Hallo liebe Experten,
ich habe gerade meine 15-1/2-jährige Nichte zu Besuch.
Sie ist frei aller pubertären Tendenzen (super in der Schule, raucht nicht, trinkt nicht, hat keinen Freund, zieht nicht um die Häuser etc. und ist zudem für ihr Alter sehr reflektiert) - also richtig schrecklich brav und wohl erzogen.
Ich (und meine Schwester, sprich ihre Mutter) bin zwar auch relativ „streng“ erzogen worden bezüglich „bitte“, „danke“, „fragen, wenn man etwas möchte“ etc., aber bei ihr geht mir das schon zu weit. Sie äußert einfach keine Wünsche, hat selten eine eigene Meinung.
Fragt man sie: „Möchtest Du etwas trinken/essen?“, kommt meistens ein „Ich weiß nicht“ oder ein „Nein, danke!“ - und das, obwohl (wie sich dann rausstellt), sie sehr wohl Durst/Hunger hat.
Ihr 17-jähriger Bruder ist auch hier. Da die beiden vorgestern joggen waren, aber nicht das entsprechende Schuhwerk besitzen, habe ich beiden versprochen, ihnen am Mittwoch vernünftige Laufschuhe zu kaufen. Im Fachgeschäft hat der Verkäufer meiner Nichte viele Fragen gestellt (wie häufig sie laufe etc.) - am Ende ist rausgekommen, dass sich für sie keine Laufschuhe „lohnen“. Auf meine Frage, was sie denn an Stelle dessen wolle, kam gar nichts - außer „Ich brauche nichts!“. Keine Klamotten, keine PC-Spiele, keine Bücher…sie wollte noch nicht einmal das Geld annehmen, bei dem ich meinte, sie könne es doch für ihre Ausbildung sparen.
Ich finde es so schade und frage mich, was man hier machen könnte, um sie dazu zu bringen, etwas mehr das zu äußern, was sie möchte.
Habt Ihr Ideen?
Zu ihrem familiären Hintergrund: Ihr Vater ist Pastor, die Mutter die Super-Hausfrau/-Mutter, sie hat zwei ältere Brüder, sie wirkt schon seit geraumer Zeit in der Theater-AG mit und nimmt Gesangsunterricht. Die beiden Aktivitäten finde ich in ihrem Fall klasse, da sie so aus sich „herauskommen“ kann. Es ist auch nicht so, dass sie grundsätzlich als „schüchtern“ zu bezeichnen ist. Ich muss dazu erwähnen, dass in ihrer Familie das „Friede-Freude-Eierkuchen“-Prinzip herrscht - es gibt keinen Streit, keine Auseinandersetzung, es wird geschmollt und geschwiegen, wenn etwas „unharmonisch“ war. Vorgestern Abend hat sie mir unter Tränen (!) erzählt, wie es sie verletzt hat und sie immer noch ein schlechtes Gewissen (!) hat, dass ihr Vater mit ihr geschmollt hat. Der Grund: Sie waren zusammen Klamotten kaufen und sie hat sich gegen seinen Vorschlag entschieden. Oh je…wenn hier schon ihre Meinung so „belohnt“ wird…
Mir ist bewusst, dass mein Einfluss nur ein geringer ist (dazu sehen wir uns auch zu selten), aber ich würde mir so sehr wünschen, dass das Mädel mal mehr ihre Meinung äußert.
Über Eure Erfahrungen und Anregungen freue ich mich!
Viele Grüße
Kathleen