antiseminismus und Nazismus), aber in Deutschland ist es eben seit 45 politisch korrekt, sich nicht über gewonnene Kriege zu freuen sondern Krieg in jeder Form abzulehnen.

Es kann sein, das sich das Bewusstsein in Deutschland zur Zeit ändert!

Nebenbei: Die Bemerkung des Kollegen ist einfach unsinnig. Niemand kann niemand sagen, wie Geschichte sonst verlaufen wäre!
Gruß!
Karl

Denn es waren eben nicht nur die Ultranationalsitischen
Eliten, die die OPlitik bestimmten, sondern ein durchaus nicht
zu unterschätzender Teil der Politiker vertrat durchaus
liberale Ansichten - was die Friedensresolution des deutschen
Reichstages von 1917 beweist (inhaltlich übrigens ähnlich den
14 Punkten Wilsons).

So abwegig diese ‚was wäre gewesen wenn‘-Fragestellung ist, noch abwegiger ist die These, ein militärischer Sieg der Mittelmächte hätte zu einem Frieden im Sinne von Wilsons 14-Punkte-Plan geführt. Allein Punkt 8 - „Rückgabe“ von Elsass-Lothringen mit seiner über 88% deutschsprachigen Bevölkerung wäre undenkbar gewesen. Auch Scheidemanns „Frieden der Verständigung“ wäre nur bei einer beiderseitigen totalen Erschöpfung eine Option gewesen, nicht aber bei einem Sieg der Mittelmächte. Die Folge wäre unausweichlich der „Deutsche Friede“ (ich hatte ihn unten im ‚Versailles‘-Thread kurz umrissen) gewesen. Dass das wiederum keine Spekulation ist, zeigen die Friedensverträge von Brest-Litowsk und der (freilich etwas mildere) von Bukarest.

Ein Sieg der Mittelmächte hätte zu einem ‚Versaillles‘ mit umgekehrten Vorzeichen geführt. Und unausweichlich nach einer Erholungspause zum Revanchekrieg. „Am deutschen Wesen mag die Welt genesen“ - das wäre mit Sicherheit nicht die Folge gewesen.

Freundliche Grüße,
Ralf

Hallo,

nicht zur Sprache kommt hier bisland die große Weltwirtschaftskrise, die viele Deutsche in die Armut und Arbeitslosigkeit trieb.
Viele dieser Unzufriedenen wurden zu NSDAP-Wählern und wären es auch nach einem gewonnenen 1.WK geworden.
Der Staat hätte, wegen fehlender Reparationszahlungen die Krise besser auffangen können, aber doch nicht verhindern.
Ob durch einen gewonnenen 1.WK etwas verhindert hätte werden können ist somit höchst hypothetisch.

Gruß
Lawrence

Ob etwas politisch korrekt ist oder nicht, hängt auch immer davon ab, wer das wann und wo von sich gibt. Ob man in diesem Fall von einem politischen Standpunkt ausgehen kann, halte ich für fraglich. Man kann solche Fragen auch in Geschichte Was wäre heute, wenn damals … als hypothetische Frage stellen.
Es ist POLTISCH NICHT KORREKT, wenn diese Thesen dann in Verherrlichungen und Hass von Völkern, Staaten, Parteien und Menschen ausarten.
Solange man solche Szenarien nur hypothetisch und nicht als ,Schade, dass es anders kam… durchgeht, ist das nicht verwerflich.
Gruß
Michael